Titel: | Glasindustrie.Zur Technologie des Glases. |
Fundstelle: | Band 307, Jahrgang 1898, S. 164 |
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Glasindustrie.Zur
Technologie des Glases.
(Fortsetzung des Berichtes S. 141 d.
Bd.)
Mit Abbildungen.
Zur Technologie des Glases.
Ueber thermische Widerstandscoëfficienten verschiedener
Gläser in ihrer Abhängigkeit von der chemischen Zusammensetzung von A. Winkelmann und O.
Schott in Jena (Wied. Annalen, 1894 N. F. Bd.
51 S. 730 bis 746).
Die Frage, von welchen Eigenschaften eines Glases seine Widerstandskraft gegen
plötzliche Temperaturänderungen bedingt wird, hat für die Technik grosse Bedeutung
und ist in vorliegender Arbeit zum ersten Mal wissenschaftlich behandelt worden.
Textabbildung Bd. 307, S. 164
Fig. 1.(S. Seite 141.) Apparat zur Bestimmung der Zugfestigkeit.
Bei Temperaturänderungen treten sowohl Zug- als auch Druckspannungen auf; beim
Springen eines Glases durch Abkühlung oder Erwärmung kommen jedoch nur erstere wegen
der weit geringeren Zugfestigkeit des Glases gegenüber der Druckfestigkeit in
Betracht.
Die Verfasser betrachten den Fall, dass ein Glas den halben unendlichen Raum
ausfülle, seiner ganzen Ausdehnung nach die Temperatur 0° C. habe und seine ebene
Begrenzungsfläche plötzlich zur Zeit 0 auf die Temperatur ϑ0 (wo ϑ0 negativ ist) abgekühlt und auf dieser Temperatur
erhalten werde. Nach einer Ableitung, deren Wiedergabe hier zu weit führen
würde, gelangen die Verfasser zu der Formel:
\frac{P}{p}=\frac{1}{B}\,\frac{P\,\sqrt{x}}{E\,.\,\alpha\,\sqrt{s\,.\,c}}=\frac{1}{B}\,.\,F.
In dieser Formel bedeuten:
F den thermischen
Widerstandscoëfficienten,
B eine Constante, die von der
Natur des Glases unabhängig ist,
P die Zugfestigkeit,
p die Zugspannung in der
äussersten Schicht, bezogen auf die Einheit des Querschnittes,
E den
Elasticitätscoëfficienten,
x die
Wärmeleitungsfähigkeit,
α den thermischen
Ausdehnungscoëfficienten,
c die specifische Wärme,
s das specifische Gewicht.
Je grösser F ist, um so grössere Temperaturdifferenzen
P werden ertragen, ehe das Glas springt. \frac{P}{p}
muss grösser als 1 bleiben, damit keine Zertrümmerung eintritt. Die maassgebenden
Erscheinungen beim Bruch durch Abkühlung spielen sich im Wesentlichen in der
äusseren Begrenzungsfläche und in der dieser zu allernächst liegenden Schicht ab;
dies gilt jedoch nur für die angenommene einfache Begrenzung.
Die hier in Betracht kommenden Grössen sind für eine Reihe von Gläsern schon
bestimmt, können auch berechnet werden (vgl. die vorher besprochenen Arbeiten von
Winkelmann 1893 289 254,
ferner Schott 1893 289
257).
Das specifische Gewicht wurde bei Zimmertemperatur bestimmt und auf Wasser von 4° als
Einheit bezogen. Setzt man voraus, dass das Glas aus einer Mischung der
Bestandtheile, die keine Volumenänderung erfahren, zusammengesetzt ist, so wird das
specifische Gewicht s des Glases:
s=\frac{100}{\frac{a_1}{z_1}+\frac{a_2}{z_2}+\frac{a_3}{z_3}+.\ .\ .},
wo z1, z2, z3 das specifische
Gewicht der Bestandtheile bedeutet, a1, a2, a3 aber den Procentgehalt derselben im Glase. Für die
Grössen von z werden die berechneten Werthe unter A
eingesetzt:
A
B
PbO
9,6
9,32
BaO
7,0
5,00
ZnO
5,9
5,65
Al2O3
4,1
3,85
As2O5
4,1
4,09
MgO
3,8
3,40
CaO
3,3
3,15
K2O
2,8
2,66
Na2O
2,6
2,38
P2O5
2,55
2,38
SiO2
2,3
2,17
B2O3
1,9
1,46
Unter B finden sich die direct beobachteten specifischen Gewichte der Bestandtheile.
