Titel: | Faserstoffe.Neuerungen in der Papierfabrikation. |
Autor: | Alfred Haussner |
Fundstelle: | Band 308, Jahrgang 1898, S. 191 |
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Faserstoffe.Neuerungen in der Papierfabrikation.
Von Prof. Alfred
Haussner, Brünn.
(Schluss des Berichtes S. 168 d. Bd.)
Mit Abbildungen.
Neuerungen in der Papierfabrikation.
Für die gute Verbleiung von Kochern könnte möglicher
Weise das Verfahren von Enno v. Münstermann in
Ludwigshütte nach D. R. P. Nr. 85436 von Vortheil sein. Wenn sich die Angaben
des Erfinders bewähren, so könnte man auf Eisen einen so festen Bleiüberzug
herstellen, dass dieser sich weder durch Hämmern, Biegen, Zerschlagen u. dgl. von
dem Eisen trennen lässt. Nach dem Münstermann'schen
Verfahren werden die Stücke vorerst in einem verdünnten Salpetersäurebade behandelt,
dann abgetrocknet und in eine zweite Beize aus Schwefelsäure, Urin und Wasser
gelegt, bis die Gegenstände vollständig von Rost und Schmutz befreit sind. Dann,
nach erfolgter Abtrocknung, wird das zu verbleiende Stück mit der eigentlichen
Löthflüssigkeit behandelt, welche aus einem Gemische von Salzsäure, Wasser und
Kaliumquecksilberjodid besteht. Dieses speciell soll die Verbindung des Metalles mit
dem Blei beschleunigen. Nachdem die Stücke je nach der Beschaffenheit derselben in
dieser Löthflüssigkeit eine geeignet lange Zeit gelegen waren, werden sie
herausgenommen, gut abgetrocknet und ein oder mehrere Male, je nach der gewünschten
Stärke der Verbleiung, in geschmolzenes Hart- oder Weichblei getaucht. Bei
Schmiedeeisen und anderen Metallen soll das Bleibad mindestens eine Temperatur von
470° C. besitzen, während bei Gusseisentheilen eine höhere Temperatur verlangt
wird.
Was andere Verkleidungen anbelangt, so sei hervorgehoben, dass Kocher mit
Schutzkruste nach System Salomon Brüngger (vgl. 1890
276 54) in Amerika viel angewendet werden. In der Papierzeitung, 1897 S. 462, finden sich ausführliche
Analysen über die hauptsächlich aus zwei Schichten (in der Nähe des Bleches und
weiter im Inneren) bestehende Kruste. In der Nähe des Bleches ist die Kruste mürbe
und enthält merklich Eisenoxyde, gegen das Innere zu finden sich letztere nur in
höchst geringen Mengen. In ersterer findet sich überdies zum weitaus grössten Theile
schwefelsaurer Kalk, in der weiter innen liegenden Partie dagegen neben
schwefelsaurem auch schwefligsaurer Kalk.
Von den Verfahren zur Erzeugung von Zellstoff hat ganz
in Uebereinstimmung mit den vorangegangenen Berichten das Sulfitverfahren
entschieden das Uebergewicht. Es bestehen hierfür nach wie vor jene Gründe, welche
schon hervorgehoben worden sind (vgl. 1896 300 28). Nicht
selten werden Natron- bezieh. Sulfatzellstoffabriken aufgelassen oder in solche für
Sulfitbetrieb umgewandelt, wie es jüngst bei der grossen Zellstoffabrik in Torda
(Siebenbürgen) von Carl Neufeldt-Wien geschehen ist.
Hierbei soll elektrischer Betrieb und auch elektrische Bleiche nach System Carl Kellner (vgl. 1892 285
26 und 1894 292 123) eingeführt werden; eine
Turbinenanlage von 630 liefert die nothwendige Kraft.
Immerhin ist das Natronverfahren keineswegs als aufgegeben zu betrachten; örtliche
Verhältnisse können dasselbe noch immer ökonomisch günstig gestalten. Neuester Zeit
scheint man sich zu interessiren für das hierher gehörige Verfahren von Ungerer: Kochen in einer Batterie so, dass die Lauge
hinter einander in mehreren Kochern arbeitet, indem sie nach und nach durch
sämmtliche Kocher einer Batterie gedrückt wird. Zweifellos ist der Grundgedanke
dieses Verfahrens, allmähliche Einwirkung auf die sogen. Inkrusten, ein guter.
