Titel: | Beleuchtung.Die erste Acetylen-Fachausstellung in Berlin. |
Autor: | Franz Peters |
Fundstelle: | Band 308, Jahrgang 1898, S. 218 |
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Beleuchtung.Die
erste Acetylen-Fachausstellung in Berlin.6. bis 20. März
1898.
Bericht von Franz
Peters.
Mit Abbildungen.
Die erste Acetylen-Fachausstellung in Berlin.
Der Gedanke, zum ersten Mal öffentlich zu zeigen, wie weit es die junge
Acetylen-Industrie in ihrer etwa 3jährigen Entwickelung gebracht hat, rührt von A. Tenner her. Er hat ihn mit grosser Energie ins Werk
gesetzt und mit viel Umsicht in kurzer Zeit eine wohl gelungene Ausstellung
geschaffen. Das Einbauen hat Fr. Goehde geleitet.
Diesen beiden in Verbindung mit Kurt E. Rosenthal und
Henking gelang es, in 5 Tagen die
Ausstellungsgegenstände der mehr als 60 Firmen in der 3500 qm grossen Halle
übersichtlich und wirkungsvoll unterzubringen.
Die mehr als 25000 Besucher, die in den wenigen Tagen die Ausstellung besichtigten,
haben wohl alle den Eindruck mitgenommen, dass die Acetylen-Industrie schon jetzt
eine Macht geworden ist, mit der die anderen Beleuchtungs-Industrien zu rechnen
haben, und die eine kraftvolle Weiterentwickelung verheisst.
Den Hauptraum der grossen Halle nahmen die Acetylenentwickelungsapparate ein. Die im
Betriebe befindlichen waren auf Verfügung der Polizei ausserhalb des Gebäudes in
einzelnen Bretterverschlägen aufgestellt. Nächst diesen Apparaten beanspruchten das
meiste Interesse die Acetylenbrenner und sonstigen Beleuchtungsgegenstände. Ihnen
schlössen sich Heiz- und Kochapparate der verschiedensten Art und Acetylengasmotoren
an. Ferner waren Roh- und Endproducte der Calciumcarbidfabrikation, Elektroden,
Werkzeuge und Maschinen zum Baue von Acetylenentwicklern, Apparate und Instrumente
zur Untersuchung des Acetylens und eine Auswahl der einschlägigen Litteratur
vertreten.
1) Acetylenentwickelungsapparate.
Die ausgestellten Acetylenentwickler lassen sich in zwei Klassen unterbringen. Bei
denen nach dem einen Hauptsystem tritt das Wasser zum Calciumcarbid, die nach dem anderen
arbeiten mit Zuführung des Calciumcarbids zum Wasser. Bei den Apparaten der ersten
Klasse strömt das Wasser entweder von unten zum Carbid, oder es tropft von oben auf
den gasliefernden Stoff auf. Der untere Wasserzutritt erfolgt zu kleineren
Carbidbehältern, die entweder neben oder über einander angeordnet sind. Praktisch am
wenigsten zu empfehlen wird das Tropfsystem sein, da das Wasser und auch das
Acetylen sich stark erhitzen, und eine Wasserkühlung kaum möglich ist. Die untere
Zuführung von Wasser zum Carbid dürfte bei richtiger Construction der Apparate der
weitesten Anwendung fähig sein, während die auf der Einschüttung von Carbid ins
Wasser basirten Constructionen wohl hauptsächlich nur für grosse Centralen in
Betracht kommen, da die plötzliche Entwickelung der grossen Gasmenge auch die
Anbringung eines entsprechend umfangreichen Gasometers voraussetzt, um den hohen
Anfangsdruck unschädlich zu machen.
Nach den am meisten angewendeten Principien hat die Deutsche
Acetylengas-Gesellschaft m. b. H. (Berlin) vier verschiedene Apparate
gebaut und ausgestellt, die sie „Orion“ nennt. Am meisten in Gebrauch,
einfach und praktisch ist „Orion I“, bei dem der Wasserhahn automatisch durch
das Sinken und Steigen der Gasometerglocke geöffnet und geschlossen wird und eine
grössere Nachvergasung durch Anbringung mehrerer Vergaserabtheilungen vermieden ist.
Die Vergaser sind liegende Cylinder, über denen sich Kühlkästen befinden. Das Wasser
fliesst aus dem Reservoir je nach der Stellung eines Zuführungsrohres in
verschiedene Abtheilungen einer Mulde, von denen die eine Hälfte mit den Vergasern,
die andere mit den Kühlern bezieh. Reinigern in Verbindung steht. Sobald ein
Vergaser ausgenutzt ist, greift eine an der Gasglocke des Gasometers befestigte
Klinke an einen Hebel, der das Einlaufrohr über das nächste Fach der
Vertheilungsmulde drückt. Zur grösseren Sicherheit des Betriebes ist an jedem
Apparat ein Ueberdruckventil angebracht, das zugleich Manometer ist.