Wie man sieht, sind die letzteren kleiner als die ersteren, und daraus geht hervor,
dass durch Vereinigung der Bestandtheile zu einem Glase eine Volumverminderung
eintritt.
In der nebenstehenden Tabelle ist in der letzten Verticalspalte der thermische
Widerstandscoëfficient F berechnet. Da in der Rechnung
der cubische Ausdehnungscoëfficient benutzt wurde, so sind in der folgenden Tabelle die
Werthe von \frac{F}{3} angeführt. Die mit einem * bezeichneten Werthe sind berechnet,
nicht beobachtet.
Tabelle XI.
Textabbildung Bd. 307, S. 165
Fortlaufende Nr.; Chemische
Zusammensetzung; Zugfestigkeit in k/qmm; Elasticitätscoëfficient in k/qmm;
Cubischer Ausdehnungscoëfficient; Leitungsfähigkeit; Specifische Wärme;
Specifisches Gewicht; Thermischer Widerstandscoëfficient
Wie aus der letzten Verticalspalte hervorgeht, zeigen die thermischen
Widerstandscoëfficienten beträchtliche Unterschiede.
Der grösste Werth (4,84 für Nr. 37) ist mehr als viermal so gross wie der kleinste
(1,17 für Nr. 20). Das Glas Nr. 20, ein schweres Bleisilicat, weist unter allen
Gläsern den kleinsten Werth für den Quotienten \frac{P}{E} auf; es hat ferner die
kleinste Leitfähigkeit und einen grossen Ausdehnungscoëfficienten; durch das
Zusammentreffen dieser Umstände wird der kleine Werth bedingt.
Zur Prüfung der in der Tabelle berechneten thermischen Widerstandscoëfficienten
wurden Würfel von 1 und 2 cm Seitenlänge auf eine constante Temperatur erwärmt und
plötzlich in kaltes Wasser getaucht, um zu erfahren, welche
Maximaltemperaturdifferenz dieselben ertragen, ohne zu zerspringen.
In der folgenden Tabelle ist eine Zusammenstellung
Tabelle XII.
NummerderGläser
Widerstands-coëfficient . ⅓= F . ⅓
Maximale Temperaturdifferenz,die
ertragen wurde von Würfeln
mit 2 cm Seite
mit 1 cm Seite
21
4,10
110,5°
148,0°
34
4,06
–
148,0
19
3,56
95,5
–
22
3,45
84,7
103,5
25
3,23
78,5
103,5
23
2,79
70,9
90,5
31
2,51
32,0
50,5
24
2,49
66,2
98,5
28
2,32
77,8
88,4
26
2,14
69,8
88,5
33
1,96
65,8
87,0
27
1,49
–
62,7
20
1,17
52,8
61,9
der Beobachtungen gegeben. Die Gläser sind nach der
Grösse der in der Tabelle XI berechneten Widerstandscoëfficienten geordnet, soweit
Versuche mit ihnen angestellt wurden. Die Beobachtungen beziehen sich auf Würfel von
2 cm und von 1 cm Seite, die getrennt von einander aufgeführt sind.
Vergleicht man die Zahlenwerthe der beiden letzten Columnen mit einander, so findet
man allgemein, dass die Würfel von 1 cm Seite eine höhere Temperaturdifferenz
ertrugen, als die entsprechenden Würfel von 2 cm Seite. Es steht dieses Resultat mit
der bekannten Erfahrung im Einklänge, dass ein Glas um so besser plötzliche
Temperaturdifferenzen aushält, je dünner es ist.
Abgesehen vom Glase Nr. 31, zeigen die übrigen Gläser eine mit der Rechnung genügende
Uebereinstimmung.
Dass die Gläser plötzliche Erwärmungen viel besser vertragen, als plötzliche
Abkühlungen, wurde durch einen Versuch mit Glas Nr. 20 nachgewiesen. Ein Würfel
dieses Glases von 2 cm Seitenlänge (von Zimmertemperatur) wurde in siedendes
Glycerin eingetaucht und dann in geschmolzenes Zinn von 480° C. und sprang in keinem
Falle, während der gleiche Würfel eine Abkühlung von 52,8° nicht mehr auszuhalten
vermag.