Eigentlich auch ein Natronverfahren ist jenes von Max
Coulon und Dr. Richard Godeffroy in Wien nach
D. R. P. Nr. 88299. Nach dieser Erfindung soll Holz oder Stroh im kalten Zustande
von den Inkrusten befreit und in Zellstoff umgewandelt werden. Wenn man sich
erinnert, wie viel Schwierigkeiten bisher bei dem „Kochen“, bei den vielen
Versuchen, ob höherer oder niederer Druck richtiger sei, überwunden werden mussten,
so fällt es wirklich schwer, an Aussichten dieses Verfahrens zu glauben.
Andererseits sind aber die Namen der Erfinder solche, dass man Vertrauen
entgegenbringen kann und wäre auch die Erfindung, wenn sie sich wirklich bewähren
würde, von so weittragender Bedeutung, dass eine kurze Beschreibung des Verfahrens
geboten erscheint. Das zerkleinerte Holz oder Stroh wird in geeigneten, womöglich
mit Rührern versehenen Gefässen durch 6 bis 60 Stunden mit einer Chlorkalklösung
behandelt, welche mindestens 2 Proc. freies Chlor enthält. Darauf wird das Holz in
einem Holländer oder Kollergange gründlich zerfasert und dann ausgewaschen. Hierauf
wird der Stoff der Einwirkung einer Lauge, welche mindestens 1 Proc. Natron enthält,
überlassen in geeigneten, mit Rührern ausgestatteten Gefässen. Offenbar geht das
Verfahren darauf hinaus, eine allmähliche Zerstörung der Inkrustationen durch nach
ihrer Natur geeignete Mittel zu veranlassen, wie dies auch bei dem elektrischen
Vorfahren von Carl Kellner (vgl. 1894 292 123) beabsichtigt ist. Es soll nach den Angaben der
Erfinder aber auch der umgekehrte Weg: zuerst Natron, dann Chlor, gleich guten
Erfolg gewährleisten. Natürlich muss zum Schlusse gut ausgewaschen werden, damit
weder Säure noch Base in dem Stoffe zurückbleibt.
In gänzlich abweichender Art von jenen der üblichen Verfahren will Friedrich Bühler in Cassel nach D. R. P. Nr. 94467
vorgehen. Er schlägt vor, die Inkrusten durch Theeröle, Phenole und Aether derselben
zu lösen. Nach den Angaben Bühler's zeigen die
genannten Stoffe bei Temperaturen von über 150° C. sowohl flüssig, wie dampfförmig
die Eigenschaft, die inkrustirenden Substanzen so aufzulösen, dass die Zellen selbst
vollkommen frei gelegt werden, ohne dass sie selbst angegriffen werden. Es fällt
wirklich schwer, daran zu glauben, dass ausser den harzartigen Körpern auch noch
alle anderen, in den sogen. Inkrusten enthaltenen Stoffe durch dieses Verfahren
entfernt werden und muss entschieden vor einem weiteren Eingehen abgewartet werden,
ob die bis jetzt vorliegenden Angaben zutreffen.
Besonderes Misstrauen dürfte aber angebracht sein gegenüber einem Verfahren von Jakob Lappen in Appleton, welcher mit einer
geheimnissvollen Substanz so günstig Zellstoff kochen will, dass dessen Selbstkosten
um 50 bis 75 Proc. erniedrigt werden. Die Nachrichten, dass aus solchem Stoffe
lederartige und dicke Papiersorten, welche von Schuhfabrikanten benutzt werden,
herzustellen sind, lassen kaum den Schluss auf wirklichen Zellstoff zu.
Eine leider noch immer ungelöste Frage ist jene nach Unschädlichmachung der Ablaugen von Zellstoffabriken, insbesondere der in
überwiegender Anzahl vorhandenen Sulfitzellstoffabriken. Noch ungelöst ist diese
Frage trotz vieler Versuche, von welchen auch im Folgenden einige berührt werden
sollen, und trotz des Anspornes, welchen die Zellstoffabriken selbst in dieser
Richtung ausüben. Hat ja doch jüngster Zeit die Zellstoffabrik Unterkochen sogar einen Preis von 10000 M. für ein im
Grossen brauchbares Verfahren ausgesetzt, das die Ablaugenfrage befriedigend löst.
