Titel: | Bergbau.Die Goldgewinnung in Russland und Sibirien. |
Autor: | T. |
Fundstelle: | Band 310, Jahrgang 1898, S. 101 |
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Bergbau.Die Goldgewinnung in Russland und
Sibirien.Aus „Studien für das
Museum des russischen Montaninstitutes“ von J.
Melnikow und „Das Berg- und Hüttenwesen in Sibirien“ von M. W. Gribassow im sibirischen Handels- und
Gewerbekalender. Jahrgang 1898. Verlag von F. P. Romanow in
Tomsk.
[Die Goldgewinnung in Russland und Sibirien.]
Die Goldgewinnung hat in Kussland sehr spät begonnen, was zum Theil daraus erklärt
wird, dass die alten Slaven dieses werthvolle Metall geringschätzten. Es scheint
daher zweifelhaft, wenn der arabische Reisende Ibu-Franglin behauptet, dass die Russen im 17. Jahrhundert an der Wolga
Kaftane mit goldenen Knöpfen, und die Trauen goldene Halsketten trugen, die aus
einheimischem Metall angefertigt waren. Der arabische Reisende scheint die Russen
damals mit den Chorsaren verwechselt zu haben. Der Goldschmuck kam zwar bei den
russischen Frauen im Mittelalter in Aufnahme, bestand aber nicht aus einheimischem
Golde. Das Gold wurde damals von den sogen. „reichen Gästen“ (ausländischen
Kaufleuten) in Gross-Nowgorod gekauft oder von russischen Theilfürsten und den
„Drushinen“ (Gefolgschaften) auf ihren Kriegszügen erbeutet. In der Mitte
des 17. Jahrhunderts wurden in Grabhügeln, besonders an der Wolga und Kama, in den
sogen. „Kurgany“ viele goldene Schmuckgegenstände gefunden, die darauf
hindeuteten, dass dieses Gold einheimischen Ursprungs sei. Als der Zar Alexei
Michailowitsch (1645 bis 1676) Nachforschungen veranstalten liess, wurde ermittelt,
dass die Tataren, Kalmücken und Baschkiren sich schon lange mit der Goldgewinnung
beschäftigt, ihre Fundstätten aber vor den Russen sorgfältig verheimlicht
hatten.
Das erste Unternehmen auf dem Gebiete des Goldbergbaues wurde unter der Regierung
Peter des Grossen ins Leben gerufen. Da die Arbeiten aber nur eine geringe Ausbeute
lieferten, musste das Unternehmen wieder eingestellt werden. Auf die Kunde von der
Entdeckung der Silbergruben in Taurien, an den Ufern der Schilka und des Argun,
entsandte Peter der Grosse griechische Bergleute dorthin, die an der Hand der Reste
tschudischer Gruben im J. 1698 silberhaltiges Bleierz entdeckten und 1704 das
Bergwerk von Nertschinsk im Altai eröffneten. Die Ueberreste des tschudischen
Bergbaues haben den Russen als Wegweiser bei der Anlage ihrer ersten Bergwerke
gedient und sind auch jetzt noch ein nie trügendes Zeichen für das Vorhandensein
erzführender Gebirge.Bergingenieur Gribassow berichtet: „Im Süden Sibiriens,
vom Ural bis zum äussersten Osten, trifft man überall Spuren uralter
Bergwerke. Man schreibt sie dem Volke der Tschuden zu, die in grauer
Vorzeit hier gewohnt haben sollen. Dieses Volk betrieb den Bergbau auf
Silber und Kupfer schon in jener entlegenen Periode, in der dem Menschen
der Gebrauch des Eisens noch unbekannt war, was daraus hervorgeht, dass
alle Werkzeuge zum Bergwerksbetrieb, die man noch heute in den
tschudischen Berghalden findet, nur aus Stein und Kupfer gefertigt
sind.“ Siehe auch „Der Goldbergbau in Sibirien“ von Gribassow. Deutsch. Berlin 1896. Verlag von
Johannes Rade.
Das erste Gold wurde in Russland bei dem Aussaigern des Silbers im Nertschinsker
Bergwerk in geringen Mengen gewonnen. Beispielsweise erhielt man auf diese Weise im
J. 1740 etwa 11 k, im J. 1772 etwa 81,9 k Gold.
Wie in Amerika, war auch in Russland lange Zeit die Ermittelung der Goldlagerstätten
ein Werk des Zufalls. Im J. 1803 entdeckte ein Bauer das erste Gold im Ural am
Tschussowa-Fluss und 25 Jahre später wurde ein gewisser Lesnoi bei der geheimen Goldwäsche in Sibirien überrascht.
Die erste Goldwäsche wurde in Sibirien im J. 1829 im Kreise Mariinsk des
Gouvernements Tomsk eröffnet. Im selben Jahr erschien auch ein kaiserlicher Erlass,
der Privatpersonen die Goldausbeute in Sibirien gestattete.
