Titel: | Kraftmaschinen.Ueber die Kesselfrage bei Elektricitätswerken. |
Fundstelle: | Band 309, Jahrgang 1898, S. 23 |
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Kraftmaschinen.Ueber die Kesselfrage bei
Elektricitätswerken.
Mit Abbildung.
Ueber die Kesselfrage bei Elektricitätswerken.
Wie aus einer Zusammenstellung der Stat. Corr.
hervorgeht, ist die Verwendung der Dampfkraft für die Zwecke des elektrischen
Betriebes sowohl nach Anzahl als nach Grösse der Pferdekraft der Dampfmaschinen in
stetig steigendem Wachsthum begriffen. Die Gesammtzahl der Dampfmaschinen, welche in
Preussen zur Entwickelung von elektrischer Energie Verwendung finden, ist hiernach
in den letzten 6 Jahren auf das Dreifache der Zahl nach, und ihrer
Leistungsfähigkeit nach auf das Vierfache gestiegen.
Es ist hieraus ersichtlich, welch bedeutendes Interesse die Elektrotechnik an der
Verbesserung und dem Fortschritte der Dampfmotoren hat.
Von der angeführten Thatsache ausgehend, hielt F. Boss
über die Kesselfrage der Elektricitätswerke gelegentlich der Jahresversammlung des
Verbandes deutscher Elektrotechniker in Eisenach einen klärenden Vortrag (nach Elektrotechn. Zeitschr., 1897 Heft 39; Zeitschrift des Verbandes der
Kessel-Ueberwachungs-Vereine vorn 1. Januar 1898). Nachdem er auf die
grosse Wichtigkeit der Ersparnisse auf diesem Gebiete aufmerksam gemacht hatte –
gibt es doch schon Betriebe, deren jährlicher Kohlenverbrauch den Werth von 100000
M. erreicht –, sprach er die Meinung aus, dass auf dem Gebiete des Dynamobaues eine
Steigerung des Nutzeffectes wohl kaum erwartet werden dürfe. Dies sei aber wohl zu
hoffen bei den Dampfmaschinen; insbesondere sei der Dampfkessel bisher
stiefmütterlich behandelt worden. – Wichtig sei insbesondere die Frage der
Trockenheit des Dampfes, aber gerade diese Frage werde gar zu oft oberflächlich
behandelt, obwohl sie für den Elektrotechniker von hervorragender Wichtigkeit sei
und eine sorgfältige Beachtung verdiene, die der Vortragende anzuregen beabsichtigt.
Er führte Folgendes aus, wobei allerdings manches Bekannte berührt werden
musste.
Die Verluste im Kessel setzen sich hauptsächlich aus drei Factoren zusammen:
a) Verluste durch unvollkommene Verbrennung,
b) Verluste durch Wärmeabgabe nach aussen,
c) Verluste im Schornsteine.
Wegen des wechselnden Heizwerthes der Kohle schwankt die zulässige Kohlenmenge
für 1 qm Rostfläche und Stunde zwischen 80 und 250 k. Es ist Sache des
Heizungstechnikers, die einschlägigen günstigsten Zahlen zu ermitteln und dem
Aufsichtsbeamten bezieh. dem Heizer anzugeben. Eine sehr gute Controle des Heizers
bilden die jetzt häufig verwendeten Apparate zur stetigen Kohlensäureanalyse der
Essengase, die wohl nur durch den Betriebsleiter (nicht durch den Heizer) geschehen
sollte. Es sind Fälle bekannt, in welchen durch eine regelmässige Controle mittels
des Kohlensäureanzeigers eine erhebliche Ersparniss erzielt wurde.
Der unter b) angeführte Verlust fällt weniger ins Gewicht; er kommt am meisten bei
einzeln stehenden Kesseln vor, besonders bei Wasserrohrkesseln, bei denen das
Nachdringen von Luft durch das seitliche Mauerwerk schwer zu verhüten ist. Es ist
deshalb letzteres möglichst sorgfältig und mit nicht rissig werdenden, die Wärme
wenig leitenden Stoffen auszuführen. Bei Elektricitätswerken wird dieser Verlust
selten 2 bis 5 Proc. übersteigen.
