Titel: | Kälteindustrie.Die Kühlhausanlage in Hamburg. |
Autor: | Alois Schwarz |
Fundstelle: | Band 308, Jahrgang 1898, S. 64 |
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Kälteindustrie.Die Kühlhausanlage in Hamburg.
Von Prof. Alois Schwarz
in M.-Ostrau.
Die Kühlhausanlage in Hamburg.
Die Hamburger Kühlhausanlage ist auf einem dem Hamburger Staate gehörigen, 8000 qm
grossen Platze erbaut, der an der Kampstrasse belegen und an die Eisenbahn
angeschlossen ist. Das aus einem Ober- und einem Untergeschosse bestehende Gebäude
ist 70 m lang und 50 m breit. Auf beiden Seiten des Kühlhauses befinden sich
rampenartige Strassen, aufsteigend nach dem Obergeschosse, absteigend nach dem
Untergeschosse, so dass man von der Strasse aus direct in die betreffenden
Stockwerke gelangen kann. Im oberen Stockwerke des Gebäudes sind die Kühl- und im
unteren die Gefrierräume belegen. An der Rückseite befinden sich das Kessel-, das
Maschinenhaus und der Eisgeneratorraum; an der Vorderseite sind die Verwaltungsräume
erbaut. Die Kühl- und Gefrierräume sind von der Erd- und Luftwärme isolirt.
Die Isolirung wird erreicht durch die eigenartige Construction des Fussbodens, der
Ringmauern und der Bedachung.
Der Fussboden wird gebildet durch eine 0,75 m starke Schlackenschüttung und darüber
liegendes Cementfundament. Die Ringmauern sind 1,10 m stark, aus Backsteinen
gemauert. In der Dicke der Mauer befinden sich drei Luftschichten von je 6 cm, die,
um eine wirkliche Ruhelage der Luftschicht zu erzielen, in Höhen von 1 m quer
durchmauert sind. Die Decke wird durch ein Monier'sches
Gewölbe, ein Cementgewölbe mit Drahteinlage, abgeschlossen. Auf diesem Gewölbe ruht
eine 0,5 m starke Torfstreuschüttung, die von dem darüber befindlichen Cementdache
durch eine 1 m breite Luftschicht getrennt ist.
Die im Obergeschosse befindlichen Kühlräume sind von den im Untergeschosse
befindlichen Gefrierräumen durch eine einfache Cementdecke geschieden.
Der Fussbodenbelag in den Kühlräumen wird durch Mosaikplatten gebildet.
Die Kühl- und Gefrierräume haben eine Grundfläche von 4000 qm (halb Kühl-, halb
Gefrierraum). Beleuchtung erhalten die ersteren durch Oberlicht (dreifache
Fensterlage), die Gefrierräume durch elektrisches Licht.
Die Kühlräume, die bestimmt sind, das zu kühlende Fleisch aufzunehmen, zerfallen in
drei Einzelräume und enthalten dieselben zusammen 250 verschliessbare Zellen von 3
bis 16 qm Grundfläche. Die Seitenwände der Zellen werden durch verzinktes Wellblech
gebildet, die Vorderwand durch ein Drahtgitter, damit die Circulation der Luft nicht
gestört wird. In den Kühlzellen befinden sich in Manneshöhe Hakengestelle mit festen
Haken für grössere Fleischstücke und verschiebbare Haken für kleine Fleischtheile.
In der Mitte des Kühlraumes befinden sich unter der Decke zwei 1,5 m
Durchmesser habende Holzkanäle, die sich in kleinere Kanäle verzweigen, die rings an
den Wänden dicht über den Kühlzellen entlang laufen. Der eine Kanal –
Zuführungskanal der gekühlten Luft – hat an der Unterseite einen Einschnitt, durch
den die gekühlte Luft in die Kühlzellen fällt. Der andere Kanal, Abzugskanal für die
warme, verbrauchte Luft, hat oben einen Einschnitt, durch den dieselbe in den Kanal
hineingesogen wird.
