Titel: | Neuerungen an Fahrrädern. |
Fundstelle: | Band 311, Jahrgang 1899, S. 154 |
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Neuerungen an Fahrrädern.
(Fortsetzung des Berichtes S. 138 d.
Bd.)
Neuerungen an Fahrrädern.
Den meisten bis jetzt gebauten Motorfahrrädern haftet neben dem Mangel der
komplizierten Einrichtungen und des damit zusammenhängenden umfangreichen Aufbaues
noch derjenige einer grossen Schwerfälligkeit des äusseren Aussehens wie des
wirklichen Gewichtes an. Ausserdem ist die Handhabung schwierig und die
Einrichtungen versagen nicht selten.
Textabbildung Bd. 311, S. 154
Fig. 72. Motorrad (System Rüb) von Heinle und Wegelin.
Das von Heinle und Wegelin in Augsburg gebaute
Motordreirad (D. R. P. Nr. 90950, System Rüb) sucht das
Gewicht dadurch zu vermindern, dass der Benzinbehälter und der Motor an Stelle des
oberen bezw. des unteren Rahmenrohres treten, so dass die Rohre an diesen Stellen
überflüssig werden. Auch sind hier keine Pedale, sondern nur Fussrasten angeordnet,
so dass dieses Fahrrad ausschliesslich durch den Motor bewegt werden kann. Als
Vorzug wird bezeichnet, dass der Motor nur etwa den vierten Teil der Tourenzahl
anderer Motorräder, welche 1500 bis 2000 Touren pro Minute machen, ausführt und
infolgedessen eine geringere Abnutzung aufweist.
Textabbildung Bd. 311, S. 154
Fig. 73. Motortandem (System Rüb) von Heinle und Wegelin.
Die ganze Konstruktion dieses Motorrades ist eine sehr einfache, so dass
dasselbe mit grösster Sicherheit gehandhabt werden kann. Es eignet sich daher auch
für alle Zwecke und für jedes Terrain, da es sowohl von einer und von zwei, als mit
Benutzung eines Anhängewagens auch von drei und vier Personen benutzt werden kann.
Mit zwei Personen besetzt, nimmt das Rad Steigungen bis zu 20 %, mit vier Personen
solche mit 6 %. Die Geschwindigkeit kann zwischen 8 und 35 km pro Stunde reguliert
werden. Man fährt mit der kleinen Uebersetzung an und schaltet während der Fahrt, je
nach Bedarf zwei höhere Uebersetzungen ein. Die niedrigste entspricht 8 km, die
mittlere 18 km, die hohe 35 km in der Stunde. Die Aus- und Einschaltung der
verschiedenen Uebersetzungen erfolgt mittels Reibungskuppelungen. Um ein momentanes
Stillstehen der Maschine zu bewirken, hat man nur ein Ventil am Benzinbehälter
abzuschliessen. Der Kolben wirkt sodann durch Luftkompression augenblicklich. Ebenso
eignet sich diese Maschine zum Transport von Waren, da vermöge der Kraft des Motors,
welcher mit 1½ und im Viertakt arbeitet, leicht 10 bis 12 Zentner gezogen
werden können.
Textabbildung Bd. 311, S. 154
Fig. 74. Schnitt durch den Motor (System Rüb) von Heinle und Wegelin.
Die horizontale Lage des 6 l haltenden Benzinbehälters führt eine gute, gleichmässige
Verdunstung des Benzins herbei, während bei aufrecht stehenden Kesseln die
Benzinoberfläche zu klein ist, und schon nach wenigem Verbrauch zu weit von der
Einsaugöffnung zurücktritt, weshalb, da das Benzingas schwerer als die Luft ist,
kein Gas, sondern nur noch Luft eingesogen wird, und eine Zündung nicht mehr
erfolgen kann.
Auf diesem Benzinbehälter c (Fig. 72 und 73) befindet sich in einer für
den Fahrer leicht handlichen Anordnung der Gasmischraum, von welchem aus die
zündbaren Gase dem Cylinder zugeführt werden. In diesem werden sie dann durch einen
von einem Magnetinduktor ausgehenden elektrischen Funken entzündet. Die durch die
Zündung der Gase verursachte Explosion im Cylinder, welcher mit Kühlrippen versehen
ist, wirkt auf den Kolben und dadurch auf die Kurbel mit dem Schwungrad, von wo die
Kraft auf das Kuppelungsgetriebe übertragen wird. Dieses Getriebe enthält die schon
erwähnten drei Geschwindigkeiten, welche durch zwei am Benzinbehälter entlang laufende Hebel
bethätigt werden. Ausserdem ist die Anordnung der Kuppelung eine derartige, dass der
Gang des Motors ein äusserst gleichmässiger und ruhiger ist, und daher weder beim
Anfahren noch während der Fahrt Stösse zu verspüren sind.
