Titel: | Kraftmaschinen.Neuere Locomotiven. |
Fundstelle: | Band 308, Jahrgang 1898, S. 121 |
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Kraftmaschinen.Neuere Locomotiven.
Mit Abbildungen.
Neuere Locomotiven.
Ueber bemerkenswerthe Locomotiven der belgischen Staatsbahnen auf der Weltausstellung
zu Brüssel bezieh. Tervueren 1897 berichtet A.
Lavezzari in dem Bulletin de la Société des
Ingenieurs civils de France, Mai 1897 S. 670 und folgende.
Die einzige von den belgischen Staatsbahnen selbst ausgestellte Locomotive – eine
curvenbewegliche Schnellzuglocomotive – war in den Centralwerkstätten erbaut und
ohne Anstrich und ohne Ummantelung des Kessels zur Ausstellung gebracht.
Textabbildung Bd. 308, S. 121
Fig. 1.Curvenbewegliche Schnellzuglocomotive.
Die Fig. 1 ersichtliche Maschine hat folgende
Hauptabmessungen:
Durchmesser der Cylinder
500
mm
Kolbenhub
600
mm
Durchmesser des Kessels
1,300
m
Anzahl der Feuerröhren
242
Länge „ „
3,850
m
Durchmesser der Feuerröhren (aussen)
45
mm
Heizflache
der Feuerkisteder Rohre
12,500112,175
qmqm
Gesammte Heizfläche
124,675
qm
Rostfläche
4,7071
qm
System der Steuerung
Heusingerv.
Waldegg(Walschaert)
Gesammtgewicht, betriebsfähig
49200
k
„ leer
45500
k
Kesselspannung
10
at
Zwei andere Locomotiven derselben Type mit Messingrohren mit Innenrippen nach Serve (1890 275 * 395)
wurden von der Société anonyme de la Meuse zu Lüttich
bezieh. der Société anonyme des Forges, Usines et
Fonderies zu Haine-Saint-Pierre vorgeführt.
Die eine Locomotive ist mit einer mit schwingenden und für Ein- und Auslass
getrennten Kolbenschiebern arbeitenden Steuerung, System Lencauchez (1892 286 * 126; 1894 293 10), versehen. Cylinder und Schieberkasten liegen
innerhalb der Rahmen. Die andere Locomotive hat Flachschiebersteuerung, System Hayois, mit zwei Einlass- und einem Auslasschieber für
jeden Cylinder.
Die Maschinen dieser Type befördern Züge, deren Traingewicht 150 t beträgt, auf
Steigungen von 5 mm und 5 km Länge mit Geschwindigkeiten von 90 km in der Stunde,
ohne dass ein Sinken der Kesselspannung und des Wasserspiegels im Kessel eintritt.
Die Rostfläche von 4,7071 qm ist unter Zugrundelegung eines Verbrauches an
Brennmaterial von im Mittel 260 bis 280 k halbfetter Kohle für 1 qm und Stunde
berechnet worden. Jedes Kilo Kohle verdampft 8 k Wasser.
Mit einer Steuerung System Hayois war auch die von der
Société de Marcinelle et Couillet ausgestellte, für
starke Steigungen gebaute Schnellzuglocomotive (Type 16) mit sechs gekuppelten
Rädern von je 1,70 m Durchmesser versehen. Die Maschine hat aus weichem Stahl
gefertigte Rohre, System Serve.
Derartige, in Dienst gestellte Maschinen befördern unter normalen Verhältnissen Züge
von 110 t Traingewicht auf Steigungen von 16 mm mit einer mittleren Geschwindigkeit
von 60 km in der Stunde.
Der anwachsende Verkehr auf der Luxemburg-Linie der belgischen Staatsbahnen
erforderte stärkere Locomotiven der vorstehenden Bauart. Es ist deshalb eine neue
Locomotivtype mit je sechs gekuppelten Rädern in Dienst gestellt worden, die sich
durch grössere Kessel und Maschinen, in Folge dessen eine um 30 Proc. gesteigerte
Zugkraft von der vorgenannten Type unterscheidet.
