Titel: | Kraftmaschinen.Neue Erdölkraftmaschinen. |
Fundstelle: | Band 308, Jahrgang 1898, S. 201 |
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Kraftmaschinen.Neue Erdölkraftmaschinen.
(Fortsetzung des Berichtes S. 181 d.
Bd.)
Neue Erdölkraftmaschinen.
Im Laufe dieses JahresInzwischen ist diese
Maschine in einigen Ausführungen über 20 bereits verbreitet
worden. soll noch eine Erdölmaschine auf den Markt kommen, welche
nach den Ergebnissen einer mehrfach streng geprüften Versuchsmaschine alle
bisherigen Kraftmaschinen in der günstigen Ausnutzung des Brennstoffes übertreffen
soll. Es ist dies der sogen. rationelle Wärmemotor von Diesel, welcher vor 3 Jahren bereits auf Grund der theoretischen
Vorbetrachtungen des Erfinders an dieser Stelle eingehend besprochen wurde. Nunmehr
liegen praktische Beobachtungen vor, über welche der Erfinder wie auch Prof. Schröter eingehend berichtet haben. Auf Grund dieser
Berichte sei Folgendes mitgetheilt.
Die heutige Dampfmaschine verwerthet nützlich in Form von effectiver Arbeit:
bis 12 oder 13 Proc. bei grossen Ausführungen über 1000 unter Anwendung
dreifacher Expansion;
bis 9 Proc. bei kleineren Maschinen bis etwa 150 oder 200 hinunter unter
Anwendung zweifacher Expansion;
bis 5 oder 7 Proc. bei kleinen Maschinen bis etwa 50 mit Condensation;
noch weit weniger bei gewöhnlichen kleinen Maschinen und solchen ohne
Condensation.
Wir alle wissen, dass die Dampfmaschine eines der vollkommensten Werkzeuge der
modernen Industrie ist, an dem nunmehr über ein Jahrhundert lang unsere genialsten
Männer ihr Bestes geleistet haben. Angesichts dieses Umstandes sind die angegebenen
Zahlen trostlos niedrig, fast unverständlich. Die Gründe hierfür sind bekannt, es
ist jedoch zweckmässig, sie sich so oft als möglich in das Gedächtniss
zurückzurufen.
Zunächst nimmt der arbeitende Körper: Dampf, nur einen Bruchtheil η1 des Heizwerthes H des Brennstoffes in sich auf; η1 ist der Wirkungsgrad des Dampfkessels,
gewöhnlich 0,75, seltener 0,80, niemals darüber. Ferner kann von der in den Dampf
wirklich übergehenden Wärme η1H rein theoretisch nur ein Bruchtheil η2 in Arbeit verwandelt
werden, der stets sehr niedrig ist, aber am grössten ausfällt, wenn der Dampf den
Carnot'schen oder sogen. vollkommenen Process
innerhalb derselben Temperaturgrenzen durchläuft; η2 ist der theoretische grösste Wirkungsgrad der in
den Process wirklich eingeführten Wärmemenge η1H, und η1
η2
H die grösste Wärmemenge, die man in Arbeit
verwandeln könnte, wenn der theoretische Process durchführbar wäre. Dieser
vollkommene Process kann aber in der Praxis nur angenähert erreicht werden; die
grössere oder geringere Abweichung von ihm bedingt, dass nur ein Theil η3 der theoretisch
verwandelbaren Wärmemenge in indicirte Arbeit übergeht; η3 ist nach Zeuner der sogen. indicirte Wirkungsgrad und η1 . η2 . η3 . H die Wärmemenge,
welche in indicirte Arbeit verwandelt wird. Endlich liefert die Dampfmaschine nach
aussen an das Schwungrad wiederum nur einen Theil η4 der indicirten Arbeit ab, weil die Reibungen der
Maschine das Uebrige verzehren. η4 ist der sogen. mechanische Wirkungsgrad der
Maschine, und das Product
η1 .
