Titel: | Kraftmaschinen.Neuerungen an Dampfmaschinen. |
Fundstelle: | Band 307, Jahrgang 1898, S. 121 |
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Kraftmaschinen.Neuerungen an Dampfmaschinen.
(Fortsetzung des Berichtes S. 97 d.
Bd.)
Mit Abbildungen.
Neuerungen an Dampfmaschinen.
Umsteuerungen.
Um Erschütterungen an umsteuerbaren Dampfmaschinen, die mit veränderlichen
Geschwindigkeiten und Belastungen arbeiten – Dampfwinden u. dgl. –, zu beseitigen,
schlägt Willis Durwood Sherman in Brooklyn
(Nordamerika) die Anordnung eines selbsthätigen Dampfpolsters vor dem Kolben vor,
welches, je nachdem die Geschwindigkeit der Maschine zu- oder abnimmt, früher oder
später zu wirken beginnt. Diese Aenderung wird von der Grösse der Voreilung des
Hauptschiebers abhängig gemacht.
Textabbildung Bd. 307, S. 121
Zwillingsdampfmaschine von Sherman.
Die Cylinder der Fig. 50
und 51 ersichtlichen
Zwillingsdampfmaschine mit zwei um 90° gegenseitig versetzten Kurbeln sind mit a, ihre Kolben mit b und
die anschliessenden Lenkstangen mit c bezeichnet. In
dem Schieberkasten d bewegt sich der Hauptschieber e, der mittels Stange f
von einem Excenter der Kurbelwelle h bethätigt wird.
Das Excenter ist auf der Welle lose drehbar und trägt einen seitlichen Ansatz mit
Zähnen, die mit solchen auf den inneren Enden der mit einer auf der Welle h befestigten Scheibe i
gelenkig verbundenen Gewichtshebel l1l2 in Eingriff stehen. Die Arme n1n2 dieser Hebel sind
mit Stangen verbunden, die durch Kloben der Scheibe i
hindurchtreten und behufs genauer Einstellung an ihren inneren Enden mit Gewinde
versehen sind, über welches eine Muffe greift. Durch diese Einrichtung lässt sich
auch die Spannung der zwischen Scheiben auf den genannten Stangen liegenden
Schrauben federn verändern.
Bewegt sich die Dampfmaschine in Richtung des Fig. 50 ersichtlichen
Pfeiles, so erleiden die Hebel l1l1 in Folge des Beharrungsvermögens ihrer Gewichte
eine Drehung, womit durch Verstellung des Excenters eine Vergrösserung der Voreilung
des Hauptschiebers e verbunden ist. Es entsteht ein
Dampfpolster vor dem Kolben b, welches die am Ende des
Kolbenhubes auftretenden Erschütterungen beseitigt. Je grösser die Geschwindigkeit
der Dampfmaschine ist, um so grösser wird das Bestreben der Schwunggewichte der
Hebel l1l2 sein, hinter der
Welle h zurückzubleiben, um so grösser aber auch, in
Folge der wachsenden Voreilung des Schiebers, der Theil des Kolbenhubes ausfallen,
auf welchem das Dampfpolster zur Wirkung kommt.
Zur Umsteuerung der Maschine ist ein Schieber s
angeordnet, der mit einem Hebel s2 in Verbindung steht. An diesen greift eine Stange
x an, über welche, um den Schieber in die
Mittellage hineinzudrängen, eine Feder x1 gelegt ist. In der Mittellage des Schiebers sind
die Kanäle t2t3 des Cylinders a geschlossen und es wird auf jeder Seite des Kolbens
b ein Dampfpolster gebildet. Der Schieber s hat noch einen axialen Kanal s1, der mit dem Auslasskanal t1 und je nach der
Stellung des Hauptschiebers e mit den Kanälen t2t3t4 in Verbindung steht.
Dabei ist vorausgesetzt, dass der Kanal t4 eine Abzweigung des Kanales t1 bildet.