Der feurige Fluss und die Silicate von Prof. F. Knapp Naturwissenschaftliche Rundschau; Sprechsaal,
1895 S. 466 und 494). Ein sehr lesenswerther Artikel aus der Feder des berühmten
Technologen, in welchem die mächtige Kraft feuerflüssiger Silicate als Lösungsmittel
für Salze, Metalloxyde und Metalle selbst an der Hand von zahlreichen Beispielen
erörtert wird, eine Eigenschaft der Silicate, welcher man nach Ansicht des
Verfassers häufig nicht genügend Rechnung getragen hat.
Da man zur Zeit keine sicheren Methoden zur Scheidung des Gelösten vom chemisch
Gebundenen hat, so ist, nach Knapp, das Aufstellen
chemischer Formeln als Ausdruck der Constitution des Glases immer misslich.
Ueber die Beurtheilung von Glasgefässen zu chemischemGebrauche von Dr. F.
Förster (Zeitschrift für Instrumentenkunde,
Bd. 13 S. 457). Verfasser macht zunächst darauf aufmerksam, dass die Wirkung von
Wasser auf Glas auf die freiwerdenden Alkalien zurückzuführen ist. Er fasst die
Lösung von Glas und insbesondere von Wasserglas in Wasser nicht als eigentliche
Lösung, sondern vielmehr als Quellungsvorgang auf, bei
welchem der Unterschied zwischen der festen Substanz und der schliesslichen Lösung
durch eine stetige Reihe von Uebergangsformen (gequollenem, wasserhaltigem Glase)
überbrückt wird.
Die Menge der SiO2, die von dem Wasser bei
gewöhnlicher Temperatur aus dem Glase aufgenommen wird, ist verschwindend, bei 100°
C. wird Alkali und Kieselsäure in nahezu gleichen Mengen aufgenommen, bei höheren
Temperaturen noch mehr, jedoch immer nicht so viel, als dem Verhältnisse SiO2 : Na2O, (K2O) im Glase entsprechen würde. Zurück bleibt eine
Schicht von Calciumsilicat. Der Kalkgehalt spielt demnach bei der Verwendung von
Glas zu Wasserstandsröhren eine grosse Rolle. Die kalkreicheren Fenstergläser
übertreffen an Widerstandsfähigkeit die kieselsäurereicheren härteren böhmischen
Verbrennungsröhren, beide jedoch werden durch das Jenaer Thermometerglas 59III, welches den inneren Theil der
Verbundglaswasserstandsröhren bildet, bedeutend übertroffen.
Eine 1/1000-Normalalkalilösung greift Glas nicht merklich stärker an als Wasser.
Doppelt normale Alkalilösung löst Kalk-Alkaligläser als solche auf. Grössere
Vermehrung des Alkaligehaltes steigert nicht merklich die Wirkung solcher Lösungen
auf Glas; concentrirte Alkalilösungen lösen weniger Glas auf als verdünntere.
Die Natronlauge greift das Glas am stärksten an, daran schliessen sich die Kalilauge,
das Ammoniak und das Barytwasser.
Alkalicarbonate erhöhen beträchtlich die Angreifbarkeit des Glases durch Wasser. Die
verschiedenen Gläser zeigen jedoch gegen Carbonatlösungen ein anderes Verhalten als
gegen Wasser. Die Bildung von Calciumcarbonat durch doppelte Umsetzung aus dem
Silicat kommt hier als wesentlich in Betracht.
Die Wirkung von Säuren auf Glas wurde durch
Gewichtsabnahme von Glaskolben, welche durch 6 Stunden, mit verschiedenen Säuren
gefüllt, auf 100° C. erhitzt worden waren, festgestellt.
Dabei stellte sich heraus, dass ein und dasselbe Glas stets die gleiche Gewichtsmenge
verlor, gleichgültig, ob es mit Schwefelsäure, Salzsäure, Salpetersäure oder
Essigsäure behandelt worden war, und gleichgültig, ob die Säure 1/1000-normal, ob
sie normal oder 10fach-normal war. Nur die sehr concentrirten Säuren zeigten einen
geringeren Angriff auf Glas, keine Säure jedoch greift das Glas so stark an, als
reines Wasser.
Auch bei höheren Temperaturen (260 bis 270° C.) zeigten die Säuren dasselbe Verhalten
gegen Glas.
