Titel: | Kautschukindustrie.Zur Vulkanisation wasserdichter Stoffe. |
Autor: | Carl Otto Weber |
Fundstelle: | Band 308, Jahrgang 1898, S. 45 |
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Kautschukindustrie.Zur Vulkanisation wasserdichter Stoffe.
Von Dr. Carl Otto
Weber.
Zur Vulkanisation wasserdichter Stoffe.
Wie bekannt, besitzen wir gegenwärtig zwei verschiedene Verfahren zur Vulkanisation
des Kautschuks: die hohe Hitzegrade erfordernde Vulkanisation mit Schwefel, sowie
die bei gewöhnlicher Temperatur ausführbare Vulkanisation mit Schwefelchlorür. Von
diesen beiden Methoden ist die erstere ganz allgemeiner Anwendung fähig, sie ist aber
verhältnissmässig umständlich, zeitraubend und erfordert in den meisten Fällen mehr
oder weniger complicirte Apparatur, die sie auch kostspielig machen. Die Methode der
Vulkanisirung mit Schwefelchlorür ist dagegen nicht allgemein anwendbar, da sie
homogene Durchvulkanisirung von Artikeln, deren dritte Dimension ein sehr geringes
Maass übersteigt, nicht mehr gestattet. Aus diesem Grunde ist ihre Anwendung auf die
Vulkanisation sehr dünner Kautschukblätter oder aus denselben erzeugter Artikel
beschränkt, bietet aber hierbei Vortheile, die ihre dauernde Anwendung in der
Kautschukindustrie sicherten, trotzdem vielfach in technischen Kreisen die Ansicht
gehegt wird, dass kalt vulkanisirte Artikel von zweifelhafter Haltbarkeit sind. Ich
halte diese Ansicht für durchaus anzutreffend trotz der Thatsache, dass ein
Kautschukartikel von gegebener Zusammensetzung bei der Heissvulkanisirung ein
tadelloses, bei der Kaltvulkanisirung oft ein unbefriedigendes bezieh. unhaltbares
Product liefert. Bei der Untersuchung derartiger Fälle habe ich stets gefunden, dass
der Grund des Misserfolges in der Kaltvulkanisirung nicht in der Methode liegt,
sondern in den Bedingungen zu finden ist, unter denen dieselbe angewandt wurde.
Die Methode der kalten Vulkanisation bietet nun in der Fabrikation wasserdichter
Stoffe ganz besondere Vortheile, besonders wenn Massenproduction und Preis in
Betracht kommen, und es dürfte daher von Interesse sein, die Aufmerksamkeit der
Fabrikanten auf einige Punkte zu lenken, die häufig unbeachtet bleiben und zu
schlechten Resultaten führen, die dann in Unkenntniss des wahren Sachverhaltes
kurzweg der Methode an sich in die Schuhe geschoben werden.
Der wichtigste Punkt, der bei der Vulkanisation mit Schwefelchlorür berücksichtigt
werden muss, ist die bedeutende Reactionsfähigkeit des Schwefelchlorürs mit anderen
Körpern als Kautschuk. Dies ist so wohl bekannt, dass ihre Berücksichtigung für den
angegebenen Zweck ganz selbstverständlich und keiner weiteren Ausführung bedürftig
erscheint, thatsächlich aber liegt in deren Unkenntniss oder Nichtbeachtung fast
ganz ausschliesslich der Grund der nicht gerade guten Reputation des
Schwefelchlorürs als eines Vulkanisationsmittels. Nur die in so vielen
Kautschukfabriken herrschende greuliche Empirie macht es verständlich, dass
Bleimennige oder Aetzkalk enthaltende Kautschukmischungen, die ja bei der
Heissvulkanisation mit Schwefel für bestimmte Zwecke sehr vortheilhafte Producte
liefern, der Vulkanisation mit Chlorschwefel unterworfen werden, wobei unfehlbar
schlechte Resultate folgen müssen.
Die bei der Einwirkung von Schwefelchlorür auf Kautschuk stattfindende Reaction habe
ich in einer früheren Arbeit1887 265 363. eingehend besprochen.