Bei weitem der grösste Verlust ist der unter c) aufgeführte, der nicht vermieden
werden kann. Ja eine wesentlich höhere Temperatur der Essengase ist gegenüber der
Aussenluft erforderlich, um das zu bewältigende Gasquantum durch den Schornstein
emportreiben zu können. Der Schornsteinverlust wird im Allgemeinen natürlich um so
geringer sein, je niedriger einerseits die Temperatur der Essengase gehalten, und
mit je geringerem Luftüberschuss andererseits gearbeitet wird. Nun sehen wir wohl,
dass sogen. Kunstheizer bei Dampfkesselerprobungen unter Umständen mit einem
minimalen Luftüberschuss arbeiten. Es besitzt z.B. eine der bekannten Kesselfirmen
derartige Heizer, welche es fertig bringen, mit nur 25 Proc. Ueberschuss über das
theoretisch erforderliche Luftquantum eine gute Verbrennung zu erzielen. Mit
derartigen Leuten kann man aber natürlich in der Praxis nicht rechnen, und wird
demnach in der Mehrzahl der Fälle ein Verbrauch des 1 ½- bis 2½fachen der
theoretischen Luftmenge angenommen werden müssen. Wie gross unter diesen Umständen
der Schornsteinverlust wird, zeigt folgende Tabelle, bei welcher eine gute
westfälische Kohle mit etwa 7500 Calorien zu Grunde gelegt wurde.
Temperatur der Essengase.
Luftver-brauch inVielfachender
theore-tischenMenge
200° Verlust
300° Verlust
400° Verlust
inCalorien
in Proc.der Ge-sammt-wärme
inCalorien
in Proc.der Ge-sammt-wärme
inCalorien
in Proc.der Ge-sammt-wärme
1½fach
774
10,3
1161
15,5
1548
20,6
2fach
1088
14,5
1632
21,7
2176
29,0
2½fach
1359
18,1
2038
27,1
2718
37,0
Es geht aus dieser Tabelle hervor, dass der Schornsteinverlust eine ganz erhebliche
Grösse hat, und wird solcher in der Praxis in den meisten Fällen 20 Proc.
übersteigen. Es soll später gezeigt werden, ob und inwieweit es möglich ist, den
Schornsteinverlust zu ermässigen.
Es wird sich jetzt darum handeln, zu untersuchen, in welcher Weise wir die
Verbrennungsproducte am vortheilhaftesten im Kessel
ausnutzen können; hier müssen wir wieder zwei Hauptgruppen der Ausnutzung
unterscheiden, nämlich:
a) durch Strahlung,
b) durch Berührung.
Versuche haben gezeigt, dass die Uebertragung der Wärme durch Strahlung
ausserordentlich viel rascher vor sich geht, als durch Berührung. Beispielsweise
wird bei einem Temperaturunterschiede von 700° eine gegebene Fläche durch Strahlung
etwa 100mal so viel Wärme in der Zeiteinheit aufnehmen, als durch Berührung. Weiter
wird im Allgemeinen die Wärmeübertragung um so rascher vor sich gehen, je grösser
die auftretenden Temperaturunterschiede sind. Es weist dies darauf hin, dass wir
bestrebt sein sollen, eine möglichst hohe Temperatur der Verbrennungsproducte zu
erzielen, und dass wir, wenn wir eine möglichst grosse Leistung der Flächeneinheit
erreichen wollen, die direct für Strahlung in Frage kommende Heizfläche möglichst
gross halten müssen.
Diese Betrachtung führt zu der Schlussfolgerung, dass, wenn es sich um möglichst
grosse quantitative Leistungen handelt, eine Vorfeuerung unter allen Umständen
hinter der directen Feuerung zurückbleiben muss.
Was die Uebertragung der Wärme durch das Kesselblech in das Kesselwasser anbelangt,
so ist im Allgemeinen festzuhalten, dass man praktisch bei in entsprechender
Bewegung befindlichen Wassermengen nahezu unbegrenzte Wärmemengen für die
Flächeneinheit übertragen kann, während dies bei ruhendem Wasser nicht der Fall ist,
und gelangen wir namentlich, wenn an Stelle von Wasser eine Dampfschicht tritt, sehr
bald zu einer Grenze der Uebertragungsfähigkeit. Es treten dann die bekannten
Erscheinungen des Glühendwerdens der Bleche ein.
Ein lehrreicher Versuch über den Einfluss der Wassergeschwindigkeit auf die
Wärmeaufnahmefähigkeit wurde von Hagenbach angestellt.
Dieser ermittelte für die Flächeneinheit von 1 qm folgende Werthe:
Temperatur° C.
Geschwindigkeitm/Sec.
Uebertragene Wärme-menge Cal./Min.
