Titel: | Maschinenelemente.Ueber Triebwerke mit Verwendung von Schrauben- und Schneckenrädern. |
Fundstelle: | Band 307, Jahrgang 1898, S. 172 |
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Maschinenelemente.Ueber Triebwerke mit Verwendung von Schrauben- und
Schneckenrädern.
(Schluss des Berichtes S. 147 d. Bd.)
Ueber Triebwerke mit Verwendung von Schrauben- und
Schneckenrädern.
B. Die Schneckengetriebe.
Von jeher hatten die Schneckengetriebe überall dort eine besondere Bedeutung, wo
grosse Uebersetzungen mit einfachen Mitteln zu überwinden waren. Die Schwierigkeiten
der Herstellung genauer Schneckenräder, auch die hohen Erzeugungskosten derselben,
sowie der in Folge mangelhafter Ausführung niedrige Wirkungsgrad dieses
Kraftgetriebes beschränkten dessen Anwendungsgebiet.
Die neueren Arbeitsmethoden für Schneckenräder und die dadurch mitbedingten
geringeren Kosten der Herstellung, sowie der durch präcise Ausführung sämmtlicher
Zapfentheile bedeutend erhöhte Wirkungsgrad berechtigen zur Annahme, dass dieses
nunmehr vorzügliche Triebwerk eine bessere Würdigung finden wird.
Es muss zwar zugegeben werden, dass die bisherigen rechnerischen Annahmen für den
Wirkungsgrad der Schneckengetriebe bekanntlich zu nichts weniger denn verlockenden
Rechnungsergebnissen führten und dass in weiterer Folge die Ausführungsmängel die
Scheu vor einer ausgedehnteren Anwendung nur zu sehr berechtigt erscheinen liessen.
Wenn auch bei Schneckengetrieben für Menschenkraft diese Mängel fortbestehen
bleiben, so haben die neueren Versuche von Sellers und
Thurston, namentlich aber jene aus neuester Zeit
von Prof. Striebeck herrührenden Versuchsergebnisse,
mit J. E. Reinecker's Schneckenrad ganz
ausserordentlich bedeutende Aufschlüsse über den Werth des Schneckengetriebes
geliefert.
Bekanntlich wird die Triebkraft P an der Schnecke für
einen Zahndruck Q am Rade mit Einschluss des
Reibungswiderstandes nach Gleichung 21 berechnet, so dass
P = tg (δ
+φ ) Q.
ist. Dieser Zahndruck Q wird
durch die Lagerreibung der Schneckenradzapfen auf
Q+f\,.\,\frac{\varrho}{R}\,.\,Q=\left(1+f\,.\,\frac{\varrho}{R}\right)\,Q
vergrössert, so dass ein neues Kraftverhältniss
\frac{P}{Q}=\left(1+f\,.\,\frac{\varrho}{R}\right)\,.\,tg\,(\delta+\varphi)
entsteht, wobei (ρ : R) das Verhältniss Zapfen zu Schneckenrad sein wird.
Dieser verstärkte Zahndruck bedingt eine axiale Verschiebung der Schnecke, welche
durch einen Spurzapfen verhindert werden muss, wobei ein
Zapfenreibungswiderstand
f_1\,\left(1+f\,.\,\frac{\varrho}{R}\right)\,Q
auftritt, welcher auf einen Hebelarm (ρ0 gleich ½ bis ⅓ Spurzapfenhalbmesser
wirkend angenommen wird. Wenn ferner, als zu unbedeutend im Werthe, von der
Lagerreibung der Schneckenwelle abgesehen wird, welche eine am Hebelarm l wirkende Triebkraft K
verursacht, so stellen sich die Kraftmomente, wenn r
Halbmesser der Schnecke ist:
0=P\,.\,r+f_1\,\left(1+f\,.\,\frac{\varrho}{R}\right)\,Q\,.\,\varrho_0-K\,l,
woraus
K=\frac{r}{l}\,.\,\left[\frac{P}{Q}+f_1\,\left(1+f\,.\,\frac{\varrho}{R}\right)\,\frac{\varrho_0}{r}\right]\,Q
folgt.
Wird an Stelle von P der eingangs angeführte Werth
gesetzt, so folgt ein Kraftlastverhältniss
\frac{K}{Q}=\frac{r}{l}\,.\,\left[tg\,(\delta+\varphi)+f_1\,\left(1+f\,.\,\frac{\varrho}{R}\right)\,\frac{\varrho_0}{r}\right],
während die geometrische Uebersetzung des Getriebes oder das
Verhältniss theoretische Kraft K0 zur Last Q sich
ergibt wie
\frac{K_0}{Q}=\frac{r}{l}\,.\,tg\,\delta.