Aehnlich sind die Gefrierräume eingerichtet, nur sind dieselben durch Holzverschläge
abgetheilt, damit dieselben je nach Bedarf vergeben werden können.
Die oben genannten Kanäle stehen mit dem Eis- oder Luftkühlraum in Verbindung.
In demselben befindet sich ein System von Röhren (Luftkühler), in denen das
verdampfende Ammoniak enthalten ist.
Ueber den Verdampferröhren liegt ein anderes Röhrensystem, das an der Unterseite mit
feinen Oeffnungen versehen ist, aus denen ein stetiger Salzwasserregen sich über die
Ammoniakröhren ergiesst und alsdann unten in einem Bassin sammelt. Das Salzwasser
wird durch eine Pumpe wieder oben in die Röhren hineingepumpt, um sich von hier aus
von Neuem über die Verdampferröhren zu ergiessen.
Der Ammoniakcondensator, gleichfalls als Berieselungsapparat gebaut, befindet sich
auf dem Dache des Gebäudes.
In demselben wird das comprimirte Ammoniak durch einen einfachen Wasserregen gekühlt.
Beide Röhrensysteme schliessen sich an die im Maschinenraume gelegenen, von der Gesellschaft für Linde's Eismaschinen in Wiesbaden
gelieferten Compressionsmaschinen an. Diese Maschinen, bestehend aus zwei
Verbund-(Tandem-)dampfmaschinen von je 150 , an welchen je zwei Linde'sche Compressoren Nr. 6 angekuppelt sind,
bekommen ihren Betriebsdampf aus dem Kesselhause; hier liegen drei Doppelkessel von
je 140 qm Heizfläche und 9,5 at Betriebsdruck, von denen höchstens zwei in Gebrauch
sind. Ueber den Kesseln befindet sich ein Dampfsammler, der den aus den Kesseln
kommenden Dampf von den noch etwa daran haftenden Unreinigkeiten reinigt und alsdann
zum Betriebe der Maschinen entlässt. Das Speisewasser der Kessel beträgt im Tage 50
bis 70 cbm und wird aus der Wasserleitung entnommen. Das zur Condensation des
Ammoniaks und des Dampfes erforderliche Kühlwasser, für den Tag etwa 700 bis 800
cbm, wird aus Tiefbrunnen gewonnen. Das zur Kälteerzeugung nothwendige flüssige
Ammoniak wird in schmiedeeisernen Ballons bezogen. Jeder Ballon enthält etwa 20 k
flüssiges Ammoniak.
Soll nun die Kühlanlage in Betrieb gesetzt werden, so wird der Ballon an ein
Röhrensystem angeschraubt und das Ventil geöffnet; das flüssige Ammoniak strömt in
das Röhrensystem hinein, gelangt in das ausgedehnte Röhrensystem des Luftkühlers und
verdampft. Das Verdampfen wird noch dadurch gefördert, dass der Luftkühler an den
Linde'schen Compressor angeschlossen ist, der das
verdampfende Ammoniak ansaugt, um es zu comprimiren.
Das Ammoniak, welches den Luftkühler mit einer Temperatur von + 20° betreten hat,
bindet bei der Verdampfung sämmtliche Wärme der Umgebung und wird selbst bis auf –
15° abgekühlt. Diese Kälte gibt es an die Röhren ab und von diesen wird die Kälte wieder
dem strömenden Salzregen (eine 20procentige Chlorcalciumlösung) mitgetheilt.
Durch diesen gekühlten Salzregen saugen und drücken nun die Ventilatoren die aus dem
Abzugskanale der Kühlräume kommende Luft hindurch. Die Luft wird dadurch, je
nachdem, für die Gefrierräume auf – 5 bis – 7°, für die Kühlräume auf + 1 bis + 2°
abgekühlt.