50
0,1
460
0,9
2300
1,5
3650
90
0,1
1200
0,9
4300
Aus dieser Tabelle geht hervor, dass, um beispielsweise 2400 Calorien zu übertragen,
bei einer Wassergeschwindigkeit von 1 m schon ein Temperaturunterschied von 50°
genügt, während bei einer Wassergeschwindigkeit von 0,3 m hierfür ein
Temperaturunterschied von 90 Proc. erforderlich ist. Diese Versuche weisen uns
gebieterisch darauf hin, dem zu verdampfenden Wasser eine erhebliche Geschwindigkeit
zu ertheilen.
Abgesehen von der durch Hagenbach ermittelten rascheren
Wärmeübertragung, erreichen wir damit weiter, dass das Anhaften von Dampfblasen am
Kesselblech vermieden wird, und damit zugleich die mangelhafte Wärmeübertragung an
den Dampf.
Aus den Versuchen von Hagenbach geht hervor, dass unter
der Voraussetzung einer genügenden Wassergeschwindigkeit wir einen Grenzwerth für
die Wärmeübertragungsfähigkeit nicht erreichen. Wir könnten danach schon bei einem
Temperaturunterschiede von nur 50° theoretisch eine Wärmemenge für 1 qm Heizfläche
übertragen, welche einer Erzeugung von über 300 k Dampf für die Stunde
entspricht.
Es ergibt sich aber auch aus dem Vorhergehenden, dass für die beliebte
Erfahrungsrechnung, wonach, um eine entsprechende Abkühlung der Verbrennungsgase zu
erzielen, für 1 qm Rostfläche das 40- oder 50fache an Heizfläche vorhanden sein
muss, keine theoretische Begründung vorliegt. Je mehr Wärme wir direct über den Rost
durch Strahlung abgeben, je gleichmässiger und mit um so grösserer Geschwindigkeit
sich das Wasser längs den von den Heizgasen berührten Flächen bewegt, um so kleiner
kann der Weg sein, den die Verbrennungsproducte bis zur Erreichung einer
angemessenen Endtemperatur zurückzulegen brauchen.
Hier muss noch bemerkt werden, dass bei sinkender Differenz zwischen der Temperatur
der Heizgase und jener des Kesselwassers die Wärmeübertragung durch das Blech
rascher abnimmt, als der Temperaturunterschied. Wollen wir somit im Kessel selbst
die Essengase auf eine sehr niedrige Temperatur bringen, so brauchen wir sehr grosso
Heizflächen, die theuer zu stehen kommen, und naturgemäss eine geringe quantitative
Leistung, bezogen auf die Gesammtheizfläche des Kessels, ergeben.
Als Grenzwerth der zweckmässigen Ausnutzung der Verbrennungsproducte im Kessel selbst
dürften wir wohl einen Temperaturunterschied von etwa 90° bezeichnen. Hiernach
ergibt sich bei einem Kessel von 10 at Druck eine Temperatur der Essengase von 270
bis 280°, oder, entsprechend der angeführten Tabelle, bei einem Luftverbrauche von
etwa dem 2fachen der theoretischen Luftmenge ein Schornsteinverlust von etwa 20
Proc.
Wir sehen hieraus, dass wir auch schon aus diesem Grunde bei einer
zweckentsprechenden Ausnutzung der Gase im Kessel einen erheblichen
Schornsteinverlust mit in den Kauf nehmen müssen.
Wir wollen jetzt untersuchen, inwieweit bei den in Frage kommenden Kesselsystemen die
vorstehend niedergelegten Bedingungen erfüllt sind.
Es können hierbei im Wesentlichen nur drei Systeme in Frage kommen und zwar: die
reinen Flammrohrkessel, die combinirten Flammrohrröhrenkessel (Tischbein-Kessel) und
die Wasserrohrkessel.
Aus dem Vorhergesagten geht hervor, dass, was die Wärmeübertragung durch Strahlung
anbelangt, die Flammrohrkessel den ersten Rang einnehmen müssen, da hier der Rost
ganz von mit Wasser bespültem Blech umgeben ist, und es mit Rücksicht auf die Art
der Zugführung möglich ist, den Rost möglichst nahe an das Kesselblech zu bringen.
Thatsächlich wird auch bei derartigen Kesseln etwa 70 Proc. der gesammten Dampfmenge
direct oberhalb des Rostes am Flammrohr erzeugt.
Wasserrohrkessel sind bezüglich der Ausnutzung der strahlenden Wärme nicht so
günstig, weil wir es ja immer mit nicht Wasser führenden Seitenwänden zu thun haben,
weiter aber auch, weil wir bei den gewöhnlichen Wasserrohrkesseln, wenn wir nicht
eine unvollkommene Verbrennung haben wollen, mit dem Rost nicht zu nahe an die
untere Rohrreihe herankommen dürfen. Auch bezüglich der Ausnutzung der Gase durch
Berührung ist der Flammrohrkessel an und für sich günstiger, weil bei diesem die
Bewegung der Gase naturgemäss längs der Kesselbleche erfolgt, während wir bei
unseren Wasserrohrkesseln meistens die Gase senkrecht zu den Heizflächen führen.