Begreiflich genug ist allerdings dieses Drängen auch aus den unmittelbar
interessirten Kreisen. Stehen doch gar viele von den Sulfitzellstoffabriken, welche
sich nicht der glücklichen Lage an einem hinreichend grossen, fliessenden Gewässer
erfreuen, vor dem „Sein oder Nichtsein“. In kleinere Wasserläufe wird in der
grossen Mehrzahl der Fälle die Ableitung der Ablaugen von den Behörden nicht mehr
gestattet, weshalb mancherorts von Seite der Behörde die Einstellung des Betriebes
direct angeordnet worden ist, an anderem Orte die Einstellung „freiwillig“
erfolgt ist, weil man den sehr strengen Vorschriften und Forderungen der Behörden
aus irgend einem Grunde nicht genügen konnte. Sei es, dass die hohen Kosten des
Eindampfens u. dgl. der Sulfitablaugen zu drückend waren, sei es, dass man trotz
solcher Einrichtungen zum Eindampfen nicht befriedigende Erfolge erzielte, weil oft
Gerüche widerlichster Art sich gerade in Folge dieser Einrichtungen fühlbar machten.
Dabei muss allerdings darauf hingewiesen werden, dass Stimmen unmittelbar aus der
Praxis sich hören lassen, welche diese widerlichen Gerüche nicht als unvermeidliche
Begleiter des Eindampfens, sondern nur als Folgen nicht ganz sachgemässen Vorgehens
hinstellen. Auch 1896 300 55 wurde schon eines Mittels
von Dr. Müller gedacht, diese entstehenden widerlichen
Dünste unschädlich zu machen. Am richtigsten bleibt es natürlich aber immer, so
vorzugehen, dass diese „Düfte“ gar nicht entstehen, was durch einen geeignet
geleiteten Arbeitsgang, wie bereits angedeutet, möglich sein soll. Wenigstens
behauptet dies Th. Knösel für Sulfatzellstoffabriken
(vgl. Papierzeitung, 1897 S. 2).
Textabbildung Bd. 308, S. 192
Fig. 39.Apparat zur Nutzbarmachung der schwefligsauren Abgase von
Drewsen.
Wie schon in früheren Berichten hervorgehoben, wäre es am schönsten, die Ablaugen
nicht bloss durch einfache Vernichtung unschädlich zu machen, sondern womöglich die
vielen organischen Verbindungen, welche in den Ablaugen in grosser Menge vorhanden
sind, nutzbar zu machen. Würde man dadurch doch auch den Abwässern der
Zellstoffabriken jene Stoffe entziehen, durch deren Fäulniss so viel
Unannehmlichkeiten verursacht werden. Andererseits darf aber nicht vergessen werden,
dass durch allfällige Herstellung von Producten aus der Ablauge im Grossen ein
solcher Druck auf die Preise dieser Erzeugnisse ausgeübt werden könnte, dass dadurch
wieder die ökonomische Seite der ernstesten Erwägung bedürfte.
Wie schon weiter oben bemerkt, haben wir auch diesmal nur einige Schritte auf dem Wege zur Lösung
dieser Ablaugenfrage zu verzeichnen. Viggo Drewsen gibt
im D. R. P. Nr. 92229 einen Weg, um die schwefligsauren Abgase nutzbar zu machen, ohne die mitgerissenen Flüssigkeiten, welche
durch den Kochprocess entstandene Zersetzungserzeugnisse des Holzes enthalten, in
die neue Kochlauge zu bekommen. Die Abgase aus dem Kocher d0 (Fig.
39) strömen nämlich durch a1a in den Separator a0, in welchem die
mitgerissenen Flüssigkeitstheile sich abscheiden und nach abwärts in das ∪-Rohr b0 gelangen, während die schwefligsauren Gase durch
Rohr b in die Laugenbottiche e geführt werden. Damit man in a0 noch einen hinreichenden Druck erhält, ist eben
b0 so ∪-förmig gekrümmt und kann eine Druckdifferenz erzielt
werden, welche bestimmt ist durch die Höhenlage der Abzweigung des Ablaufrohres f. Damit dieses aber nicht etwa heberartig wirke, ist
das Luftrohr g angebracht. Um in b0 jedenfalls tropfbare
Flüssigkeit zu haben, finden wir den unteren Theil von b0 mit dem weiten Rohre c0 umgeben, in welchem
unter Benutzung des Zuflusshahnes c und des
Abflusshahnes c1 für
eine Kühlwassercirculation gesorgt wird.