Die niedrig temperirte Luft gibt leicht die anhaftende Feuchtigkeit und damit etwa
vorhandene Unreinigkeiten (Staub, Keime) an die Salzlösung ab. Die Luft wird somit
gekühlt, gewaschen und getrocknet. Die so gereinigte Luft strömt durch die
Zuführungskanäle in die Kühl- oder Gefrierzellen. Die zu kühlenden Gegenstände
befinden sich somit in einer gekühlten, trockenen Luft (relative Feuchtigkeit 75
Proc.) und können dementsprechend der Entwickelung etwaiger Zersetzungskeime den
günstigsten Widerstand entgegensetzen.
Die verbrauchte Luft strömt durch den Abzugskanal wieder in den Luftkühlraum und
dieser Kreislauf wiederholt sich in der Stunde etwa zehnmal. Es findet in den Kühl-
und Gefrierräumen eine zehnmalige Lufterneuerung in der Stunde statt. Zeitweise wird
auch frische Luft von aussen unmittelbar zu den Ventilatoren zugelassen und vor
Eintritt in die Kühlräume durch den Luftkühlapparat geblasen.
Das durch den Compressor ausgesogene verdampfte Ammoniak wird nun comprimirt.
Hierdurch erwärmt sich dasselbe bis auf etwa + 30°, obgleich es mit einer Temperatur
von – 15° dem Compressor zugeführt wurde. Das comprimirte, 30° warme Ammoniakgas
wird in dem auf dem Dache befindlichen Condensator durch den Wasserregen gekühlt und
gelangt dann wieder zu dem Röhrensysteme des Luftkühlers und verdampft hier von
Neuem; damit ist auch dieser Kreislauf gegeben.
In den Kühlräumen wird die Temperatur ständig auf 2 bis 4° gehalten und hält sich
hier das hineingebrachte Fleisch wochenlang sehr gut.
Aber nicht allein das Fleisch, sondern alle möglichen Nahrungsmittel, die leicht dem
Verderben ausgesetzt sind, haben in den Hamburger Kühlhausanlagen eine Unterkunft
gefunden und dadurch hat dasselbe für Hamburg eine grosse wirthschaftliche Bedeutung
erlangt.
Namentlich zeigt sich dies, wenn wir denjenigen Gegenständen, die in den
Gefrierkammern lagern, unsere Aufmerksamkeit zuwenden.
In dem einen Gefrierraume, wo beständig eine Temperatur von – 5 bis – 7° herrscht,
hat ein Unternehmer etwa 1500 gefrorene Rinderviertel, Kälber und Hammel gelagert.
Das Fleisch stammt von Rindern, Kälbern und Schafen, die in Australien geschlachtet
worden sind; dasselbe wird dann bei – 12° gefroren und in diesem Zustande nach
Deutschland überführt und hier im Kühlhause gelagert.
Das Fleisch, welches im October und November v. J. eingebracht worden war, hatte noch
im März d. J. das gleiche Ansehen, wie zur Zeit der Einfuhr. Das Fleisch ist somit
Stapelartikel geworden. Der Unternehmer hat sich Mitte März Läden gemiethet,
verkauft darin das Fleisch ausgehauen zu billigen Preisen und erzielt reissenden
Absatz. Es ist dies der erste grössere Versuch der Einfuhr frischen, gefrorenen
Fleisches aus Australien.
In einem anderen Theile des Kühlhauses, der noch dadurch ausgezeichnet ist, dass
die Abkühlung durch in Röhren strömende abgekühlte Chlorcalciumlösung bewirkt wird,
ist ein Lagerraum für 7000 Centner gefrorenen Nordcap-Schellfisch hergerichtet. Der
frisch gefangene Angel-Schellfisch wird in ein von der Nordcap-Actiengesellschaft im vorigen Sommer erbautes Kühlhaus in Vardö
(Nordküste von Norwegen) gebracht und hier bei – 6° gelagert; sobald die Saison, die
Fastenzeit, in Deutschland beginnt, wird der Schellfisch von dem Gefrierdampfer S. S. Nordcap übernommen, hier ebenfalls bei – 6°
conservirt und nach Hamburg in die betreffenden Gefrierräume des Kühlhauses
gebracht, um von da aus nach allen Theilen des Inlandes, nur in Papier eingeschlagen
und in Körbe verpackt, versandt zu werden. Die Gutachten bedeutender Aerzte haben
sich über die Güte des Fisches sehr befriedigend ausgesprochen. Die Gesellschaft
beabsichtigt, den Fisch zu einem wirklichen Volksnahrungsmittel zu machen.