Was die Möglichkeit einer Steigerung der Leistung der Kessel anbelangt, so ist
es einleuchtend, dass diesbezüglich bei Flammrohrkesseln enge Grenzen gezogen sind.
Der geringe zulässige Durchmesser des Flammrohres und die mit Rücksicht auf die
Bedienung ebenfalls etwas geringere Länge des Rostes, endlich der über der
Feuerbrücke zur Verfügung stehende beschränkte Raum für die Verbrennungsproducte
gestatten uns nur die Verbrennung einer verhältnissmässig geringen Menge Kohle.
Bei combinirten Kesseln liegen bezüglich einer grossen quantitativen Leistung die
Verhältnisse noch ungünstiger. Der Oberkessel dient hier im Wesentlichen zur
Vorwärmung des Wassers, da etwa 80 Proc. der gesammten Dampfproduction auf den
Unterkessel entfallen, und gestatten die geringen Querschnitte der Rohre im
Oberkessel auch nicht die Bewegung der bei gesteigertem Betriebe erzeugten grossen
Gasmengen. Es muss somit die quantitative Leistung derartiger Kessel immer in
verhältnissmässig kleinen Grenzen sich bewegen.
Bezüglich der Bewegung des Wassers ist bei einem Flammrohrkessel eine Veranlassung
zur Circulation unterhalb des Rostes nicht vorhanden. Die Fortpflanzung der Wärme an
diese ruhende Schicht wird nur durch die geringe Bewegung, welche das zugeführte
Speisewasser in der grossen Wassermasse hervorruft, und durch Berührung ermöglicht.
Da nun das Wasser die Wärme schlecht leitet, so treten bei derartigen Kesseln ganz
erhebliche Temperaturdifferenzen zwischen dem Wasser oberhalb des Flammrohres und
unterhalb desselben auf.
Sehr eingehende Versuche sind diesbezüglich von Fletcher
angestellt; derselbe fand, dass bei einem Flammrohrkessel, der mit Wasser von 25°
gefüllt war, 100 Minuten nach dem Anfeuern die Temperatur des Wassers oberhalb des
Flammrohres 145°, unterhalb desselben 47° betrug. Bei Cornwall- und Galloway-Kesseln
verstreichen 3 bis 4 Stunden nach dem Anheizen, bevor die Temperatur des
Speisewassers unter dem Flammrohre 100° erreicht. Derartige Temperaturdifferenzen
führen natürlich zu ganz ausserordentlichen Materialspannungen, und ist es, um diese
zu vermeiden, nothwendig, Flammrohrkessel sehr vorsichtig anzuheizen; auch dann noch
treten, wie häufig beobachtet, beim Anheizen leicht Undichtigkeiten auf.
Es ist einleuchtend, dass dieser Umstand die Verwendung von Flammrohrkesseln bei
stark schwankenden Betrieben, wie solche bei Elektricitätswerken vorkommen,
ausschliesst. Es empfiehlt sich die Anwendung nur dort, wo es möglich ist, die
Kessel dauernd in Betrieb zu erhalten. Dies gilt auch in gleichem Umfange für die
Tischbein-Kessel.
Bei den Wasserrohrkesseln wird seitens der Constructeure die auftretende starke
Bewegung als ein Hauptvorzug dieser Systeme bezeichnet. Man stützt sich dabei auf
eine von Babcock aufgestellte Theorie, wonach, wenn man
in einem ∪-Rohr den einen aufsteigenden Zweig erwärmt,
sich in diesem ein Gemenge von Wasser und Dampf bilden soll, welches leichter ist
als das Wasser, womit der andere Zweig der ∪-Röhre
gefüllt ist, und durch die Gewichtsdifferenz eine entsprechende lebhafte Bewegung
des Wassers hervorgebracht wird. Die sämmtlichen Wasserrohrkessel beruhen im
Wesentlichen auf der Form einer verlängerten ∪-Röhre.