η2 . η3 . η4 . H = η . H
ist die schliesslich in effective Arbeit verwandelte
Wärmemenge, η ist also der gesammte oder
wirthschaftliche Wirkungsgrad.
Um sich über das Wesen der Dampfmaschine genau Rechenschaft zu geben, ist es nöthig,
die aufgezählten vier Wirkungsgrade einzeln zu betrachten. Sie sind in der Tabelle
unter Berücksichtigung der neuesten und besten Ergebnisse an den vorzüglichsten
bestehenden Maschinen zusammengestellt, für die als Vertreter einerseits eine
Dampfmaschine der Maschinenfabrik Augsburg von 700
mit dreifacher Expansion und den besten Vervollkommnungen der Neuzeit
gewählt wurdeGanz gleiche
Ergebnisse zeigen die Maschinen von Gebr.
Sulzer in Winterthur., andererseits eine Schmidt'sche Heissdampfmaschine mit Ueberhitzung auf
350° C. und sehr hohem Kesseldruck.
Wirkungsgrade der besten bekannten Dampfmaschinen, 1897.
Maschinengattung
Wir-kungs-graddesDampf-kesselsη1
TheoretischgrössterWirkungs-grad
desentsprechen-den voll-kommenenProcessesη2
IndicirterWirkungs-gradη3
Mecha-nischerWir-kungs-gradη4
Wirth-schaftl.Wir-kungs-gradη
700 HP-Dreifach-Ex-pansionsmaschine inder
Zwirnerei Gög-gingen, gebaut vonder
Maschinenfabr.AugsburgKesseldruck 11 atabs.*
0,8
0,300(2122 W.-E.für 1 i)
0,593
0,85
12,1
Product beider 0,178entspr. 3576
W.-E.für 1 i
76 HP-Heissdampf-motor von
SchmidtKesseldruck 13 atabs. Ueberhitzungs-temperatur
350°.
0,8
0,328(1940 W.-E.für 1 i)
0,592
0,85
13,19
Product beider 0,194entspr. 3281
W.-E.für 1 i
* Nach Mittheilungen des Prof. M.
Schröter.
Für beide Anlagen ist der Wirkungsgrad des Dampfkessels zu 0,8 angenommen
(Spalte 2), was bei einer Kohle von 7500 W.-E. Heizwerth mehr als neunfache
Verdampfung voraussetzt, ein Ergebniss, das nur mit grossen Kesseln bester
Construction bei ganz massiger Anstrengung und vorzüglicher Wartung und Heizung
erreichbar ist.
Der theoretische Wirkungsgrad η2 schwankt zwischen 30 und 33 Proc., je nach dem
angewendeten Kesseldruck und dem Ueberhitzungsgrade (Spalte 3). Hiervon wird aber
thatsächlich nur der indicirte Wirkungsgrad η3 von rund 59 Proc. (Spalte 4) ausgenutzt. Bei
gleichem mechanischem Wirkungsgrade η4 von 0,85 für beide Maschinengattungen (Spalte 5)
schwankt schliesslich das wirthschaftliche Endergebniss η rund zwischen 12 und 13 Proc. (Spalte 6). Man sieht, dass selbst die
Ueberhitzung bis zur äussersten zulässigen Grenze von 350° C. kaum eine Verbesserung
gegenüber den besten normalen Dampfmaschinen ohne Ueberhitzung erreichen lässt, da
unzweifelhaft die Augsburger und die Sulzer-Maschine bei Anwendung desselben
Kesseldruckes von 13 k dieselbe Ausnutzung von 13 Proc. erreicht haben würdenEs darf jedoch nicht übersehen werden, dass
die Heissdampfmaschine an kleinen Maschinen und mit einfachen Mitteln
dasselbe Ergebniss erreicht, welches ohne Ueberhitzung nur
mehrtausendpferdige Maschinen mit drei- oder vierfacher Expansion, also sehr
complicirten und theuern Mitteln, erzielen können; hierin liegt der Werth