Um die erstickenden Dämpfe zu vermeiden, welche beim Ausblasen des Sulfitstoffes
entstehen, schlägt Eugen Meurer in Palmer Falls gemäss
amerikanischem Patent Nr. 592875 vor, noch bevor die Dämpfe in den Ausblasebottich
gelangen, sie mit Druckwasser zu mischen und solcherart zu condensiren. Dabei wird
einfach ein Rohr von einer Druckwasserquelle mit dem Ausblaserohr verbunden und
sowohl der Ausblaseschieber, wie der Hahn in jenem Druckrohre gleichzeitig
geöffnet.
Um bei dem Eindampfen von Sulfitzellstoffablaugen das Verkrusten der mehr weniger
heiklen Heizkörper möglichst hintanzuhalten, wollen A.
Kumpfmiller und E. Schultgen in Höcklingsen
nach D. R. P. Nr. 83438 folgenden Vacuumapparat anwenden. Die warme Lauge kommt
durch Rohr c (Fig. 40)
in den Apparat, welcher mit einem Gitterwerk b oder mit
kaskadenförmig über einander geordneten Schalen versehen ist; in dem unteren Theile
des Apparates befindet sich eine durch Dampf oder Abdampf betriebene
Heizvorrichtung. Durch das Gitterwerk b wird die
Ablauge veranlasst, sich fein zu vertheilen, wobei durch die aufgewendete Wärme die
Schwefligsäure ausgetrieben wird und sich unlöslicher schwefligsaurer Kalk
abscheidet, der sich als Kruste auf den einzelnen Theilen des Füllkörpers festsetzt.
Dadurch wird die Ablauge von den krustenbildenden Substanzen so weit befreit, dass
man in den Eindampfapparaten von diesen nichts mehr zu befürchten hat. Oben führt
das Rohr d Dampf und schweflige Säure dem Condensator
zu. Damit nicht etwa Flüssigkeit dahin mitgerissen wird, befindet sich über dem
Eintrittsrohre c noch ein Gitter werk, welches
Flüssigkeitstheilchen zurückhält. Um die Flüssigkeitsbewegung zu erzielen, soll nur
eine geeignete Aufstellung gewählt und die Anwendung von Pumpen vermieden
werden.
Textabbildung Bd. 308, S. 193
Fig. 40.Vacuumapparat von Kumpfmiller und Schultgen.
Die Verwerthung der Sulfitablauge als Heilmittel für
Tuberculose, bezieh. die Bereitung des Lignosulfits von Dr. Hartmann (vgl. 1896 300 55) scheint sich thatsächlich zu bewähren. Von der
Halleiner Mutteranstalt beziehen die Inhalatorien in Reichenhall, Wiesbaden, Wien,
Meran, Soden, San Remo, Nizza, Jalta, Toulon, Kopenhagen u.s.w. Lignosulfit. So
erfreulich diese Hilfe für viele Kranke erscheint, so ist doch die absolute Menge
von Ablaugen, welche nach dieser Richtung verwendet wird, doch nur gering, selbst
dann, wenn sich diese Heilmethode noch weiter verbreitet.
Auch die beiden bekannten Erfinder Dr. Mitscherlich und
D. Ekmann (vgl. 1896 300
73) haben an der weiteren Vervollkommnung ihrer Verfahren zur Nutzbarmachung der
Sulfitablaugen gearbeitet. Mitscherlich erwarb die D.
R. P. Nr. 86651, 93914 und 93945, welche sämmtlich die Verbesserung der Gewinnung
von Klebstoffen aus den Sulfitablaugen beabsichtigen.
