Titel: | Neuerungen an Fahrrädern. |
Fundstelle: | Band 311, Jahrgang 1899, S. 107 |
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Neuerungen an Fahrrädern.
(Vorhergehender Bericht 1898 Bd. 308 S.
196.)
Neuerungen an Fahrrädern.
Nachdem die Saison ihr Ende erreicht hat, wollen wir einen Blick rückwärts
werfen, und finden unter den Neuerungen des letzten Jahres sowohl beachtenswerte
Fortschritte als auch manche Verirrung.
Der Rahmen ist im grossen und ganzen derselbe geblieben wie in den beiden Vorjahren,
nur einige Teile haben eine Aenderung erfahren. Betrachten wir dagegen die Pedale,
so sehen wir, dass nur wenige Fabriken dieselben richtig ausführen, denn im
allgemeinen ist bei dem Bestreben nach Gewichtsersparnis die eigentliche Bestimmung
derselben übersehen worden. So sieht man jetzt allgemein die amerikanische Form,
wobei die Platten ⊂-förmig gestanzt werden, in
Verwendung. Es ist dieses allerdings eine gefällige Form, aber warum baut man diese
Pedale kombiniert als Zacken- und Gummipedale? Erstere eignen sich für die Rennbahn,
weil sie da einen sicheren Antritt ermöglichen, für Tourenräder ist aber das
Gummipedal das einzig Richtige. Da nun das letztere schwerer ist, so soll bei der
amerikanischen Form die Leichtigkeit des Zackenpedales mit der Annehmlichkeit des
Gummipedales vereint werden.
In der Praxis hat sich jedoch ein kombiniertes Pedal ebenso schwer erwiesen als ein
Gummipedal, so dass nicht Von einem Vorteil, wohl aber von einem Nachteil die Rede
sein kann. Die ⌶-förmige Gummieinlage reibt sich dort
bald durch, wo sie auf den Zacken aufliegt, so dass nach kurzer Zeit die kaum 4 bis
5 mm dicke Auflage abgenutzt ist, und man wieder das Zackenpedal hat, allerdings von
wenig schönem Aussehen. Es lässt sich jedoch ein Mittel-Weg finden, der beides, den
ökonomischen Vorteil und die Schönheit vereint, indem man die Zackenanordnung ganz
fallen lässt und statt dessen durch ein zweimal rechtwinklig gebogenes Seitenstück
aussen und innen eine widerstandsfähige Stütze für den ebenfalls ⌶-förmigen Gummi schafft. Nur müsste die Auflage nicht
unter 13 bis 15 mm breit und 10 bis 12 mm hoch sein. Ein anderer Uebelstand ist bei
der Steuersperre zu beklagen, denn die meisten Konstrukteure verlegen sich darauf,
dieselbe möglichst unsichtbar anzubringen, d.h. nach dem Innern des Gabelrohres zu
verlegen. Jedes Loch aber, das in das Gabelrohr gebohrt wird, gibt Anlass zu
Gabelbrüchen. Bei Anwendung Von Muffen und Steuerköpfen aus Temperguss oder
gepresstem Material kann man mit Leichtigkeit Ansätze für die Steuersperre
anbringen, ohne das Steuerrohr irgendwie zu seinem Schaden zu beeinflussen. Die
Bandsperre ist als einfachste, praktischste und gefahrloseste Steuersperre noch
nicht übertroffen.