und die hohe Bedeutung der Schmidt'schen
Erfindung. Es muss bei dieser Gelegenheit ausdrücklich hervorgehoben werden,
dass die geringen Dampfverbrauchsziffern der Schmidt-Motoren, die vielfach
mit dem Dampfverbrauch anderer Dampfmaschinen in Vergleich genommen werden,
geeignet sind, irrige Meinungen hervorzurufen, da der überhitzte Dampf der
Heissdampfmaschine mehr Brennstoff kostet, also theurer ist, als der
gesättigte. Der einzig richtige Vergleich ist der, welcher in die Tabelle
aufgenommen ist, d. i. die effective Wärmeausnutzung, und diese ist –
abgesehen von der Grösse der Maschine – bei der Heissdampfmaschine nur
unwesentlich grösser als bei den besten anderen Dampfmaschinenarten. Ganz
allgemein genommen dürfen die verschiedenen Motorsysteme überhaupt nur nach
ihrer effectiven Wärmeausnutzung in Procenten des Heizwerthes des
Brennstoffes verglichen werden, da nur so ein einheitlicher Maasstab für den
Werth der Gesammtanlage zu gewinnen ist. Dass der Heizwerth überhaupt nie
vollständig in Arbeit verwandelbar ist, bleibt selbstverständlich trotzdem
dem Bewusstsein eingeprägt., die heute als eine Grenze anzusehen
ist, welche es kaum gelingen wird, wesentlich zu überschreiten; denn die
Dampfmaschine ist sicherlich an der Grenze ihrer Entwickelungsfähigkeit angelangt,
wie die nähere Betrachtung der Tabellenwerthe ohne weiteres ergibt. Die zwei Werthe
η1 und η4, die Ausnutzung des
Dampfkessels und der mechanische Wirkungsgrad, sind nämlich kaum mehr steigerbar, da
sie beide einen hohen Grad von Vollkommenheit darstellen. Der indicirte Wirkungsgrad
η3 von 59 bis 60
Proc. ist nicht gut, wenn man ihn mit dem hydraulischen Wirkungsgrade guter
Wasserkraftmaschinen vergleicht; an ihm lässt sich vielleicht mit der Zeit noch eine
Verbesserung erzielen, die jedoch kaum bedeutend ausfallen kann wegen der grossen
Condensationsfähigkeit des Dampfes und seiner Empfindlichkeit selbst im überhitzten
Zustande gegen jede Berührung mit Metallwänden. Ausserdem würde diese Verbesserung
nicht einmal sehr schwer ins Gewicht fallen gegenüber dem unausrottbaren Uebel der
Dampfmaschine, welches darin besteht, dass eben theoretisch, selbst wenn der
vollkommene Process genau durchgeführt werden könnte, doch nur rund 30 Proc. der
Wärme überhaupt in Arbeit verwandelbar sind.
Zusammengefasst sind also die drei Grundübel der Dampfmaschine folgende:
1) die Benutzung des Dampfes, dessen Erzeugung allein 20 bis 30 Proc. Verlust an
Wärme mit sich bringt;
2) der an sich geringwerthige theoretische Process;
3) die grosse Empfindlichkeit des Dampfes gegen die Wirkung der Metallwände der
Rohrleitungen und Cylinder.
Es ist daher kein Wunder, dass heute allerorts die grössten Anstrengungen gemacht
werden, Mittel zur besseren Ausnutzung der Brennstoffe zu finden, ja, dass die
Lösung dieses Problems geradezu als die höchste und vornehmste Aufgabe der modernen
Technik gilt.