Dieselbe verläuft, wie ich dort zeigte, selbst bei Einwirkung relativ grosser,
praktische Erfordernisse weit übersteigender Mengen von Schwefelchlorür durchaus
quantitativ. Die Geschwindigkeit mit der sich die Addition des Chlorschwefels an den
Kautschuk vollzieht, hängt aber durchaus von dem Verdünnungsgrad ab, in dem das
Schwefelchlorür zur Anwendung gelangt.
Mit reinem Chlorschwefel in flüssiger Form ist daher eine Vulkanisirung, wie sie für
praktische Zwecke erforderlich ist, überhaupt nicht ausführbar. Die ganze
Kautschukoberfläche der wasserdichten Stoffe würde dadurch momentan in das
hornartige, brüchige Chlorosulfid, C10H16S2Cl2, übergeführt und der unvermeidliche Ueberschuss
von Schwefelchlorür würde voraussichtlich zu totaler Zerstörung der dünnen
Kautschukschicht führen. Die Anwendung des Schwefelchlorürs in Dampfform vermeidet
diesen Uebelstand, führt aber andererseits zu dem kaum geringeren, dass nur die ganz
oberste Schicht der Kautschukfläche vulkanisirt wird, der Rest aber unvulkanisirt
bleibt. Haltbarkeit ist bei einem derartig vulkanisirten Artikel nicht zu erwarten
und, wie die Erfahrung lehrt, auch nicht zu erreichen.
Das Verfahren war für die Vulkanisation äusserst leichter und dünner wasserdichter
Stoffe in Amerika in ausgedehntem Gebrauche, ist aber schon seit einiger Zeit so gut
wie vollständig verlassen.
Es bleibt also nur die Anwendung des Schwefelchlorürs in Lösung übrig und dies ist in
der That die gegenwärtig für die Kaltvulkanisation angewandte Methode. Gegenwärtig
dient allgemein Schwefelkohlenstoff als das hierbei angewandte Lösungsmittel, es ist
aber sehr fraglich, ob derselbe in der That das für diesen Zweck geeignetste
Lösungsmittel ist.
Die Brauchbarkeit eines Lösungsmittels zum Zwecke der Kaltvulkanisation mittels
Schwefelchlorür hängt von der Erfüllung folgender Bedingungen in erster Linie
ab:
1) Das Lösungsmittel muss sich gegen Schwefelchlorür absolut indifferent
verhalten.
2) Das Lösungsmittel muss eine einheitliche Substanz sein.
3) Der Siedepunkt des Lösungsmittels sollte nicht unter 70 und nicht über 100° C.
liegen.
4) Das Lösungsmittel für Chlorschwefel muss auch ein Lösungsmittel und muss zum
Mindesten ein Quellungsmittel für Kautschuk sein.
Von diesen Bedingungen ist die erste selbstverständlich. Die Nothwendigkeit der
zweiten leuchtet sofort ein, wenn wir uns erinnern, dass der Process der
Kaltvulkanisation ein continuirlicher istA. a.
O., wobei die Lösung des Schwefelchlorürs in einem offenen Troge
zwar fortwährend auf gleichem Niveau erhalten wird, aber natürlich im Laufe des
Tages bei der relativ hohen Temperatur der Arbeitsräume einer erheblichen
Verdunstung unterliegt, die um so grösser ist, je niedriger der Siedepunkt bezieh.