Auch die „Hera“, Internationale Gesellschaft für
Acetylenbeleuchtung (Berlin), bringt bei ihren Acetylenanlagen, von denen
solche für 5, 10, 20, 50 und 100 Flammen ausgestellt waren, statt eines grossen
Entwicklers mehrere kleine an. Der Wasserzulauf zu den Carbidbehältern erfolgt durch
Löcher in den Seiten wänden, die von einem zum anderen Entwickler in stufenweise
ansteigender Höhe angebracht sind. Die Gasometerglocke ist durch Gewichte beschwert.
Beim Steigen stösst sie gegen über ihr hängende Gewichte und hebt auch diese. In
diesem Augenblicke entsteht unter der Glocke eine kleine Druckerhöhung, die,
rückwärts wirkend, das Wasser in den Entwicklern nach unten drängt. Es steigt erst
wieder zu dem Einlauf loche, wenn die Glocke so weit gesunken ist, dass die Gewichte
nicht mehr aufliegen. Die Druckdifferenzen machen die Einschaltung eines Regulators
zwischen Reservoir und Rohrleitung nothwendig. Der vom Acetylen mitgerissene
Wasserdampf wird in einer Condensationsschlange im Inneren des Reservoirs
verdichtet.
In den wesentlichsten Merkmalen mit dem beschriebenen übereinstimmend ist der
Acetylengasapparat, den die Metallwerke Bruno Schraum, G. m.
b. H. (Ilversgehofen-Erfurt), in sehr solider und geschmackvoller
Ausführung darboten. Die Mulde, die das Carbid aufnimmt, ist in mehrere Fächer
getheilt, die nach einander von dem Wasser angefüllt werden. Damit beim Oeffnen
und Auswechseln der Mulde kein Gas entweichen und Luft so gut wie gar nicht
eintreten kann, ist der obere Theil des Entwicklers durch eine Scheidewand
abgeschlossen. Die Regulirung der Wasserzuführung geschieht ohne Ventile und Ketten
durch den Gasdruck. Wenn das Gasometer mit einer bestimmten Menge Gas gefüllt ist,
belastet es sich durch ein kleines Gewicht. Die hierdurch entstehende geringe
Drucksteigerung sperrt den Wasserzufluss sofort ab.
Aehnlich wie „Orion I“ arbeitet der Apparat „Mars“, den die Deutsch-Oesterreich-Schweizerische Acetylengesellschaft
(Lindau i. B.) ausgestellt hatte, durch Ueberschwemmung je einer Entwickelungskammer
mit Wasser. Die Aehnlichkeit zeigt sich auch darin, dass Wasservertheiler für die
verschiedenen Vergaser angebracht sind. Ist das Carbid in einem Vergaser ausgenutzt,
so sinkt die Gasglocke so tief, dass der automatische Wasserregulator durch eine an
der Glocke angebrachte Schere auf den nächsten Vergaser umgeschaltet wird. Die
Vergasungsschubladen sind ringsherum mit einem Wasserkühlgefässe, das oben einen
offenen Füllkasten hat, versehen. Da keine Hähne, sondern nur Wasserverschlüsse
vorhanden sind, und die Umschaltung bei der Wasserzuführung automatisch arbeitet,
können kaum Fehler bei der Bedienung vorkommen. Sollte dennoch die Gasometerglocke
einmal über die normale Höhe steigen, so öffnet sich im Gasometer automatisch eine
Röhre, und durch ein damit zusammenhängendes, unten austretendes Rohr kann das Gas
ins Freie strömen. Ausgestellt war ein Apparat für 10 bis 15 und einer für 60
Flammen.
Die Sächsische Acetylengas-Industrie Dan. Heinr. Balz und
Co. (Dresden-Gruna) setzt in den Entwickler zur Aufnahme des Carbids einen
doppelwandigen Korb aus starker Drahtgaze, der am Boden einen Konus hat, und misst
die zur Vergasung nothwendige Wassermenge durch ein besonders construirtes Ventil
ab. Durch diese Gesammtanordnung sollen trockene Rückstände erzielt werden, die zur
Mörtelfabrikation verwendbar sind. Aus den Entwicklern gelangt das Gas durch weite
Röhren in einen getheilten Condensraum, von diesem wieder in grossen Röhren durch
das Wasser in das Gasometer, in den anderen Theil des Condensraumes und dann in die
Leitung.
