Titel: | Regulirungsvorrichtungen.Elektrischer Bremsregulator, System E. H. Rieter. |
Autor: | Freytag |
Fundstelle: | Band 309, Jahrgang 1898, S. 5 |
Download: | XML |
Regulirungsvorrichtungen.Elektrischer
Bremsregulator, System E. H. Rieter.
Mit Abbildungen.
Elektrischer Bremsregulator, System Rieter.
Das Bedürfniss nach möglichst genauen und augenblicklich wirkenden Regulirungen an
Motoranlagen ist mit der Entwickelung der Elektrotechnik immer dringender
geworden.
Bei Anlagen mit Dampfbetrieb kann meistens, d.h. wenn nicht ein ganz ausnahmsweise
unregelmässiger und in weiten Grenzen wechselnder Betrieb vorliegt, mit einem
empfindlichen Regulator in Verbindung mit einem entsprechend schweren Schwungrade
eine befriedigende Präcision in der Regulirung erzielt werden. Anders verhält es
sich dagegen bei Elektricitätswerken mit hydraulischem Betriebe. Hier sind zwei
Fälle zu unterscheiden, nämlich:
1) Anlagen mit sehr hohem Gefälle und verhältnissmässig geringem Wasserquantum, wobei
die sogen. Hochdruckturbinen zur Anwendung gelangen.
2) Anlagen mit mässigem Gefälle und grossem Wasserquantum, wobei meistens sogen.
Ueberdruckturbinen zur Verwendung kommen.
Bei den Hochdruckturbinen, die meistens mit wagerechter Achsenanordnung und radialer
innerer Beaufschlagung construirt werden, lässt sich in allen Fällen in
verhältnissmässig einfacher Weise eine hinreichend zuverlässige und genaue
Regulirung bezieh. Einhaltung der normalen Tourenzahl durch Verwendung sogen.
Präcisionsregulatoren mit Rückschaltung (vgl. 1897 306 *
110) bewerkstelligen. Derartige Regulatoren gestatten selbst beibedeutenderen und plötzlich
auftretenden Kraftschwankungen nur geringe Aenderungen in der Tourenzahl.
In dem zweiten Falle lässt sich dagegen eine so hohe Genauigkeit selbst mit den
besten Präcisionsregulatoren nicht mehr in allen Fällen ohne weiteres erreichen.
Eine genaue Einhaltung der Tourenzahl ist aber hier ebenfalls erwünscht, namentlich
wenn Ueberdruckturbinen mit Dynamomaschinen zusammenarbeiten.
Damit in diesen Fällen eine Ueberschreitung der normalen Tourenzahl unmöglich wird,
muss zwischen Motor und Wellenleitung ein Apparat eingeschaltet werden, der im
Stande ist, in jedem Augenblicke eine entsprechende Menge mechanischer Arbeit in
sich aufzunehmen, und der sich bei Wiederherstellung der normalen Geschwindigkeit
sofort wieder selbsthätig entlastet. Um diesen Bedürfnissen nachzukommen,
construirte E. H. Rieter in Winterthur den nachstehend
beschriebenen elektrischen Bremsregulator (D. R. P. Nr. 91551).
Die bis heute ausgeführten Bremsregulatoren haben nur eine geringe Verbreitung
gefunden. Dies dürfte seinen Grund darin haben, dass denselben noch verschiedene
Mängel anhaften. Sie sind fast alle auf gleicher Basis aufgebaut, nämlich so, dass
in irgend einer Art und Weise die zu verrichtende mechanische Energie durch Reibung
in Wärme umgesetzt wird. Reibung zwischen festen Körpern ist aber dazu wenig
geeignet, da dieselbe, von vielen Factoren abhängig, sehr veränderlich ist. Die
Wärmeerzeugung, die bei jedem Bremssystem in gleichem Maasse auftreten muss, ist
dabei ungünstig auf die Arbeitsflächen localisirt. Am gebräuchlichsten sind
Apparate, bei denen die Flüssigkeitsreibung zur Aufzehrung von überschüssiger
Leistung in Anwendung kommt. Auch hier ist die Localisirung der Wärmeerzeugung
äusserst ungünstig, denn es kommt dabei meistens eine Circulationspumpe (für Wasser
oder Oel) zur Anwendung, deren Drosselventil von einem tachometrischen Apparate
eingestellt wird. Gerade dieses Drosselorgan ist dasjenige Organ, in welchem die
Wärme erzeugt wird. Aber auch in mechanischer Hinsicht ist diese besprochene
Anordnung ungünstig, da auf jenes Pumpenventil grosse Kräfte wirken, die bei der
kleinsten Ungenauigkeit, trotz sorgfältig durchgeführter Entlastung, noch immer im
Verhältniss grosse Reibungen erzeugen können.