Durchschnittssiedepunkt des Lösungsmittels liegt. Ist daher das Lösungsmittel keine
einheitliche Substanz, sondern ein Gemenge verschiedener Körper von verschiedenem
Siedepunkte, so erstreckt sich die stattfindende Verdunstung wesentlich auf die
niedriger siedenden Antheile des Lösungsmittels, mit anderen Worten der
Durchschnittssiedepunkt steigt. Dies wäre an und für sich unerheblich, aber in den
meisten Fällen wird dies zu einer mehr oder weniger erheblichen Aenderung in der
Oberflächenspannung der Lösung führen und zwar im Allgemeinen zu einer Erhöhung
derselben. Das Resultat hiervon ist, dass die in der Vulkanisirungslösung rotirende
Walze nunmehr ein grösseres Volumen der Lösung auf die Flächeneinheit des zu
vulkanisirenden Stoffes überträgt, derselbe erfährt nunmehr eine stärkere
Vulkanisation als beabsichtigt war und dies kann so weit gehen, dass thatsächlich
Beschädigung des zu
vulkanisirenden Artikels eintritt. Dieser Fall tritt ein bei Verwendung von
Petroleumäther als Lösungsmittel für das Schwefelchlorür. Bei Versuchen im Grossen,
dieses Lösungsmittel an Stelle des gegenwärtig allgemein angewandten
Schwefelkohlenstoffs einzuführen, zeigten sich nach kurzer Zeit Anzeichen von
Uebervulkanisation, die mit der Zeit immer auffälliger wurde. Der Grund hiervon
liegt nicht in der zunehmenden Concentration der Vulkanisirungsflüssigkeit, diese
tritt ja bei einem homogenen Lösungsmittel gleichfalls ein und lässt sich unschwer
compensiren, sondern in der mit der Verschiebung des Siedepunktes Hand in Hand
gehenden Aenderung (Erhöhung) der Oberflächenspannung.
Die dritte und vierte der oben aufgestellten Bedingungen sind gleichfalls unschwer
verständlich. Es beruht ja bekanntlich die Hauptschwierigkeit der Vulkanisation mit
Schwefelchlorür in dem Umstände, dass es in Folge der grossen Schnelligkeit, mit der
es auf Kautschuk einwirkt, die homogene Vulkanisation desselben sehr erschwert.
Diese Reactionsgeschwindigkeit wird aber durch Lösungs- oder Verdünnungsmittel sehr
vermindert. Entspricht daher das angewandte Lösungsmittel der vierten Bedingung, so
wird die Lösung des Schwefelchlorürs nunmehr rascher in den Kautschuk eindringen als
das Schwefelchlorür von der zuerst benetzten Kautschukschicht gebunden wird, so dass
je grösser die Verdünnung der Lösung des Schwefelchlorürs, desto gleichmässiger wird
der Kautschuk durchvulkanisirt. Liegt nun aber der Siedepunkt des Lösungsmittels
sehr niedrig, so verdunstet dasselbe bei der relativ hohen Temperatur der
Arbeitsräume so rasch, dass ein Eindringen desselben in die Kautschukfläche nur noch
in sehr geringem Grade stattfinden kann. Ausserdem wird die Reactionsgeschwindigkeit
zwischen Schwefelchlorür und Kautschuk durch die mit der Verdunstung des
Lösungsmittels rasch zunehmende Concentration so gesteigert, dass eine homogene
Durchvulkanisation nicht mehr zu erwarten ist. Hierzu kommt aber noch ein weiterer
Punkt. Ein sehr niedrig siedendes, also sehr rasch verdampfendes Lösungsmittel
bringt natürlich auf der Oberfläche, von der es verdampft, eine mehr oder minder
erhebliche Temperaturerniedrigung hervor, die bei einigermaassen hohem
Feuchtigkeitsgehalte der Luft unvermeidlich zu Thaubildung auf der Kautschukfläche
führt. Das Resultat dieser Thaubildung ist eine mit der Vulkanisationswirkung des
Schwefelchlorürs gleichzeitig verlaufende Zersetzung desselben. Die Zersetzung des
Schwefelchlorürs durch Feuchtigkeit verläuft aber durchaus nicht in der einfachen
Weise, wie gewöhnlich angenommen wird. Fest steht, dass, wenn dieselbe auf Kautschuk
vor sich gebt, sehr übel riechende Producte entstehen, und allgemein wird
angenommen, dass der unangenehme Geruch ein unvermeidliches Uebel der kalten
Vulkanisation bildet. In Wirklichkeit ist dies aber nicht der Fall, derselbe lässt
sich sehr wohl verhüten, wenn für absoluten Ausschluss aller Feuchtigkeit gesorgt
wird.
