Titel: | Seewesen.Schiffstreiber. |
Fundstelle: | Band 309, Jahrgang 1898, S. 122 |
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Seewesen.Schiffstreiber.
(Fortsetzung des Berichtes S. 81 d.
Bd.)
Mit Abbildungen.
Schiffstreiber.
II. Segel.
Dass man das altehrwürdige Segel, dessen Hilfe trotz anderer Triebmittel
unentbehrlich geblieben ist, in mancher Beziehung auszubilden getrachtet hat, um
seine Wirkung zu erhöhen, ist bei seiner ausgebreiteten Verwendung naheliegend,
wenngleich der in Schiffskreisen herrschende Conservatismus gerade da dem wirklichen
oder vermeintlichen Fortschritte hinderlich sich entgegen stemmen musste, wo die
ursprünglichste Form des Vorwärtstriebes herrschend ist.
Textabbildung Bd. 309, S. 121
Fig. 28.Vogt's Versteifung der Segel durch eingelegte Bäume.
Aus einem Stücke hergestellte Segel für Pfahlmasten hat Vogt in Kopenhagen dadurch zu verbessern gesucht, dass er die Segel durch
eingelegte Bäume versteift hat. Das Segel ist, seinen Ausführungen gemäss (Fig. 28), aus einem einzigen Stücke hergestellt,
dessen Vorliek der Länge des Mastes entspricht; eine Reihe von dünnen Bäumen b, welche im Schlitten s
sitzen, ist im Segel eingeschlossen, zu deren Nocken das Segel ausgeholt werden
kann, so dass die Kraft, welche dazu nöthig ist, das Segel stramm zu halten, auf
mehrere Bäume vertheilt wird, statt, wie bei gewöhnlichen Gaffelsegeln, nur auf
Gaffel und Baum allein. Eine solche Construction hindert auch das Segel daran, bei
schwachem Winde und Dünung zu schlagen. Da die Windgeschwindigkeit von der
Wasserfläche nach oben zu zunimmt, soll die Form des Segels nach oben abnehmen. Die
Höhe des Segels wird den Mast und die Breite desselben den Baum entlang gestreckt,
so dass ein Bauchen vermieden wird. Um das Segel an seinem Platze zu halten, so
dass das Vorliek nicht leewärts des Mastes fällt, sind an dessen Achterkante zwei
Schienen i (Fig. 29)
angebracht, zwischen denen die am Vorliek des Segels festgemachten Knöpfe k sich bewegen können. Statt zweier Schienen kann
natürlicher Weise auch eine Schiene angewendet werden, um welche Klammern
gewöhnlicher Art greifen. Segel dieser Construction werden nur in die Höhe gezogen
und stehen dann sofort stramm. Die Windkraft vermag es nicht, den Achtertheil des
Segels leewärts zu treiben, weil die Nocken der Bäume von einer Geerde g so gestützt werden, dass kein Achterliek nothwendig
ist, wodurch der Wind besser vom Segel weggleitet. Weil der Mast in Folge der Form
des Segels den Hauptdruck trägt, so dass die Beanspruchung der Schote gering wird,
wird das Segel leichter zu manövriren sein. Für Dampfschiffe, die mit einer
Dampfwinde zum Aufspannen der Segel versehen, erscheint dies System besonders
vortheilhaft. Die Oese o am Vorderende des Baumes b wird durch einen Bügel im Schlitten s festgehalten, doch in einer Weise, dass der Baum nach
allen Richtungen bewegt werden kann. Das Vorliek des Segels ist durch Stroppen p mit dem Schlitten verbunden, so dass die Kraft,
welche auf das Liek wirkt, durch diesen vertheilt wird. Jedes Segel wird durch
mehrere Klaufallen und Piekfallen vom Deck aus aufgeholt. Das System kann nach
Belieben von unten oder von oben gerefft werden. Beim Reffen von unten wird das
ganze Segel um ein Stück nach unten herunter gelassen und gleichzeitig die
Achtergeerde g geholt, wodurch die Segelfläche
vermindert wird, während der ungereffte Theil des Segels doch ziemlich stramm
(gestreckt) steht, so dass man fortfahren kann zu segeln und nur den losen,
untersten Theil des Segels am Unterbaume festzumachen braucht. Ist es nothwendig,
sehr schnell das Segel einzuziehen, so muss dasselbe von oben gerefft werden.