In ihrer fortschreitenden Entwickelung haben manche Teile praktische Veränderungen
erfahren, umgekehrt auch nieder Erscheinungen im Gefolge gehabt, die sich als
Hindernisse geltend machten. Wenn man zurückgreift auf die Saison 1896 mit ihrem
Drange nach einem möglichst schmalen Tretkurbellager, das eine Annäherung der
Kettenlinie an die Mittellinie forderte, so wird man sofort an die schmalen
Hinterradgabeln denken müssen, die dadurch geschaffen und bis heute nur wenig
beseitigt wurden. Trotzdem man mit einer Verschwächung des Pneumatiks dem Bedürfnis
möglichst entgegenkam, sind doch immer noch erstklassige Maschinen zu sehen, wo kaum
1⅜ Zoll Pneumatiks genügend Spielraum haben. (Beispielsweise betrug bei einem
Rade mit 1¾ Luftreifen die lichte Weite der Hinterradgabel an der Reifenpassage 45
mm!) Der Schaden zeigt sich sofort an der Laufdecke des Pneumatiks. Man sieht
denselben nie gleich rund am Rade, so dass schon aus diesem Grunde binnen kurzem
manche Stellen durchgescheuert sind. Lockert sich nun ausserdem eine Speiche, so
kann der ganze Mantel sofort unbrauchbar werden. Es empfiehlt sich darum, kein Rad
unter 40 bis 42 Kettenlinie zu bauen, was auch nicht als zu viel bezeichnet werden
kann, zumal man jetzt fast durchweg ovale und D-Rohre
verwendet, und die Pedale nicht mehr mit Muffen befestigt, sondern angeschraubt
werden. Man kann bei einem Lager mit 42 mm Kettenlinie eine Trittenge von 125 mm
erzielen und dabei noch die horizontale Hinterradgabel bis zu 60 mm lichte Weite an
der Reifenpassage halten, ohne dass Kettenrad oder Kurbeln die Gabelrohre berühren.
Dabei bleibt das Rad immer noch zierlich, so dass keine Gründe vorhanden sind, die
für eine übermässige Verschmälerung der Hinterradgabel sprechen würden.
Recht unpraktisch sind die sogenannten „Dekorationsöler“, bei welchen ein
halbrunder Kern durch eine Feder von innen gegen die Oeffnung gedrückt wird. Führt
man die Spitze der Oelkanne in die Oeffnung ein, und drückt mit derselben den Kern
hinunter, so wird hierbei der Ausfluss der Oelkanne verstopft, und es gelingt
gewöhnlich erst nach langem Experimentieren, eine günstige Stellung des Kernes für
das Oelen zu erhalten. Lediglich aus Gründen der Schönheit ist man zu diesen
gänzlich unpraktischen Oelern übergegangen.
Für die Saison 1899 wird der Rahmen in seiner Form derselbe bleiben wie in den
Vorjahren, und doch ist er ein anderer. Da ist vor allem die Innenlötung, welche
allgemein in Anwendung kommt, ferner die Kalt- und die Flachschlussverbindung, die
in verschiedenen Variationen hergestellt wird. Hartgelötete Gussverbindungsstücke
haben sich vollständig überlebt.
Die Hinterradgabel wird meist aus einem Rohr gebildet. Wo jedoch die zwei gekröpften
und verbundenen Rohre beibehalten wurden, ist bei der horizontalen Hinterradgabel
der kurze Teil des rechten Rohres von der Kröpfung mehr nach der Radmitte zu
gerückt, um für das Kettenrad infolge des engen Trittes Raum zu gewinnen.
Die Vorderradgabel ist meist aus einem Stück gezogen, der Kopf rund und innen
verlötet und verstärkt. Diese Anordnungen geben ohne Zweifel dem ganzen Fahrrad ein
schlankeres Aussehen, was noch dadurch erhöht wird, dass man das Bremsgestänge in
das Steuerrohr verlegt.
Auf die Verbesserung der Kugellager richtet fast jede Fabrik ihr Hauptaugenmerk und
trachtet, dasselbe in Bezug auf Staubdichtigkeit und Oelverbrauch bis an die
äusserste Grenze des Erreichbaren zu bringen. Der hier und da schon im Vorjahre
auftauchende Sicherungsring gegen Herausfallen der Kugeln beim Demontieren des
Lagers findet jetzt fast allgemein Anwendung, während der Filzdichtungsring an
keiner Maschine mehr fehlt.
Die Kettenlinie liegt jetzt allgemein, um ein Ecken zu vermeiden, zwischen den
Kugelreihen, mindestens jedoch über der rechten Kugelreihe. In Verbindung hiermit
steht das auswechselbare Kettenrad, welches allgemein Anklang findet.
Im nachstehenden lassen wir nun eine Reihe neuer bemerkenswerter Systeme nebst
Rahmen und Einzelteilen folgen.