Die Société de Saint-Leonard hatte eine
Güterzuglocomotive mit Messingrohren, System Serve,
ausgestellt. Die Maschine ist eine Doppel-Verbundlocomotive, System Mallet (1891 282 27), mit je
sechs gekuppelten Rädern und beweglichen Rahmengestellen. Ihre Zugkraft berechnet
sich zu 13500 k. Die Maschine dient zur Beförderung der Züge auf den schiefen Ebenen
von Lüttich nach Ans. Gegenwärtig müssen die auf der Linie von Aachen nach dem
Inneren von Belgien verkehrenden Güterzüge vor den genannten schiefen Ebenen
getheilt und auf den oberen Stationen wieder zusammengestellt werden, was durch
die neuen Locomotiven vermieden wird.
Die Hauptabmessungen derselben sind nachstehende:
Durchmesser der Hochdruckcylinder
500
mm
„ „ Niederdruckcylinder
810
mm
Kolbenhub
650
mm
Durchmesser der Treibräder
1,30
m
Kesselspannung
15
at
Rostfläche
7
qm
Heizfläche
260
qm
Fassungsraum für Wasser
9000
l
„ „ Kohlen
3000
l
Leergewicht
80000
k
Dienstgewicht
98000
k
Eine Güterzuglocomotive mit sechs gekuppelten Rädern von je 1,30 m Durchmesser (Type
25) war von Zimmermann, Haurey et Cie. ausgestellt. Die
Maschine soll Züge im Traingewicht bis zu 230 t auf ununterbrochenen Steigungen von
16 mm mit Geschwindigkeiten von 30 km in der Stunde befördern.
Ihre hauptsächlichsten Abmessungen sind:
Durchmesser der Cylinder
500
mm
Kolbenhub
600
mm
Anzahl der Feuerröhren
251
Länge „ „
3,510
m
Aeusserer Durchmesser der
Feuer- röhren
45
mm
Heizflache
der Feuerkisteder Rohre
11,3310109,3550
qmqm
Gesammte Heizfläche
120,6860
qm
Rostfläche
5,149
qm
System der Steuerung
Heusingerv.
Waldegg(Walschaert)
Dienstgewicht
43200
k
Leergewicht
39800
k
Kesselspannung
10
at
Die Société de construction de Boussu stellte eine
leichte Personenzugtenderlocomotive mit sechs gekuppelten Rädern von je 1,20 m
Durchmesser (Type 11) aus, deren Hauptabmessungen hierunter folgen:
Durchmesser der Cylinder
350
mm
Kolbenhub
500
mm
Anzahl der Feuerröhren
147
Länge „ „
2,500
m
Aeusserer Durchmesser der Feuer- röhren
45
mm
der Feuerkiste
6,7630
qm
Heizflache der Rohre
46,1767
qm
Gesammte Heizfläche
52,9397
qm
Rostfläche
2,0647
qm
Dienstgewicht
30700
k
Leergewicht
24700
k
Kesselspannung
11
at
System der Steuerung
Heusingerv.
Waldegg(Walschaert)
Die Maschine vermag Züge von 110 t Traingewicht auf Steigungen von 16 mm mit 30 km
Geschwindigkeit in der Stunde zu ziehen.
Eine andere, für Rangierzwecke auf Bahnhöfen bestimmte Tenderlocomotive mit sechs
gekuppelten Rädern war von der Firma Métallurgique
ausgestellt.
Von den auf der Millenniums-Landesausstellung in Budapest 1896 ausgestellten
Locomotiven waren namentlich die in einem besonderen Gebäude untergebrachten
Locomotiven der bosnisch-herzegowinischen Staatsbahn für 760 mm Spurweite äusserst
lehrreich, insofern sie die Steigerung des Verkehrs auf diesen im J. 1879 eröffneten
Bahnen zur Anschauung brachten, andererseits ein mustergültiges Beispiel lieferten,
durch die Art und Weise, wie in ihnen den Anforderungen, selbst bei den durch
scharfe Bahnkrümmungen und steile Steigungen gestellten schwierigsten
technischen Bedingungen, Rechnung getragen ist.