Diesel versuchte in erster Linie die Anwendung von
Dämpfen, die unter normalen Betriebsverhältnissen sehr weit von ihrem
Condensationspunkte entfernt sind, um ihre Empfindlichkeit gegen die Wirkung der
Wände abzuschwächen; es wurden dazu Ammoniakdämpfe gewählt, die ausserdem hoch
überhitzt wurden, um durch Anwendung eines höheren Temperaturgefälles auch den rein
theoretischen Process zu verbessern; Diesel strebte
also nach Vergrösserung der Werthe η2 und η3 der vorstehenden Tabelle und construirte auch
einen Ammoniakmotor, bei welchem der ausserordentliche Unterschied im Verbrauche bei
Anwendung der Ueberhitzung ganz schlagend zu Tage trat.
Aus dem umfangreichen Versuchs- und theoretischen Material, das Diesel bei dieser Gelegenheit sammelte, ging jedoch
augenfällig hervor, dass hoch überhitzte Dämpfe, gleichgültig welcher Art, rationell
nur dann verwerthbar sind, wenn ihnen ein entsprechend hoher Druckunterschied zur
Expansion zur Verfügung steht, da ohne diesen der Dampf am Ende der Expansion noch
überhitzt bleibt und einen Theil seiner Mehrwärme unbenutzt wieder abführt. Die zur
rationellen Anwendung der Ueberhitzung nöthigen Drücke lassen sich für jeden Fall
theoretisch bestimmen, und es zeigte sich dabei, dass bei schwer condensirbaren
überhitzten Dämpfen ganz gewaltige Drücke, 50, 60 at und mehr, nothwendig seien.
Unter diesen Verhältnissen werden Ammoniak- oder andere Dämpfe in der Handhabung
sehr umständlich, und das Bestreben, sie durch etwas Billigeres, leichter zu
Handhabendes zu ersetzen, führte darauf, Luft zu verwenden. Die theoretische
Untersuchung ergab dabei identische Ergebnisse; auch hier ist zur Ausnutzung eines
hohen Temperaturgefälles ein entsprechendes, theoretisch vollkommen umschriebenes
Druckgefälle nothwendig. Diese beiden Bedingungen sind untrennbar. Bisher hatte Diesel das arbeitende Mittel stets in Gefässen
eingeschlossen gehalten und die Wärme war ihm von aussen mittels Heizungen zugeführt
und durch Kühlmittel entzogen worden; auch bei Anwendung der Luft hielt Diesel daran noch eine Zeitlang fest, bis endlich der
naheliegende Gedanke sich aufdrängte, dass die Luft nicht nur als arbeitendes,
sondern auch gleichzeitig als chemisches Mittel zur Verbrennung dienen könne,
wodurch es möglich wurde, das η1 (Wirkungsgrad des Dampfkessels oder der
Heizvorrichtung) mehr oder weniger zu beseitigen. Diesel war daher auf grossen Umwegen zu einem Gedanken gekommen, der in
Gasmotoren und Heissluftmaschinen schon längst ausgeführt war: die Verbrennung im
Cylinder selbst. Entsprechend dem Entwickelungsgange hatte er aber für diese
Verbrennung Bedingungen gefunden, die eine bessere Ausnutzung der Wärme erwarten
liessen als bisher und welche er 1893 in einer Broschüre veröffentlicht hatTheorie und Construction eines rationellen
Wärmemotors von Rudolf Diesel. Berlin, Julius
Springer., auf die der Hauptsache nach verwiesen werden kann. Es
sei nur gestattet, die vier neu aufgestellten Forderungen hier kurz zu wiederholen,
wobei allerdings vorher noch eine kleine Abschweifung erforderlich scheint.
Bei jedem Verbrennungsprocesse sind zweierlei Temperaturen zu unterscheiden:
1) die Entzündungstemperatur des Brennstoffes,
2) die Verbrennungstemperatur des Processes.
Die Entzündungstemperatur ist diejenige Temperatur, bis zu welcher der Brennstoff
erwärmt werden muss, um sich in Gegenwart von Luft zu entzünden.