I. Systeme und Rahmen.
a) Fahrräder mit
Fussbetrieb.
Einen wesentlichen Fortschritt in der Fahrradindustrie hat die Triumph Cycle Co. Ltd. in Coventry und Nürnberg
durch ihren neuen Rahmen (Fig. 1) zu
verzeichnen.
Textabbildung Bd. 311, S. 108
Fig. 1. Rahmen der Triumph Cycle Co. Ltd.
Jeder Radfahrer weiss, dass eine Damenmaschine, auf schlechtem Wege gefahren,
viel elastischer als eine Herrenmaschine ist. Die Ursache liegt beim Damenrad in
der geschweiften, beim Herrenrad dagegen in der steifen Form des Rahmens. Diese
Thatsache hat die Konstrukteure obiger Firma veranlasst, Versuche mit einem
neuen Rahmen zu machen, der für die Saison 1899 unter dem Namen „Natural
spring frame“ gebaut wird.
Textabbildung Bd. 311, S. 108
Vorderradgabel der Triumph Cycle Co. Ltd.
Bei diesem neuen Rahmen, dessen Rohre selbst die Federn abgeben, sind nur das
Steuerrohr, das Sattelstützrohr und die unteren Hinterradgabeln gerade, alle
übrigen Rohre sind geschweift. Das obere Rahmenrohr kröpft sich in sanftem Bogen
nach unten, die oberen Hinterradgabeln in gleichem Bogen nach dem
Sattelstützrohr zu und das untere Rahmenrohr hat eine doppelte Kröpfung, zuerst
parallel mit dem Vorderradumfange, dann von der Mitte gegen das Tretkurbellager
entgegengesetzt.
Denkt man sich nun den Rahmen an den Vorder- und Hinterradgabelenden unterstützt
und an der Sattelstütze eine Last drücken, so wird das nach innen geschweifte
obere Rahmenrohr und die ebenso geschweiften oberen Hinterradgabeln ein
bedeutend grösseres Eindrücken der unteren Rahmenrohre, also eine grössere
Federung derselben zulassen, als wenn die ersteren Rohre gerade wären. Ganz zum
Rahmen passend ist die Vorderradgabel (Fig. 2 und 3); die
Stahlscheiden haben am Gabelkopfe fast das Profil der normalen Scheiden, nur ist
der Querschnitt eine Ellipse von grösserer Breite. Dieser Querschnitt verändert
sich gegen das Gabelende zu derart, dass er rund und zuletzt am Ende wieder
elliptisch, jedoch mit gedrehter Längsachse, wird, oder mit anderen Worten, die
Scheide, die am Gabelkopfe mit der Hochkante auf Druck beansprucht wird, dreht
sich gegen das Gabelende und fängt dort den Stoss mit der Breitseite auf.
Textabbildung Bd. 311, S. 108
Rahmen von Burford.
Die ganze Konstruktion ist so getroffen, dass dieselbe nur die Stösse mildert und
beim Treten, da die Entfernung zwischen Sattel und Tretkurbeln stets gleich und
starr bleibt, keinen Kraftverlust mit sich bringt, wie dieses bei Rahmen
mit Federmechanismen stattfindet.
Um einen möglichst stabilen Damenradrahmen herzustellen, ohne das Gewicht
erheblich zu vergrössern, verbindet H. G. Burford
in London die beiden gebogenen Rohre a und e (Fig. 4 und 5) durch
ein Stahlband b, das durch dieselben hindurchgreift
(U. S. P. Nr. 612231). Zu diesem Zwecke ist jedes Rohr mit einer Vertiefung
versehen, in welche die Kante des Stahlbleches eingreift. An den Stellen, wo das
Stahlblech durch die Rohrwandungen hindurch tritt, sind letztere umgebogen, um
eine grössere Fläche für das Hartlöten zu gewinnen; durch diese Anordnung wird
die Steifigkeit und Stabilität der ganzen Maschine wesentlich erhöht.
