Titel: | Verkehrswesen.Pratt's selbstthätiges Ankündigungssignal. |
Fundstelle: | Band 310, Jahrgang 1898, S. 154 |
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Verkehrswesen.Pratt's selbstthätiges
Ankündigungssignal.
Mit Abbildungen.
Pratt's selbstthätiges Ankündigungssignal.
Eisenbahnunfälle, welche auf den Umstand zurückzuführen sind, dass optische
Haltsignale nicht rechtzeitig wahrgenommen werden, sei es wegen örtlicher
Verhältnisse der Bahnstrecke, sei es aus meteorologischen Gründen oder aus
mangelhafter Aufmerksamkeit des Locomotivführers, kommen immer wieder vor. Die
Unterstützung der Haltsignale durch bloss sichtbare
Vorsignale bietet bei starkem Nebel u. dgl. keine verlässliche Abhilfe, aber auch
aufs Gehör wirkende Vorsignale können versagen oder bei heftigen Stürmen u.s.w.
möglicher Weise nicht vernommen werden. Eben ein solcher Fall hat beispielsweise
laufenden Jahres den schweren Eisenbahnunfall vor der Station Péage-de-Roussillon auf der französischen
Mittelmeerbahn verschuldet und das französische Ministerium der öffentlichen
Arbeiten veranlasst, die Eisenbahnen Frankreichs auf die Unzulänglichkeit der
gewöhnlichen, auf die Schienen mittels Blechstreifen zu befestigenden Knallkapseln
aufmerksam zu machen und zur Anwendung drastischerer und verlässlicherer Mittel
aufzufordern. Als solche gelten nach Anschauung vieler Eisenbahnbetriebmänner
lediglich jene Signalzeichen, welche sich unmittelbar auf der Locomotive selbst
äussern und sonach seitens des Maschinenführers absolut nicht unbeachtet bleiben
können.
Textabbildung Bd. 310, S. 154
Ankündigungssignal von Pratt.
Le Génie civil (1898 S. 322) bringt nach The Engineer die Schilderung einer einschlägigen, von
Pratt in Bristol angegebenen Signalvorrichtung,
welche die obenstehende Abbildung (Fig. 1 und 2) deutlich macht. Sie
besteht aus zwei von einander getrennten Theilen, wovon der erstere eine ständige
Streckeneinrichtung und der andere eine ebensolche Locomotiveinrichtung bildet.
Ersterer ist eine in einem Gestellsbock gelagerte Drehachse, auf der ein mit
einem schneidenförmigen Ende versehenes eisernes Daumenstück festsitzt. Ausserdem
ist auf der Drehachse ein doppelarmiger Winkelhebel festgekeilt, dessen längerer Arm
ein Gegengewicht trägt, während am kürzeren ein Drahtzug angreift, welcher die
Fortsetzung des Drahtzuges des zugehörigen optischen Signals bildet. Steht das
optische Signal auf Halt, dann ist der Drahtzug
nachgelassen und das Gegengewicht des Winkelhebels nach abwärts gefallen, dafür aber
der Daumen nach aufwärts gerichtet, und unter dem vorausgesetzten Umstände haben
also die benannten Theile die in Fig. 1 und 2 dargestellte Lage. Bei
angespanntem Drahtzug, d. i. wenn das optische Signal auf freie Fahrt steht, ist das Gegengewicht gehoben, das Daumenstück hingegen
flach gelegt. Die auf den Locomotiven angebrachten Vorrichtungen bestehen aus einem
Hebelwerk nebst einer Spindel, dessen Aufgabe es ist, die Dampfpfeife auszulösen,
und aus einem Gestänge, das diese Auslösung mit Hilfe des früher geschilderten
ersten Theiles der Signaleinrichtung zu vermitteln hat. Das Gestänge sind zwei
parallele, aus einem einzigen reinpolirten Rundeisen durch Abbiegen hergestellte, am
einen Ende durch drei Bolzen an der Locomotivwand festgemachte Gleitstangen. Im
längeren Arm dieses Bügels sind zwischen den beiden Stangen Sprossen aus
Eisenblechstreifen lose eingesetzt, welche -förmig abgebogen und mittels
halbkreisförmiger Ausschnitte, die die beiden Flanschen des Blechstreifens haben, an
bezw. zwischen den beiden Gleitstangen gehalten werden. Die unterste Sprosse stützt
sich auf zwei an den Stangen angeklemmte Knäufe; von den übrigen trägt immer eine
die andere, so dass sie zusammen eine ganze Leiter bilden. An der sich zunächst der
Locomotivwand befindlichen Stange ist zu unterst ein Hebel angelenkt, welcher auf
der zur Dampfpfeifenauslösung nach aufwärts geführten Spindel festsitzt. Es erübrigt
nur noch, zu bemerken, dass die mit dem optischen Signal in Verbindung stehende
Vorrichtung zur Seite des Bahngleises genau so angebracht ist, dass der
Schneidendaumen zwischen die beiden Stangen der Locomotive geräth, wenn der Zug die
Stelle passirt. Findet letzterer das Signal für freie
Fahrt, so geht das Gestänge über den flach liegenden Daumen ohne weiteres
hinweg, steht jedoch das optische Signal auf Halt, dann
trifft die aufrecht stehende Daumenschneide die unterste Blechsprosse und trennt
dieselbe entzwei. Vermöge des hierbei ausgeübten Druckes wird das federnde Gestänge
ein wenig zurückgehalten, so dass es im Augenblicke der Durchschneidung des
Blechstreifens nach vorwärts schnellt; die auf diese Weise bewirkte kleine Drehung
des angelenkten Spindelarmes reicht hin, durch Vermittelung der Spindel die
Dampfpfeife zu lösen, die dann so lange ertönt, bis sie der Locomotivführer mit der
Hand wieder abstellt, wobei alle Auslösehebel wieder in die alte Ordnung
zurückgebracht werden. Nach dem Durchschneiden der untersten Blechsprosse sind die
beiden Theile derselben haltlos geworden und auf den. Bahnkörper hin abgefallen,
zugleich aber auch die darüber befindlichen Sprossen, ihrem Gewichte folgend, längs
der Stangen so weit nach abwärts geglitten, dass die unterste unverletzte Sprosse
wieder die richtige Lage einnimmt, um an einer nächsten Signalstelle denselben
Dienst zu leisten, wie die früher durchgeschnittene.