Die Verbrennungstemperatur ist diejenige Temperatur, die erst später, nach erfolgter
Zündung, während des Verbrennungsvorganges selbst durch den dabei auftretenden
chemischen Process entsteht.
Ein etwas banales, aber treffendes Beispiel hierfür ist das gewöhnliche Zündholz;
seine Entzündungstemperatur ist die durch Reibung an der Reibfläche erzeugte
Temperatur, die nur unbedeutend über der Temperatur der Umgebung liegt; nach
erfolgter Zündung aber entsteht durch die Verbrennung und während derselben eine
sehr bedeutende Temperatursteigerung auf die Verbrennungstemperatur, welche 600°,
800° oder noch weit mehr beträgt.
Die Entzündungstemperatur ist ein constanter Werth und nur von den physikalischen
Eigenschaften des Brennstoffes abhängig. Sie liegt für die meisten Brennstoffe sehr
tief, und zwar um so tiefer, je höher der Druck ist, unter dem die Entzündung
eingeleitet wird; Versuche haben geradezu erstaunlich tiefe Temperaturen für die
Entzündung der meisten Brennstoffe ergeben. Die Verbrennungstemperatur dagegen ist
ein veränderlicher Werth, der von vielen Umständen, insbesondere von der zur
Verbrennung gelangenden Luftmenge, abhängt, aber unter allen Umständen höher, meist
weit höher, als die Entzündungstemperatur liegt.
Nun war bei allen früher bekannten Verbrennungen zu motorischen Zwecken nur ein
Verfahren bekannt: die Erzeugung der Verbrennungstemperatur nach erfolgter Zündung
durch den Verbrennungsprocess selbst und während desselben.
Erste Forderung.
In seiner Broschüre sprach Diesel zum ersten Mal als
wichtigste und grundlegende Bedingung aus, dass bei einem rationellen motorischen
Wärmeprocesse die Verbrennungstemperatur nicht durch die Verbrennung und während
derselben erzeugt werden soll, sondern vor und unabhängig von ihr (also noch vor
erfolgter Zündung) lediglich durch mechanische Compression reiner Luft. Dieser
scheinbar widersinnige Gedanke bedeutete demnach eine vollständige Umkehrung der
damaligen Ansichten über die Verbrennung, ist aber nur die Verwirklichung einer
Forderung, welche die Theorie des Carnot'schen
Processes schon längst gestellt hatte, ohne dass man jedoch zu praktischen
Vorschlägen zu ihrer Durchführung durchgedrungen wäre. Ja, es darf gesagt werden,
dass die Verwirklichung des Carnot'schen oder
vollkommenen Processes praktisch ausserordentliche Schwierigkeiten in sich schliesst
wegen der hohen Drücke, die er verlangt.
Zweite Forderung.
Deshalb stellte Diesel als zweite Bedingung einer
rationellen motorischen Verbrennung auf, dass man vom vollkommenen Process abweichen
müsse, indem man die Luft nicht, wo dieser es nöthig macht, erst isothermisch auf 2
bis 4 at und dann adiabatisch auf das 30- bis 40fache comprimirt, sondern unter
Weglassung der Isotherme sofort nur adiabatisch. Man verwirklicht dabei die erste
der gestellten Bedingungen: die Herstellung der Verbrennungstemperatur durch reine
Compression, mit Drücken, welche 2- bis 4mal niedriger sind als bei dem vollkommenen
Processe. So würde der reine Carnot'sche Process Drücke
von 100 bis 200 at und mehr erfordern, während der von Diesel vorgeschlagene und durchgeführte abweichende Process nur 30, 40
oder 50 at verlangt, um auf die gleich hohe Verbrennungstemperatur durch Compression
zu gelangen. Gerade diese Abweichung vom vollkommenen Processe stellt die einzige
Möglichkeit dar, den unausführbaren vollkommenen Process durch einen ausführbaren zu
ersetzen.
Dritte Forderung.