Nach den von E. Kelényi in dem Organ für die Fortschritte des Eisenbahnwesens, 1897 Heft 5 S. 91,
gemachten Mittheilungen wurden in der ersten Zeit des Betriebes auf der genannten
Bahn 2/2 gekuppelte Tenderlocomotiven benutzt, welche jedoch schon 1882
Zwillingstenderlocomotiven Platz machten, die derart gekuppelt waren, dass die
Führerstände vereinigt wurden und ein Führer beide handhaben konnte. Durch diese
Kuppelung wurde die 5,7 bis 11,3 t betragende Reibungslast der 2/2 gekuppelten
Locomotive auf zusammen 24,2 t der 2 × 2/2 gekuppelten Zwillingslocomotiven
erhöht.
Im J. 1885 wurden die ersten ¾ gekuppelten Klose'schen
Tenderlocomotiven gebaut, bei welchen trotz des grossen Achsstandes die
Einstellbarkeit der Achsen dadurch erreicht wurde, dass der in einem besonderen
Rahmen gelagerte Tendertheil, unter dem sich auch die hintere Laufachse befindet,
mittels eines Querstückes und einer entsprechenden Hebelübersetzung die Lagerbüchsen
der gekuppelten Achsen derart verschiebt, dass sich letztere nach dem Mittelpunkte
einstellen. Gleichzeitig wird durch entsprechende Hebelübersetzung und mittels
Verdrehung eines auf die zweite gekuppelte Achse gesteckten vierarmigen Stellkopfes
die Verkürzung oder Verlängerung der beiderseitigen Kuppelstangen bewirkt (1896 299 * 78).
Diese Locomotive vermag bei durchschnittlich 21 km Geschwindigkeit in der Stunde auf
wagerechter Bahn 420 t, auf Steigungen von 25 mm 70 t zu ziehen.
Im J. 1893 wurden versuchsweise fünf gekuppelte Klose'sche Locomotiven gebaut, doch ist man von dieser Bauart wegen der
weniger günstigen Einstellbarkeit der Achsen wieder abgegangen.
Im J. 1895 wurden 2/4 gekuppelte Klose'sche Locomotiven
mit Verbund Wirkung gebaut, bei denen die Einstellbarkeit der vorderen und hinteren
Laufachse durch das Einstellen der hinteren Laufachse mittels eines wagerechten
dreiarmigen Querstückes bewirkt wird, während die beiden mittleren gekuppelten
Achsen bei dem nur 1,3 m betragenden Achsstande keiner Einstellvorrichtung bedürfen.
Die Räder dieser mittleren Achsen sind ohne Spurkränze.
Diese Locomotive zieht auf den zwischen Doboj und Sarajewo befindlichen Steigungen
von 27 bis 37 mm bei durchschnittlich 30 km Geschwindigkeit in der Stunde 11 t. Nach
den Lieferungsbedingungen hat die Locomotive auf 8 mm Steigungen bei
durchschnittlich 35 km Geschwindigkeit in der Stunde 115 t zu ziehen.
Ausser den genannten Locomotiven besorgen auf den Linien der
bosnisch-herzegowinischen Staatsbahn, welche Abt'sche
Zahnstange haben, die nach der Abt'schen gemischten
Reibungs- und Zahnradbauart gebauten Locomotiven (1892 284 107) den Betrieb.
Von diesen Locomotiven sind die älteren ¾, die neueren 3/5 gekuppelt, deren hintere
bezieh. beide hinteren, unter dem Tender befindliche Achsen nach dem Mittelpunkte
einstellbar sind.
Auf der Millenniums-Landesausstellung war die neuere Ausführung dieser Locomotiven
vertreten (1897 305 173).
Ueber eine Verbundlocomotive mit vier Dampfcylindern berichtet v. Borries in Glaser's Annalen
für Gewerbe und Bauwesen vom 15. August 1897 S. 61 bezieh. in dem Organ für die Fortschritte des Eisenbahnwesens, 1897 S.
141.
Die Locomotive hat an jeder Langseite einen Hochdruck- und einen
Niederdruckcylinder (Fig.
2 und 3), die
behufs einfacher Bearbeitung und Anbringung in einem Stücke hergestellt werden
können. Die beiden Dampfkolben jeder Seite wirken auf eine innere und eine äussere
Kurbel, welche annähernd oder genau entgegengesetzt gerichtet sind, so dass die
Kolben sich in annähernd oder genau entgegengesetzter Richtung bewegen und die
wagerecht bewegten Triebwerkskräfte und Massen sich theilweise ausgleichen.