Durch Division der beiden Beziehungen folgt der Wirkungsgrad
\mu=\frac{K_0}{Q}
\mu=\frac{tg\,\delta}{tg\,(\delta+\varphi)+f_1\,\left(1+f\,.\,\frac{\varrho}{R}\right)\,\frac{\varrho_0}{r}},
aus welchem
tg\,(\delta+\varphi)=\frac{1}{\mu}\,.\,\left[tg\,\delta-\mu\,.\,f_1\,\left(1+f\,.\,\frac{\varrho}{R}\right)\,\frac{\varrho_0}{r}\right]
folgt, ein Ausdruck, aus welchem bei bekanntem Wirkungsgrad
μ leicht die Reibungszahl für das Schneckengewinde
zu berechnen geht, wie dies aus dem folgenden Beispiele zu ersehen ist.
Wäre z.B. μ = 0,66 = \frac{2}{3} Wirkungsgrad
\frac{\varrho}{R}=\frac{1}{5}
\frac{\varrho_0}{r}=\frac{1}{4},
ferner
δ = 7°
also
tg δ = 0,123
bezieh.
f1 =
0,05 und f = 0,03.
Demnach kleine Reibungszahlen für die Rad- und Spurzapfen, so
entsteht nach Einsetzung der Werthe:
tg (δ +
φ) = 0,1719
(δ + φ) = 9° 40'
und weil δ = 7° ist
φ= 9° 40' – 7° = 2° 40'
tgφ = tg 2° 40' = 0,04658,
daher die Reibungszahl für die Schneckengewinde und die
Schneckenradzähne
fx = 0,04658 ∾ 0,047.
Wenn aber, wie üblich, für
fx= f = f1 ∾ 0,1 bis
0,15
gesetzt wird, so kann selbstverständlich bei dieser zwei- bis
dreimal grösseren Reibungszahl nur ein abschreckend niedriger Wirkungsgrad
herausgerechnet werden. Zum Beispiel würde bei denselben Annahmen und φ = 8°30':
\mu=\frac{0,123}{tg\,(7+8^{\circ}30')+0,15\,\left(1+0,15\,.\,\frac{1}{5}\right)\,\frac{1}{4}}
\mu=\frac{0,123}{0,277+0,039}=\frac{0,123}{0,316}
μ = 0,358 bis 0,49,
also rund
μ = 0,36 bis 0,50,
wobei der höhere Wirkungsgrad für f = 0,1 also φ = 5° 40' entspricht.
Bemerkenswerth in der folgenden Versuchsreihe Tabelle B von Sellers und Thurston ist der Einfluss
steigender Belastung und abnehmender Theilkreisgeschwindigkeit und Temperatur des
Schmieröles auf den Wirkungsgrad eines Schneckengetriebes.
Tabelle. B. Schneckengetriebe; Versuchsreihe von Sellers und Thurston.
Zahn-druck Q
Theilkreis-geschwin-digkeit v
Reibungs-arbeit
MittlereReibungszahl f
Wirk-gradein %
Oel-temper.° C.
Versuchs-dauer
Bemerkungen
k
m/Sec.
mk/Sec.
Anfang
Ende
Anfang
Ende
Min.
200
4,07
68
0,085
59
45
47
56
10
Eingängige Schnecke aus Gusseisen
550
4,43
223
0,090
58
36
59
65
31
d = 101,6 mm
800
4,07
272
0,085
61
39
41
60
6
t = 38,1
800
4,43
298
0,084
61
46
47
55
3
γ = 6° 49'
1280
2,43
272
0,086
59
45
62
75
7
Geht in Schnek- kenrad
1580
2,03
227
0,072
64
42
76
82
3
D = 743 mm
2200
1,83
282
0,070
64
47
59
75
6
z = 39
2500
1,55
235
0,060
68
68
73
83
102
t = 38,1
1 Versuchsdauer bis zum Beginn
des Fressens.
2 Herrscht beinahe
Beharrungszustand.
Von noch höherer Bedeutung für die Beurtheilung eines genauen, richtig bemessenen,
von J. E. Reinecker in Chemnitz-Gablenz in vorzüglicher
Ausführung hergestellten Schneckentriebwerkes sind die von Prof. Striebeck in Dresden durchgeführten Untersuchungen,
deren Versuchsergebnisse hier in Kürze angedeutet sein mögen (vgl. Zeitschrift des Vereins deutscher Ingenieure, 1897 Bd.