Als dritte Bedingung einer rationellen motorischen Verbrennung stellte Diesel auf, dass der Brennstoff in die auf die
Verbrennungstemperatur adiabatisch comprimirte Luft nur ganz allmählich eingestreut
werden dürfte, derart, dass die durch allmähliche Verbrennung entstehende Wärme
jeweils in statu nascendi in Folge einer entsprechenden Expansion, d.h. mechanischen
Kühlung der Gase, aufgezehrt wird, so dass die Verbrennungsperiode mehr oder weniger
isothermisch verläuft, selbstverständlich muss zu diesem Zwecke der Brennstoff in
entsprechende Form gebracht werden, also gasförmig, flüssig oder staubförmig
sein.
Es ist damit gesagt, dass durch die Verbrennung und während derselben keine oder nur
eine verhältnissmässig geringe Temperatursteigerung erzeugt werden dürfe; auch ein
scheinbar widersinniger Gedanke, nach welchem man bisher die Temperatursteigerung
ausschliesslich durch die Verbrennung und während derselben hervorgerufen hatte.
Vierte Forderung.
Auch die vierte Bedingung stellte eine Umkehrung der bisher als richtig geltenden
Anschauungen dar, nach denen man die Verbrennung mit möglichst wenig Luftüberschuss
leiten sollte, während Diesel im Gegentheile einen ganz
beträchtlichen Luftüberschuss forderte, dessen Höhe übrigens für jeden einzelnen
Fall theoretisch bestimmbar ist.
Die verzeichneten vier Forderungen stellen ein Arbeitsverfahren für
Verbrennungskraftmaschinen dar, welches dadurch gekennzeichnet ist, dass im Cylinder
reine Luft so stark verdichtet wird, dass hierdurch allein vor der Einleitung der
Verbrennung und unabhängig von dieser eine Verbrennungstemperatur entsteht, worauf
der Brennstoff so allmählich zugeführt wird, dass die Verbrennung wegen des dabei
stattfindenden Kolbenausschubes und der dadurch bewirkten Expansion der Luft
möglichst isothermisch, also insbesondere auch ohne wesentliche Druckerhöhung,
erfolgt; alsdann wird nach Abschluss der Brennstoffzufuhr die im Cylinder
befindliche Gasmasse weiter expandiren.
Demgemäss lautet der Anspruch des Diesel ertheilten
Patentes Nr. 67207: „Ein Arbeitsverfahren für Verbrennungskraftmaschinen, gekennzeichnet
dadurch, dass in einem Cylinder vom Arbeitskolben Luft so stark verdichtet wird,
dass die hierdurch entstandene Temperatur weit über der Entzündungstemperatur
des zu benutzenden Brennstoffes liegt, worauf die Brennstoffzufuhr vom todten
Punkte ab so allmählich stattfindet, dass die Verbrennung wegen des
ausschiebenden Kolbens und der dadurch bewirkten Expansion der verdichteten Luft
ohne wesentliche Druck- und Temperaturerhöhung erfolgt, worauf nach Abschluss
der Brennstoffzufuhr die weitere Expansion der im Arbeitscylinder befindlichen
Gasmasse stattfindet.“
Am besten lässt sich die Wirkungsweise des Diesel-Motors erkennen, wenn man dieselbe
mit derjenigen eines Viertact-Gasmotors vergleicht.
Viertactgasmotor.
Diesel-Motor.
I. Tact.
I. Tact.
In den Cylinder wird beimVorwärtsgange des Kolbensein
Gemisch von Gas und Luftvon atmosphärischer
Spannungeingesaugt.
In den Cylinder wird beimVorwärtsgange des Kolbensnur Luft
von atmosphärischerSpannung eingesaugt.
II. Tact.
II. Tact.
Der Kolben geht zurückund comprimirt das eingesaugteGemisch
von Luft und Gas aufeinen Druck von 2 bis 3 at.