In eigenthümlicher Weise will H. Schmidt in Schindlers
Werk nach D. R. P. Nr. 86542 die aus dem Holze hervorgegangenen Ablaugen zur
Erzeugung eines „Kunstholzes“ nutzbar machen. Holzstoff, gemahlene
Schneidespäne oder andere genügend zerkleinerte Holzabfälle werden mit den Ablaugen
der Zellstoffkocher vermischt. Die aus dieser Masse unter starkem Drucke gepressten
Gegenstände erlangen nach dem Trocknen die Eigenschaften des Holzes. Sie sollen sich
hobeln, drehen, bohren, schneiden, feilen und poliren lassen, haben aber dem
Naturholze gegenüber den Vorzug, dass sie specifisch leichter sind und nicht
schwinden. Die als Bindemittel dienenden Zellstoffablaugen werden mehr oder weniger
eingedampft oder auch mit etwas thierischem Leim versehen.
Auf dem Farbwerke Friedrichsfeld soll ein Stoff gemäss
D. R. P. Nr. 90798 hergestellt werden, welchen man aus Sulfitablauge durch Fällung
mit Kupfer- oder Eisensalzen erhält und der Papier wasserdicht macht.
Ueber die Verwendung des Zellstoffes zu anderen Zwecken als wie unmittelbar zur
Gewinnung von Papier wurde auch schon früher berichtet (vgl. 1896 300 103 ff.).
Die Kunstseide wird entschieden in weiteren Kreisen
benutzt. So werden neuestens auch aus Kunstseidenfäden durch Verkleben mit unlöslich
gemachter Gelatine Bändchen erzeugt, welche ähnlich wie solche aus feinem Stroh
aussehen, diese aber an Glanz und Widerstandsfähigkeit weitaus übertreffen. Aus
solchen Bändchen werden dann z.B. Hüte genäht, welche sich durch ihr gefälliges
Aussehen und durch Leichtigkeit auszeichnen.
Von dem an eben vorerwähnter Stelle kurz in seiner Herstellung bereits beschriebenen
Zellstoffthiocarbonat von G. F. Cross hört man
neuestens, dass es unter dem Namen Viscose (so benannt
wegen besonderer Schlüpfrigkeit) einer ausgedehnten industriellen Verwendung
zugeführt wird, dass für diesen Artikel Gesellschaften in Deutschland und England
gegründet worden sind. Die gewerbliche Verwendung der Viscose beruht auf ihrer
Eigenschaft, sich leicht zu zersetzen, wobei sich Zellstoff in amorpher Form
abscheidet, der in Wasser unlöslich und sehr widerstandsfähig gegen chemische
Einflüsse ist. Bei längerem Stehen zersetzt sich Viscose von selbst und liefert
festes Zellstoffhydrat, das beim langsamen Trocknen an der Luft sein Hydratwasser
verliert und steinhart wird. Die so erhaltene Masse heisst Viscoid und wird ähnlich wie Hartgummi verwendet (vgl. Papierzeitung, 1897 S. 2511).
d) Verschiedene andere
Rohstoffe.
Noch immer treten alle anderen Rohstoffe, was den Verbrauch und was Häufigkeit in der
Anwendung betrifft, hinter den altbekannten Hadern und den Ersatzstoffen aus Holz
zurück. Es gibt aber doch schon zu denken, wenn bereits mancherorten, und zwar mit
Recht, Schutzmaassregeln gegen den übermässigen Holzverbrauch angewendet werden. Sei
es, dass an der Grenze holzreicher Länder ein Ausfuhrzoll vorgeschlagen wird, sei
es, dass auf andere Weise der Verkehr der Waare Holz erschwert wird, oder dass sich
ganz von selbst eine gewisse Regelung nach dem Gesetz von Angebot und Nachfrage
einstellt. Da die Holzproduction dem Holz verbrauche nicht zu folgen vermag, steigt
der Preis des Holzes. Damit ist aber für die Papierindustrie ganz besonders nahe
gerückt die Frage, wie lange und unter welchen Umständen die Verarbeitung des Holzes
zu Papier-Surrogatrohstoffen noch lohnend ist. Weil nun bei der heutigen Cultur ein
fortwährendes Steigern des Papierbedarfes, keineswegs eine Abnahme desselben, zu
gewärtigen ist, so erweckt jede Nachricht über ein neues Fasermaterial, welches
allenfalls geeignet sein könnte, als ein neuer Ersatzstoff wenigstens einen Theil
des Bedarfes zu decken, volles Interesse in den Kreisen der Papiermacher.