Dieses Verhalten der Säuren ist offenbar auf ihre neutralisirende Wirkung gegen das
aus dem Glase gelöste Alkali zurückzuführen.
Interessant ist der Vergleich des Verhaltens der Kalk-Natrongläser mit dem anderer
Kalk-Alkalisilicate, die weniger Kieselsäure enthalten. Letztere werden von Säuren
stärker angegriffen als von Wasser, und von concentrirten Säuren stärker als von
verdünnten. Ebenso verhält sich auch das geschmolzene Metasilicat Na2SiO3. Diese
Silicate verhalten sich also umgekehrt wie die Gläser gegen Säuren. Wasserglas
von der Formel Na2O3SiO2 wird von stärkeren Säuren weniger
angegriffen als von schwächeren.
Die Bleikrystallgläser mit genügendem Kieselsäuregehalt werden wie die Kalkgläser von
Säuren weniger angegriffen als von Wasser. Das Umgekehrte tritt ein, wenn der
Bleigehalt grösser wird wie bei Flintgläsern.
Concentrirte Schwefelsäure wirkt nur in Dampfform bei höherer Temperatur auf gutes
Glas ein. (Beschläge von Alkalisulfaten auf Gläsern bei ihrer Herstellung, wenn
S-haltige Steinkohlen zur Feuerung dienen; Angriff der Kolben bei der Kjeldahl'schen Stickstoffbestimmung.)
Gasförmige Kohlensäure wirkt nur auf Glas ein, welches durch Einwirkung der
Feuchtigkeit eine oberflächliche Zersetzung erlitten hat.
In den beiden folgenden Tabellen sind die chemische Zusammensetzung und die
Angreifbarkeit der besten zu chemischem Gebrauche hergestellten Gläser
zusammengestellt.
Tabelle I.
Num-mer desGlases
K2O
Na2O
CaO
MnO
Al2O3(+ Fe2O3)
SiO2
RI2O : CaO : SiO2
Anzahl der in100
MolekülenenthaltenenAlkali-molekule
1
6,2
6,4
10,0
0,2
0,4
76,8
0,95 : 1 : 7,16
10,4
2
7,0
8,3
8,1
–
0,3
76,3
1,44 : 1 : 8,80
12,7
3
11,8
4,9
7,6
0,1
0,5
75,1
1,50 : 1 : 9,24
12,8
4
4,3
10,0
7,8
–
0,3
77,6
1,48 : 1 : 9,28
12,6
5
46
10,1
7,7
–
0,4
77,2
1,54 : 1 : 9,36
13
6
0,6
14,3
11,2
0,4
2,9
70,6
1,18 : 1 : 5,88
14,6
7
9,7
9,0
6,8
–
0,4
74,1
2,04 : 1 : 10,17
15,4
8
6,7
13,7
7,2
0,3
3,2
68,9
2,27 : 1 : 8,91
18,6
Tabelle II.
Num-mer
desGlases
Alkaliabgabe an Wasser, aus-gedrückt in
Tausendstel-Milli-grammen Na2O, von 100
qcmOberfläche
Gewichtsabgabe in Milli-grammen von 100
qcm Ober-fläche bei 3tägiger Behandlungmit 100° warmer
bei 8 tägiger Be-handlung mitWasser von
20°nach 3 tägigerVorbehandlungmit Wasser vonder
gleichenTemperatur
bei darauf fol-gender 3stün-diger
Behand-lung mit Wasservon 80°
doppeltnormalerNatronlauge
doppeltnormalerSodalösung
1
13
27
37
59
2
14
56
40
77
3
14,5
45
38
79
4
15
50
38
73
5
18
66
42
79
6
27
98
31
41
7
32
217
–
–
8
77
654
46
45
Glas Nr. 1, welches dem Stas'schen Glase in der
Zusammensetzung nahe kommt, gehört zu den widerstandsfähigsten Gläsern, die zur Zeit
vom Chemiker gebraucht werden.
Ueber die Löslichkeit des Glases in Wasser von Dr. Chr. Dralle (Sprechsaal,
1896 S. 25, 49, 75, 101). Ein Referat über die wichtigsten Ergebnisse der auf diesem
Gebiete angestellten umfangreichen Untersuchungen.