Die beiden Dampfschieber jedes Cylinderpaares – es sind Kolbenschieber angenommen –
werden durch eine einzige Steuerung bewegt, wobei die Füllungsgrade, von denen die
Ausnutzung der Dampfkraft wesentlich abhängt, durch zwei verschiedene Anordnungen
der Kurbeln bezieh. Steuerung erreicht werden.
Textabbildung Bd. 308, S. 123
Verbundlocomotive mit vier Dampfcylindern.
Bei der ersten Anordnung ist die Kurbel jedes Niederdruckkolbens gegen diejenige des
zugehörigen Hochdruckkolbens in der Drehrichtung der Triebachse für Vorwärtslauf um
einen kleinen Winkel – etwa 5 bis 6° – vorgestellt. Die Steuerung ist beliebiger
Art. Die Voreilung der Niederdruckkurbel bewirkt, dass ihr Kolben früher als der
Hochdruckkolben in die Endstellung gelangt, dass ihr Steuerungsschieber also
geringere äussere Deckung als derjenige des später geöffneten Hochdruckcylinders
erhält. In Folge dieser geringen Deckung seines Schiebers erhält der
Niederdruckcylinder grössere Füllungsgrade als der Hochdruckcylinder.
Bei der zweiten Anordnung stehen die Kurbeln einander gerade gegenüber. Die beiden
Dampfschieber jedes Cylinderpaares werden nicht gemeinsam, sondern von verschiedenen
Punkten des Haupthebels einer Steuerung, Bauart Heusinger, bewegt, und zwar ist die Niederdruckschieberstange näher an dem
Punkte des Haupthebels angeschlossen, an welchem die nach der Coulisse führende
Schubstange angreift, als die Hochdruckschieberstange.
An Stelle der Steuerung von Heusinger können auch
Ellipsensteuerungen, welche einen ähnlich wirkenden Haupthebel haben, z.B. diejenige
von Joy, an Stelle der Kolbenschieber auch
Flachschieber angewendet werden. Die beiden Dampfcylinder jeder Seite können auch in
zwei Stücken hergestellt und die Platten rahmen zwischen ihnen durchgeführt
werden.
Die neue Anordnung bietet gegenüber den bisher üblichen Verbundlocomotiven die
folgenden Vorzüge:
1) Im Vergleich mit der Verbundlocomotive mit zwei
Cylindern gestattet sie die Anwendung grösserer Niederdruckcylinder, also
stärkere Dampfdehnung und bessere Dampfausnutzung bei grosser Geschwindigkeit, sowie
grössere Zugkraft bei gleicher Dehnung auf Steigungen. Bei zwei Cylindern kann man
über massige Kolbenquerschnitte nicht hinausgehen, weil die Abmessungen
unbequem und die Triebwerksmassen zu gross werden. Man begnügt sich daher mit
höchstens 5- bis 6facher Dampfdehnung, während mit vier Cylindern 6- bis 7,5fache
bei 0,4 bis 0,3 Füllung in den Hochdruckcylindern ohne Schwierigkeit erreicht
wird.
Die Dampfkanäle an den Niederdruckcylindern können im Verhältnisse zu den
Kolbenflächen grösser hergestellt und damit die Spannungsverluste bei grosser
Geschwindigkeit verringert, die Dampfausnutzung also verbessert werden.
Die entgegengesetzt gerichteten Triebkräfte jedes Kolbenpaares entlasten die
Triebachsschenkel und -lager um so mehr, je weniger Triebkraft auf die Kuppelstangen
übertragen wird, vermindern also deren Reibung und Abnutzung. Sie verringern ferner,
da nur noch leichte Gegengewichte erforderlich sind, die Beanspruchung der Gleise
und bewirken ein ruhiges und stossfreies Arbeiten der Maschine, wodurch deren
Unterhaltungskosten entsprechend niedriger ausfallen.
Die Feueranfachung durch vier Dampfschläge bei jeder Triebradumdrehung ist
gleichmässiger als bei den zwei Schlägen der Zweicylinder-Verbundlocomotive.
Hierdurch wird der Kohlenverbrauch etwas vermindert und die Verdampfung besonders
bei massiger Geschwindigkeit gesteigert.