Die Woodcote Cycle Works, Chas Owen and Co. Ltd. in
Wallington, Surrey (England), verstärken ihren Rahmen dadurch, dass sie
unterhalb des oberen Rahmenrohres a parallel zu
diesem ein zweites h anordnen. Letzteres setzt
sich, wie Fig. 6 zeigt, bis zur Hinterradgabel
fort.
Textabbildung Bd. 311, S. 108
Fig. 6. Rahmen der Woodcote Cycle Works, Chas Owen and Co. Ltd.
Textabbildung Bd. 311, S. 108
Fig. 7. Rahmen der Conqueror Cycle Co. Ltd.
Besser ist die Versteifung der Conqueror Cycle Co.
Ltd. in Coventry. Hier setzt sich das Rahmenrohr b nicht in gerader Richtung bis zur Hinterradgabel fort,
sondern geht, wie Fig. 7 zeigt, abwärts. Durch,
diese Anordnung werden die von der Hinterradgabel auf den Rahmen übertragenen
Stösse die Steifigkeit desselben nicht beeinträchtigen, und ist ein Durchfedern
des Rahmens ausgeschlossen.
Textabbildung Bd. 311, S. 109
Fig. 8. Rahmen von Robinson und Price Ltd.
Textabbildung Bd. 311, S. 109
Fig. 9. Rahmen der Raleigh Cycle Co. Ltd.
Der vom Sattel ausgehende gleichmässige Druck wirkt in der Richtung des Pfeiles
c und hat das Bestreben, den Rahmen an der
Endbasis auseinander zu treiben. Zugleich aber wirken die von der Hinterradachse
ausgehenden Stösse in der Richtung d auf das
Sattelstützrohr e, das seine Wirkung wieder an den
vorderen Rahmen abgibt; diese äussert sich dann in dem Bemühen, das untere
schräge Rahmenrohr aus seinen Verbindungen zu lösen. Durch Einsetzen des Rohres
b verwandelt sich aber ein Teil der Zugkraft in
Tragkraft, welche durch die dritte Hinterradstrebe beträchtlich vermehrt wird.
Die einfache Fortsetzung des Verstärkungsrohres b
in Fig. 6 vermag zwar die Steifigkeit des
Sattelstützrohres zu erhöhen, wird aber zu sehr unter der, wenn auch geringen,
Vibration der Hinterradgabel zu leiden haben. Anders dagegen ist es bei Fig. 7. Da verteilt sich der Druck c auf die beiden Hinterradgabelstreben und auf das
Rahmenrohr b, wodurch Rohr f entlastet wird.
Textabbildung Bd. 311, S. 109
Fig. 10. Rahmen der Rover Cycle Co. Ltd.
Den Mittelweg zwischen diesen beiden Konstruktionen gehen Robinson und Price Ltd. in Liverpool dadurch, dass
sie das Verstärkungsrohr b (Fig. 8) von der oberen Steuermuffe nach der
Hinterradachse gehen lassen.
Textabbildung Bd. 311, S. 109
Fig. 11. Rahmen der New Premier Cycle Co. Ltd.
In ähnlicher Weise hat die Raleigh Cycle Co. Ltd. in
Nottingham die Verstärkung an ihrem Tandem (Fig.
9) angebracht, wodurch nicht nur eine schöne Form, sondern auch der
Vorteil erzielt ist, dass dasselbe hinten wie vorn von einem Herrn oder einer
Dame benutzt werden kann.
Die Rover Cycle Co. Ltd. in Coventry bringt an der
Herrenmaschine hinter dem Tretkurbellager, zwischen dem Sattelstützrohr und der
unteren Hinterradgabel, ein kleines Rohr b an. Bei
der Damenmaschine Fig. 10 ist die Verstärkung
dadurch noch erhöht, dass das Sattelstützrohr noch eine Strebe c erhält.
Bei dem Damenrad rahmen der New Premier Cycle Co.
Ltd. in Coventry ist die Verstärkung, wie Fig.