In den Gefrierräumen lagern ausserdem enorme Quantitäten von gefrorenem Wild und
Geflügel. Weiter werden dort in besonderen Räumen frische Eier (bei 0°), frische
Milch, frische Fische bei – 7° conservirt.
Ja, es hat sich sogar eine ganz eigenartige Conservirung entwickelt. Man macht
umfassende Versuche, um Blumen in dem augenblicklichen Zustande, in dem sie sich
befinden, zu erhalten. Maiblumenkeime sind in grossen Mengen in den Gefrierräumen
aufgestapelt, sollen dort bis zum Hochsommer lagern und dann erst eingepflanzt und
zum Blühen gebracht werden. Aehnliche Versuche werden mit Fliedersträuchern
gemacht.
Die von der Gesellschaft für Kühlhallen, welche den
Betrieb der Anlage vom Staate Hamburg pachtweise übernommen hat, für die Benutzung
derselben eingehobenen Miethen werden nach einem Tarife berechnet, welcher entweder
nach Stück oder nach Gewicht bemessen wird. Die Miethtarife nach Stück betragen für
ein Ochsen-, Kalb- oder Schweineviertel 0,40 M., für ein Hammel viertel 0,25 M. für
je 3 Tage; für längere Aufbewahrungszeit wird entsprechender Nachlass gewährt. Beim
Tarife nach Gewicht wird pro Meter-Centner für die erste Woche 2 M., für jede
weitere Woche 1 M. berechnet. Die Kühlräume für Eier, Seefische, Häringe, Wild
u.s.w. sind von einzelnen Unternehmern zu bestimmten Pauschalpreisen für das ganze
Jahr gemiethet; ebenso haben grössere Schlächtereien besondere Miethsübereinkommen
mit der Gesellschaft getroffen.
Die Gesellschaft hat sich ferner die Aufgabe gestellt, ein absolut reines, jede
Gefahr für den Gebrauch ausschliessendes Eis herzustellen. Zu dem Zwecke benutzt sie
den zum Betriebe der Maschine verwandten Dampf. Derselbe wird condensirt,
verflüssigt, alsdann nochmals aufgekocht, vollkommen sterilisirt und luftleer
gemacht; dieses so gewonnene Wasser fliesst alsdann in die Gefrierzellen. Letztere
tauchen in eine auf etwa – 5° abgekühlte Salzlösung und frieren in dieser im Laufe
von 24 Stunden aus.
Durch eine äusserst sinnreiche Schiebevorrichtung werden die einzelnen Zellenreihen
von der Füllstelle nach vorn geschoben, mittels eines hydraulischen Krahnes
herausgehoben, abgethaut und umgestürzt. Die krystallklaren, etwa 50 Pfund wiegenden
Eisblöcke gelangen dann in den Eiskeller.
Die Gesellschaft liefert etwa 75000 Pfund Eis in 1 Tag.
Dasselbe ist wegen seiner absoluten Reinheit für Krankenhäuser, Aerzte, für den
Haushalt u.s.w. ein äusserst begehrter Artikel.
Nicht allein in Bezug auf die Eisfabrikation, sondern auch in Rücksicht auf die
Conservirung frischer Waare hat sich die Hamburger Kühlhausanlage bereits in der
kurzen Zeit des Bestehens einen Platz im wirthschaftlichen Leben erobert, von dem es
voraussichtlich nicht wieder verdrängt werden kann.