2) Im Vergleich mit der Viercylinder-Locomotive, Bauart de
Glehn (1896 301 254), ist die Anordnung
erheblich einfacher, da zwei vollständige Steuerungen erspart und je zwei Cylinder
in einem Stücke hergestellt werden können.
Die Beanspruchung der Triebachse auf Biegung ist grösser als bei der Glehn'schen Anordnung, soweit die Druckkräfte der
äusseren Dampfkolben nicht durch die Kuppelstangen aufgenommen und auf die
Kuppelachse übertragen werden. Bei starkem Arbeiten der Locomotive, wenn die
Kuppelachse mitarbeitet, wird letzteres grösstentheils der Fall sein, so dass eine
wesentlich stärkere Biegung durch die Kolbendrucke nicht eintreten wird. Jedenfalls
ist die Beanspruchung geringer, als bei allen Locomotiven mit zwei innen liegenden
Cylindern, da die verdrehenden Kräfte erheblich geringer ausfallen.
Gegenüber den starken Beanspruchungen durch Schleudern der Triebräder und Stösse bei
rascher Fahrt dürften diese Verschiedenheiten wenig ausmachen. Bei Verwendung von
Nickelstahl bietet diese Achse jedenfalls volle Sicherheit. Bei Locomotiven mit drei
gekuppelten Achsen kann die erste derselben von dem inneren, die zweite von dem
äusseren Kolben angetrieben und damit eine entsprechende Vertheilung der
Beanspruchungen erreicht werden.
Das innere Triebwerk ist von aussen leichter zugänglich, weil die äusseren Cylinder
nicht davor liegen und deren Querverbindung zwischen den Rahmen fortfällt. Die
Bauart der Rahmen ist wesentlich einfacher und nach amerikanischem Vorbilde so
gewählt, dass sie unabhängig von den Cylindern in kurzer Zeit angebracht und
abgenommen werden können.
In Folge des weitgehenden Ausgleiches der entgegengesetzt gerichteten Kolbenkräfte an
den Triebachslagern und der entsprechenden Dampfdrucke auf die Cylinderdeckel am
Cylinderkörper werden die Hauptrahmen und die Befestigung der Cylinder
verhältnissmässig wenig beansprucht. Der als Verbinder dienende gemeinsame
Schieberraum vermeidet die Druck- und Wärmeverluste in den Verbindungsleitungen. Auf
Verbinderohre in der Rauchkammer ist verzichtet, da dieselben in Folge ihrer kleinen
Heizfläche fast wirkungslos sind.
Das Verhältniss der Füllungsgrade kann je nach dem Querschnittsverhältnisse der
Kolben und der Fahrgeschwindigkeit der Locomotive für den geringsten Dampf verbrauch
richtig hergestellt werden, und zwar bei der beschriebenen Anordnung der
Heusinger-Steuerung für Vor- und Rückwärtsgang.
3) Im Vergleich mit der Viercylinder-Locomotive, Bauart
Vauclain (1893 287 * 25), gestattet die
geringere Compression in den Hochdruckcylindern die Anwendung geringerer
Füllungsgrade, wodurch bessere Dampfausnutzung erzielt wird.
Der Hauptmangel der Bauart Vauclain sind die Wirkungen
der schweren, wagerecht bewegten Triebwerksmassen, welche bei leichtester Ausführung
noch etwa doppelt so schwer, als bei hiesigen Locomotiven mit zwei Cylindern
ausfallen. Wird die Hälfte derselben durch die Gegengewichte ausgeglichen, so
beträgt die in senkrechter Richtung überschüssige Fliehkraft der Gegengewichte bei
240 bis 300 Triebradumdrehungen in der Minute etwa 4500 bis 7000 k. Um diese Kraft
wird die Triebradlast jeder Langseite bei jeder Umdrehung einmal vermehrt und
vermindert, woraus sehr erhebliche Beanspruchungen des Oberbaues folgen müssen. Bei
der hier beschriebenen Anordnung ist diese Kraft durch den erwähnten Ausgleich bis
auf ein unschädliches Maass verringert.
Die Anwendung einer gekröpften Triebachse hat kein Bedenken, da diese bei Herstellung
aus Nickelstahl alle Einwirkungen sicher erträgt.