Textabbildung Bd. 309, S. 6
Elektrischer Bremsregulator, System Rieter.
Aehnlich ungünstig in mechanischer Beziehung functioniren diejenigen
Bremsapparate, welche als Grundlage einen Prony'schen
Zaum haben. Bei allen auf diesem Principe und dem der Pumpen gebauten Apparaten
theilt sich die durch die Reibung erzeugte Wärme bald dem ganzen Mechanismus mit, so
dass dieser in kürzester Zeit bei nur einigermaassen andauernder Belastung so heiss
wird, dass derselbe, der dadurch entstehenden Gefahr wegen, bald abgestellt werden
muss. Alle dabei verwendeten Kühlmethoden, wie laufendes kaltes Wasser u.s.w.,
gestatten diesen Apparaten nicht, grössere Kräfte dauernd zu absorbiren.
Bei dem elektrischen Bremsregulator von E. H. Rieter
kommen die genannten schädlichen Wirkungen in Wegfall. Der einzig rotirende Theil
dieses Apparates besteht aus einem sorgfältig ausbalancirten Eisen- oder
Stahlcylinder, der, auf einer Achse festgekeilt, durch eine Riemenscheibe in
Bewegung gesetzt wird. Es kann demnach weder von einem einseitigen Lagerdruck, noch
von irgend welcher im Inneren des Apparates entstehenden Reibung die Rede sein.
Selbst bei der stärksten Beanspruchung des Apparates tritt nur die unumgängliche
Lagerreibung zweier sorgfältig bearbeiteter Ringschmierlager auf.
Zur Verwandlung der aufzuzehrenden mechanischen Energie in Wärme wird die Erzeugung
von elektrischen Wirbelströmungen in einer unmagnetisirten Eisenmasse verwendet und
zwar mit folgenden wichtigen Vortheilen:
1) Dass bestimmten elektrischen Verhältnissen (bezüglich der Erregung) bei denselben
Geschwindigkeiten immer genau dieselben Bremskräfte entsprechen.
2) Dass der tachometrische Apparat auf einen empfindlichen und empfindlich bleibenden
Contactapparat wirkt, der jedem Einflusse der erwärmten Kräfte, der Erwärmung und
den Erschütterungen vollständig entzogen werden kann.
Im Weiteren ist in sorgfältigster Weise für eine günstige Abkühlung der
Bremsvorrichtung Vorsorge getroffen, indem die unmagnetisirte Eisenmasse mit
schmiedeeisernen Rippen und Löchern versehen ist, und selbst rasch rotirt, so dass
bei der dabei auftretenden bedeutenden Umfangsgeschwindigkeit eine vorzügliche
Ventilation bezieh. Abkühlung erreicht wird.
Nachdem Rieter an einem ganz kleinen Modell dieschon früher von Foucault u.a. gemachte Entdeckung, dass ein massiver
Eisencylinder, der in einem magnetischen Felde bewegt wird, der Bewegung um so mehr
Widerstand entgegensetzt, je grösser seine Geschwindigkeit wird, als richtig erkannt
hatte, construirte er einen kleinen Apparat, aus einem zweipoligen Elektromagneten
bestehend, der auf einer Achse festgekeilt ist und mittels einer Riemenscheibe in
Umdrehung gesetzt werden kann. Um dieses zweipolige Magnetfeld ist ein
feststehender, aus Schmiedeeisen hergestellter Ring angeordnet, der mittels Armkreuz
und Nabe concentrisch um das Magnetfeld gelagert ist. Behufs Ermittelung der
elektrischen Grossen und der mechanischen Arbeit wurden mit Volt- und Ampèremetern
bezieh. einem Kummer'schen Dynamometer genaue Messungen
angestellt, die nahezu übereinstimmende Resultate, und zwar bei einer Erregung des
magnetischen Feldes mit einer Stromstärke von 14 Ampère bei 30 Volt und bei einer
Geschwindigkeit desselben von 668 minutlichen Umdrehungen eine mittlere
Bremsleistung von 0,930 ergaben.