Nach dem Gesagten wird es nicht schwer verständlich sein, wenn ich den
Schwefelkohlenstoff als ein unbefriedigendes Lösungsmittel für die Zwecke der kalten
Vulkanisation bezeichne. In erster Linie ist technischer Schwefelkohlenstoff stets
ein sehr übel riechendes Product. Dass der üble Geruch dem Schwefelkohlenstoff als
solchem nicht zukommt, ist wohlbekannt. Thatsächlich gelingt es bei sehr langsam
geleiteter Destillation technisch reinen Schwefelkohlenstoffs einen Rückstand
zu erhalten, in der Hauptsache aus Schwefel bestehend, dessen Geruch betäubend
ekelhaft ist. Durch Behandlung mit kaltem Aether lässt sich diesem Rückstande eine
geringe Menge eines weissen, in seidenglänzenden Nadeln krystallisirenden Körpers
entziehen. Derselbe verflüchtigt sich langsam bei gewöhnlicher Temperatur unter
Verbreitung eines scheusslichen Geruches. Beim Erhitzen verflüchtigt er sich ohne zu
schmelzen. Mit den geringen Mengen dieses Körpers, die ich erhalten konnte, liess
sich nur feststellen, dass derselbe Kohlenstoff und Schwefel neben einem noch
unbekannten Reste, vielleicht Sauerstoff oder Stickstoff, enthält. Jedenfalls ist
der Schwefelkohlenstoff zum Theil für den üblen Geruch kaltvulkanisirter
Kautschukartikel verantwortlich und deshalb seine Anwendung für den genannten Zweck
schon aus diesem Grunde zu beanstanden. Im Weiteren aber ist dessen Siedepunkt
unzweifelhaft zu niedrig, so dass bei der Kaltvulkanisation unter Anwendung dieses
Lösungsmittels stets Thaubildung mit ihren unvermeidlichen Folgen eintritt.
Von Lösungsmitteln, die unseren oben gestellten Anforderungen entsprechen, besonders
auch bezüglich des Siedepunktes, haben wir keine grosse Auswahl und existiren meines
Wissens nur zwei, die überhaupt in Betracht kommen können. Dies ist Benzol und
Tetrachlorkohlenstoff. Beide entsprechen allen unseren Bedingungen und beider
Siedepunkte sind hoch genug, um eine langsame Verdunstung ohne Thaubildung zu
sichern. Die Wahl zwischen diesen beiden Lösungsmitteln scheint daher lediglich eine
Frage des Preises zu sein. Dies ist indessen nicht ganz zutreffend und zwar aus dem
Grunde, dass der Geruch eines Lösungsmittels für Kautschuk diesem unvergleichlich
hartnäckiger anhaftet, als der Geruch einer Flüssigkeit, die nur im Stande ist, den
Kautschuk aufzuquellen, aber nicht zu lösen. Da nun Benzol ein vorzügliches
Lösungsmittel für Kautschuk darstellt, Tetrachlorkohlenstoff denselben aber nur zu
quellen, nicht zu lösen vermag, so erscheint mir der letztere dem ersteren als
überlegen für den Zweck der Kaltvulkanisation mit Schwefelchlorür. Leider aber ist
der Preis des Tetrachlorkohlenstoffs gegenwärtig noch zu hoch, um denselben zu dem
angeführten Zwecke, unter Verlust desselben, zu verwenden. Dass die
Kaltvulkanisation unter Anwendung von Tetrachlorkohlenstoff ganz ausgezeichnete
Resultate ergibt, davon habe ich mich durch eine grosse Zahl von Versuchen auf das
bestimmteste überzeugt.
Somit bleibt die Wahl unter den angegebenen Lösungsmitteln also auf das Benzol
beschränkt. Obgleich ich dasselbe als, für den genannten Zweck, dem
Tetrachlorkohlenstoff nachstehend bezeichnet habe, zeigt dasselbe sich doch noch
immer dem Schwefelkohlenstoff weit überlegen. Bei Vulkanisation mit einer Lösung von
Schwefelchlorür in Benzol zeigt sich sofort, dass eine Thaubildung auf den benetzten
Oberflächen unter keinen Umständen mehr eintritt, sowie dass die Kautschukblätter
bezieh. Schichten zu grösserer Tiefe und homogener durchvulkanisirt sind.