Textabbildung Bd. 311, S. 155
Fig. 75. Motordreirad mit Rücksitz (System Rüb) von Heinle und Wegelin.
Der eigentümlich gestaltete Motor a hat zwei
hintereinander liegende Kolben. Die gleichfalls hintereinander liegenden,
verbundenen Cylinder a1
a2 sind oben und unten
so ausgebildet, dass das Ganze als Ersatz für das untere Rahmenrohr dient, während
der Benzinbehälter c das obere Rahmenrohr ersetzt.
Am Vorderteile des Benzinbehälters befindet sich ausser dem Gasmischraum ein zur
Schmierung dienender ¾ l fassender Oelbehälter, dessen Füllung für eine Fahrt von
mindestens 500 km reicht. Von diesem Behälter wird das Oel zwangsweise durch eine
besondere Vorrichtung gleichmässig den Cylindern zugeführt. Das im Behälter
befindliche Benzin reicht für etwa 150 km, so dass sich der Verbrauch auf etwa ½ Pf.
pro Kilometer and Person berechnet.
Zum Inbetriebsetzen dieses Fahrzeuges ist es nur nötig, das richtige Gasgemisch zu
suchen, und den Motor mit einer abnehmbaren Kurbel anzudrehen. Ist der Motor
angetrieben, so braucht man nur den Antriebshebel einzulegen, und das Rad setzt sich
in Bewegung. Ebenso sicher und momentan wirken die Bremsvorrichtungen.
Textabbildung Bd. 311, S. 155
Fig. 76. Motordreirad mit Tandemsitz (System Rüb) von Heinle und
Wegelin.
Fig. 72 zeigt die Anordnung des Motors und seiner
Zubehörteile bei einem Zwei- und Dreirad, Fig. 73 bei
einem Zweiradtandem, Fig. 74 den Längsschnitt durch
den Motor, während Fig. 75 eine Ausführungsform mit
Rücksitz darstellt, wie es als Dreiraddroschke zur Verwendung kommen würde. Fig. 76 zeigt dasselbe Fahrzeug mit hinter dem Sattel
angeordnetem Tandemsitz. Soll das Rad zur Beförderung von mehr als zwei Personen
benutzt werden, so wird mit demselben ein Anhängewagen (Fig. 77) in Verbindung gebracht. In demselben finden, wenn das Dreirad
mit dem in Fig. 75 erwähnten Rücksitz zur
Verwendung kommt, bequem vier Personen Platz. Versieht man dieses Motorrad samt
Anhängewagen mit einem Schutzdach nach Art eines Kremsers, so kann man dasselbe
leicht in ein Vergnügungsfahrzeug umwandeln.
Ueber die Leistungsfähigkeit des Motors wurden dahingehende Versuche gemacht, dass
hinter dem Anhängewagen noch zwei Gepäckdreiräder mit Plattform angebunden wurden.
Es waren hierbei zwei Personen am Dreirade, zwei am Anhängewagen und neun Personen
auf der Plattform, also zusammen 13 Personen, deren Gewicht etwa 800 kg ausmachte.
Hierzu kommt das Eigengewicht aller Vehikel mit 250 kg, so dass der Motor insgesamt
1050 kg fortbewegte.
An Stelle des Benzins kommt seit neuester Zeit ein speziell für Motorfahrzeuge
hergestelltes Produkt unter dem Namen „Stellin“ in den Handel. Dasselbe soll
den Vorteil aufweisen, dass es den Motor weniger erhitzt als Benzin und keine
Rückstände hinterlässt. Der Motor soll daher bedeutend regelmässiger arbeiten, und
die Verbrennungsprodukte sollen durch den Geruchsinn kaum wahrnehmbar sein. Zu
bemerken ist noch, dass das Stellin ausgiebiger als Benzin sich erwiesen haben
soll.
Textabbildung Bd. 311, S. 155
Fig. 77. Motordreirad mit Rücksitz und Anhängewagen (System Rüb) von Heinle
und Wegelin.
Das Motorrad der Société Gladiator ist ebenfalls als
Dreirad konstruiert, weicht aber von der gebräuchlichen Form dadurch ab, dass statt
des einen, zwei Vorderräder angeordnet sind (Fig. 78 und 79). Zwischen
letzteren ist der Erdölmotor, sowie die elektrische Batterie a gelagert. Die Kurbel des Motors ist in einem Oelgehäuse b eingeschlossen. Letzteres besteht aus zwei Teilen,
die durch Bolzen c, mit welchen der mit dem
Entlüftungsventil d versehene Cylinder in die Rille e1 eingefügt ist,
verbunden sind. Letzterer ist mit Kühlrippen versehen, wodurch Wasserkühlung in
Fortfall kommt. Der Erdölbehälter e befindet sich
unterhalb des oberen Rahmenrohres, und die zur Verdampfung nötige Erwärmung des
Erdöls geschieht vom Cylinder aus durch das Rohr f,
welches durch den Hahn g mit h verbunden werden kann.
