Titel: | Kraftmaschinen.Benzin-Luftmotor von Durand-Noury. |
Autor: | Peter Klimentitsch v. Engelmeyer |
Fundstelle: | Band 309, Jahrgang 1898, S. 4 |
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Kraftmaschinen.Benzin-Luftmotor von
Durand-Noury.
Mit Abbildung.
Benzin-Luftmotor von Durand-Noury.
Dieser Motor eröffnet eine neue Motorgattung, die Vereinigung dreier Elemente: eines
Explosionsmotors, eines Luftdruckmotors und einer Druckluftübertragung zwischen
beiden. Das Princip ist auf der Figur versinnlicht:
Richten wir zuerst unsere Aufmerksamkeit nur auf folgende Theile: a ein Cylinder mit Kolben, c ein Druckluftkessel und d ein Carburator.
Denken wir uns die Luft im Kessel c auf ein paar
Atmosphären zusammengepresst. Dieselbe tritt durch die offene Röhre f in den Carburator und, indem sie in Blasen durch das
Benzin emporsteigt, entsteht ein explosionsfähiges Carburat, welches durch das
mechanisch gedrehte Ventil e unter den Kolben des
Cylinders a tritt und diesen anfängt, in die Höhe zu
treiben, weil über dem Kolben nur 1 at Druck herrscht, den die durch das Ventil g frei eingetretene Luft ausübt. Bald aber wird das
Ventil e mechanisch geschlossen und das Gas unter dem
Kolben elektrisch gezündet. Die Explosion treibt den Kolben stürmisch in die Höhe.
Dabei muss gesagt werden, dass der Kolben a sammt
seinem Stocke vom unteren Theile des gesammten Mechanismus freigelassen wird.
Hierüber wird später die Rede sein.
Die Explosion im Cylinder a geschieht beinahe so rasch
wie in den früheren Otto-Langen'schen Motoren. Dabei
wird die oberhalb des Kolbens in a befindliche Luft
zusammengepresst und in den Kessel c befördert, welcher
somit als Druckaccumulator dient.
Dieselbe zusammengepresste Luft arbeitet sodann in einem gewöhnlichen Motorcylinder
b auf der Hauptwelle kz.
Der Motor arbeitet somit mit einem doppelten Cyklus, dessen eine Hälfte in einer
Explosions- und die andere in einer Druckluftarbeit besteht. Jetzt wollen wir einige
Momente näher betrachten.
Theoretisch könnte man sich den Kolben a wohl ganz frei
denken. Damit jedoch die Zahl der Compressionen in a
mit der Tourenzahl der Hauptwelle kz
übereinstimmt, ist folgende Einrichtung getroffen worden: auf der Welle kz sitzt auf einer Scheibe ein Excenter n, welches während eines Bruchtheiles einer Umdrehung
der Welle kz als Führung der Rolle s dient, welch letztere durch eine Stange mit dem
Zahnrade r in Verbindung steht. Dieses Zahnrad r läuft zwischen der unbeweglichen Zahnstange o und der beweglichen p,
die auf dem Stocke des Kolbens a sitzt. Während eines
Hubes des Kolbens a legt das Rad r die Hälfte dessen Länge zurück.
Unsere Zeichnung gibt jenen Zeitpunkt wieder, wo das sich drehende Excenter n die Rolle s und somit
auch den Kolben a in die niedrigste Stellung einstellt.
Im nächsten Moment hört die Berührung zwischen n und
s auf und der Kolben a
kann dem Drucke des nun eintretenden Carburates und dessen Explosion gehorchen. Nach
der Explosion stellt sich die Rolle s in s1 ein und das Excenter
n wird dieselbe seiner Zeit ergreifen und ruhig in
die Anfangsstellung führen. Während dieses Rückganges des Kolbens wird das Ventil
i mechanisch geöffnet.
Textabbildung Bd. 309, S. 4
Benzin-Luftmotor von Durand-Noury.
Somit entsteht eine Explosion bezieh. Compression in a
während einer Umdrehung der Hauptwelle kz. Es steht aber offenbar dem Constructeur frei, dieses
Verhältniss nach Belieben zu gestalten. Zu dem Zwecke brauchen wir uns nur zwischen
der Welle kz und der Excenterscheibe n eine entsprechende Uebersetzung zu denken.
Suchen wir jetzt die Arbeit des Motors ziffermässig zu ermitteln und zwar auf Grund
der mir bereitwilligst zugestellten Zahlen von Noury,
der als Mechaniker in der Maschinenfabrik Durand
(Paris) thätig ist und die theoretische Ausarbeitung des Motors bewirkte.
Der Durchmesser des Cylinders a beträgt 220 mm, der
Hub 330 mm. Also: bei einer Kolbenfläche von 380 qc wird mit einem Hub 12,54 l Luft
durch das Ventil g eingesaugt. Da die Admission auf 1/20 der Hubhöhe
(16,5 mm) aufhört, so wird somit 3,8 × 0,165 = 0,627 l Carburat hineingelassen und
wir wollen nun sehen, wie viel Luft in dieser Admissionsmenge enthalten ist, oder
besser gesagt: welcher Theil der früher in a
eingesaugten atmosphärischen Luft auf eine der folgenden Explosionen wieder
verbraucht wird?