Ueber die Einwirkung von Reagentien auf Glas von Dr. Chr. Dralle (Sprechsaal,
1896 S. 383, 407, 435). Ein Referat über die weiter oben behandelte Arbeit Förster's, unter Berücksichtigung älterer Arbeiten mit
Litteraturangaben.
Prof. L. L. de Koninck hat beobachtet, dass die Magnesiamischung besonders energisch auf die
Glasoberfläche einwirkt (Chemiker-Zeitung, 1895 S. 450; 1896 S. 129). Ein Erlenmeyer'scher Kolben aus Jenaer Glas wurde mit kaltem Wasser ausgewaschen und
dann mit gewöhnlicher Magnesiamischung gefüllt. Nach ungefähr 13 Monaten war die von
der Lösung benetzte Fläche des Kolbens vollständig mit einem aus kieselsaurer
Magnesia bestehenden Häutchen bekleidet, welches, auf dem Filter gesammelt,
getrocknet und geglüht, 0,1525 g wog, entsprechend 0,2168 g wasserhaltigem,
lufttrockenem Silicate.
In Ostwald's Laboratorium werden alle Glasgeräthschaften
für feinere Arbeiten vor dem Gebrauche mit Wasserdampf behandelt und dadurch
widerstandsfähiger gemacht. Verfasser hat sich nun durch Versuche überzeugt, dass
ein derartig behandeltes Glasgefäss auch gegen Magnesiamischung eine bedeutend
erhöhte Widerstandsfähigkeit besitzt.
Rohmaterialien, Glasfabrikation.
Neues Pressglas mit sogen. Brillantpressung wird von
einer Hütte Ungarns hergestellt und übertrifft alle Fabrikate dieser Art von
Deutschland und Oesterreich.
S. A. gibt im Sprechsaal,
1894 S. 254, Anhaltspunkte zur Herstellung solchen Glases.
Im J. 1893 zog sich durch die glastechnische Fachlitteratur eine Reihe von Aufsätzen
über den Sauerstoff und seine Anwendung heim
Glasschmelzen. Nach einem Patente des Engländers Thomas sollte durch Einblasen von Sauerstoff in die schmelzende Glasmasse
eine beträchtliche Zeitersparniss im Schmelz- und Läuterungsprocess bewirkt werden.
Bestätigt wurden diese Angaben durch die Gutachten zweier englischer
Sachverständiger, L. Lewes und L. Temple Thorne. Nach ihren Angaben sollte bei Anwendung von Sauerstoff
eine Zeitersparniss von 50 Proc. und mehr erreicht werden.
Die grossen Hoffnungen, welche sich an dieses neue Schmelzverfahren knüpften,
erwiesen sich bald als trügerisch, und gegenwärtig spricht Niemand mehr von der
Anwendung des Sauerstoffes zum Glasschmelzen. Die beiden Sachverständigen scheinen
arg getäuscht worden zu sein.
Man hat das Einführen von Sauerstoff in die schmelzende Glasmasse mit dem
Bessemer-Process verglichen, mit dem es thatsächlich einige Aehnlichkeit hat;
wahrscheinlich ist der Erfinder auch von der Beobachtung, dass beim Einblasen von
Luft in geschmolzenes Roheisen ausserordentlich grosse Wärmemengen frei werden,
ausgehend, auf den Gedanken gekommen, ähnliches beim Glase zu versuchen und dadurch
den Schmelzprocess zu verkürzen. – Der Grund, warum er beim Glase nicht zum Ziele
kommen konnte, ist darin gelegen, dass im Glase meist gar keine, oder doch nur ganz
geringe Mengen von verbrennbaren Substanzen enthalten sind, der Sauerstoff also
unverbraucht entweichen wird; seine Wirkung kann bloss darin bestehen, das Glas
durchzumischen, eine Wirkung, die man viel einfacher durch Einblasen von Luft,
Wasserdampf u. dgl. erreichen kann. Trotz der Misserfolge ist immerhin der Gedanke
nicht ganz von der Hand zu weisen, den Glashafen gewissermaassen in einen kleinen
Glasofen zu verwandeln.
Wenn es gelänge, dem Glassatze grössere Mengen oxydirbarer Substanzen beizumischen,
derart, dass dieselben leicht und vollständig verbrennen, ähnlich wie Phosphor und
Silicium im Roheisen der Bessemer-Birne, dann könnte der Schmelz- und
Läuterungsprocess des Glases durch Einblasen von comprimirter Luft oder von
Sauerstoff bedeutend abgekürzt werden.