Als Nachtheil gegen die Bauart Vauclain bleibt daher die
Vermehrung der Theile um zwei Geradführungen, zwei Kreuzköpfe, zwei Schubstangen und
zwei Schieber, wogegen als Vorzüge, wie unter 2, die geringere Beanspruchung der
Triebachslager und Rahmen, die Vermeidung der ungünstigen Beanspruchungen der
Kolbenstangen auf Biegung und demnach die geringere Eigenreibung hervorzuheben
sind.
Verbundlocomotiven mit vier Cylindern sind bekanntlich in Nordamerika häufig
anzutreffen. Auch französische Eisenbahnverwaltungen haben derartige Locomotiven
unlängst in Dienst gestellt.
So berichtet The Engineer vom 10. September 1897 S. 257
über eine viercylindrige Verbundlocomotive der französischen
Paris-Lyon-Mittelmeerbahn.
Die nach Angaben von Ch. Baudry erbaute Maschine hat
zwei Hochdruck- und zwei Niederdruckcylinder; erstere liegen ausserhalb der Rahmen.
Zur Dampfvertheilung dient eine Steuerung, System Heusinger, während die unter dem Kessel liegenden Niederdruckcylinder von
einer Gooch'schen Coulissensteuerung beherrscht werden.
Beide Steuerungen arbeiten vollständig unabhängig von einander. Die Maschine hat
vorderes zweiachsiges Drehgestell und feste Treib- und Kuppelachse.
Die von George S. Strong in New York entworfene
viercylindrige Verbundlocomotive der Pittsburgh-, Fort Wayne- und Chicago-Eisenbahn
bietet noch wegen der getroffenen Anordnungen zum Ausbalanciren der hin und her
gehenden bezieh. rotirenden Massen, des weiteren wegen ihrer Steuerung und der an
Stelle gewöhnlicher Schieber verwendeten Gitterschieber besonderes Interesse.
Die beiden Hochdruckcylinder liegen zwischen den Rahmen; ihre Kolben arbeiten
auf zwei um 90° gegenseitig versetzte Kröpfungen der Treibachse, während diejenigen
der ausserhalb der Rahmen befestigten Niederdruckcylinder mit den Kurbelzapfen der
Treibräder verbunden sind. Da der Kurbelzapfen jeder Maschinenseite mit dem
Krummzapfen derselben Seite einen Winkel von 180° bildet, der Hochdruckkolben
demnach eine Vorwärtsbewegung ausführt, während sich der Niederdruckkolben nach
rückwärts bewegt, gleichen sich, genau wie bei der vorbesprochenen viercylindrigen
Verbundlocomotive von Borries, die Gewichte der
bewegten Maschinentheile nahezu aus. Die Kurbeln der einen Maschinenseite sind gegen
diejenigen der anderen Seite um 90° versetzt, so dass die vier Kurbeln rechte Winkel
zu einander bilden. Die rotirenden Massen der Niederdruckcylinder und die Gewichte
der einander parallelen Stangen sind in der gewöhnlichen Weise durch Gegengewichte
in den Rädern, die rotirenden Massen der Hochdruckcylinder durch solche in den Armen
der Kurbelkröpfungen ausbalancirt. Die Gewichte der hin und her gehenden Theile
jedes Hochdruckcylinders gleichen diejenigen des Niederdruckcylinders auf derselben
Maschinenseite aus. Im Hinblicke auf die Wirkungen der in senkrechter Richtung und
der Länge nach auftretenden Kräfte kann die Ausbalancirung eine vollkommene genannt
werden und was die verbleibenden Horizontalkräfte und die durch dieselben
hervorgerufenen schlingernden Bewegungen der Locomotive anbelangt, so werden
letztere wegen der nur geringen Entfernung zwischen den Mitten der Hochdruck- und
Niederdruckcylinder wesentlich kleiner als bei anderen Locomotivsystemen
ausfallen.