Oberhalb dieses Behälters e wird durch i Luft angesaugt; dieselbe streicht in der
Pfeilrichtung über die Erdöloberfläche, sättigt sich dort mit Erdölgasen und zieht
durch Kanal k in die Röhre n. Durch das Ventil lm wird die Zufuhr dieser
Erdölgase geregelt; letztere werden in n mit Luft
gemischt, dessen richtiges Quantum durch Ventil o
geregelt wird. Dieses zündfähige Gemisch wird jetzt dem Motor zugeführt und durch einen von der
elektrischen Batterie a und Induktionsrolle a1 erzeugten Tunken
durch p1 im Kaum p entzündet.
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Motordreirad der Société Gladiator.
Diese Zündung wird durch den Kontakt q geregelt, und
erfolgt jedesmal, wenn durch die Daumenscheibe r ein
zweiter Umkreis hergestellt ist. Die Welle des Motors überträgt ihre Kraft durch das
Kettengetriebe 1234 auf das Hinterrad, dessen Antrieb
noch mittels der Tretkurbeln s durch das Kettengetriebe
tt1 unterstützt
werden kann. Zu diesem Zwecke ist der Nabenzahnkranz t1 mit einer Zahnscheibe u und Kugeln v versehen,
so dass derselbe nun bei Benutzung der Tretkurbeln mit dem Hinterrad im Eingriff
steht. Soll das Fahrrad allein mittels der Tretkurbeln fortbewegt werden, so kann
durch ein Ventil w bei w1 die Kompression im Cylinder aufgehoben
werden.
Die Steuerung der beiden Vorderräder geschieht durch die Lenkstange mittels des
Gestänges xyz. Die Geschwindigkeit, sowie das
Ausserbetriebsetzen des Motors wird durch einen an der Lenkstange befindlichen
Kontakt q1
bethätigt.
Revue de Mécanique beschreibt einen Erdölmotor von Baines und Norris. Derselbe wird ein-, zwei- und
viercylindrig gebaut, so dass er an jedem Fahrzeug Verwendung finden kann. Die
Wirkungsweise desselben ist folgende:
Beide Cylinder haben nur einen Verdampfer c (Fig. 80 bis
83),
welcher durch die Abgase der Cylinder aa1 gewärmt und durch die Lampe i, welche die Zündrohre f
heizt, in der richtigen Temperatur erhalten wird. Jeder dieser
Cylinder geht im Viertakt, so dass während der| eine seinen Arbeitshub vollführt,
der andere ansaugt. Die Zuführung der Luft in den Verdampfer geschieht durch die
Röhre h, während der Zufluss des Erdöls, welcher
innerhalb des ringförmigen Raumes i1 durch die Höhe des Rohres k reguliert wird, durch das Röhrchen n
erfolgt Ersteres wird mittels der Nadel pq beim
Rückgang der Hebel c1
vwtr, welche dem Regulator unterworfen sind, geregelt.
Die Zuführung des explosiblen Gemisches geschieht nun durch die selbstthätig
wirkenden Ventile e und das Entweichen der Abgase durch
die zwangläufigen Ventile z.
Fig. 84 und
85
zeigen den Motor mit zwei Cylindern am Hinterrad eines Dreirades montiert. Am oberen
Rahmenrohr befinden sich die Erdölbehälter b2 für den Motor und b3 für die Lampe. Zum Füllen dient die
Pumpe c2. Fig. 86 bis
88
zeigen die zweicylindrige Type an einem Motorwagen, während in Fig. 89 eine eincylindrige Type für leichtere Wagen,
wie einen solchen Fig. 90 zeigt, zu erkennen ist.
Bei dem elektrisch betriebenen Dreirad von Dunton sind
die Akkumulatoren und der Elektromotor zu beiden Seiten des Vorderrades angeordnet.
Letzterer überträgt seine Kraft mittels Zahnradgetriebes direkt auf das Vorderrad.
Wie Fig. 91 zeigt, ist der ganze Mechanismus in
Kästen untergebracht, welche an der Vorderradgabel senkrecht zur Achse befestigt
sind. Auf dem Lenkhebel befindet sich der Umschalter zum Vor- und Rückwärtsfahren;
derselbe ist auf drei Geschwindigkeiten einstellbar, nämlich 6, 12 und 18 km in der
Stunde, und beim Rückwärtsfahren auf 8 km. Die Füllung der Akkumulatoren kostet etwa
1 M. 20 Pf. und reicht für etwa 60 km.
Textabbildung Bd. 311, S. 156
Zweicylindriger Erdölmotor von Baines und Norris.