Für praktische Verwendungen baute Rieter einen
grösseren, dem vorgenannten ähnlichen Apparat, der in den Revue industrielle vom 19. Februar 1898 entnommenen Abbildungen (Fig. 1 und 2) dargestellt ist. Das
hier achtpolige ruhende Magnetsystem p, welches von
einer besonderen Stromquelle (Dynamo oder Accumulatorenbatterie) aus erregt wird,
ist mittels starker Bolzen am Lagerkörper l
festgeschraubt. Der elektrische Strom wird durch zwei Klemmen der magnetisirenden
Spule s zugeführt. Zur Erzielung der beabsichtigten
Bremswirkung ist um dieses magnetische Feld eine rotirende Eisenmasse e angeordnet, die in diesem Falle aus einem massiven
gusseisernen Ring besteht, in welchen eine Anzahl schmiedeeiserne Rippen h eingegossen sind. Der Ankerring e wird durch das Armkreuz a, welches auf der durch das Magnetfeld gehenden Achse festgekeilt ist,
mittels sechs Schraubenbolzen gehalten und durch die Riemenscheibe b in rotirende Bewegung versetzt. Durch diese Rotation
entstehen in jener Eisenmasse geschlossene elektrische Stromkreise, Foucault-Ströme
u.s.w., welche ein der Bewegungsrichtung entgegengesetzt gerichtetes Drehmoment
hervorrufen, das hindernd auf die Eisenmasse einwirkt. Zur besseren Ableitung der in
der Eisenmasse entwickelten Wärme dienen die Rippen h.
Textabbildung Bd. 309, S. 7
Fig. 3.Elektrischer Bremsregulator, System Rieter.
Behufs Verwendung als Bremsapparat wird der erregende elektrische Strom durch einen
Geschwindigkeitsregulator, der auf einen Rheostaten einwirkt, regulirt, und zwar so,
dass die zu erzeugende bremsende Kraft mit zunehmender Geschwindigkeit steigt. Der
Apparat, welcher diese Regulirung besorgt, wird in verschiedenen Ausführungsgrössen
gebaut. Es kann derselbe als besonderer tachometrischer Schaltapparat, unabhängig
von dem eigentlichen Bremsapparat ausgeführt werden, so dass derselbe auch örtlich
vollkommen unabhängig an einem beliebigen passenden Ort aufgestellt und von der
betreffenden Wellenleitung angetrieben werden kann. Der für diesen Zweck construirte
Apparat ist in Fig. 3 veranschaulicht.
In dem unteren cylindrischen Gehäuse befindet sich ein Regulirwiderstand, aus
Neusilberdraht bestehend, der in einzelne Theile gegliedert ist. Jeder Theil steht
mit einem der auf der Vorderseite des Gehäuses sichtbaren Drahtstifte in directer
Verbindung. Ueber dem Gehäuse befindet sich ein combinirter Gewichts- und
Federregulator, dessen Pendel durch Hebelübersetzung auf ein mit Quecksilber
gefülltes Glasgefäss wirkt, welches eine in bestimmtem Verhältnisse zum
Pendelausschlag stehende Bewegung nach oben oder unten ausführt. Das
Quecksilbergefäss liegt unmittelbar unter den Drahtstiften, so dass, je nach der
Pendelstellung, eine grössere oder geringere Anzahl derselben mit dem Quecksilber in
Berührung kommt bezieh. mehr oder weniger Widerstand in die Erregerleitung
eingeschaltet ist. Der durch diese letztere in die Magnetspule fliessende Strom wird
dementsprechend das Magnetfeld des Bremsapparates stärker oder schwächer erregen,
woraus eine unmittelbare Steigerung oder Verminderung der Bremswirkung bei
annähernder gleichbleibender Tourenzahl resultirt.
Textabbildung Bd. 309, S. 7
Fig. 4.
Neuerdings wird der tachometrische Regulirapparat auch direct mit der Erregerdynamo
an den Bremsapparat angebaut und das Pendel unmittelbar von der Achse des letzteren
angetrieben.
Die Ergebnisse einer Reihe von Versuchen, welche mit einem kleinen elektrischen
Bremsregulator, System Rieter, in dem
elektrotechnischen Versuchslaboratorium der Actiengesellschaft vorm. Joh. Jakob Rieter und Co. in Winterthur
vorgenommen wurden, sind durch die in Fig. 4 und 5 ersichtlichen Curven graphisch dargestellt. Fig. 4 zeigt stetig ansteigende Curven, von denen jede
die bei gleich bleibender Umdrehungszahl, aber veränderlicher, d.h. von 0 bis 5
Ampère anwachsender Erregung resultirende, in Pferdekräften ausgedrückte gebremste
mechanische Arbeit darstellt.
Es geht hieraus hervor, dass der Apparat im Stande ist, mittels geringem Aufwände von
elektrischer Energie schon bedeutende Kräfte zu bremsen bezieh. in sich
aufzunehmen.