Wird durch eine Verschiebung des Schiebers s nach rechts
der Kanal t2 geöffnet,
ferner der Kanal t2 mit
der ringförmigen Ausdrehung t in Verbindung gebracht,
so gelangt der durch das Rohr w zuströmende Dampf durch
den Kanal b3 auf die
rechte Seite des Cylinders a und bewegt den Kolben b nach links. Soll die Maschine gebremst werden, so
lässt der betreffende Arbeiter den Hebel s2 einfach los; derselbe kehrt dann unter Einwirkung
der Feder x1 mitsammt
dem Schieber s in die Mittellage zurück. Durch den
Schieber s werden die Kanäle t2t3 abgeschlossen, und da sich auf jeder Kolbenseite
ein Dampfpolster bildet, wird die Maschine in kurzer Zeit zum Stillstande kommen. Um
die Maschine umzusteuern, ist der Schieber nach links zu bewegen. Der Dampf strömt
dann durch den Kanal t3
in die Austrittsöffnung e3 des Schiebers e, sowie durch den Kanal b2 auf die linke Seite
des Cylinders a und bewegt den Kolben b nach rechts.
Bei einer anderen Ausführungsform haben die Gewichtshebel zwei zu einander parallele
Flächen und legen sich derart gegen zwei Paare von Blattfedern, dass sie bei
stillgesetzter Maschine in ihre Mittellage gebracht werden.
Bei Walzwerkumsteuermaschinen, die bekanntlich ohne Schwungmassen arbeiten, ist es
nothwendig, langsam mit Leergangleistung anlaufen lassen und auch sofort mit voller
Leistung anfahren zu können. Der Verwendung von Verbundmaschinen steht im
Allgemeinen entgegen, dass die Maschine, in Folge der Aufnehmerspannung bei
geschlossenem Einlassventil noch einige Umdrehungen ausführt, wobei der Aufnehmer
von Dampf entleert wird. Es kann deshalb nach dem Oeffnen des Einlassventiles wohl
langsam mit Leerlaufleistung angefahren, die volle Leistung der Maschine aber erst
erreicht werden, wenn der Aufnehmer wieder gefüllt ist. Die Verbundmaschine hat
sonach den Nachtheil, dass bei dem häufigen Umsteuern grössere Dampfmengen wegen der
Aufnehmerwirkung verloren gehen, ausserdem erfordert die Wiederfüllung des
Aufnehmers unter Umständen eine besondere Handlung des ohnehin genügend in Anspruch
genommenen Maschinisten.
Textabbildung Bd. 307, S. 122
Umsteuerungsvorrichtung von Roy.
Wollte man die Maschine durch Legen des Umsteuerhebels auf seine Mittellage
stillsetzen, so ginge zwar der Aufnehmerdampf nicht verloren, es wäre aber bei dem
Fehlen jeglicher Schwungmassen nicht möglich, mit Leerlaufarbeit ruhig anzufahren,
da beim Umsteuern der volle Aufnehmerdruck in den grossen Cylinder träte.
Um die genannten Uebelstände zu beseitigen, bringt C.
Kiesselbach in Rath bei Düsseldorf zwischen Aufnehmer und dem einen oder
mehreren grossen Cylindern eine oder mehrere mit dem Einlassventile der Maschine
durch Hebel und Stangen gekuppelte Absperrvorrichtungen an. Schliesst man den
Frischdampf ab, so wird auch der Aufnehmer nach dem grossen Cylinder hin
abgeschlossen, und lässt man den Frischdampf ein, so wird auch der Aufnehmer
geöffnet. Der grosse Cylinder kann hiernach ebenso gesteuert werden wie der kleine.
Beim Anlassen mit Leerlauf wird der Aufnehmerdampf nach dem grossen Cylinder hin
gedrosselt, beim Anlassen mit voller Leistung der Aufnehmerdampf mit seinem vollen
Druck im grossen Cylinder sofort zur Wirkung gebracht, ohne dass der Maschinist die
geringste besondere Thätigkeit zu entfalten hat.
Textabbildung Bd. 307, S. 122
Umsteuerung von Musmann.
Eine andere Ausführungsform der unter D. R. P. Nr. 91422 geschützten Vorrichtung ist
dadurch gekennzeichnet, dass beim Anlassen der Maschine das Aufnehmerventil schneller als das
Frischdampfventil geöffnet und bei weiterer Oeffnung des letzteren offen gehalten
wird, so dass der Hochdruckcylinder mit gedrosseltem Frischdampf, der
Niederdruckcylinder mit ungedrosseltem Aufnehmerdampf arbeitet.
Eine Umsteuerungsvorrichtung von David W. Roy in Tucson
(Arizona Territory), die an jeder ausgeführten Maschine anzubringen ist, beschreibt
Scientific American vom 4. September 1897 S.
148.
