Titel: | Druckereimaschinen.Entwickelung der Setzmaschine. |
Fundstelle: | Band 309, Jahrgang 1898, S. 66 |
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Druckereimaschinen.Entwickelung der
Setzmaschine.
Entwickelung der Setzmaschine.
Aus einem Vortrage Otto Wollermann's, gehalten in der
Versammlung der Berliner Typographischen Gesellschaft, geben wir nach der Papierzeitung einige bemerkenswerthe Angaben wieder. Im
J. 1815 wurde von einem Engländer Namens Foster der
erste Versuch gemacht, das Setzen auf maschinellem Wege zu bewerkstelligen. Der
Versuch missglückte, wie viele spätere Setzmaschinenerfindungen, deren bis jetzt
fast 200 bekannt geworden sind. Meist waren diese Erfinder nicht genügend
unterrichtet über die Anforderungen, welche man an eine brauchbare Setzmaschine
stellen muss. Sie glaubten, es genüge, wenn das Aneinanderreihen von Buchstaben mit
möglichster Beschleunigung vor sich gehe, bedachten aber nicht, dass die Thätigkeit
des Setzers nicht allein in dem Aufsetzen der Buchstaben besteht. Vielmehr sind beim
Satz erforderlich: Lesen des Manuscripts – eine geistige Thätigkeit, die von keiner
Maschine ersetzt werden kann –, Aneinanderreihen der Buchstaben, Ausschliessen und
flüchtiges Ueberlesen derselben, Ausheben des Satzes, Ausbinden, Corrigiren und nach
dem Drucke das Ablegen des Satzes.
Ablegen und Corrigiren nehmen von der 9stündigen Arbeitszeit eines Setzers etwa 2
Stunden in Anspruch; da die durchschnittliche Tagesleistung eines tüchtigen Setzers
10000 bis 15000 Buchstaben ausmacht, und man leicht in der Minute 60 Buchstaben an
einander reihen kann (ohne sie anzusehen und auszuschliessen), mithin 3600
Buchstaben in der Stunde, so würde das gedankenlose Aufsetzen von rund 12000
Buchstaben etwa 3⅓ Stunden in Anspruch nehmen, also nur etwa den dritten Theil der
Arbeitszeit; die übrige Zeit entfällt auf das mit geistiger Thätigkeit verbundene
Manuscriptlesen, Ausschliessen, Corrigiren und Ablegen. Demnach haben Setzmaschinen,
welche nur das Aufsetzen der Buchstaben bezwecken, wenig Aussicht auf Erfolg und
können erst dann von Nutzen sein, wenn sie auch das selbsthätige Ausschliessen und
Ablegen vorsehen, so dass dem Setzer nur das Manuscriptlesen und Anschlagen der
Tasten bleibt.
Die ersten Erfindungen konnten aus diesen Gründen zu keiner praktischen Verwerthung
gelangen. Der. Engländer Young war der erste, welcher
auch eine Ablegemaschine baute, doch ging damit das Ablegen so langsam, dass zu
einer Setzmaschine drei Ablegemaschinen gehörten. Eine ganze Reihe ergebnissloser
Versuche folgten diesem einen. Auch die Kastenbein-Maschine musste in Folge der
unzureichenden Ablegevorrichtung das Feldräumen. Der Däne Sörensen war der erste, welcher selbstthätiges Ablegen mittels besonderer
Unterscheidungs-Signaturen bewerkstelligte; seine Setzmaschine soll, bei drei Mann
Bedienung, 45000 Buchstaben im Tag geleistet haben; dass sie sich dessenungeachtet
nicht bewährte, ist vielleicht auf die damalige Unvollkommenheit des Baues von
Präcisionsmaschinen zurückzuführen. Seine Erfindung wurde später von dem Amerikaner
Joseph Thorne benutzt, und die Colt'sche Maschinenfabrik baute diese erste
leistungsfähige Maschine, gegen die vornehmlich die bei ihrem Gebrauche
unvermeidliche starke Abnutzung der Schrift spricht. Die vollkommenste derartige
Maschine ist wohl die „Kaiser“-Setzmaschine, die in Amerika gut eingeführt
ist; sie verdient den Vorzug durch die räumliche Trennung der Setz- von der
Ablegemaschine. Beide, die „Thorne“- und die „Kaiser“-Maschine haben
bisher noch keinen Ausschliessapparat, sondern erfordern hierzu menschliche Hilfe;
doch soll ein selbsthätiger Ausschliesser für beide im Bau sein. Zu erwähnen sind
hierbei noch Lagerman's „Typotheter“, Fischer und v. Langen's, Porter's, Johnson's, Hattersley's, Fraser's, Winder's, Wick's und Mac Millan's Maschinen, welche sich nur geringer
Verbreitung erfreuen. Neuerdings werden von Amerika wieder zwei neue derartige
Systeme avisirt, die „Dow“ und die „Cox“, welche mit
Ausschlussapparaten verbunden sind; erstere hat einen Registrirapparat, welcher die
Ausschliessungen selbsthätig berechnet und einfügt, die letztere fügt gewellte
Streifen eines Bleibandes als Ausschluss ein, die sich nach Abschluss der Zeile in
beliebiger Weise zusammendrücken lassen, um jeder Zeile die richtige Länge zu geben.