Textabbildung Bd. 308, S. 194
Fig. 41.Verschiedene Formen von Fasertheilen.
Carisso wird eine Pflanzenfaser genannt, welche, wenn
sich die von Ekman in der Papierzeitung, 1897, gegebenen Nachrichten bewahrheiten sollten, ganz wohl
als Papierfaser verwendet werden könnte. Die mikroskopischen Bilder (Fig. 41) geben verschiedene Formen von Fasertheilen
aus Blatt und Stengeln wieder. Wir sehen schlichte und zugespitzte, aber auch
spiralförmig gekrümmte Fasern, dass man sich ganz gut vorstellen könnte, dass aus
diesen allein oder gemischt mit anderen Fasern gute Papiere hergestellt werden. Die
Stengel liefern besseren, helleren Stoff; doch sind die Blätter nicht unverwendbar.
Die Pflanze wächst in der Umgebung von Guants in Venezuela in solchen Mengen, dass
jährlich etwa 40000 t der Rohpflanze bei einem Preis von 21 M. für 1 t frei Bord im
Hafen Guants leicht gewonnen werden können.
Um Altpapier gut wieder verwendbar zu machen, finden wir
einen, auf den ersten Blick wenigstens, etwas absonderlich aussehenden Vorschlag von
E. Moutardier und G.
Picard in Virginal nach D. R. P. Nr. 88563. Danach soll grobes oder
schmutziges Altpapier, aber auch Alfa, Stroh oder ähnliches Rohmaterial, um aus
ihnen gutes, weisses Papier machen zu können, zuerst kalt und unzerkleinert, dann
aber heiss und zerkleinert mit einer alkalischen Lauge behandelt werden, der
Allylsulfid oder eine Kruziferenessenz oder endlich Knoblauchabsud beigegeben worden
ist. Durch den letztgenannten Bestandtheil insbesondere soll die Entfärbung
veranlasst werden.
Im amerikanischen Patent Nr. 593011 schlägt Noah Bryant
in Otsego vor, die gekochte, dann gewaschene und schon durch die Waschvorrichtung in
eine Art Brei verwandelte Altpapiermasse vor einer energischen, weiteren
Zerkleinerung durch eine Art Knotenfang gehen zu lassen, dessen längliche Schlitze
nicht besonders eng, aber doch so geformt sind, dass der Papierstoff durchgeht, aber
Fremdkörper, insbesondere Metalltheilchen verschiedener Art, wie Heftklammern u.
dgl., zurückgehalten werden, wodurch den eigentlichen Zerkleinerungsapparaten
schonend vorgearbeitet ist.
In eigenthümlicher Weise sollen nach D. R. P. Nr. 88222 von Jakob Feierabend in Niedernhausen Papierabfälle, wie sie besonders bei der
Papiermaschine durch die Längsschneider, in Buchbindereien u. dgl. entstehen, wieder
nutzbar gemacht werden. Es soll eine Art nachgiebiges Verpackungsmaterial daraus
gewonnen werden. Die Papierstreifen sollen auf den Seilspinnmaschinen ähnlichen
Apparaten zu festgedrehten Seilen geformt, dann in Stücke von passender Länge
geschnitten und endlich wieder aufgedreht werden, wodurch in Folge der bei dem
vorangegangenen Zusammendrehen stattgehabten Zerknitterung ein zum Verpacken gut
brauchbares Material folgt.
e) Fabrikationswasser.
Die für Papierfabriken ganz besonders wichtige Wasserfrage bezieht sich einerseits
auf das Wasser, welches frisch in die Fabrikation eintritt, andererseits auf das
gebrauchte Wasser, welches abgeleitet werden muss. Es scheint naheliegend, dass man
dann, wenn schon besondere Vorkehrungen für die Ableitung des gebrauchten Wassers
getroffen werden müssen, gleich dieses Wasser hinreichend gereinigt wieder als
frisches Wasser an den Eingang zurückleitet. Und doch ist die Ausführung, wenigstens
so, wie die Sache noch heute liegt, keineswegs im Allgemeinen empfehlenswerth. Der
Grand hierfür ist darin zu suchen, dass durch die heute meist üblichen Verfahren zur
Abwasserreinigung nur die Klärung des Abwassers angestrebt und auch vielfach
erreicht wird, während keine Rücksicht genommen wird auf jene Stoffe, welche sich
gelöst im Wasser befinden. Und diese letzteren in die Fabrikation zurückzuführen,
ist nicht rathsam.