F. Ringwald ordnet in einem gemeinsamen Wasserbehälter
mehrere senkrecht stehende Gaserzeugungsretorten an. Diese nehmen das Carbid in
durchlöcherten Blechkörben auf und werden danach durch einen Bügelverschluss
luftdicht abgeschlossen. Wird ein von aussen erreichbarer Handgriff nach rechts
gedreht, so tritt Wasser von unten in eine Retorte und überschwemmt sofort die ganze
Menge Carbid. Das entwickelte Acetylen strömt durch Rohre, die unter Wasser münden,
in eine zu zwei Dritteln gefüllte Vorlage und weiter durch ein über dem Wasser
endigendes Rohr zum Gasometer. Das Wasser in der Vorlage dient als automatischer
Gasabschluss, so dass also jede Retorte von der anderen unabhängig ist und man nach
Belieben mit einem oder mehreren Entwicklern arbeiten kann. Ist die Gasentwickelung
beendigt, so wird der erwähnte Handgriff nach vorn gedreht, und dadurch das
Kalkwasser entleert. Bei Linksdrehung fliesst das Wasser aus dem Kühler. Die
Nachfüllung von Wasser erfolgt von der Vorlage aus automatisch durch eine
Schwimmervorrichtung.
Nach den Angaben von Franz Vörös construirte
Entwickelungsapparate führten Armin und Franz Steiner
(Budapest) vor. Zwischen den Wasserbehältern c und m (Fig. 1) bewegt sich
die Gasometerglocke d. Der innere Cylinder wird durch
das Rohr e gefüllt. Unter den Wasserbassins liegen die
Carbidretorten a und a1. Zu ihnen fliesst beim tiefsten Stande der
Gasometerglocke d aus dem Behälter m durch das Rohr h Wasser.
Das Acetylen entweicht durch die Röhren b und b1 und hebt die Glocke.
Dabei wirkt die an ihr befestigte Zahnstange i auf das
Zahnrad k derartig, dass das Ventil v geschlossen wird. Aus dem Gasometer streicht das
Acetylen erst durch Rohr f in den Trockner und Reiniger
g und dann nach der Verbrauchsstelle.
Textabbildung Bd. 308, S. 219
Fig. 1.Entwickelungsapparat, System Vörös, von Steiner.
Bei dem „Victoria”-Acetylengasapparate, den Carl Imme
jun. (Berlin) ausstellte, drückt beim Sinken der Gasometerglocke ein innen
an ihr befestigtes Gewicht auf eine Taucherglocke, deren Gehäuse mit dem Gasometer
communicirt. Das die Taucherglocke überfluthende Wasser tritt durch ein Rohrsystem
in den ersten Carbidkasten eines Entwicklers und überschwemmt diesen. So kommen alle
kreisförmig angeordneten Kästen des ersten Erzeugers nach einander zur Entwickelung.
Dann übersteigt das Wasser ein drehbar gelagertes Schleifenrohr und strömt in einen
zweiten Entwickler, dessen Inhalt ebenso nach und nach aufgebraucht wird. In der
Zwischenzeit kann die Carbidpatrone des ersten Entwicklers wieder neu beschickt
werden.
Das Princip des Kipp'schen Apparates verwenden „Orion
II“ der Deutschen Acetylengas-Gesellschaft m. b.
H. (Berlin), die von Ludwig Rümelin (Graz)
ausgestellten Entwickler, an denen der Berichterstatter Neues nicht entdecken
konnte, und der „Helios“-Apparat von Meissner und
Co. (Chemnitz i. S.), der auch nichts weiter als eine constructiv gute
Ausführung des erwähnten Princips darstellt. Wie die Gasentwickelung wird auch ein
Sicherheitsventil durch Wasser automatisch geregelt. Es öffnet sich und lässt das
Gas in die Luft entweichen, wenn der Druck über 8 cm Wassersäule steigt. Auch das
nachentwickelte Gas wird ins Freie geführt. Die Entwickler stehen in einem grösseren
Bassin mit Wasser.
Wohl am zahlreichsten waren die für kleinere Anlagen sehr empfehlenswerthen Apparate
vertreten, bei denen das Wasser, von unten aufsteigend, allmählich das etagenweise
angeordnete Calciumcarbid zersetzt.