11 zeigt, so angebracht, dass sie während der Fahrt nicht zu sehen
ist. Trotz des gedrängten Baues ist teils durch diese Verstärkung erst ein
weiterer Durchgangsraum für den Auf- und Abstieg erzielt und dennoch die
Stabilität erhöht worden. Dieses ist dadurch erreicht, dass das Diagonalrohr
nicht direkt auf das Tretkurbellager, sondern unter demselben endigt.
Bei dem Damenrad der Chinnocke Davis Cycle Co.,
Penge, S. E., (Fig. 12) kommen nur gerade Rohre
zur Anwendung, was wohl die beste Versteifung ist. Hier sind dieselben
Prinzipien massgebend gewesen wie bei der Konstruktion Fig. 7.
Textabbildung Bd. 311, S. 109
Fig. 12. Rahmen der Chinnocke Davis Cycle Co. Ltd.
Das Damenrad der Osmonds Ltd. (Fig. 13) hat zwischen dem gekröpften und dem
unteren Diagonalrohre ein ziemlich wagerechtes Rohr eingeschoben. (Nach „Der deutsche Fahrradhändler und Fabrikant“ vom 8. Dezember
1898.)
Ein leichtes, auf möglichst kleinen Raum zusammengedrängtes Zweirad von R. F. Bartel in Bayonne, N. J., (U. S. P. Nr.
594773) zeigt Fig. 14. Die Anordnung ist so
getroffen, dass die Hinterradgabel a am Steuerkopfe
b verbunden ist. In letzterem sitzt
hier statt der Lenkstange der Sattel, während erstere in einer aussen am
Steuerrohr angebrachten Schelle c ihre Führung hat.
Die Steuerung geschieht nun dadurch, dass das untere Ende des Lenkstangenrohres
d durch Platten f
mit dem Gabelkopf e, der seine Führung in dem
Steuerrohr hat, verbunden ist. Diese gedrängte Form bedingt, das Rad als
Vordertreiber zu bauen.
Textabbildung Bd. 311, S. 110
Fig. 13. Rahmen der Osmonds Ltd.
Das kettenlose Fahrrad der Permanenz-Fahrradwerke
von E. Domasch in Dresden besitzt ebenfalls
Vorderantrieb und einen kurzen Rahmenbau. Dieser Rahmen (Fig. 15) wird jedoch ausser mit geraden,
wagerechten Rohren auch mit nach unten gekröpften Rahmenrohren geliefert. Der
Aufstieg und die Handhabung der Maschine soll weniger Gewandtheit erfordern,
weshalb sie sich besonders für ältere Fahrer, wegen ihrer leichten Handhabung
und stabilen Bauart auch für Militär, Jäger etc. eignet.
Textabbildung Bd. 311, S. 110
Fig. 14. Rahmen von Bartel.
Um die Länge der mehrsitzigen Fahrräder zu verringern, ordnet F. Ljungström in Stockholm nach seinem englischen
Patent Nr. 16695/1896 den vorderen Sattel a (Fig. 16) infolge einer geeigneten Einrichtung des
Rahmens bedeutend höher als den hinteren b an,
wodurch die Fahrer näher zusammenkommen. Bei drei-, vier- und mehrsitzigen
Rädern liegen die Sättel abwechselnd hoch und tief.
Textabbildung Bd. 311, S. 110
Fig. 15. Rahmen von Domasch.
Um mehrsitzige Fahrräder mit grösserer Geschwindigkeit als bisher, aber ohne
grösseren Kraftaufwand fortbewegen zu können, ordnet Whitworth, wie Fig. 17 zeigt, auf einer
Verlängerung des Rahmens, und zwar hinter dem Hinterrad, ein Tretkurbellager an.
Dasselbe dient als Hilfsantrieb, mittels welchem der hinten sitzende Fahrer
seine Kraft direkt auf das Hinterrad überträgt, während der vordere
Antriebsmechanismus der allgemein übliche ist.
Textabbildung Bd. 311, S. 110
Fig. 16. Rahmen von Ljungström.
Ein sturzsicheres Zweirad (System Wülbern) bauen Gebr. Vielhaben in Bremerhaven. Dieses Fahrzeug
besteht aus zwei nebeneinander laufenden Hochrädern, zwischen welchen sich auf
einer gekröpften Achse der Sitz mit Lehne und Fussbrett befindet. Der Antrieb
geschieht mittels zweier Handhebel durch Zugstangen ohne Anwendung von Ketten.