Die Müllendorff'sche Maschine (D. p. J. 1895 295 294), welche der Thorne
ähnelt, vermeidet das Zerbrechen der Buchstaben. Bis jetzt wurde nur ein Modell
dieser Maschine mit einem sehr sinnreichen selbsthätigen Ausschliess- und
Ablegeapparat gebaut, und sie scheint eine Zukunft zu haben.
Die erste amerikanische Setz- und Buchstabengiessmaschine ist die Westcott'sche, welche die Setzmaschine mit einer
Giessmaschine verband und zufriedenstellend arbeitete; sie war auf der Ausstellung
in Philadelphia 1876 zu besichtigen. Da dieselbe indessen nur 30 Buchstaben in der
Minute zu giessen vermochte und zwei Mann zur Bedienung brauchte, hat sie sich nicht
eingeführt. – Als eine sinnreiche Erfindung ist die des Amerikaners Paige zu bezeichnen; dieser Maschine opferte Mark Twain sein ganzes Vermögen und verlor es, weil die
Maschine mit ihrem verwickelten Mechanismus nicht zur Einführung gelangte. Bessere
Aussichten hatte Lanston's „Monotype“, doch hat
ihr hoher Preis ihre Einführung in Europa bisher verhindert. Dieselbe arbeitet unter
Verwendung eines perforirten Papierstreifens, auf welchen das Manuscript mit einer
Art von Schreibmaschine übertragen wird, und ermöglicht durch ihren sinnreichen
Mechanismus auch genaues Ausschliessen. – Andere Erfinder wollten die Schwierigkeit
des Giessens einzelner Buchstaben durch die Anwendung von Matrizen-Prägemaschinen
vermeiden, wie Brackeisberg, Hambruch, Hagemann, doch
lässt sich bei solcher Prägung keine genau gleiche Schrifthöhe erzielen, auch kann
man gleichmässig lange Zeilen nicht, oder nach der Erfindung eines Franzosen Namens
Flamm nur dadurch erzielen, dass man die letzten
Buchstaben der Zeile unverhältnissmässig aussperrt.
Die erste Matrizensetzmaschine wurde von dem Engländer Church 1823 erdacht. Wenn dieser auch keinen Erfolg hatte, so scheint er
doch den Erfindern der „Linotype“, des „Typograph“ und der
„Monoline“ die Wege gewiesen zu haben. Die Bauart dieser drei
Zeilengiessmaschinen wurde in der Fachpresse wiederholt beschrieben (D. p. J. 1895 296 * 183
u.s.f., 298 169 u.s.f.). Die Linotype kam 1886 in sehr
unvollkommenem Zustande auf den Markt; sie wurde von dem Erfinder Mergenthaler nach und nach wesentlich verbessert. Noch
1890 erklärte der englische Fachschriftsteller Southward, die Linotype habe ihre Probe nicht bestanden; heute aber sind
allein in Amerika 5000 Linotype-Maschinen in Betrieb. Der „Typograph“ ist von
Angestellten der Linotype Company bei Versuchen zur
Vereinfachung dieser Maschine erfunden worden. Durch das umfassende Patent, welches
diese Gesellschaft in Amerika für das Princip der Zeilengiessmaschine besitzt,
beherrscht sie dort das Geschäft und kauft Patente, denen gegenüber ein Rechtsstreit
von zweifelhaftem Erfolge zu sein scheint, auf, um den Wettbewerb zu beseitigen; so
kaufte sie das „Typograph“- und das „Tachytype“-Patent neuerdings an.