Für die Wasserreinigung, um frisches, brauchbares
Fabrikationswasser zu erzielen, empfiehlt O. Schmidt in
seinem D. R. P. Nr. 87417 ein Verfahren, wonach eisenhaltiges, dunkel gefärbtes
Wasser dadurch zu reinigen ist, dass es in Behälter oder Teiche geleitet wird, in
welchen man eine Pflanzenart (Anacheris) züchtet. Diese vermehrt sich unter
geeigneten Bedingungen sehr rasch und nimmt Unreinigkeiten des Wassers auf. Dr. Frühling in Berlin macht dazu die Bemerkung (vgl. Papierzeitung, 1897 S. 427), dass kaum auf eine andere
Weise Wasser, welches aus Moorboden stammt und dunkel gefärbt ist, so billig
entfärbt und geklärt werden könne, als durch Pflanzenwucherungen. Anacheris ist
jedoch nur dort wirksam, wo das Wasser auch genügend kalkreich ist. Die im Wasser
schwimmenden Lebewesen müssen allerdings durch ein besonderes Kiesfilter
zurückgehalten werden. Dann erhält man aber auch schönes, klares, farbloses, von
Eisen und Kalk freies Wasser.
Nach dem Verfahren von Hermann Mensch in Wiesbaden nach
D. R. P. Nr. 88519 werden Torf, Lohe u. dgl. dadurch geeigneter für die Klärung und
Reinigung von Wasser gemacht, dass man sie vorher kocht oder dämpft. Es sollen durch Einrühren
der erwähnten Substanzen ganz vorzügliche Erfolge zu erzielen sein, ohne dass
Chemikalien nothwendig sind. Dies dürfte wohl kaum fraglos richtig sein und könnte
mehr Zutrauen gefasst werden zu dem Arbeitsgange nach D. R. P. Nr. 87417, Oscar Schmidt in Berlin, weil dieser zu dem
feingemahlenen Pulver von Torf, Moor, Braunkohle u. dgl. doch noch den Zusatz
geeigneter Chemikalien voraussieht.
Für die Abwässer wurde eigentlich schon weiter oben
einiges, was mit der Zellstoffgewinnung unmittelbar zusammenhängt, berührt. Hier sei
nun noch solches angeschlossen, was die Abwässer der Papierfabrikation mehr im
Allgemeinen betrifft. Vor allem ist dafür zu sorgen, dass das in den Abwässern
enthaltene Fasermaterial zurückgehalten wird. Der einfachste sicherste, aber wegen
der benöthigten grossen Grundflächen nicht immer billigste Weg, dieser Forderung zu
genügen, ist die Anwendung von hinreichend geräumigen Klärbassins. Etwas anderes ist
es mit der Entfärbung. Da bleibt vielfach nichts übrig, als gefärbtes Abwasser, z.B.
von Buntpapierfabriken, durch Zufuhr einer genügend grossen Menge reinen Wassers so
weit zu verdünnen, dass die Farbe nicht mehr unangenehm wird.
Textabbildung Bd. 308, S. 195
Fig. 42.Wormser-Platten von Bittel und Cie.
Um die Fasern zurückzuhalten, überhaupt suspendirte Stoffe abzufiltriren, werden
neuestens an manchen Orten die sogen. Wormser-Platten,
hergestellt von dem Wormser Filterplattenwerk Bittel und
Cie., als sehr wirksam empfohlen (vgl. Papierzeitung, 1896 S. 864). Diese Platten bestehen aus einem Gemenge von
reingewaschenem Flussand und Wasserglas und werden bei 1200° gebrannt. Die Platten
haben eine Stärke von 10 cm und eine Fläche von 100 × 100, 100 × 50 oder 50 × 50 cm.