Das mit dem Umsteuerungsorgan und entsprechenden Verbindungskanälen versehene Gehäuse
ist, wie Fig. 52 und
53 erkennen lassen,
zwischen Cylinder und dessen Schieberkasten gesetzt, kann aber bei neuen Maschinen
mit dem Cylinder aus einem Stück gegossen werden. Das eine Ende des Cylinders steht
mit zwei Kanälen des Umsteuerungsgehäuses, das andere Cylinderende mit zwei anderen
Kanälen dieses Gehäuses in Verbindung, die in der Bohrung des Umsteuerungsorganes –
eines mit Handhebel versehenen Hahnes – ausmünden. Die Oeffnungen des Steuerhahnes
sind entgegengesetzt zu einander und zu je zwei in verschiedenen senkrechten Ebenen
angeordnet. Jedes Paar Oeffnungen steht mit entsprechenden, auf der Gleitfläche des
Hauptschiebers ausmündenden Kanälen in Verbindung, zwischen denen der Ausströmkanal
liegt. Der Hauptschieber wird in der gewöhnlichen Weise von einem Excenter der
Kurbelwelle bewegt. Je nach Stellung des Umsteuerhahnes bewegt sich die Maschine in
dem einen oder anderen Sinne bezieh. kommt dieselbe zum Stillstande, wenn der Hahn
in der Mittelstellung liegt, in welcher die Zuströmung frischen Dampfes in den
Cylinder abgeschnitten ist.
Albert Musmann in Berlin wurde im Deutschen Reiche unter
Nr. 90294 eine Umsteuerung für Dampfmaschinen patentirt.
Unter Voraussetzung einer mehrstufigen Dampfmaschine sei a (Fig. 54)
die Steuerwelle derselben, auf welcher die Excenter für die Dampfvertheilung
festgekeilt sind. Der Antrieb dieser Welle erfolgt durch das Zahnrad b, welches jedoch mit derselben nicht fest verbunden
ist, sondern die Welle mitnimmt, wenn sich die Klauen b1b2 (Fig. 55) ihrer Nabe
gegen die Klauen a1a2 eines ringförmigen
Wulstes der Welle a legen. Letztere kann sich um einen
Winkel von 180° – 2 δ gegen das Rad verdrehen. Diese
Verdrehung wird mittels eines Doppelgetriebes ausgeführt, welches einerseits durch
eine Längsriffelung c der Nabe des Zahnrades,
andererseits durch ein Schraubenrad d mit gleicher
Querschnittsform gebildet wird, welches auf der Welle a
festgekeilt und dessen verlängerte Nabe d1, um den axialen Druck des Schraubenrades d aufzunehmen, als Ringzapfen ausgebildet ist. Beide
Getriebe c und d werden
von einer Hülse e umschlossen, deren Bohrung zu drei
Kammern ausgebildet ist. Die beiden äusseren Kammern sind mit Weissmetall
ausgefüttert und dadurch den Formen der Getriebe c und
d angepasst, während die mittlere Kammer den
Abstand bildet, welchen die äusseren Kammern von einander haben müssen, um den
Ausschub der Hülse e längs der Achse a zu ermöglichen.
Der Umfang der Hülse e ist in der Mitte zu einem
Ringzapfen ausgebildet, der von der Schelle f
umschlossen wird. Dieselbe trägt seitliche Zapfen, an welche ein Doppelhebel g angreift. Wird der Hebel umgelegt, so bewegt er
die Hülse e axial zur Welle a, wobei sie längs des Getriebes c gleitet und, da das Zahnrad b feststeht, das Schraubenrad d, sowie die
Welle a verdreht. Die Grösse der Verdrehung ist
entsprechend dem zulässigen Ausschlage zwischen den Klauen b1b2 und a1a2, d.h. 180° – 2 δ.
Für grosse Maschinen, bei denen die Umsteuerung von Hand unmöglich ist, wird der
Hebel g mit dem Kolben eines Treibcylinders h gekuppelt, dessen Steuerung in irgend einer Weise
erfolgen kann.
Zur Regulirung der Maschine und für Nothfälle dient das Schraubenrad i, welches von dem Schneckenrade k aus durch eine Handkurbel bewegt wird.
Bei eincylindrigen Maschinen kann die Steuerwelle a die
Kurbelwelle selbst sein. Das Zahnrad b kommt dann in
Fortfall und an die Stelle desselben tritt das Steuerexcenter.
(Schluss folgt.)