Emile Engasser (Colmar i. E.) setzt in den Entwickler
einen aus fünf Etagen bestehenden Carbidbehälter ein und verschliesst dann den
Deckel fest. Bei unterem Stande der Gasometerglocke wird durch einen Hebel der Hahn
am unteren Wassereintrittsrohr geöffnet und dadurch der unterste Carbidbehälter
mit Wasser überschwemmt u.s.f. Der Inhalt eines Behälters reicht gerade zum Füllen
der Gasometerglocke aus. Sollte zu viel Calciumcarbid hineingeschüttet sein, so
würde der Ueberdruck das Ventil an einem Wassersiphon öffnen und das Wasser
hinausdrängen, so dass das überschüssige Gas entweichen könnte. Dann schliesst sich
das Ventil wieder selbsthätig.
Bei den Apparaten der Acetylen-Industrie-Gesellschaft, G. m.
b. H. (Berlin), wird ein Cylinder, der die mit zehn Tellern versehene
Calciumcarbidpatrone aufnimmt, von zwei äusseren, 60 mm tiefer hinabgehenden
Cylindern mit gemeinschaftlichem Boden umgeben. Das Wasser tritt erst in den
äusseren Cylinder, fällt über die Oberkante des mittleren Cylinders, steigt dann vom
Boden des inneren in die Höhe und benetzt die mit Carbid gefüllten Teller der Reihe
nach. Eine über die beiden mittleren Cylinder gesetzte Glocke trägt einen Dom, der
von einem Wassermantel umgeben ist, zur Sammlung und Fortführung des Acetylens. Es
streicht dann durch Reinigungsmassen, die sich auf dem Siebboden von vier Cylindern
befinden, und tritt endlich in das Gasometer. Dessen Glocke schliesst und öffnet
beim Auf- und Niedersteigen die Wasserzufuhr durch zwei Klinken. Ausser einem
400flammigen, im Betriebe vorgeführten Apparate war ein 60- und ein 15flammiger,
letzterer ohne Reiniger, vertreten.
Textabbildung Bd. 308, S. 219
Fig. 2.Wasserführung von Butzke und Co.
Eine ganz ähnliche Wasserführung zeigten die von F. Butzke
und Co. (Berlin) ausgestellten Apparate „Universal“, die für eine
grösste Leistung von 140 Flammen im continuirlichen Betriebe eingerichet werden
können.
Der Entwickler b (Fig. 2)
besteht aus zwei oder mehr Abtheilungen, die je einen Behälter x aufnehmen. In diesem befindet sich ein Rahmengestell
u mit Carbidkasten v.
Die Seitenwände des auf x aufsitzenden Deckels s schieben sich zwischen Entwickler- und Behälterwand
ein. Lässt man durch das Trichterrohr o auf s Wasser auffliessen, so gelangt es zwischen Entwickler
b und Deckel s nach
unten, steigt zwischen den Seiten wänden von s und x nach oben, fällt auf den Boden von x und hebt zunächst den untersten Carbidkasten v, bis sein weiteres Steigen durch den Rahmen u verhindert wird. Dann versinkt er durch das
eintretende Wasser und entwickelt seinen Inhalt vollständig. Das Gas strömt durch
das mit den Hähnen r und f
verschliessbare Rohr g zunächst nach dem
Wasserabscheider c und von hier nach der Auffangglocke.
Bei deren Verlassen geht es noch durch einen Reiniger. Beim Steigen der Glocke hört
der Zug an einem Hebel, der einen Hahn im Wasserzuflussrohre bethätigt, auf; ein am
anderen Hebelarme angebrachtes Gewicht kommt zur Wirksamkeit und schliesst den Hahn.
Lässt die Gasentwickelung nach, so öffnet die Glocke beim Sinken durch Zug an dem
Hebel den Hahn wieder, Wasser strömt zu, überschwemmt einen frischen Carbidbehälter
u.s.f. Ist der Inhalt aller in einem Rahmen angebrachten Kästen ausgenutzt, so
steigt das Wasser über die Scheidewand in die nächste Abtheilung und verbraucht
deren Inhalt nach und nach. Währenddem schliesst man den Hahn f
der ersten Abtheilung, öffnet den Lufthahn r, lässt
durch q das Wasser ablaufen, hebt s ab und nimmt den Rahmen u mit den Carbidkästen zur Reinigung heraus. Sollte sich in der
Gasometerglocke ein Ueberschuss an Gas ansammeln, so schiebt sich ihr mittleres
Führungsrohr zwischen ein in der Glocke unter Wasser tauchendes Doppelrohr ein und
bewirkt durch Wasserverschluss eine Dichtung. Das überschüssige Gas entweicht dann
durch das Führungsrohr.
(Fortsetzung folgt.)