Diese Einrichtung steht seit längerem auf der West-Luncashire-Eisenbahn im Versuche, und werden die bezüglichen
Ergebnisse sowohl vom signaltechnischen als vom wirthschaftlichen Standpunkte als
sehr befriedigend bezeichnet. Die Vorrichtung erweist sich nämlich nicht nur
sicherer, sondern natürlich weit billiger, als die sonstigen Hilfsmittel des in
England bekanntlich äusserst wichtigen und kostspieligen Nebeldienstes. Nicht
allein, dass die zum Verbrauche kommenden BlechstreifenDiese an sich überflüssigen Blechstreifen sind
wohl nur eine Umgehung eines engl. Patentes E.
Wiseman's vom 1. Juni 1892., welche aus dem nächst
besten Altmaterial hergestellt werden können, weitaus weniger kosten, als
Knallkapseln, bleiben durch die beschriebene Dampfpfeifensignaleinrichtung auch die
nennenswerthen Löhne für die Kapselausleger erspart und die Gefährdungen dieses
Personals hintangehalten, welches bekanntlich den grössten Procentsatz zu den
Verletzungen und Tödtungen auf den englischen Eisenbahnen liefert. Die letzteren
suchen daher schon seit langen Jahren mechanische Kapselausleger (vgl. D. p. J. 1894 292 * 135)
oder auch ähnliche Anordnungen einzuführen, wie die oben beschriebene, deren
einfachste, von E. Wisman in Luton, Redfordshire (D. p. J. 1892 287 162),
bereits eine ziemliche Verbreitung gewonnen hat.
In Deutschland sind in der Regel nur in vereinzelten Fällen und lediglich aus
örtlichen Gründen, nämlich wegen behinderter Fernsicht oder besonders starkem
Gefälle hörbare Ankündigungssignale aufgestellt, welche die Lage für Halt des nächsten Bahnhofabschlussignals oder eines
sonstigen wichtigen Haltsignals besonders zu verschärfen haben (vgl. D. p. J. 1892 283 * 238 und
1897 306 255). Dafür hat die französische Nordbahn in
Bezug auf die Sicherung des Anhaltens der Züge vor einem Haltsignal bereits seit
vielen Jahren die selbsthätige Auslösung der Dampfpfeife vor jedem auf Halt stehenden Stationsdeckungssignal grundsätzlich
eingeführt und zwar mittels der bekannten Lartigue'schen Krokodilcontacte und der elektrischen Dampfpfeife. Diese
Einführung wurde durch Sarticaux und Bandererli noch dahin erweitert, dass nicht nur die
Dampfpfeife ausgelöst wird, wenn sich der Zug etwa 300 m einem Haltsignal nähert,
sondern zugleich auch die pneumatische Bremse des Zuges, so dass letzterer
allenfalls selbst ohne der Beihilfe des Locomotivführers zum Stehen gebracht wird.
Aehnliche Vorrichtungen, die aber lediglich mechanisch angeordnet sind und wie die
Pratt'sche durch den Drahtzug des optischen Signals
gehandhabt werden, stehen seit kurzem in den Directionsbezirken Villach und Wien der k. k.
österreichischen Staatsbahnen im Versuche. In einer den Gefällsverhältnissen der
Strecke angemessenen Entfernung vor dem optischen Signal ist das Bahngleis durch ein
eisernes, thorrahmenförmiges Gitterwerk überbrückt, welches eine wagerechte
Gleitstange trägt, die bereits ausserhalb des Ladeprofils liegt. Auf dieser Stange
gleitet in Führungen ein Schlitten, der einerseits durch einen über Rollen gelegten
Drahtzug mit dem Drahtzuge des optischen Signals, andererseits mit einem auf einem
Drahtseil hängenden Gegengewicht verbunden ist. Wird der Drahtzug des optischen
Signals gespannt, also letzteres auf freie Fahrt
gestellt, so wird der Schlitten zur Seite gezogen; wird der Drahtzug nachgelassen,
d. i. das optische Signal auf Halt gestellt, so
gelangt der Schlitten durch den Einfluss des Gegengewichtes genau oberhalb der Mitte
des Geleises. Da nun an den Locomotiven ein am Rauchfang befestigter Knickhebel
angebracht ist, der in das Bereich des Schlittens hineinragt, so wird er im
zweitangeführten Falle bei der Durchfahrt geknickt, demzufolge eine Stangen- und
Hebelübersetzung die Dampfpfeife und zugleich die Vacuumbremse wirksam macht. Die
Dampfpfeife bleibt dann so lange thätig, bis der Locomotivführer den Knickhebel
wieder in die aufrechte Ruhelage zurückbringt.