Jedes Rad ist unabhängig vom anderen zu bewegen, zu steuern und zu bremsen;
letzteres geschieht durch zwei Bandbremsen, welche auf die
Antriebskurbelscheiben wirken. Diese Maschine ist zu vollkommenen Kehrtwendungen
befähigt. Ein solches Fahrzeug eignet sich besonders für grossstädtische
Verkehrsverhältnisse, da es so gut wie jedes vierräderige Fahrzeug ohne
abzusteigen angehalten werden kann und ausserdem die kürzesten Wendungen bei
grosser Schnelligkeit gestattet.
Textabbildung Bd. 311, S. 110
Fig. 17. Rahmen von Whitworth.
Unter dem Namen „Twin Wheel“ bringen Blum und
Co. ein unseren Zweirädern ähnliches Dreirad in den Handel. Dasselbe
hat auf der Hinterradachse Zwillingsräder angeordnet, welche 20 cm
auseinandersitzen; diese Anordnung soll schon deshalb manchen Vorteil besitzen,
weil die Kette zwischen den Rädern liegt, und weil jeder dieses Fahrrad wie ein
gewöhnliches Dreirad besteigen und fahren kann. Ebenso sollen Steigungen leicht
zu überwinden sein.
Textabbildung Bd. 311, S. 110
Fig. 18. Zwillingsfahrrad.
In Fig. 18 sehen wir ein zweisitziges Dreirad,
dessen Sitze nicht hintereinander, sondern nebeneinander angeordnet sind. Ebenso
befinden sich auch die Lenkstangen, sowie die Tretkurbellager nebeneinander. Die
Steuerung ist hier eine indirekte, da die Bewegungen der Lenkstangen erst
mittels Schienen a auf den Gabelkopf übertragen
werden. Im übrigen gleicht diese Konstruktion den in D.
p. J. 1896 301 177 Fig. 13 und 1897 303 227 Fig. 13 beschriebenen Zwillingsrädern.
Die nach bisheriger Konstruktion gebauten Zwillingsräder haben den Uebelstand,
dass bei der Belastung die lange Hinterradachse und die lange Nabenhülse des
Hinterrades durchgebogen wird und infolgedessen Klemmungen an den Kugellagern
und dadurch starke Reibung auftreten.
Textabbildung Bd. 311, S. 111
Zwillingsfahrrad von Vorreiter und Co.
Bei der Konstruktion von E. Vorreiter und Co. in
Berlin (Fig.
19 bis 22) sinѤ diese
Durchbiegungen dadurch vermieden, dass die Speichenkränze am Nabenkörper ganz
nahe an die Zahnkränze gerückt sind (a1
a2
,
Fig. 20
und 22).
Ein weiterer Uebelstand liegt in der Verzerrung des Rahmens mit dadurch
herbeigeführtem Durchbiegen der Hinterradachse und schiefem Auflaufen der Ketten
auf die Zahnkränze.
Vermeiden lässt sich dieses durch Diagonalversteifungen (Fig. 20 und 22, b1
b2).
Eine dritte, wenn auch geringere Ursache des schweren Laufes beruht auf dem
Federn des Steuerungsrohres und der Vorderradgabel, und lassen sich hierbei die
seitlichen Schwingungen durch Diagonalversteifungen (c1
c2
,
Fig. 20
und 21),
die vor- und rückwärts gerichteten Schwingungen durch die in der Mitte des
Rahmens zwischen den beiden Fahrern angebrachten Verbindungsrohre d1
d2 aufheben.
Dagegen lassen sich andererseits die oberen gebogenen Rohre des Rahmens ersparen
und sind deshalb auch in Fig. 20 nur die
unteren Rohre e1
e2 gezeichnet.
Die Wandstärke der anderen Rohre kann, da die Biegungsbeanspruchung durch die
Diagonalversteifungen wesentlich beschränkt ist, schwächer genommen werden, so
dass das Gewicht des Rahmens entgegen des bisherigen geringer sein wird.