In Anbetracht der Verschiedenheit der physikalischen Constanten von Benzol und
Schwefelkohlenstoff entsteht nun die Frage: ob für die Anwendung als Lösungsmittel
des Schwefelchlorürs zum Zwecke der Kaltvulkanisation das Benzol dem
Schwefelkohlenstoff, Volum für Volum, gleichwerthig ist, ob also mit anderen Worten
eine 5procentige Lösung in Benzol dieselbe Vulkanisationswirkung hat wie eine 5procentige
Lösung in Schwefelkohlenstoff. Nun wird bekanntlich die Kaltvulkanisation von
Kautschukgeweben in der Weise ausgeführt, dass die zu vulkanisirende Kautschukfläche
eine etwa bis zur Hälfte ihres Durchmessers in die zu vulkanisirende Lösung
eintauchende Walze in Umdrehung setztDetails siehe:
Journ. prakt. Chem., die nun die
Vulkanisationslösung an die Kautschukfläche überträgt. Nun ist aber sofort klar,
dass das Volumen der auf diese Weise von dieser Walze auf die Flächeneinheit des
Kautschuks übertragenen Vulkanisationslösungen von den Ausmessungen der Walze
unabhängig ist und in Wirklichkeit von der Dünn- oder Dickflüssigkeit der Lösung,
genauer von ihrer Oberflächenspannung bestimmt wird, derart, dass die übertragenen
Volumina zweier verschiedener Lösungen den bezieh. Oberflächenspannungen dieser
Lösungen umgekehrt proportional sind. Nun lassen sich die relativen Werthe für die
Oberflächenspannungen verschiedener Flüssigkeiten leicht mittels der
Tropfenzählmethode bestimmen. Auf diese Weise finden wir
1
cc
CS2
liefert
54
Tropfen
1
cc
C6H6
„
43
„
Hieraus folgt nun sofort, dass die in gleichen Zeitabschnitten, unter sonst gleichen
Bedingungen, auf gleich grosse Kautschukflächen mittels der oben erwähnten Walze
übertragenen Mengen von Schwefelkohlenstoff und Benzol sich wie 1 zu 1,25 verhalten.
Bei gleichem Procentgehalte der beiden Lösungsmittel an Schwefelchlorür würde also
das Benzol eine um 25 Proc. intensivere Vulkanisation bewirken. Ein Versuch mit
5procentigen Lösungen an aus reinem Parà-Kautschuk hergestelltem wasserdichten
Gewebe ergab nach der Vulkanisation folgende Resultate:
S
Cl
33
Proc.„
S2Cl2S2Cl2
inin
CS2C6H6
: 4,30: 5,39
Proc.„
4,555,69
Proc.„
vom Gewicht desKautschuks
Reducirte man nun den Schwefelchlorürgehalt in der Benzollösung in entsprechender
Weise, also um 25 Proc., so ergab die Analyse:
2,25 Proc. S2Cl2 in C6H6 : 4,28 Proc. S, 4,71 Proc. Cl.
Der Vulkanisationsgrad ist also nunmehr derselbe wie mit der 5procentigen
Schwefelkohlenstofflösung. Da nun der Preis des Schwefelkohlenstoffs 240 M. und der
des Benzols (90procentig) 500 M. für 1 t (engl.) betragen, von letzterem aber für
denselben Vulkanisationsgrad 25 Proc. mehr erforderlich sind, so stellt sich die
Vulkanisation unter Anwendung von Benzol gegenwärtig um etwa 160 Proc., also etwas
mehr als das 1½fache, theurer als bei Anwendung von Schwefelkohlenstoff. Dies ist
unzweifelhaft beträchtlich. Dem gegenüber steht aber der Vortheil einer weit
besseren Durchvulkanisation des Kautschuks, eines viel besseren Geruches der Waare,
einer ganz bedeutend grösseren Haltbarkeit derselben und schliesslich einer viel
geringeren Gefährdung der Gesundheit der Arbeiter als bei Anwendung des in dieser
Beziehung mit Recht übel angeschriebenen Schwefelkohlenstoffs.
Da nun gegenwärtig, wenigstens in England, die Kautschukfläche der wasserdichten
Stoffe wie eine Textilfläche in mannigfachster Weise decorativ behandelt wird, und
diese Behandlung stets vor der Vulkanisation stattfindet, so ist es natürlich von
Bedeutung, einen schädlichen Einfluss der Vulkanisation auf das Aussehen der
Decorirung zu verhindern. Dies ist im Allgemeinen um so schwieriger, als die zu
diesen Decorirungen verwendeten Materialien (Farben, Metallbronzen) auf die
Oberfläche der zu vulkanisirenden Kautschukschicht applicirt werden und deshalb der
möglichen schädigenden Wirkung des Schwefelchlorürs in hohem Grade ausgesetzt sind.