Der Kolben geht zurückund comprimirt die eingesaugteLuft auf
einen Druck von etwa35 at absolut, wobei sie sichauf etwa 800°
erhitzt.
III. Tact.
III. Tact.
Das Gemisch von Luft undGas wird durch eine
Zündungs-vorrichtung zur Explosion ge-bracht und treibt den
Kolbenwieder vorwärts.
In die stark erhitzte undcomprimirte Luft wird
feinzertheiltes Erdöl eingepresst,welches sich in der hohen
Tem-peratur ohne besondere Zünd-vorrichtung von selbst
ent-zündet und im Vereine mitder comprimirten Luft denKolben
vorwärts treibt.
IV. Tact.
IV. Tact.
Der Kolben geht zurück undtreibt die Verbrennungspro-ducte
aus dem Cylinder vorsich hinaus.
Der Kolben geht zurück undtreibt die Verbrennungspro-ducte
aus dem Cylinder vorsich hinaus.
Der wesentliche Unterschied des Diesel-Motors gegenüber dem Gasmotor besteht also
darin, dass die höchste Temperatur des Kreisprocesses lediglich durch die
mechanische Compression von Luft im Cylinder, also ohne Verbrennung hervorgebracht
wird.
Diesel kommt auf Grund sorgfältigst ausgeführter
Versuche zu folgenden Ergebnissen:
1) η1, der Wirkungsgrad
des Dampfkessels, ist in der neuen Maschine = 1, da die ganze Verbrennungswärme des
Brennstoffes auf den arbeitenden Körper: Luft, übertragen wird.
2) Der theoretische Wirkungsgrad η2 schwankt zwischen 50 und 70 Proc; der kleinere
Werth gilt für eine eincylindrige Maschine, welche ihrer Einfachheit halber ein sehr
ausgedehntes Anwendungsfeld hat; der grössere Werth gilt für feinere, insbesondere
Verbundanordnung, die Diesel als die richtige
Construction für diejenigen Maschinen ansieht, welche die Wärmeausnutzung als
höchstes Ziel verfolgen. Dieser Werth η2 ist doppelt so gross wie bei Dampfmaschinen; in
ihm liegt die Ueberlegenheit des neuen Motors gegenüber der Dampfmaschine und auch
den Explosionsmotoren, deren η2 nach Clerk zwischen
33 und 43 Proc. schwankt.
3) Da nach den Versuchen die wirklich in indicirte Arbeit verwandelte Wärme zwischen
34 und 40 Proc. schwankt, so ist schon jetzt bei dieser einfachen Maschine der
indicirte Wirkungsgrad η2 = 70 bis 80 Proc., also weit höher als bei der Dampfmaschine und sehr
wesentlich höher als bei Explosionsmotoren.
4) η4 schwankt bei der
neuen Maschine zwischen 71 und 75 Proc., ist also wesentlich kleiner als bei der
Dampfmaschine und den Explosionsmotoren. Es ist jedoch nicht zu bezweifeln und es
liegen genügend Gründe zu der Annahme vor, dass der mechanische Wirkungsgrad nach
und nach ebenso hoch steigen kann wie bei anderen Maschinen. Wie dem aber auch sei,
vorläufig sei nur mit Thatsachen allein gerechnet, und diese ergeben als
wirthschaftliches Resultat:
η = η1
η2
η3
η4 = 1 × 0,50 × 0,72 ×
0,74 = 0,266,
d.h. 26,6 Proc. der Wärme werden in gebremste Arbeit
verwandelt.
Da der bei den Versuchen verwendete Brennstoff gewöhnliches Lampenerdöl war, so ist
ein Vergleich zunächst nur mit den Motoren gleicher Art zulässig.
Des Weiteren sind noch folgende Eigenschaften des Diesel-Motors hervorzuheben:
Die erste ist die sehr geringe Steigerung des Verbrauches bei abnehmender Leistung.