Charles T. Child beschreibt im Scientific American vom 26. November 1898 die ausführliche Herstellung
eines mit Elektromotoren betriebenen Fahrzeuges, auf deren Einzelheiten hier nicht
näher eingegangen werden soll. Wie Fig. 92 bis 94 zeigen,
besteht das Gestell aus zwei miteinander verbundenen Damenfahrradrahmen, deren
Verbindung man dadurch herstellt, dass mit den beiden Steuer-Hülsen aa1 ein Rohr b verlötet wird, während ein Rohr b1, das an seinen
beiden Enden mit Innengewinde versehen ist, mittels der Sattelklemmschrauben cc1 festgehalten
wird.
Textabbildung Bd. 311, S. 157
Viercylindriger Erdölmotor von Baines und Norris.
Textabbildung Bd. 311, S. 157
Dreirad mit zweicylindrigem Erdölmotor von Baines und Norris.
Die Naben der Tretkurbellager verbindet ein kräftiges Rohr b2, das durch dieselben
hindurchgeht und an seinen Enden mit Schrauben befestigt wird. Zur weiteren
Sicherung sind noch Streben r vorgesehen. Die
Hinterradgabeln verbindet ein -förmiges Rohr b3
, dessen obere wagerechte Enden zwei Elektromotoren mm tragen, während sich auf den nach unten abgekröpften
Teil das Gesell d, das die Batterie s trägt, stützt, (Fig. 93 und 94). Die
Lenkvorrichtung besteht aus je einer halben Lenkstange, welche mittels eines Stabes
h miteinander in Verbindung stehen, wodurch beide
Vorderräder gleichzeitig gesteuert werden.
Textabbildung Bd. 311, S. 157
Zweicylindriger Erdölmotor für Motorwagen von Baines und Norris.
Textabbildung Bd. 311, S. 157
Fig. 89. Eincylindriger Erdölmotor von Baines und Norris.
Der Sattel ist mit Rück- und Seitenlehne ausgerüstet, ist zur weiteren Bequemlichkeit
des Fahrers noch ein Fussbrett f vorgesehen, mit dessen
vorderem Ende ein Schutzblech e, und dessen
hinterem Ende eine Werkzeugtasche t verbunden ist.
Textabbildung Bd. 311, S. 157
Fig. 90. Dreiraddroschke mit eincylindrigem Erdölmotor von Baines und
Norris.
Um nun die 0,6--Motoren (Fig. 95), welche zum
Schutz gegen äussere Einflüsse vollständig in einem Gehäuse eingeschlossen sind,
gegen Erschütterungen zu sichern, sind dieselben drehbar auf der Röhre b3 gelagert, und
mittels Stahlstangen u, welche je mit einer Spiralfeder
versehen sind, an der Verbindungsröhre b1 aufgehängt.
Textabbildung Bd. 311, S. 157
Fig. 91. Mit Elektromotor betriebenes Dreirad von Dunton.
Textabbildung Bd. 311, S. 157
Fig. 92. Rahmenverbindung des Fahrzeuges von Child.
Der Antrieb der Motoren auf die Hinterräder geschieht dadurch,
dass an Stelle des
sonst üblichen kleinen Kettenrades je ein Zahnrad von grösserem Durchmesser sitzt,
in welches ein kleines, mit der Motorachse verbundenes Zahnrädchen eingreift. Dieses
Fahrzeug hat eine Geschwindigkeit von etwa 20 km pro Stunde, seine Batterieladung
reicht für etwa 32 km.
Textabbildung Bd. 311, S. 158
Mit Elektromotoren betriebenes Fahrzeug von Child.
Ein durch Acetylengas getriebenes Motorrad ist im Imperial Institut von London durch
Ingenieur Ralph Lucas ausgestellt worden. Der
Erfinder behauptet, dass 1 Pfund Calciumkarbid genug Kraft entwickele, um 50 Meilen
damit fahren zu können. Das Gas wird vom Erzeuger nach Passieren eines aus einer
Spiralröhre bestehenden atmosphärischen Kondensators zu einer einfachen Gasmaschine
übergeleitet, welche das Hinterrad mittels Kette antreibt. Der ganze Mechanismus ist
sehr klein. Um dieses Fahrzeug auch für Fussbetrieb benutzen zu können, sind Pedale
vorgesehen, die unabhängig vom Motor mittels besonderer Kette ihre Kraft auf das
Hinterrad übertragen.
Textabbildung Bd. 311, S. 158
Fig. 95. Elektromotor.
(Fortsetzung folgt.)