Gewöhnlich steht die Luft in c unter einem Drucke von 5
k. Unter demselben steht auch das Carburat unter dem Kolben und in jenen 0,627 l
desselben befinden sich, nach Noury,
6/7 bezieh. 0,54 l
Luft unter einem Drucke von 5 k, oder 6,033 k absolut. Diese, in einer Admission
enthaltene, zusammengepresste Luft hatte in der Atmosphäre ein Volumen von
\frac{0,54\,\times\,6,033}{1,033}=3,12\mbox{ l,}
was etwa ¼ jenes Luftvolumens beträgt, welches ein
Kolbenrückgang in den Cylinder a einsaugt (12,54
l).
Aus einer Reihe von Versuchen und theoretischen Erwägungen entnimmt Noury noch folgende Zahlen: Unter gegebenen
Verhältnissen soll die Arbeit einer Explosion 134 mk betragen und 1 /Std. 23
cbm atmosphärischer Luft verbrauchen. Jetzt sind wir im Stande die Kraftleistung des
Motors abzuschätzen. Ein jeder Kolbenhub a saugt 12,54
l Luft ein; 9,42 l davon verrichten die Arbeit an der Welle kz. Der Motor macht normal 200 Touren in
der Minute, somit beträgt die ganze in der Stunde arbeitende Luftmenge 112,5 l und
die Kraftleistung des Motors ergibt sich:
\frac{112,5}{23}=4,92 rund 5 .
Was für Vor- und Nachtheile verspricht uns die Verbindung des Explosionsmotors mit
dem Druckluftmotor?
Es ist bekannt, dass die alten Otto-Langen'schen Motore
ökonomischer als sämmtliche neuen, bei gleicher Kraft, arbeiteten, und dass diese
Oekonomie die Folge davon war, dass bei denselben die Explosion stürmisch vor sich
gehen konnte. Dieser Vortheil liegt auch dem Motor Durand-Noury inne, und obwohl die Verdoppelung des Cyklus sicherlich
grössere Verluste herbeiführt, so ist zu hoffen, dass diese wieder durch die
besseren Verhältnisse aufgehoben werden, in denen die zwei Cykli zu Stande
kommen.
Sodann macht sich der Einwand geltend, dass das Gewicht der ganzen Anordnung ein
grösseres ist, als das eines einfachen Explosionsmotors. Doch darf man dabei nicht
vergessen, dass ja auch die Kraftleistung vervielfacht wird, indem auf jede
Umdrehung der Haupt welle wenigstens eine Explosion entsteht. Ausserdem vermeiden
die Erfinder das Kühlwasser sammt Behälter, indem sie die aus dem Cylinder b austretende, abgekühlte Luft rings um den Cylinder
a führen. In Wirklichkeit sind zwei Cylinder b und mitten zwischen denselben ein Cylinder a angebracht. Die zwei Cylinder b vernichten die todten Punkte, und letzteren Umstand sehen wir wieder als
einen Vortheil an, zumal auch noch das schwere Schwungrad der gewöhnlichen
Explosionsmotore wegfällt.
Somit sehen wir, dass die Gewichte des Motors Durand-Noury mit dem eines gewöhnlichen Explosionsmotors sich
ausgleichen. Die Abwesenheit todter Punkte aber und eine grössere
Gleichmässigkeit im Gange macht den betrachteten Motor noch besser geeignet für
manche Anwendungen, z.B. zum Treiben von Dynamo.
Zwei constructive Schwierigkeiten des neuen Motors sollen noch zur Sprache kommen:
Kurz vor der Zeit, wo ich den Motor besichtigte (1895), wurde der obere Deckel im
Cylinder a durch einen Stoss des Kolbens abgeschlagen,
ungeachtet dessen, dass zwischen Deckel und Kolben ein Luftpolster vorgesehen war.
Beweist schon an und für sich dieser Zwischenfall, dass der Cylinder a zu kurz gewählt worden war (wie oben gesagt, beträgt
der Hub 330 mm), so ist schon aus theoretischen Gründen eine möglichst grosse Länge
desselben wünschenswerth, um eine möglichst vollständige Ausnutzung der Explosion zu
erlangen, was aber mit constructiven Schwierigkeiten wieder verbunden ist. Eine
weitere Schwierigkeit im Baue besteht in der Nothwendigkeit, den Kessel c bestmöglichst vor Abkühlung zu schützen.
Dagegen bietet uns der neue Motor wieder den Vortheil gegenüber den übrigen
Explosionsmotoren, dass er stets gangbereit ist: das blosse Oeffnen zweier Ventile
m und e setzt ihn in
Gang.
Gesagt muss noch werden, dass die Erfinder anstatt des Carburators d eine Benzinpumpe vorschlagen. Wäre nicht vielleicht
ein Injector besser am Platz?
Peter Klimentitsch v. Engelmeyer (Moskau).