Es darf beinahe ausgesprochen werden, dass der Verbrauch für 1 innerhalb
der praktischen Betriebsgrenzen der Maschine nahezu constant ist, während er bei
allen anderen Erdölmaschinen bei abnehmender Leistung ausserordentlich steigt. Diese
Eigenthümlichkeit erklärt sich daraus, dass bei abnehmender Leistung der thermische
Wirkungsgrad stark wächst, wodurch der Verlust am mechanischen Wirkungsgrade bei
geringerer Leistung der Hauptsache nach aufgehoben wird. Diese Eigenschaft hat keine
andere Maschine, selbst die Dampfmaschine nicht; sie ist von weittragender
Bedeutung, da ja in der Praxis eine Maschine niemals mit ihrer grössten Leistung
arbeitet und daher niemals in Wirklichkeit das bei Versuchen mit grösster Leistung
erzielte Ergebniss beibehält, während die neue Maschine dies thatsächlich thut.
Die zweite sehr werth volle Eigenschaft der Maschine ist die Kleinheit ihrer
Abmessungen gegenüber den bis jetzt construirten Explosionsmotoren; bei voller
Leistung sind die Cylinderabmessungen der wichtigsten anderen Motoren um 50, 60, ja
100 Proc. grösser als die des neuen Motors, wobei selbstverständlich gleiche
Umlaufszahl für alle angenommen ist. Da das Diagramm des neuen Motors eine weit
grössere Fläche hat als das der Explosionsmotoren, so ist sein mittlerer Druck
entsprechend grösser und die Maschinenabmessungen für gleiche Leistung geringer. Die
unmittelbare Folge ist, dass Gestänge, Pleuelstange, Kurbelwelle u.s.w. des
rationellen Motors nicht stärker, sondern sogar schwächer gebaut werden können als
die des gleich starken Explosionsmotors. Die Thatsachen widerlegen also den
schwerstwiegenden der seiner Zeit gegen das neue System ins Feld geführten Einwände,
dass nämlich in Folge der hohen zur Anwendung kommenden Drücke die Abmessungen
unausführbar stark werden würden.
Eine dritte wesentliche Eigenthümlichkeit des Motors ist die, dass die Leistung genau
wie bei Dampfmaschinen durch Veränderung der Füllung, d.h. der Admissionsperiode des
Brennstoffes, geregelt wird; je nach der Leistung wird das Diagramm schmaler oder
breiter, und zwar folgt die Maschine dem Regulator in erstaunlich genauer Weise, wie
die bei den Versuchen vorgenommenen Ent- und Belastungen der Maschine bewiesen
haben. Niemals findet ein Aussetzen statt. Dieses Regulirverfahren macht die neue
Maschine in Bezug auf Elasticität des Betriebes, Ruhe und Regelmässigkeit des Ganges
der Dampfmaschine ebenbürtig, und beseitigt die wesentlichsten Nachtheile des
Explosionsverfahrens, dessen stossweise Wirkung und schwerfällige Regulirung durch
Aussetzer ein Haupthinderniss seiner Ausbreitung auf das Gebiet der Dampfmaschinen
bildeten.
Eine vierte werthvolle Eigenschaft des neuen Motors ist seine stete
Betriebsbereitschaft. Wie vorhin hervorgehoben, ist der Motor so, wie er abgestellt
worden ist, nach beliebig langer Pause zum Anlassen bereit, ohne Anheizen, ohne
Vorbereitung irgend welcher Art.
Die fünfte, vielleicht beste Eigenschaft der Maschine ist das völlige Fehlen jeder
inneren Verschmutzung nach beliebig langem Betriebe, herrührend von der
Vollkommenheit der Verbrennung unter den durch das Verfahren bedingten
Verhältnissen; diese hat auch zur Folge, dass die Abgase bei den meisten
Betriebsarten vollständig unsichtbar und nahezu geruchlos sind und nur bei sehr
starker Beanspruchung leicht sichtbar werden.
(Fortsetzung folgt.)