Nach G. Kassner wird dem Calciumplumbat als Glasschmelzmittel noch immer nicht genug Aufmerksamkeit
geschenkt. Misserfolge bei der Anwendung von Calciumplumbat in der Glasindustrie
sind darauf zurückzuführen, dass man den Glassatz mit dem Plumbate nicht genügend
gemischt hatte (das Glas erhielt in solchen Fällen Schlieren und Streifen). Ein
anderer Uebelstand, die Grünfärbung des erschmolzenen Glases, soll durch grössere
Reinheit des Materials bereits behoben worden sein.
Der Preis von Calciumplumbat beträgt bei waggonweisem Bezug 20 M. für 100 k.
Fabrikation des Wasserglases von Max v. Reiboldt (Sprechsaal, 1894 S. 4). Das
Wasserglas wurde im J. 1818 von Joh. Nep. v. Fuchs
entdecktEs war bereits Glauber 1648 bekannt. (D. Ref.) und
von Kuhlmann zuerst in grösserem Maasstabe fabrikmässig
dargestellt. Gegenwärtig wird dieses über die ganze Erde verbreitete Product in
Deutschland in zwölf Fabriken gewonnen; v. Baerle und
Wöllner, das grösste Etablissement dieser Art, erzeugen allein jährlich
etwa 120000 Centner festes Glas, das zum grössten Theil nach allen Ländern der Erde
exportirt wird. Durch die nicht unbeträchtliche Concurrenz in diesem Artikel ist der
Preis auf etwa ⅓ gesunken, so dass jetzt eine viel ausgedehntere Verwendung
desselben möglich ist, als früher.
Kaliwasserglas erhält man durch Zusammenschmelzen von
Sand
100
Th.
Potasche
66
„
Holzkohle
3
„
Für Natronwasserglas gilt, als in der Praxis erprobt, folgender Satz:
Sand
100
Th.
Wasserfreies Natriumcarbonat
50
„
Holzkohle
3
„
Doppel Wasserglas wird aus Mischungen von Sand, Soda, Potasche und Kohle erschmolzen.
Nach W. Artus soll man bereits vor 1000 Jahren besseres
Wasserglas hergestellt haben als heute; derartiges Wasserglas kann nachgeahmt werden
durch Verschmelzen von
Sand
165
Th.
Potasche
120
„
Holzkohle
10
„
Cararischem Marmor
7
„
Das Product wird in Folge seines Kalkgehaltes Kalikalkwasserglas genannt.
In guten Wannenöfen kann mit 1 k Kohle 3 bis 3,5 k Wasserglas geschmolzen werden.
Ueber Paul Siemon's Verfahren zur Herstellung von
Tafelglas findet sich im Sprechsaal, Bd. 26 S.
140, ein interessanter Artikel von einem ungenannten Autor, in welchem dargethan
wird, mit welchen bedeutenden Schwierigkeiten die ersten Versuche, in den Rostocker Glashüttenwerken dieses Glas herzustellen, zu
kämpfen hatten. Verfasser gibt dem Gedanken Ausdruck, dass noch Jahre vergehen
werden, ehe alle Fabrikationsschwierigkeiten des gewalzten Tafelglases so weit
überwunden sein werden, wie dies heute beim Pressglase der Fall ist.
Die Glasblasmaschinen von H. M.
Ashley und H. Hilde beschreibt Max v. Reiboldt (Sprechsaal, 1897 S. 844). Da die Maschinen von Ashley in D. p. J. 1890 287 * 376 und 1893 289 * 298, ferner das Patent
von Hilde 1894 292 * 55
bereits behandelt worden sind, so begnügen wir uns mit den vom Verfasser
mitgetheilten Angaben über die praktische Bedeutung dieser beiden bekanntesten
Erfindungen auf dem Gebiete der maschinellen Herstellung von Glasflaschen. Obwohl
sich in Castelford eine Gesellschaft mit bedeutendem Capital zur Ausbeutung der
Patente von Ashley bildete, so ist seine Maschine doch
nicht zur Einführung gelangt. Das Unternehmen scheiterte an zwei Unvollkommenheiten
der Erfindung; zunächst war die Leistungsfähigkeit der Maschine zu gering, denn
diese stellte in einer Schicht nicht mehr Flaschen her als ein
Durchschnittsglasmacher, dann aber konnte man nur gedrückte oder schwere
Flaschenformen erzeugen, während die Herstellung von schweren Facons, wie die der
Rheinweinflaschen, ausgeschlossen erschien; geradezu unmöglich war es, Flaschen mit
Hohlboden, Kopfboden oder gar Patentboden anzufertigen.