Textabbildung Bd. 309, S. 121
Fig. 29.Vogt's Versteifung der Segel durch eingelegte Bäume.
Man macht dann nur den obersten bezw. die obersten Fallen los
und holt durch Hinunterziehen einen beliebig grossen Theil des Segels hinunter,
jedoch nur bis zu einem mit Klaufallen undPiekfallen versehenen Baum. Der oberste eingezogene
Theil des Segels wird sich dann mittels der im Segel eingelegten Bäume in
Längsfalten an dem mit Klaufallen und Piekfallen versehenen Baume lagern. Ist nun
ausserdem das Piekfall in zwei Theile getheilt, so liegt der eingezogene Theil des
Segels fest zwischen denselben. Das Aufspannen des Segels die Schienen entlang, vom
Verdeck bis zur Spitze des Mastes, hindert das Abstützen des Mastes nicht. Der Form
des Segels entsprechend wird der Druck dicht beim Maste concentrirt, so dass das
Manövriren sich leicht gestaltet. Es können dann aber auch unterhalb des Baumes
Federn angewendet werden, an denen man die Schoten festmacht, um die Bewegungen des
Schiffes weicher zu gestalten.
Der Italiener Vassallo in Genua ist auf den im ersten
Augenblicke absurd erscheinenden Einfall gekommen, die Segel mit Löchern zu
versehen.D. R. P. Nr. 80541. Wenn ein Segel durch den Wind aufgeballt wird, so bleibt in dieser
Aufballung offenbar eine todte, unter Druck gesetzte Luftmasse, allerdings nur, wenn
der Wind gerade auftrifft. Hiermit soll ein Misserfolg verbunden sein, den Vassallo zunächst durch Anordnung von Löchern an
praktisch ausprobirten Stellen des Segels zu beheben sucht, indem die Luft durch
diese Löcher abgeführt wird, also stets frischer Wind auftrifft. Diese Einrichtung
ist in neuerer Zeit anzutreffen gewesen und man rühmt ihr gewisse Vorzüge nach. Eine
Unterstützung der Wirkung der Löcher soll eine gleichfalls von Vassallo gewählte, von ihm wie nachstehend begründete
Besäumung der Segel ergeben Fig. 30 und 31.
Textabbildung Bd. 309, S. 122
Besäumung der Segel nach Vassallo.
Bisher war es üblich, die Saumtaue c und das Raawerk c1 auf der Wind bezieh.
der inneren Seite des Segels aufzunähen. Das in solcher Weise angeordnete Tauwerk
bietet dem im Segel sich fangenden Winde einen erheblichen Widerstand beim
Entweichen und begünstigt hierdurch das sogen. Aufballen desselben. Um diesen
Uebelstand, der schon dadurch, dass die Segel mit Durchlassöffnungen b versehen sind, wesentlich vermindert ist, noch mehr
einzuschränken, sind die Saumtaue c nunmehr auf der
äusseren, dem Buge des Schiffes zugekehrten Seite aufgenäht und nur das zur
Aufhängung bezw. zum Beschlagen des Segels an den Stengen dienende Raatau c1 ist, wie früher, dem
Heck zu auf der inneren Seite angeordnet. Das so gesäumte Segel gestattet
selbstverständlich dem Winde einen freieren Abzug, da bei dieser Art der Besäumung
der sich stauende Wind gar nicht mit dem Tauwerke zusammentrifft. Die hierdurch
erzielte stetige Ableitung des Windes hat eine bessere Ausnutzung der motorischen
Kräfte desselben und weiterhin eine gleichmässigere Bewegung, eine erhöhte
Geschwindigkeit und eine besondere Manövrirfähigkeit des Schiffes zur Folge. Wir
können allerdings dieser Besäumungsänderung eine gleich grosse Bedeutung nicht
beilegen; wenn auch zugegeben wird, dass die Taue nach Fig. 30 einen
vorspringenden Rand abgeben, so ist derselbe im Verhältnisse zur Segelfläche
verschwindend, seine Wirkung also zu vernachlässigen.