Nach dem Brande besitzen die Steine helle Sandsteinfarbe, gleichmassig körniges
Gefüge, grosse Härte, Unveränderlichkeit und doch entsprechende Durchlässigkeit und
können ohne Bedenken auch bei säurehaltigen oder schwach alkalischen Flüssigkeiten
benutzt werden. Die Steine werden für Filterzwecke zu Elementen und diese zu
Batterien zusammengestellt. Zwei solcher Elemente zeigt Fig. 42. Wir bemerken, dass je zwei Platten a durch eine 60 bis 80 mm breite und 20 mm starke Cementschicht b aus einander gehalten werden, wodurch Hohlräume
entstehen, die durch kleine, eingefügte Rohrstücke mit einem für eine
Batterieabtheilung gemeinsamen Rohre c verbunden sind.
Die so gebildeten Filterelemente werden aussen von dem zu filtrirenden Wasser
umflossen. Die suspendirten Bestandtheile werden an den Aussenflächen
zurückgehalten, während aus den Innenräumen der Elemente das eingedrungene, geklärte
Wasser abgeleitet wird. Das Fasermaterial, welches sich aussen an den Platten
ansetzt, kann zeitweise abgekehrt und allenfalls nutzbar gemacht werden, ebenso wie
man zeitweise durch einen, dem früher erwähnten entgegengesetzten Strom reinen
Wassers die Platten selbst auswaschen kann. Ein solches Element soll im Stande
sein, je nach der Beschaffenheit des Wassers 3 bis 9 cbm in 12 Stunden zu
filtriren.
Textabbildung Bd. 308, S. 195
Fig. 43.Filtriranlage, System Tomischka.
Eine hübsch durchdachte hierher gehörige Anlage ist jene nach System Tomischka, patentirt in Oesterreich-Ungarn und
Deutschland und beschrieben in der Papierzeitung, 1896
S. 126.
Fig. 43 gibt eine allgemeine Vorstellung über die
Anlage, Fig. 44 und
45 geben Einzelheiten. Danach kommt durch Kanal
n das Abwasser in das sehr gross gedachte
Sammelbecken a, dessen Sohle a1 geneigt gemacht ist. In dem grossen
Becken a können die mitgerissenen Fasern sich sicher
auf den Boden absetzen und bilden dort die faserigen Bestandtheile eine Art Schlamm.
An der Oberfläche sind am ganzen Rande des Beckens a
theilweise geneigte Filterkästen eh angebracht, durch
welche das an der Oberfläche befindliche, schon durch das erfolgte Absetzen
wesentlich reinere Wasser endgültig gereinigt wird, so dass hinter den Filterkästen
das hindurch gesickerte Wasser ohne Bedenken in dem umlaufenden Kanäle b gesammelt und durch Kanal oder Rohr o (Fig. 43) vollständig
abgeleitet wird.
Textabbildung Bd. 308, S. 195
Filtriranlage, System Tomischka.
Um die am Boden abgesetzten Theile entfernen zu können, sind Kanäle f1 gegenüber von n an mehreren Stellen vorhanden, welche gegen das
Becken durch Schieber p absperrbar sind und in einen
Hauptkanal f münden, der den Schlamm weiter zur
Schlammgrube g (Fig. 43
und 45) führt. Weil sich auch in der Grube g an den höher liegenden Stellen noch klares Wasser
absetzt, so empfiehlt es sich, auch für die gesonderte Ableitung dieses Wassers zu sorgen, deshalb
haben wir dort einen Filter q und Schieber d, nach dessen Eröffnung klares Wasser durch den
Seitenkanal m gegen o
abfliessen kann. Behälter a wird nun folgendermaassen
gereinigt. Es wird einer der Schieber p geöffnet und
wird in Folge dessen der in seiner Nähe befindliche Schlamm durch den Wasserdruck in
a nach g gedrängt.
Dies lässt man so lange geschehen, bis man bemerkt, dass reineres Wasser kommt. Dann
schliesst man den offen gewesenen Schieber p und öffnet
einen anderen, so dass man allmählich den Boden in a
vom Schlamme befreit. Aus g befördert eine Schlammpumpe
mit Rohr g0 und daran
gehängtem Saugkorbe den Schlamm an jenen Ort, wo dessen Weiterarbeitung stattfindet.
Nach vorliegenden Nachrichten ist es möglich, den Schlamm mit Fasern so stark
anzureichern, dass er sich zu einer Entwässerung auf einer Pappenmaschine ganz wohl
eignet.
Textabbildung Bd. 308, S. 196
Fig. 45.Filtriranlage, System Tomischka.