Nach der Theorie von Babcock würde die Bewegung in
einer derartigen Röhre dann ein Maximum erreichen, wenn in dem einen aufsteigenden
Zweige ein Gemenge von gleichen Theilen Wasser und Dampf enthalten ist. Diese
Theorie ist falsch, wie in The Engineer nachgewiesen
ist. Wenn in einer derartig erwärmten Röhre sich in einem Zweige Dampfblasen bilden,
so ist der Druck, welchen die Säule C auf den Boden der
Röhre o ausübt, genau so gross wie der Druck der Säule
D. Es ist somit kein Grund vorhanden, dass irgend
eine Circulation eintritt. Anders ist es, wenn der eine Zweig der Röhre vollständig
durch die aufsteigenden Dampfblasen gefüllt wird. In diesem Falle ist das Gewicht
der Säule C ein kleineres als das der Wassersäule D und wird die gewünschte Circulation eintreten. Diese
Erscheinung tritt jedoch nur in Röhren von genügend engem Querschnitt auf.
Es folgt daraus, dass man die bei Wasserrohrkesseln angestrebte Circulation nur dann
erreichen wird, wenn man die Wasserkammern oder Verbindungsrohre bei Babcock- und
anderen Kesseln genügend eng hält. Nur in diesem Falle wird der Dampf den ganzen
Raum ausfüllen und eine Circulation in dem gewünschten Sinne eintreten. In allen
anderen Fällen wird neben den aufsteigenden Dampfblasen die Wassersäule auf beiden
Seiten der Röhre niedersinken und ebenso auch der Dampf an beiden Enden entweichen.
Es ist einleuchtend, dass man, um auf diese Weise eine Circulation zu erreichen, zu
fehlerhaften Constructionen kommt. Hält man die Querschnitte der Wasserkammern so
eng, dass das gewünschte Resultat eintritt, so erreicht man eine Form der
Circulation, wo naturgemäss erhebliche Mengen Wasser durch den Dampf mitgerissen
werden müssen. Bei etwas stärkerer Beanspruchung der Kessel erfolgt auch eine
Entleerung des Wassers, namentlich aus der untersten Rohrreihe, und kann man diese
bei lebhafter Anfachung des Feuers direct durch das Steigen des Wassers im
Wasserstandsglase sehen. Man bemerkt auch, dass beim Oeffnen der Feuerthüren der
Wasserstand sinkt, indem das Wasser wieder in die Röhren zurückströmt; ebenso
bemerkt man ein Sinken des Wasserstandes aus demselben Grunde bei der Speisung des
Kessels. Dass bei dem Auftreten derartiger Erscheinungen nicht häufiger ein Krümmen
und Reissen der unteren Rohrreihe auftritt, ist dem Umstande zuzuschreiben, dass die
verwendeten Röhren auch noch beim Rothglühen stark genug sind, um den Kesseldruck
auszuhalten.
Die Angaben der Fabrikanten von Wasserrohrkesseln sind in der letzten Zeit immer
gestiegen, und es werden 20 und mehr Kilogramm Dampfproduction für 1 qm und Stunde
genannt. Dass derartige Angaben bisher nicht auf Widerspruch gestossen sind, ist dem
Umstande zuzuschreiben, dass der Frage der Dampftrockenheit lange nicht jene
Aufmerksamkeit geschenkt wird, welche dieselbe verdient. Würde bei einer Uebernahme
ohne Berücksichtigung der Nässe ein Nutzeffect von 70 Proc. nachgewiesen, so wäre
bei 10 Proc. Wassergehalt der Nutzeffect nur 64,8 Proc. da man zur Erwärmung des
Speisewassers bei 8 at Druck nur 170 Calorien braucht, während man zur Gewinnung von
1 k Dampf 658 Calorien aufwenden muss.
Es ist nun nicht leicht, die Dampfnässe zu bestimmen. Die chemische Methode, durch
Hinzufügen von Salzen in das Speisewasser und Analyse des condensirten Dampfes,
lässt in den meisten Fällen im Stich. Man begnügt sich in der Regel damit, nach dem
Aussehen des Dampfes die Qualität desselben zu beurtheilen. Einwandfreie Resultate
erhält man nur in der Weise, dass man eine Maschine gleichmässig belastet und den
erforderlichen Dampf einmal weniger beanspruchten, das andere Mal stärker
beanspruchten Kesseln entnimmt und in beiden Fällen die ganze zugeführte
Speisewassermenge abwiegt. Bei einer Anzahl diesbezüglich ausgeführter Versuche
zeigte sich, dass bei Grosswasserraumkesseln die stärkere Beanspruchung die Qualität
des Dampfes nicht in erheblichem Maasse beeinflusst. Ganz anders liegen die
Verhältnisse beim Wasserrohrkessel; hier wird bei etwas stärkerer Beanspruchung der
Dampf sofort feucht, und steigt dann der Dampfverbrauch, bezogen auf die geleistete
Arbeit, ganz erheblich. Gelegentlich der Untersuchung einer grösseren Kesselanlage
eines Elektricitätswerkes wurde folgendes Verfahren eingeschlagen. Es wurde 4mal 24
Stunden stündlich das dem Kessel zugeführte Speisewasser gemessen, ebenso die
geleistete Arbeit. Aus den erhaltenen Zahlen wurden die Werthe herausgenommen, bei
welchen die gleiche Anzahl Dynamo- und Hilfsmaschinen in Betrieb war. Trägt man für
jede einzelne Beobachtung den wirklichen Speisewasser verbrauch für die
Kilo-Watt-Stunde als eine Function der Beanspruchung der Kessel auf, so ist
einleuchtend, dass eine derartige Untersuchung nicht absolut richtige Werthe ergeben
kann, doch sicher vergleichbare Zahlen, und ein Blick auf das Diagramm zeigt, dass
je einer stärkeren Beanspruchung der Kessel ein bedeutend grösserer Dampf verbrauch
folgt.