Den bemerkenswerthesten Theil der Maschine bildet die Steuerung. Die Hauptbewegung
der, wie schon erwähnt, als Rostschieber ausgebildeten Steuerungsorgane wird für
jeden Cylinder von einer mittels Gegenkurbel in Schwingungen gebrachten Coulisse
abgeleitet und die Umsteuerung durch Veränderung der Lage eines Gleitstückes in
dieser Coulisse erreicht. Der äussere Kreuzkopf jeder Maschinenseite ist durch eine
Stange mit dem gemeinsamen Zapfen zweier Schwinghebel verbunden, die, damit die
Schieber behufs guter Dampfvertheilung mit einer gewissen Ueberdeckung oder
Voreilung arbeiten, am oberen Ende entsprechend ausgebildet sind.
Ueber Versuche, welche W. F. M. Goss, Professor an der
Purdue University zu Lafayette, an einer derartigen Locomotive anstellte, berichtet
George L. Morison im Engineering vom 5. November 1897 S. 539 u. ff. Danach befinden sich die
Treibräder stets in vollkommen ausbalancirtem Zustande. Unter gewöhnlichen
Verhältnissen konnte weder eine Zu- noch Abnahme der Drücke, mit denen diese Räder
auf die Schienen einwirken, beobachtet werden. Was die Schwingungen der Locomotive
anbelangt, so stellten sich dieselben geringer heraus als jene, welche bei
gewöhnlichen Locomotiven auftreten.
Eine für die Atlantic City Railroad von den Baldwin
Locomotive Works in Philadelphia erbaute viercylindrige
Verbundschnellzuglocomotive mit vier gekuppelten Rädern, einem vorderen zweiachsigen
Drehgestell und einer Laufachse unter der Feuerbüchse beschreibt Engineering vom 17. September 1897 S. 351 bezieh. The Engineer vom 10. September 1897 S. 252.
Die Dampfcylinder von 330 und 559 mm Durchmesser für 660 mm Kolbenhub liegen
nach der Bauart Vauclain (1893 287 * 25) zu je zwei über einander, und zwar der Hochdruckcylinder über
dem zugehörigen Niederdruckcylinder in demselben Gehäuse. Die beiden Kolbenstangen
jedes Cylinderpaares greifen an einem gemeinschaftlichen Kreuzkopfe an.
Die Rostfläche von 7,432 qm ist zum Verfeuern von Anthracitkohle eingerichtet. Ihre
bedeutende Grösse erforderte eine Verbreiterung der Feuerbüchse über die
Rahmenbleche hinaus. In Folge dessen mussten Führer und Heizer von einander getrennt
werden. Letzterer hat seinen Standort auf der Fussplatte des Tenders hinter der
Feuerbüchse, ersterer in einem vor dieser gelegenen Führerhause.
Weitere Hauptabmessungen der Locomotive sind die folgenden:
Durchmesser der Treibräder
2140
mm
Radstand der Treibräder
2210
mm
Gesammter Radstand
8102
mm
Dienstgewicht
64800
k
Durchmesser des Kessels
1492
mm
Anzahl der Feuerrohren
278
Durchmesser der Feuerröhren
44,4
mm
Länge „ „
3960,0
mm
Heizfläche
der Feuerkisteder Rohreder
Verbrennungskammer
12,67152,815,00
qmqmqm
Gesammte Heizfläche
170,48
qm
Wasserinhalt
18,18
cbm
Die Maschine befördert den aus fünf oder sechs Pullman-Wagen bestehenden Schnellzug
Nr. 25 auf der zwischen Philadelphia und Atlantic City liegenden, 89,31 km langen
Strecke in 60 Minuten, einschliesslich einer 9 bis 12 Minuten andauernden Ueberfahrt
mittels Fährbootes.
Engineering vom 21. Mai 1897 bringt S. 691 u. ff.
ausführliche Mittheilungen über die eigenartige, von Krauss
und Co. in München gebaute, in Nürnberg 1896 ausgestellte, mit
Vorspannachse versehene, ungekuppelte Schnellzuglocomotive, die bekanntlich
ebenfalls mit vier Cylindern ausgerüstet ist (1897 305 *
180).