Anders hatte sich dagegen die Erfindung von Hilde
eingeführt, die gegenwärtig in Besitz der Firma H.
Pfropfe in Hamburg und der Actiengesellschaft für
Glasindustrie vorm. Friedr. Siemens übergegangen ist. Wie auch Ashley ist Hilde nicht
Glasmann von Fach und hat ohne die näheren Kenntnisse der Glasfabrikation durch 7
Jahre an der Verbesserung seiner Maschine gearbeitet; gegenwärtig ist sie so weit
vervollkommnet, dass sie allen Anforderungen in bester Weise entspricht.
Zweckmässig wird eine Werkstatt mit je zwei Maschinen und vier Arbeitern ausgerüstet.
Zwei solcher Maschinen fertigen in 1 Minute 3 Flaschen, was für die Stunde 350 bis
360 Stück beträgt. Die Maschinen arbeiten ohne Abfall und erzeugen Flaschen, von
denen eine genau so viel Glas wie die andere enthält und die darum genau gleich
schwer, gleich in Form und Volumen ausfallen.
Das Problem der maschinellen Erzeugung von Glas erscheint demnach gelöst.
In einem Artikel, Der Aichzwang für Bier- und
Weinflaschen (Sprechsaal, 1897 S. 30), wird
der Nachtheil besprochen, welchen die Einführung des neuen Gesetzes für die
Flaschenfabrikanten und den Weinhandel mit sich führen wird.
Der Sprechsaal empfiehlt (1897 S. 54 und 84), Hängebahnen in Glashütten einzuführen, deren Betrieb
den Transport von Materialien und fertigen Waaren sehr erleichtert.
Die Tafelglasfabrikation nach deutscher und belgischer
Art von W. M. (Sprechsaal, 1897 S. 3). Eine Beschreibung der beiden Arbeitsmethoden, der
deutschen, bei welcher kurze Walzen mit grossem Umfange geblasen werden, und der die
erstere fast gänzlich verdrängenden, besseren belgischen (auch rheinischen)
Arbeitsweise, nach welcher lange Walzen (bis 3 m lang) mit kurzem Umfange
hergestellt werden.
Derselbe Verfasser beschreibt auch die verschiedenen Methoden, welche zur Verzierung des Tafelglases durch den Sandstrahl
angewendet werden (Sprechsaal, 1897 S. 442).
Geätzte und sandgeblasene Trinkgläser und Flaschen von
W. M. (Sprechsaal,
1897 S. 384 und 414).
Die Verwendung des Glases zu Bauzwecken nimmt nach der
Chemiker-Zeitung, 1897 S. 345, allmählich zu. So
werden in St. Gobain Opalinplatten aus 54 Th. Sand, 39 Th. Baryt und 7 Th. Soda
geschmolzen und ausgewalzt. Von den Glashüttenwerken
Adlerhütten bei Penzing werden nach dem Patente Falconnier Glasbausteine gefertigt. Diese Steine werden meist aus
halbweissem Glase, seltener aus Farbglas hergestellt; als Bindemittel dient
Kalk unter Zusatz von Sand.
Die Benutzung von Hochofenschlacke zur Erzeugung von Glas wird von verschiedenen
Seiten empfohlen. In Chicago waren nach Elbers aus
Hochofenschlacke gewonnene Gläser in Form schön gefärbter Stücke ausgestellt.
Barytglas wird nach Sprechsaal, 1895 S. 687, erhalten
durch Zusammenschmelzen von
Quarzsand
100
Gew.-Th.
Potasche II (90procentig)
25
„
Soda (90procentig)
10
„
Kalkstein
20
„
Witherit (reinster englischer)
20
„
Brocken von gleichem Glase etwa
100
„
Das aus solchem Gemenge hergestellte Glas soll feuriger und glänzender erscheinen als
gewöhnliches Kalkglas. Es besitzt auch höheres specifisches Gewicht.
(Schluss folgt.)