Die Segel werden in der verschiedensten, meist sehr wechselnden und niemals
vorauszubestimmenden Weise auf Zug beansprucht. Bei Segeln von Dreiecksform, wie
Klüver, Focksegel und Stagsegel, könnte man die grösste Beanspruchung als mit den
Richtungen zusammenfallend annehmen, in welchen die Abmessungen des Segels constant
zu erhalten sind. Um dies zu erreichen, schlägt Herreshoff in Bristol, R. I., Nordamerika, ein besonderes Verfahren zur
Herstellung der Segel erwähnter Art ein. Die parallelen Stoffbahnen in dem oberen
und unteren Theile des nach der Erfindung hergestellten Segels nehmen die grössten
Beanspruchungen in Richtungen auf, die im Wesentlichen quer zu der Längsausdehnung
verlaufen, und die Anordnung sichert auch das Festhalten der Abmessungen in
denselben Richtungen. In dem mittleren Theile des Segels laufen die schräg
zugeschnittenen Stoffbahnen quer durch das ganze Segel, und es werden der obere und
untere Theil des Segels mittels durchgehender Nähte angeschlossen; auf diese Weise
werden alle schrägen oder schief gerichteten (Zwickel) Verbindungen, welche schwache
Stellen des Segels bilden, erfahrungsgemäss nachgeben und sich zusammenziehen,
vermieden. Es ist allgemein üblich, Segel aus verhältnissmässig schmalen Stoffbahnen
(Segeltuch) herzustellen, die durch kräftige und glatte Nähte verbunden werden, auf
deren Anordnung viel Sorgfalt verwendet wird. Das Segeltuch, wie es gewöhnlich
hergestellt wird, ist in der Querrichtung stärker und gegen Dehnen und
Zusammenziehen widerstandsfähiger als in der Längsrichtung, und es ist danach
zweckmässig, die Stoffbahnen bei Segeln so anzuordnen, dass die stärksten
Zugbeanspruchungen zur Vermeidung von Abmessungsänderungen in Querrichtung zu den
Bahnen wirksam werden. Es sind zur Erzielung dieses Zweckes mit mehr oder weniger
Erfolg Einrichtungen vorgeschlagen worden, welche indessen bei Segeln wesentlich von
Dreiecksform eine quer durch das Segel gehende Diagonalnaht und schräge Verbindungen
der gewöhnlichen Nähte mit dieser Diagonalnaht verwenden zu sollen glaubten. Eine
derartige Anordnung ist insofern mangelhaft, als hierbei eine Ungleichartigkeit in
dem elastischen Nachgeben, Strecken und Zusammenziehen zwischen derartigen schiefen
Stücken und den anderen Theilen des Segels unvermeidlich ist. Nach Herreshoff werden derartige schiefe oder Zwickelstücke
ganz vermieden und die Stoffbahnen durch das ganze Segel hindurchgeführt. Anstatt
die übliche Diagonal- oder schräg gestossene Naht zu verwenden, welche von dem
Schoothorne nach der Luv des Segels führt und den oberen und unteren Theil des
Segels, deren Stoffbahnen verschiedene Richtungen haben, anzuschliessen, wird nach
der Erfindung das Segel derart hergestellt,dass der obere und untere Segeltheil aus gewöhnlichen
parallelen Bahnen gebildet wird, die durch keilförmig zugeschnittene Stücke
verbunden werden, deren Nähte nach einem einzigen oder nach mehreren Punkten an der
Luv oder ausserhalb derselben und entgegengesetzt dem Schoothorne zusammenlaufen. An
den Kanten dieser Keilstücke werden die parallelen Stoffbahnen durch Nähte oder in
anderer Weise angebracht, bis das ganze Segel fertig ist. Diese parallelen
Stoffbahnen können senkrecht zu der stehenden Kante des Segels in dem oberen Theile
und senkrecht zu dem unteren Rande in dem unteren Theile angeordnet werden. Es
empfiehlt sich, die Anordnung senkrecht zu gedachten Linien zu treffen, welche von
einem Punkte innerhalb des Segels etwas von dem Schoothorne entfernt nach der oberen
und unteren Ecke des Segels führen. Der Einschuss der Stoffbahnen bleibt dabei in
der Richtung der grössten Beanspruchung, wenn das Segel benutzt wird, und
gleichzeitig wird die Anwendung schräger bezw. schiefer Stösse bezw. Zwickel
vermieden.
Textabbildung Bd. 309, S. 123
Fig. 32. Klüversegel.Fig. 33. Yacht-Toppsegel.
Es sei Fig. 32 ein
Klüver-, Fig. 33 ein
Yacht-Toppsegel dargestellt. Man theilt das Segel in drei Theile a1
b1
d1. Eine gedachte Linie
ac reicht von der oberen Ecke a nach einem innerhalb des Schoothornes d gedachten Punkte c.