Die Idee, mehrsitzige Fahrräder für die Zwecke der Feuerwehr zu konstruieren, ist
bereits mehrfach in die Praxis übertragen worden. Ein wirklicher Erfolg wurde
aber bis jetzt noch nicht erzielt, da die technische Durcharbeitung auf
vielfache Schwierigkeiten stösst und es nur schwer gelingt, allen Anforderungen
der Feuerwehr gerecht zu werden. In erster Linie muss die Maschine
ausserordentlich stark gebaut sein, da sie ausser durch die Fahrer mit den
nötigsten Utensilien belastet wird, und an die geringste Schonung nicht zu
denken ist, da selbst die schlechtesten Strassen damit befahren werden müssen.
Ungeachtet dessen darf die Maschine jedoch ein bestimmtes Gewicht nicht
überschreiten, sie muss ferner einen leichten Gang und eine bedeutende
Schnelligkeit entwickeln. Werden diese letzten Bedingungen vernachlässigt,
so kommen die Fahrer in derartig erschöpftem Zustande auf der Brandstelle an,
dass sie nicht mehr im stände sind, mit voller Energie die nötigen Lösch- und
Rettungsarbeiten vorzunehmen.
Das von J. Dressler und Co., Aurora-Fahrradwerke in
Breslau, konstruierte Mannschaftsfahrrad (D. R. G. M. Nr. 84568), welches sich
im Dienste der städtischen Feuerwehr zu Breslau befindet, hat nun erwiesen, dass
es geeignet ist, diesen Anforderungen voll zu genügen. Wie Fig. 23 zeigt, besitzt dieses Fahrzeug vier Räder,
von denen das vordere Paar lenkbar ist; diese Art der Steuerung ist sehr
bemerkenswert, da leichte Lenkbarkeit, verbunden mit Sicherheit gegen seitliches
Umkippen bei scharfen Wendungen von höchster Wichtigkeit ist. Der Rahmen hat die
bekannte Form der Triplet und ist in seiner Längsmittellinie angeordnet.
Charakteristisch ist ferner der Antrieb der Hinterradachse durch zwei parallel
laufende Ketten. Dieses Fahrzeug ist zur Mitnahme einer Schlauchrolle mit 60 m
Schlauch, eines Schlauchrohrs, einer Löschkanne, eines Verbandkastens, einer
zusammengerollten Krankentrage, einer Laterne etc. eingerichtet und wird durch
drei Fahrer angetrieben. Die entwickelte Geschwindigkeit ist eine derartige,
dass das Fahrrad stets mehrere Minuten vor der ersten Spritze auf der
Brandstelle anlangt, so dass beim Eintreffen der letzteren stets die
allernötigsten Vorkehrungen getroffen und die Bekämpfung des Brandes schneller
als sonst in Angriff genommen werden kann. Dieses Vierrad ist 2,50 m lang, 1,22
m breit und wiegt 125 kg ohne Ausrüstung und 167 kg mit derselben.
Kürzlich wurde das nach mehrjährigen Versuchen von dem englischen Ingenieur J. F. Walters konstruierte Wasserfahrrad erprobt
und dabei eine Fahrgeschwindigkeit von 20 km pro Stunde, ohne besondere
Kraftanstrengung, erreicht. Die Konstruktion dieses Hydrocycles besteht aus
einem unserer gebräuchlichen Fahrradrahmen, welcher auf zwei Bootskörpern ruht.
Die Steuerung geschieht hier ebenfalls mittels der Lenkstange, welche das
Steuerruder bethätigt, und der Antrieb geschieht mittels Tretkurbeln, die ihre
Kraft mittels Kette auf den hinten angebrachten Propeller übertragen. Die
Uebersetzung kann hier wie bei jedem anderen Fahrrad beliebig gewählt werden.
Nach den gleichen Prinzipien hat Walters einen
Achtsitzer konstruiert.