Bei Elektricitätswerken, welche über grössere Accumulatorenbatterien verfügen, lassen
sich solche Versuche in einfacher Weise anstellen, und es ist sehr wünschenswerth,
dass solche von möglichst vielen Seiten vorgenommen werden.
Bei einem Versuche zwischen einem Grosswasserraumkessel und einem Wasserrohrkessel,
wobei letzterer nur mit 8 k beansprucht war, wurde ein und dieselbe Dampfmaschine
mit gleichmässiger Belastung getrieben und ergab sich dabei ein Mehrverbrauch an
Speisewasser zu Ungunsten des Wasserrohrkessels von 10 Proc.
Das angestrebte Ziel, trockenen Dampf zu erhalten, wird nur dann zu erreichen sein,
wenn man bei den hauptsächlich in Frage kommenden Wasserrohrkesseln an Stelle der
unzuverlässigen natürlichen Circulation eine zwanglose Wasserbewegung einleitet;
dies lässt sich mit der Dubiau'schen Rohrpumpe
erreichen. Es sind bereits mehrere Anlagen mit dieser Pumpe ausgeführt, welche die
gute Wirkung derselben bestätigen.
Es war nun von Wichtigkeit, nachzuweisen, ob bei mit Dubiau-Circulation ausgeführten
Kesseln bei stärkerer Beanspruchung der Dampf nicht ebenfalls schlechter wird. Um
dies nachzuweisen, wurden bei der Société d'Éclairage
Électrique de Bordeaux Versuche in folgender Weise angestellt. Eine
elektrisch constant belastete Dampfmaschine wurde einmal von einem, das andere Mal
von zwei Dampfkesseln betrieben, welche beide mit Rohrpumpen versehen waren. Im
ersten Falle war die Beanspruchung der Kessel für 1 qm Heizfläche und Stunde 27,3 k,
im zweiten Falle 14,2 k, während die verbrauchte Speisewassermenge für 1 Kilo-Watt
im ersten Falle 26 k, im zweiten Falle27,5 k betrug. Es war somit sogar bei dem stark
beanspruchten Kessel der Wasserverbrauch in Folge eines etwas höheren Dampfdruckes
und eines besseren Vacuums etwas geringer als im zweiten Falle. Jedenfalls zeigt der
Versuch, dass eine Verschlechterung der Qualität des Dampfes auch bei stärkerem
Betriebe nicht eingetreten ist.
Bei den Dubiau-Grosswasserraumkesseln hat die zwangsweise Wasserbewegung den
wesentlichen Vortheil, dass der Temperaturausgleich zwischen dem Wasser unterhalb
des Rostes und oberhalb desselben in kürzester Zeit erfolgt. Es ist somit möglich,
nach Einbau des Circulationsapparates derartige Kessel viel rascher anzuheizen, und
damit die diesem Systeme, wie oben ausgeführt, für die Verwendung in
Elektricitätswerken anhaftenden Uebelstände zu vermeiden.
Wir wollen jetzt versuchen, zu ermitteln, wie eigentlich eine ideale Kesselanlage für
ein Elektricitätswerk mit stark schwankender Belastung aussehen muss. Hierbei wird
zunächst die Platzfrage eine erhebliche Rolle spielen.
Unter der Voraussetzung einer guten westfälischen Kohle können wir bei Kesseln mit
Innenfeuerung auf keine grössere normale Leistung als etwa 600 k Dampf für 1 m
Kesselbreite rechnen, während sich bei Kesseln mit Unterfeuerung diese Zahl auf rund
1200 k erhöht.