Nun zeigt sich bei praktischen Versuchen sofort, dass eine theoretisch mögliche
Schädigung mit Sicherheit stets eintritt, wenn gleichzeitig Schwefelchlorür und
Feuchtigkeit zur Wirkung gelangen. Dies ist aber stets der Fall bei Anwendung von
Schwefelkohlenstoff zur Kaltvulkanisation, wie oben ausgeführt wurde, ist aber bei
Anwendung von Benzol vermieden, da bei dessen Verwendung auf der damit benetzten
Kautschukfläche keine Thaubildung eintritt. Dieser Vortheil des Benzols ist in
vielen Fällen sehr schwerwiegend.
Dieser Punkt der Wirkung der Feuchtigkeit bei der Kaltvulkanisation ist übrigens von
allgemeineren Gesichtspunkten aus sehr der Beachtung werth, gleichgültig ob unter
Anwendung von Benzol oder Schwefelkohlenstoff vulkanisirt wird. Es kann nämlich der
Fall eintreten, und thatsächlich wird in dieser Beziehung viel gesündigt, dass
Feuchtigkeit enthaltende Materialien für die Kautschukmischungen verwendet werden,
und zwar ist es merkwürdiger Weise gerade der Kautschuk selbst, dessen
Feuchtigkeitsgehalt am häufigsten übersehen wird, und der in dem normalen Gange der
Fabrikation auch nicht los zu werden ist. Wird nun schliesslich vulkanisirt, so
verhindert die vorhandene Feuchtigkeit zwar nicht die Vulkanisationswirkung des
Schwefelchlorürs, veranlasst aber in der ganzen von demselben durchdrungenen Dicke
des Kautschuks eine Zersetzung eines Theiles desselben. Zunächst ist eine ungünstige
Beeinflussung des Vulkanisationsresultates nicht zu bemerken, nach wenigen Wochen
schon stellen sich aber Anzeichen beginnender Zersetzung des Kautschuks ein, die
nach Verlauf von 3 oder 4 Monaten ihren Höhepunkt erreicht. Der Kautschuk wird
hierbei hart und brüchig. Auf welche Weise diese Nebenreaction zwischen Wasser und
Schwefelchlorür zur Zerstörung des Kautschuks führt, ist sehr der Aufklärung
bedürftig, dürfte aber vielleicht auf die Weise herbeigeführt werden, dass zunächst
eine Zersetzung des Schwefelchlorürs in Chlorwasserstoff, Schwefelwasserstoff,
Schwefel, Thioschwefelsäure und schweflige Säure stattfindet. Von diesen addirt sich
der erstere an den Kautschuk, die übrigen Körper erleiden nach und nach Oxydation,
die dann auch den Kautschuk in Mitleidenschaft zieht.
Dies zeigt sich viel klarer in den Fällen, in welchen der feuchte Kautschuk in
Abwesenheit von Wasser ganz unschädliche Körper enthält, wie z.B. Eisenoxyde. Auf
trockenes Eisenoxyd wirkt Schwefelchlorür nicht ein, ist aber Feuchtigkeit zugegen,
so bilden sich basische Ferrichloride, die den Kautschuk in kürzester Zeit
zerstören, da dieselben als kräftige Sauerstoffüberträger zu wirken im Stande sind.
Noch viel fataler, weil rascher, wirken in dieser Beziehung Mangan und
Kupferverbindungen, selbst wenn diese nicht dem Kautschuk beigemengt wurdenWas wohl sehr selten geschieht. Indessen möchte
ich darauf hinweisen, dass nicht selten Ockerfarben dem Kautschuk
beigemischt werden, die sehr häufig einen erheblichen Gehalt an Mangan
aufweisen. Alle ungebrannten Ocker, ob manganhaltig oder nicht, sollten übrigens,
ihres bedeutenden Hydratwassergehaltes wegen, nicht zur Mischung mit
Kautschuk verwendet werden., sondern nur als Mordants in den mit Kautschuk
bedeckten Geweben vorhanden sind, ein sehr häufig auftretender Fall, der noch vor
wenigen Jahren zu grossen Verlusten und zahllosen Processen führte.