Die Vorzüge der zweicylindrigen Verbundlocomotiven gewöhnlichen Zwillingslocomotiven
gegenüber kamen auf der letzten Jahresversammlung der Master Mechanics
amerikanischer Eisenbahnen von Neuem zum Ausdrucke. Wie The
Engineer vom 23. Juli 1897 S. 91 berichtet, wurden auf der Chicago-,
Milwaukee- und St. Paul-Railway elf viercylindrige Verbundgüterzugmaschinen der Baldwin Locomotive Works mit 14,06 at Kesselspannung
und elf gewöhnliche Güterzuglocomotiven mit 12,65 bis 14,06 at Kesselspannung in
Dienst gestellt. Der durchschnittliche Verbrauch an Brennmaterial wurde vor etwa 2
Jahren bei den ersteren zu 5,49 k, bei den letzteren zu 6,62 k auf 100 t
Traingewicht und Meile (engl.) ermittelt. Vor kurzem angestellte Versuchsfahrten
ergaben in Bezug auf den Brennmaterialverbrauch ähnliche Zahlenwerthe, was auf ein
gutes Dichthalten der bei den Verbundmaschinen angeordneten Kolbenschieber
schliessen lässt.
Durchschnittlich stellte sich der Brennmaterialverbrauch bei den Verbundlocomotiven
um 17,5 bis 25 Proc. niedriger als bei den gewöhnlichen Locomotiven. Auf der
Chesapeake and Ohio Railway laufende Verbundlocomotiven erforderten während einer
4jährigen Dienstzeit einen um 8,5 Proc. geringeren Gesammtaufwand für Brenn- und
Schmiermaterial, Reparaturen u.s.w. als gewöhnliche Locomotiven.
Die vorgenannte Zeitschrift bringt ferner Mittheilungen über die Lieferung
amerikanischer Locomotiven nach Südamerika und Japan.
In Südamerika war es die Verwaltung der Chilian Government Railways, welche Rogers Locomotive Works in Paterson einige
schmalspurige Güterzuglocomotiven mit je acht gekuppelten Rädern und zweiräderigem
Drehgestelle in Auftrag gab. Die dritte Achse ist Treibachse; die zweite Achse hat
Räder mit ungeflanschten Bandagen. Maschine und Tender zeigen die gewöhnliche
amerikanische Bauart; letzterer ruht auf zwei vierräderigen Truckgestellen und ist,
wie auch der Train, mit Westinghouse-Bremse ausgerüstet.
Die Hauptabmessungen der Locomotive sind nachstehend gegeben:
Durchmesser der Cylinder
406
mm
Kolbenhub
457
mm
Durchmesser der Treibräder
990
mm
„ „ Drehgestellräder
762
mm
„ „ Tenderräder
600
mm
Radstand der Treibräder
3710
mm
Gesammtradstand
5490
mm
Dienstgewicht
33570
k
Durchmesser des Kessels
1143
mm
Anzahl der Feuerröhren (Messing)
146
Aeusserer Durchmesser der
Feuer- röhren
51
mm
Länge der Feuerröhren zwischen
den Rohrplatten
3430
mm
Rostfläche
1,17
qm
Heizflache
der Rohreder Feuerkiste
79,906,98
qmqm
Gesammte Heizfläche
86,88
qm
Wasserinhalt des Tenders
8,2
cbm
Für Japan lieferten Brooks Locomotive Works in Dunkirk
mehrere Tenderlocomotiven mit je sechs gekuppelten Rädern und einem zweiräderigen
Truckgestelle an jedem Ende für 1067 mm Spurweite. Die Cylinder liegen ausserhalb
der Rahmen, die Wasserbehälter mit Kohlenbunkern und Sandkasten zu beiden Seiten des
Langkessels. Die Feuerbüchse ist aus Stahl gefertigt.
Einige Hauptabmessungen sind folgende:
Durchmesser der Cylinder
381
mm
Kolbenhub
559
mm
Durchmesser der Treibräder
1270
mm
Durchmesser der Räder des
Truck- gestelles
660
mm
Radstand der Treibräder
3150
mm
Gesammtradstand
7420
mm
Dienstgewicht
41730
k
Durchmesser des Kessels
1295
mm
Anzahl der Feuerröhren (Messing)
216
Aeusserer Durchmesser der
Feuer- röhren
41
mm
Länge der Feuerrohren
2900
mm
Rostfläche
1,2
qm
Heizflache
der Rohreder Feuerkiste
81,007,25
mqm
Gesammte Heizfläche
88,25
qm
Inhalt der Wasserbehälter
5,9
cbm
Länge „ „
4730
mm
Inhalt der Kohlenbunker
2
t
(Schluss folgt.)