Sind wir nun in der Längsrichtung des Kesselhauses im Raum beschränkt, so müssen wir,
wenn es sich um die Unterbringung einer gegebenen maschinellen Leistung handelt, in
manchen Fällen von vornherein auf die Verwendung von Kesseln mit Innenfeuerung
verzichten. Wir müssen weiter anstreben, dass die verwendeten Kessel eine Forcirung
der Leistung zulassen, auch wenn dabei der Nutzeffect sinken sollte, vorausgesetzt
natürlich, dass bei derartig forcirtem Betriebe die Qualität des Dampfes nicht
leidet.
Um uns darüber Rechenschaft zu geben, inwieweit der Nutzeffect der Kesselanlage bei
forcirtem Betriebe sinken kann, ohne das gesammte Betriebsergebniss zu beeinflussen,
müssen wir uns zunächst ein Jahresdiagramm des in Frage kommenden
Elektricitätswerkes herstellen. Ein solches Jahresdiagramm erhält man, wenn
beispielsweise aus jedem Monat drei mittlere Betriebsdiagramme genommen und die für
die verschiedene Belastung der Anlage sich danach ergebenden Werthe, in diesem Falle
z.B. mit 10, multiplicirt werden. Wir finden dann, wie sich die ganze Jahresleistung
proportional auf die verschiedenen Phasen der Belastung vertheilt. Ein solches
Diagramm ist in nebenstehender Figur dargestellt, welches die Jahresleistung eines
grossen Elektricitätswerkes darstellt. Wir finden dabei, dass die oberhalb der
punktirten Linie ab liegende Fläche in unserem
Falle nur etwa 5 Proc. der Jahresleistung entspricht, während andererseits, bezogen
auf die maximale Leistung der Anlage, das absolute Maximum um 33 ½ Proc. höher
liegt, wie die Linie ab.
Wir können nun für deutsche Verhältnisse annehmen, dass eine Kesselanlage für 1000 k
Dampf in der Stunde incl. Einmauerung, Rohrleitungen, dem erforderlichen Bauplatz
und den baulichen Herstellungen rund 9000 M. kostet. Wird, wie üblich, bei der
Kesselanlage mit einer 10procentigen Abschreibung und 4 Proc. Zinsen gerechnet, so
entfallen hiernach für 1000 k Dampf. 1260 M. auf 1 Jahr für Verzinsung und
Amortisation. In dem Falle, welchen das Diagramm wiedergibt, war nun die Anlage
überhaupt nur an 780 Stunden im Jahr über 1800 Kilo-Watt belastet. Wird diese
Zahl zu Grunde gelegt, so entfallen hiernach für Verzinsung und Amortisation der
Kesselanlage, welche für diesen Theil des Betriebes erforderlich ist, in der Stunde
1,60 M., andererseits würden zur Herstellung von 1000 k Dampf bei mittleren
Verhältnissen 125 k Kohle nothwendig sein, welche zum mässigen Preise von 15 M. für
1 t 1,87 M. kosten würden. Es geht hieraus hervor, dass bei derartig kurzer
Betriebsdauer die Amortisationsquote gegenüber dem Aufwand an Kohlen eine ganz
erhebliche Rolle spielt. Wären wir somit in der Lage, in unseren Elektricitätswerken
Kessel anzuwenden, welche für eine kurze Zeit, von 2 bis 3 Stunden, eine ganz
erhebliche Steigerung der Leistung zulassen, so würde für diese Zeit die Frage des
Nutzeffectes gar keine Rolle spielen, und könnte derselbe um 10 bis 20 Proc. sinken,
ohne dass dies von irgend erheblichem Einflusse auf die Betriebsergebnisse wäre. Wir
können hiernach als Grundsatz aufstellen, dass für unsere Zwecke jener Kessel der
beste ist, welcher eine derartige Forcirung gestattet.
Textabbildung Bd. 309, S. 27
Eine ähnliche Rechnung müssen wir anstellen, wenn wir ermitteln wollen, inwieweit wir
den früher nachgewiesenen Schornsteinverlust verringern können. Dies kann geschehen,
wenn wir einen Economizer einbauen, welcher es uns ermöglicht, das Speisewasser auf
etwa 100° zu erwärmen. Gegenüber jener Temperatur, mit welcher wir das Speisewasser
vom Condensator erhalten, d.h. 35 bis 40°, würde eine derartige Erwärmung eine
Ersparniss von rund 10 Proc. des Kohlenconsums ergeben.