In Amerika kostet die Linotype etwa 12000 M., zu miethen ist sie für jährlich 2000
M. Die Alleinherrschaft der Linotype Company in Amerika
hat dort die Verbreitung der anderen Maschinen beschränkt.
Der „Typograph“ erstrebt das Ziel der Linotype mit geringeren Mitteln. Auch er
hat anfangs mit Unvollkommenheiten zu kämpfen gehabt. Heute steht es fest, dass er
sich nicht nur für Zeitungs-, sondern auch für Werksatz eignet. Seine einfache
Bauart, die dadurch ermöglichte leichte Handhabung und der niedrige Preis sichern
ihm eine gute Zukunft. Dagegen ist die „Monoline“ noch in der Entwickelung
begriffen; die Gedrängtheit ihres Baues, die grundsätzliche Vereinigung von zwölf
Matrizen auf einem Stabe, und die gleichmässige Herstellung der Matrizen selbst
bieten so viele Schwierigkeiten, dass es noch viel Arbeit kosten wird, ehe sich die
Monoline mit ihren Rivalinnen messen kann.
Der heutige Stand der Setzmaschinenfrage lässt sich in Folgendem zusammenfassen:
Matrizenprägemaschinen kann man als überwunden betrachten. Von den
Typensetzmaschinen erscheinen die „Thorne“, die „Kaiser“, die „Mac
Millan“, die „Dow“ und „Cox“ lebensfähig. Von den
Zeilengiessmaschinen haben die „Linotype“, der „Typograph“ und in
Zukunft vielleicht auch die „Monoline“ gute Aussichten. Aber alle Maschinen
sind in ihren Leistungen von der Geschicklichkeit des Operators abhängig, und daher
wird diejenige Maschine, welche die geringsten Anforderungen an den Bedienenden
stellt, die besten Erfolge haben. Die amerikanischen Leistungen an Setzmaschinen
sind nicht allein auf die grössere Geübtheit der dortigen Setzer zurückzuführen,
sondern zum Theil auch in der Sprache begründet. Die englische Sprache mit ihren
vielen kurzen Worten und wenigen Versalien gestattet schnelleres Lesen und
schnelleres Setzen.
Der Vortragende erwähnte noch den mehrfach aufgetauchten Gedanken der Druckerei ohne
Typen, d.h. des Umdruckes von mittels Schreibmaschinen hergestellten Manuscripten,
welche dann in Zink oder Aluminium geätzt und auf der Schnellpresse gedruckt werden
sollen. Für die Accidenzdruckerei würde der Accidenzsetzer zugleichZeichner werden, der seine
Schriften und Ornamente selbst schafft und gleich dem Lithographen auf die Platte
zeichnet. Damit würde der Untergang der eigentlichen Setzerei besiegelt sein und die
Lithographie Siegerin bleiben. Die in dieser Beziehung gemachten Versuche sind
indessen noch zu unvollkommen, als dass man sich darüber beunruhigen müsste.
Ueber die Setzmaschinen auf der Wiener Jubiläumsausstellung erfährt dieselbe Quelle,
dass ausser zwei Setzmaschinen Linotype und Monoline auch zwei Typograph-Maschinen
in voller Thätigkeit vorgeführt wurden, und zwar, waren nur die Typograph-Maschinen
am Ausstellungs-Eröffnungstage arbeitsfertig, während sowohl die Linotype als auch
die Monoline ihre Thätigkeit noch nicht beginnen konnten. Da erst später elektrische
Kraft und Leuchtgas geliefert wurden, konnten allerdings auch die
Typograph-Maschinen nicht vorher in Gang gesetzt werden.