Von der grossen Zahl derjenigen Mineralsubstanzen oder anorganischen Körpern, die zu
Kautschukmischungen angewandt werden, und die im Stande sind, mit Schwefelchlorür in
Wechselwirkung zu treten, sind hauptsächlich Aetzkalk, Kaliumcarbonat,
Bleioxydhydrat, Bleioxyd (Bleiglätte), Bleitetroxyd (Mennige) und Lithopone zu
nennen, als geeignet, Vulkanisationsfehler zu verursachen. Aetzkalk findet, nur in
ganz minimalen Mengen, ausgedehnte Anwendung und führt deshalb nur bei Anwesenheit
erheblicher Feuchtigkeitsmengen, dann aber unfehlbar, zu schlechten Resultaten.
Calciumcarbonat wird in erheblichen Mengen angewandt und wirkt entschieden
ungünstig, höchst wahrscheinlich in Folge der Bildung von Calciumchlorid.
Bleioxydhydrat, das noch vor kurzem vielfach benutzt wurde, hat bezüglich seiner
Brauchbarkeit sehr verschiedene Beurtheilung gefunden. Dass dasselbe bei
vorsichtiger Fabrikationsführung gute Resultate gibt, ist unzweifelhaft, ebenso
aber, dass es unter Umständen zur raschen Zerstörung der damit hergestellten Artikel
führt. Bleioxyd als solches kann anstandslos verwendet werden, doch ist sehr darauf
zu achten, dass dasselbe absolut kupferfrei, anderenfalls fallen die damit
hergestellten Artikel unfehlbar der Zerstörung anheim. Bleitetroxyd, das bekanntlich
in gewissen Fällen der Heissvulkanisation mit grossem Vortheile angewandt wird,
wirkt bei der Vulkanisation mit Schwefelchlorür unfehlbar schädlich, unzweifelhaft
in Folge von Chlorentwickelung. Lithopone, ein Gemenge von Zinksulfid und
Bariumsulfat, entwickelt bei Anwesenheit der geringsten Menge Feuchtigkeit
Schwefelwasserstoff und das sich bildende Zinkchlorid bewirkt rasch die Zerstörung
des Kautschuks.
Aus dem Gesagten ist ersichtlich, dass Feuchtigkeit, entweder im Kautschuk oder in
den zur Mischung mit demselben benutzten Rohmaterialien einerseits, andererseits
Kupferverbindungen und Superoxyde die grössten Feinde der Kaltvulkanisation sind.
Erstere muss natürlich durch entsprechende sorgfältige Trocknung aller zur
Verwendung gelangenden Rohmaterialien, die letztere durch analytische Controle
vermieden werden. Wird diesen beiden Punkten die gebührende Beachtung geschenkt, so
verschwinden die angeblichen Nachtheile der Vulkanisation mit Schwefelchlorür von
selbst.
Die vorstehenden Ausführungen behalten ihre Gültigkeit unabhängig von der Art des in
dem zu vulkanisirenden Artikel enthaltenen Kautschuks. Damit soll aber nicht gesagt
sein, dass jede Kautschuksorte zur Fabrikation kalt vulkanisirter Artikel verwendbar
ist. Dies ist thatsächlich nicht der Fall, wie jedem Fachmanne wohl bekannt. Ueber
den Grund dieser Thatsache herrscht noch völlige Dunkelheit, die sich auch nicht
lüften wird, so lange unsere Kenntniss der chemischen Natur des Kautschuks und der
Beziehungen der verschiedenen Kautschuksorten zu einander noch von solch
fragmentarischer Beschaffenheit sind, wie gegenwärtig. Als praktische Regel lässt
sich sagen, dass die leicht (heiss) vulkanisirten Kautschuksorten sich gut für
die Kaltvulkanisation eignen, die schwer vulkanisirbaren um so weniger, je
schwieriger sie heiss vulkanisirbar sind.