Textabbildung Bd. 309, S. 123
Fig. 34.Vorrichtung zum Einholen von Seilen beim Reffen der Segel nach
Bellamy.
In dem Theile a1 sind die Segeltheile in voller Breite und
senkrecht zur Linie ac gerichtet. Die gleichfalls
vollbreiten Stoffbahnen b1 stehen senkrecht zur Linie bc. Das Stück d1 hingegen besteht aus Keilstücken, welche nach
einem oder nach mehreren ausserhalb liegenden Punkten zulaufen.
Textabbildung Bd. 309, S. 123
Fig. 35.Focksegelbaum.
Nach Bellamy in Kittery Point, Maine, Nordamerika, soll
man sich zum Einholen von Seilen, also etwa beim Reffen der Segel, einer besonderen
Vorrichtung bedienen, welche gemäss Fig. 34 am Mäste
befestigt wird. Das einzuholende Seil oder Kabel geht zwischen zwei gelenkig mit
einander verbundenen Klemmbacken ab hindurch,
deren eine (die Hebelbacke b) mit einem Hebel e in Verbindung steht, der einen relativ festen
Drehpunkt hat; das Bewegen des Hebels in einer Richtung führt zuerst die
gegenseitige Bewegung der Backen, durch welche das Seil gefasst wird, und danach das
Mitnehmen der Backen und des zwischen ihnen gefassten Seiles herbei.
Textabbildung Bd. 309, S. 123
Fig. 36.Seitliche Reffung der Segel nach Köhler.
Der Hebel e steht mit der
Hebelbacke b durch einen Lenker d in Verbindung und die Seilbacke a hat eine
daumenartige Verlängerung f, die gegen die obere Fläche
der Hebelbacke b bewegt wird, wenn die Seilbacke um
ihren Drehpunktschwingt. Die Seilbacke besitzt eine Führung für das Seil, durch welche das
Seil aus seiner normalen Zuglinie gehalten wird. Eine aussergewöhnliche Bedeutung
kann dieser Vorrichtung wohl kaum beigemessen werden. Wir haben sie an dieser Stelle
angeführt, weil ähnliche Ausführungen für die Bedienung des Seiles schon öfter
vorgeschlagen worden sind.
Um das Focksegel leicht reffen zu können, hat man den Focksegelbaum um seine
Längsachse drehbar eingerichtet.D. R. P. Nr. 47679. Der Focksegelbaum a (Fig. 35) steht mit dem Klüverbaume durch Gelenke in Verbindung, welche
die Büchsen bd zur Aufnahme des ersteren tragen.
Behufs Reffung werden beide Bäume parallel geholt. Mittels einer Kette f wird das Segel gegen die Büchse d o. dgl. festgelegt. Hierauf dreht man durch eine auf
den Vierkant e aufgesetzte Kurbel den Baum a, wobei das Segel unter Nachlassen des Focksegelfalles
aufgewickelt wird. Eine weitere Kette kann so angelegt werden, dass ein
selbstthätiges Ausreffen nicht erfolgt.
Es sei noch auf eine Reffart hingewiesen, welche den Zweck verfolgt, die menschliche
Arbeit auf den Raaen zu verhindern, und erreichen soll, dass die gerefften Segel den
Schwerpunkt nicht nach oben verlegen (Köhler, Lipine,
O.-S.). Anstatt in der Höhenrichtung, wird die Reffung deshalb seitlich vorgenommen
(Fig. 36). Ueber eine Winde w mit Seilscheiben für jede Segelhälfte ist ein
endloses Seil s über die Rollen r geführt; an diesem Seile ist mittels der in den Führungen f längs der Raae r0 gleitenden Laufkatzen v das Segel s1 so befestigt, dass die äussersten Laufkatzen die Ecken des Segels
mitnehmen, während die übrigen Laufkatzen zur Führung des Seiles s und des Segelrandes dienen. Die Winde lässt sich
natürlich auch so einrichten, dass jede Segelseite für sich gerefft werden kann. Die
Führungen f belassen in der Mitte des Mastes so viel
Platz, dass man die Katzen sammt dem Segel zu entfernen vermag. Eine Verwendung
dieser Vorrichtung für Seezwecke ist nicht bekannt geworden. Aehnliche Reffmethoden
scheinen jedoch die Amerikaner bei ihrer Binnenschiffahrt benutzt zu haben.
(Fortsetzung folgt.)