Ueber eine neue Art Fussfahrräder, bei welchen zur Fortbewegung nicht die
Körperkraft, sondern nur das Körpergewicht des Fahrers ausgenutzt wird,
berichtet der Internationale technische Courier
folgendes: Die Fussfahrräder werden nach Art der Schlittschuhe befestigt und der
Fahrer beginnt vorwärts zu schreiten. Durch diese Bewegung hebt und senkt sich
die an dem Fuss befestigte und auf dem Angestell beweglich angebrachte
Fussplatte, die mit der Kette und dem Laufrädchen durch eine Kurbelstange
verbunden ist, wodurch wie bei Dampfmaschinen die bekannten Umdrehungen
stattfinden. Die Uebersetzung kann wie bei Fahrrädern durch Einsetzen eines
grösseren oder kleineren Kettenrades beliebig hoch gewählt werden. Durch eine besondere
Vorrichtung wird dem Rückwärtsdrehen der Rädchen vorgebeugt. Von wesentlicher
Bedeutung ist, dass der Läufer, wann und wo er will, anhalten kann, und zwar
ohne Bremsvorrichtung einfach dadurch, dass er den Bewegungen der Fussplatten
nachzugeben aufhört.
Für Armeezwecke sollen sich diese Fussfahrräder ganz besonders eignen, weil
Dauer- und Eilmärsche ohne Erschöpfung der körperlichen Kräfte verhältnismässig
leicht ausführbar sein sollen.
Textabbildung Bd. 311, S. 112
Fig. 23. Mannschaftsfahrrad von Dressler und Co.
Durch D. R. P. Nr. 98421 von J. Kenyon und G. Whewell in Blackburn hat das in D. p. J. 1897 306 56
beschriebene Fahrrad der Circle Cycle Co.
dahingehend eine Verbesserung erfahren, dass, wie Fig.
24 zeigt, das ringförmige Gestell i
zwischen den Tragstützen j und d geteilt ist. Von den an der Teilfuge
zusammentreffenden Ringschenkeln ist der eine zu einer Muffe k erweitert, in welche das spitze Ende i des anderen Schenkels bei auftretenden Stössen
sich verschieben kann. Zur grösseren Elastizität ist noch eine Spiralfeder
eingelegt. Diese Anordnung macht das Fahrrad so elastisch, dass ein Schütteln
der Hände und Arme des Fahrers ausgeschlossen ist.
Textabbildung Bd. 311, S. 112
Fig. 24. Federnde Rahmen von Kenyon und Whewell.
Textabbildung Bd. 311, S. 112
Fig. 25. Federnde Gabel von Janssen und Co.
Unter dem Namen „Hygieia“ bringen Janssen und
Co. in Chemnitz seit längerer Zeit einen Rahmen in den Handel, bei dem
die Hinterradgabel zum Abschwächen der Stösse federnd angeordnet ist (vgl. D. p. J. 1897 306 58
Fig.
20). Durch ihr D. R. P. Nr. 98000 bildet obige Firma nun diesen
federnden Rahmen dadurch noch weiter aus, dass sie die Vorderradgabel ebenfalls
elastisch macht. Natürlich ist hier die Einrichtung so getroffen, dass die
Vorderradgabel die Stösse auffängt, ohne jedoch, wie verschiedene andere
Bauarten, die Gefahr zu bergen, dass beim Niedergang des Gabelrohres der
Pneumatik an die Gabel gepresst wird. Wie Fig. 25
zeigt, trägt das Gabelrohr a an seinem unteren Ende
einen Flansch b und ist nach unten offen, so dass
die Hülse c des Gabelkopfes d ausziehbar in denselben hineinragen kann. In dieser Hülse befindet
sich eine Messinghülse e, welche eine Spiralfeder
enthält; diese letztere hält den Gabelkopf vom Gabelrohr entfernt. Um eine
völlige Trennung beider Teile zu verhindern, sind Führungsbolzen g vorgesehen. Diese laufen in Hülsen h, welche in den Gabelkopf eingeschraubt sind und
in die Gabel hineinragen. Die Wirkung dieses Luftpuffers ist dieselbe, wie
diejenige in D. p. J. 1897 306 58 beschriebene.
(Fortsetzung folgt.)