Unter Zugrundelegung constant bleibender Erregung bei veränderlicher Tourenzahl
ergeben sich die Curven, welche in Fig. 5 dargestellt
sind. Dieselben veranschaulichen die in Watt ausgedrückte gebremste Energie bei
Aenderung der Tourenzahl von 0 bis 600 und bei constant bleibenden Erregungen von 1,
2, 3, 4 und 5 Ampère.
Um auch die Leistungsfähigkeit der Wirkung des elektrischen Bremsregulators vor
Augen zu führen, wurden mittels eines registrirenden Tachometers unter verschiedenen
Verhältnissen Geschwindigkeitsdiagramme genommen. Dieselben liessen deutlich
erkennen, dass die Anwendung eines elektrischen Bremsregulators auf eine
gleichmässige Geschwindigkeit von ganz bedeutendem Einflusse ist. Um nur einige
Fälle herauszugreifen, stieg bei einem Versuche ohne Bremsregulator bei einer
plötzlichen Entlastung von 11,6 die Geschwindigkeit allmählich von 225 auf
322 Touren in der Minute, welcher Werth sich nach und nach als constant einstellte.
Nach 24 Secunden fand eine Wiederbelastung von 10,5 statt, wonach sich die
Tourenzahl innerhalb 3 Secunden auf 228 Touren in der Minute einstellte. Unter
Mitwirkung eines elektrischen Bremsregulators, wobei noch eine die Pendelbewegung
des tachometrischen Schaltapparates beeinflussende Oelpumpe in Anwendung kam, zeigte
sich, dass die Geschwindigkeit bei plötzlicher Entlastung von 11,6 von 230
Touren sofort anfing zu steigen, innerhalb 4 Secunden aber bereits das Maximum von
nur 276 erreichte und alsdann wieder anfing zu sinken, um sich nach Verlauf weiterer
5 Secunden wieder auf die Anfangsgeschwindigkeit von 230 Touren in der Minute
einzustellen. Während sich die Ueberschreitung der Umdrehungszahl unter gewöhnlichen
Verhältnissen (im erstgenannten Falle) auf 97 beläuft, beträgt dieselbe unter
Verwendung eines elektrischen Bremsapparates nur 46, d.h. kaum die Hälfte.
Textabbildung Bd. 309, S. 8
Fig. 5.
Noch günstiger stellte sich das Ergebniss bei einem anderen Versuche ohne Oelpumpe.
Nachdem die Geschwindigkeit während der ersten 15 Secunden ziemlich constant blieb,
fand eine plötzliche Entlastung von 11,6 statt; hierbei stieg die
Tourenzahl um einen kaum merklichen Betrag; die Ueberschreitung der anfänglichen 243
Touren belief sich nur auf 251 und zwar innerhalb 2 bis 3 Secunden; nachdem sank die
Tourenzahl wieder annäherungsweise auf die ursprüngliche zurück, nämlich auf
245.
Bei plötzlicher totaler Einschaltung der Belastungsdynamo bezieh. gleichzeitiger
selbsthätiger Ausschaltung des elektrischen Bremsregulators verminderte sich die
Tourenzahl nur um etwa 30, indem sie von 225 Touren auf 195 sank, innerhalb 2
Secunden dieses Minimum erreichte und nach Verlauf weiterer 4 Secunden war bereits
die normale Geschwindigkeit von 225 Touren in der Minute wieder hergestellt.
Um weitere vergleichende Betrachtungen anstellen zu können, wurden ähnliche
Versuche wie die obigen mit einem hydraulischen Bremsregulator gemacht. Derselbe kam
zur Wirkung nach Verlauf von 9,5 Secunden, nachdem 1,25 ausgeschaltet
wurden. Die Belastung betrug 6 . Trotz dieser äusserst geringen Entlastung
fand dennoch eine Erhöhung der Tourenzahl von 330 auf 365, also ein Unterschied von
35 Touren in der Minute statt. Die Geschwindigkeit nahm dann langsam wieder einen
kleineren Werth an und erreichte nach etwa 9 Secunden annähernd die ursprünglichen
330 Touren.
Bei einem Versuche ohne Bremsregulator und analogen Kraftschwankungen wie im
vorhergehenden Falle bewegten sich die Geschwindigkeiten innerhalb ähnlicher
Grenzen, nur verliefen sie etwas allmählicher bezieh. brauchten mehr Zeit als im
vorigen Falle. Ein Unterschied von bedeutendem praktischen Werthe ist aber hierin
nicht erkennbar.
Freytag.