Die Entdeckung der Goldsandlager war von schädigendem Einfluss auf die allgemeine
Entwickelung des Bergbaues in Sibirien. Die Eisenindustrie, die sich zu Beginn des
gegenwärtigen Jahrhunderts im Gouvernement Jenisseisk zu entwickeln begann, wurde
gewissermaassen durch die Goldgewinnung unterdrückt. Die Gerüchte über die
fabelhaften Reichthümer lockten Scharen von Abenteurern nach Sibirien. Bis zum
Ausbruch des Goldfiebers beschäftigte sich die einheimische Bevölkerung
vorherrschend mit der Jagd und dem Ackerbau, es entwickelte sich allmählich eine
einheimische Industrie, eine gewisse Cultur begann ihren Einfluss auf Sitten und
Gebräuche der Bevölkerung auszuüben. Durch das Goldfieber wurden alle Kapitalien und
die Kräfte der Bevölkerung den Goldgruben zugeführt. An einigen Orten versuchte die
örtliche Verwaltung den Bergbau und das Hüttenwesen durch die unentgeltliche
Zwangsarbeit der Sträflinge zu fördern. Alle Maassregeln und Anstrengungen waren
vergeblich, die Montanindustrie Sibiriens verblieb in einem trostlosen Zustand, die
Grunderzeugnisse dieser Industrie, als Gusseisen, Eisen, Steinkohle, sind bis auf
die Gegenwart nur in äusserst geringen Mengen in Sibirien hergestellt worden, die
Montanindustrie hat sich vorherrschend auf den Goldgewinn geworfen. In
Uebereinstimmung damit sind etwa ⅔ aller in Sibirien in den Bergwerken beschäftigten
Arbeiter in den Goldgruben thätig.
Die Goldgebiete Russlands liegen im Ural und in Sibirien. Der Antheil Finnlands
an der gesammten Goldausbeute ist verschwindend klein. Im Ural befinden sich die
Goldlagerstätten im Gouvernement Perm und Orenburg, in Westsibirien in den
Gouvernements Tomsk, Ssemipalatinsk, Akmolinsk und Irkutsk, in Ostsibirien in den
Gouvernements Jenisseisk, Transbaikalien, Jakutsk, im Amur- und Küstengebiet. Der
grösste Theil des in Russland gewonnenen Goldes stammt aus dem Schwemmlande; im Ural
werden etwa 6 Proc., im Altaigebiet nur etwa 1 Proc. der Gesammtausbeute durch
Gangbergbau gewonnen. Die Goldausbeute Russlands beruht daher vorherrschend auf den
Erträgnissen der Wäschen. Die Berichte, die über die sibirischen Goldwäschen
vorliegen, lassen erkennen, dass dort die Bearbeitung des Goldsandes auf den meisten
Lagerstätten in einer Weise betrieben wird, die nur wenig von der ursprünglichen
rohen Arbeitsmethode abweicht.
Der durchschnittliche Antheil der einzelnen Gebiete an der gesammten Goldausbeute
Russlands, gerechnet für den Zeitabschnitt von 1814 bis 1897, betrug:
in Ostsibirien
68,00
Proc.
im Ural
24,8
„
in Westsibirien
7,17
„
in Finnland
0,03
„
Der Antheil Sibiriens an der gesammten Goldausbeute Russlands ist aus der folgenden
Tabelle ersichtlich.
Jahr
Gesammt-goldausbeuteRusslandsin k
Von der gesammten Goldaubeute entfielen
auf
Westsibirienin k
in Proc.
Ostsibirienin k
in Proc.
1887
34856,60
2457,00
7,0
21752,6
62,4
1888
35167,80
2522,50
7,1
21719,9
61,8
1889
37248,10
2768,20
7,4
23947,6
64,4
1890
39377,50
2637,20
6,7
26191,6
66,5
1891
39082,70
2801,00
7,1
24733,8
63,3
1892
42997,50
2817,40
6,5
27878,8
64,8
1893
44864,80
2981,10
5,8
29844,4
67,8
1894
42932,00
2801,00
6,5
29500,4
68,7
1895
41097,40
2653,60
6,4
28697,7
69,8
1896
37133,50
2817,40
7,5
24766,6
66,6
Die Tabelle zeigt, dass die Goldausbeute in Russland, nach fast beständiger Zunahme,
seit 1894 in der Abnahme begriffen ist. Ein Zuwachs ist nur durch verschiedene
Neueinrichtungen und Verbesserungen des Betriebes bei der Bearbeitung von Goldadern
im Ural (Methode der chemischen Goldabscheidung) erzielt worden. Da in Sibirien
vorherrschend Goldsandlager ausgebeutet werden, die stellenweise schon gänzlich
erschöpft sind, und der Goldbergbau auf Erz- und Goldadern allein eine längere,
gleichmässige Production gewährleisten kann, dürfte die Goldgewinnung in Russland
den Höhepunkt überschritten haben und für die Zukunft eine Steigerung der gesammten
Goldproduction kaum noch zu erwarten sein.
Nach den Angaben von Melnikow sind in Russland im
Zeitraum von 1745 bis 1897 insgesammt 115859 Pud oder 1897771 k Gold gewonnen
worden. Aus diesem Gold wurden bis Ende September Goldmünzen für 1445900286 Rubel
(etwa 3108685615 M.) geprägt. Diese Zahlen zeigen, wie sehr das russische Gold stets
aus dem Lande geflossen ist, wenn man sich der Jahre mühevoller Vorarbeiten Wyschnegradski's und des gegenwärtigen Finanzministers
Witte erinnert, um einen Goldvorrath von etwa 1
Milliarde Rubel zusammenzubringen, damit Russland von seiner Papier- zur Goldvaluta
übergehen konnte.
T.