41 Nr. 33 und 34 * S. 936 und 968).
Die Abmessungen der stählernen, gehärteten und an die Spindelwelle angeschnittenen
Schnecke sind: Aeusserer und innerer Durchmesser des Gewindes 106 und 50 mm, Länge
desselben 220 mm, Ganghöhe:
a) eingängig
13
π
=
40,8
b) zweigängig
26
π
=
81,7,
Zapfendurchmesser der Schneckenwelle 44 mm, Länge der
Lagerstellen 160 mm.
Zur Auffangung des Achsendruckes der Schneckenspindel sind an den Enden des
Schneckengewindes Druckringe mit 14 Stück ⅝zölligen Stahlkugeln vorgesehen, von
denen an der Druckseite in Folge Beschädigung eine ausgeschieden werden musste, so
dass nur 13 Kugeln in Thätigkeit blieben, von denen bei folgenden Belastungen in
thatsächliche Berührung mit den Druckringen kamen, und zwar bei
Q
=
200
k
7
Stück
ferner bei
Q
=
400
k
9
„
Q
=
700
k
10
„
und bei
Q
=
1000
k
13
„
also alle Kugeln.
Die beiden Schneckenräder aus Phosphorbronze haben bei 390 mm mittlerem
Zahnkreisdurchmesser 30 aus dem Vollen nach J. E.
Reinecker's Verfahren geschnittene Schneckenzähne von 2β = 105° Centriwinkel seitliche Flankenbegrenzung und
Wellenzapfen von 65 mm Durchmesser bei 90 mm Länge. Schnecke und Schneckenrad
sind von einem gusseisernen Gehäuse umhüllt, welches bei der Abkühlung des
Schmieröles eine wichtige Rolle spielt. Während der unbedeutende axiale Druck der
Radachse durch einen kleinen Spurzapfen (30 mm) zur Aufnahme kommt, ist die Radwelle
von 220 + 770 = 990 mm Lagermittelabstand durch eine Bremsscheibe von 500 mm
Durchmesser und 150 mm Breite zwischen den Borden belastet.
Die im Folgenden (Tabelle C) angegebenen Wirkungsgrade des zweigängigen
Schneckengetriebes sind bei Gleitgeschwindigkeiten von 1,5 bis 6,5 m/Sec. und bei Q = 80 bis 2000 k ansteigenden Zahndrücken ermittelt
worden, wobei das Schmieröl möglichst auf 60° C. Temperatur erhalten blieb.
Tabelle C. Reinecker's
Schneckengetriebe; Versuchsergebnisse von Prof. Striebeck. Wirkungsgrade auf 100 bezogen.
Qk
Umlaufszahlen der Schnecke n/Min.
Bemerkungen
150
352
542
745
1476
80
_
–
–
–
53
Q Zahndruck in k.
100
83
45
–
65
–
120
–
–
–
–
71
200
–
73
–
77
–
300
–
85
–
83
81
400
–
88
–
86
84
500
86
89
90
88
87
600
–
91
–
–
–
720
–
–
–
–
89
850
–
–
–
91
–
1000
86
92
92
–
–
1200
–
–
–
90
–
1500
86
–
–
–
–
1700
–
–
89
–
–
2000
85
88
–
–
–
Der vom Schneckengetriebe übertragene Effect N in
berechnet sich aus der Beziehung:
N = k (mt2),
wobei m = 1, 2 die Gangzahl des
Schneckengewindes, t die Zahntheilung in Centimeter und
k ein durch Versuche ermittelter Coefficient ist,
dessen Werthe in der folgenden Tabelle D für eine Endtemperatur von 60° C. und
Betriebsdauer von T Minuten gilt. Für fortlaufenden
Dauerbetrieb wird k1 =
0,8 k zu nehmen sein.
Tabelle D. h Coëfficienten für die
Betriebskraft N in nach Prof. Striebeck.
Be-triebs-dauer T
m
Minutliche Umlaufszahlen n
Bemerkungen
352
512
745
991
1476
Min.15
12
0,350,40
0,450,49
0,490,56
0,510,60
0,520,63
30
12
0,260,34
0,360,42
0,420,49
0,450,54
0,460,57
451
12
0,190,26
0,260,31
0,300,34
0,330,36
0,340,37
1 Während dieser Betriebsdauer
stieg die Temperatur des Schmieröles von 30 auf 60° C.