Es zeigt uns aber die Rechnung, dass wir gar kein Interesse daran haben, einen
Economizer für den Maximalbetrieb ausreichend herzustellen, sondern die Grösse des
Economizers der mittleren Leistung des Werkes anpassen müssen. Dabei kommen wir nun
auf die Schwierigkeit, dass unter Umständen, wenn wir nicht abnorme
Schornsteinverhältnisse wählen wollen, der Zug für die auf etwa 150° abgekühlten
Essengase nicht mehr ausreicht. Insolchem Falle können wir vortheilhaft hinter dem
Economizer einen saugenden Ventilator einbauen, der die erforderliche Druckdifferenz
herstellt. Die Rechnung ergibt, dass für den Betrieb eines derartigen Ventilators
nur ein geringer Procentsatz des sonst durch die hohe Temperatur der Essengase
bedingten Schornsteinverlustes erforderlich ist. Gestattet die örtliche Lage des
Elektricitätswerkes dies und handelt es sich um einen einigermaassen regelmässigen
Betrieb, wie z.B. bei Strassenbahnen, so können wir unter Umständen auf den
Schornsteinzug ganz verzichten und solchen nur durch den Ventilator hervorrufen.
Derartige Anlagen sind schon verschiedentlich mit dem besten ökonomischen Resultat
ausgeführt.
Es führen uns aber unsere Betrachtungen auch dazu, in Erwägung zu ziehen, ob und
inwieweit wir etwa ein Interesse daran haben, zur Unterstützung während der Zeit des
Maximalbetriebes Wärmereservoire anzulegen. Wie gezeigt, wäre es unökonomisch, für
die Zeit des starken Betriebes Speisewasservorwärmer aufzustellen; wir müssen also
damit rechnen, dass wir es dann wieder mit Speisewasser von nur etwa 40° zu thun
haben. Würden wir aber die für die Zeit des Maximalbetriebes erforderliche
Wassermenge in einem, jedem Kessel beizugebenden Reservoir aufspeichern, und
dieselbe vor Eintritt der Zeit des starken Betriebes mit directem Dampf auf die
Temperatur des Kesselwassers bringen, so würden wir während der Zeit des Maximum
dann Speisewasser von etwa 170° zur Verfügung haben, was einer Entlastung unserer
Kessel um etwa 20 Proc. entspricht, d.h. ein derartiger Kessel könnte während dieser
Zeit ohne weiteres uns um etwa 20 Proc. mehr Dampf liefern. Führen wir die Rechnung
wieder für 1000 k Dampf durch, so müssten wir, da der Maximalbetrieb etwa 2 ½
Stunden dauert, für einen Wasservorrath von 2500 bis 3000 k sorgen. Ein hierfür
ausreichendes Reservoir wird uns im montirten Zustande etwa 700 M. kosten, während
die Ersparniss an Kesselheizfläche 20 Proc. von 9000 M., d.h. 1800 M. betragen
würde. Es zeigt somit diese Rechnung, dass wir thatsächlich unter gewissen
Voraussetzungen ein Interesse daran haben, derartige Wärmereservoire an unseren
Kesseln anzubringen, und es gilt dies namentlich von jenen Fällen, wo die verfügbare
Fläche für die Kesselanlage gering ist, d.h. bei unseren Centralen im Inneren der
Städte. Wir müssen dabei weiter berücksichtigen, dass wir durch die Anbringung von
Wärmereservoiren auch unser Personal erheblich entlasten, da wir ja dann
thatsächlich während der Zeit des Maximalbetriebes auch um etwa 20 Proc. weniger
Kohle zu feuern haben.
Unter Berücksichtigung aller einzelnen, für den elektrischen Betrieb maassgebenden
Factoren gelangt Ross zu folgenden
Schlussfolgerungen:
Wo es die Raumverhältnisse gestatten, sowie bei möglichst constanter Belastung, ist
der Innenfeuerungskessel dem Unterfeuerungskessel vorzuziehen.
Alle Kessel sollen so gebaut sein, dass das Wasser sich namentlich oberhalb des
Rostes mit genügender Geschwindigkeit bewegt.
Das Kesselsystem muss eine womöglich 50procentige Forcirung zulassen, wobei der
Nutzeffect erheblich sinken darf.
Unter allen Umständen, auch bei stärkster Beanspruchung der Kessel, müssen
dieselben absolut trockenen Dampf liefern.
Die Verwendung von Economizern empfiehlt sich nur in jenem Umfange, welcher der
mittleren Belastung der Anlage entspricht.
Bei stark schwankenden Betrieben und namentlich hohem Terrainwerth gestattet die
Verwendung von Wärmereservoiren für die Zeit des Maximalbetriebes eine erhebliche
Ersparniss an Kesselheizfläche.