Titel: | Neuerungen an Fahrrädern. |
Fundstelle: | Band 311, Jahrgang 1899, S. 183 |
Download: | XML |
Neuerungen an Fahrrädern.
(Fortsetzung des Berichtes S. 171 d.
Bd.)
Neuerungen an Fahrrädern.
d) Naben und
Kugellager.
Eine einfache Befestigung der Speichen an der Nabe, Welche neben grosser
Festigkeit ein gefälliges Aussehen besitzt, schlägt W.
C. Horne in London nach seinem D. R. P. Nr. 99859 vor. Wie Fig. 128 zeigt, werden in die Nabe a Nuten b ein gefräst,
die bei c erweitert sind. Die Speichen selbst sind
an ihrem oberen Ende mit dem üblichen Gewinde, unten dagegen mit angepressten
oder in Gesenken angeschmiedeten Kugeln d versehen,
die unten in einen Vorsprung e auslaufen; oberhalb
der kugelförmigen Köpfe können die Speichen etwas verbreitert sein.
Textabbildung Bd. 311, S. 183
Fig. 128. Speichenbefestigung von Horne.
Letztere werden nun in die erweiterten Teile c der
Nuten b eingesteckt, dann tangential zur Nabe in
die erwähnten Nuten gelegt und oben mittels ihres Gewindes in üblicher Weise angezogen;
ihre unteren Ansätze e treten dabei in
entsprechende Vertiefungen f ein, so dass hierdurch
die angespannten Speichen unverrückbar in ihrer Lage gehalten werden.
Den älteren Kugellagern haftet der Nachteil unregelmässiger Abnutzung an, da die
den Kettenzug direkt aufnehmenden Teile derselben sich am schnellsten abnutzen,
während die sich mit der Nabe drehenden Lagerschalen, auf denen die Kugeln
rollen und deren Durchmesser ein bedeutend grösserer ist, eine geringere,
gleichmässige Abnutzung erleiden.
Textabbildung Bd. 311, S. 184
Fig. 129. Kugellager von Onnende.
Textabbildung Bd. 311, S. 184
Kugellager von Brown.
Dieser Nachteil ist bei dem in Fig. 129
abgebildeten Kugellager (Patent Onnende) mit sich
drehenden Konussen dadurch umgangen, dass die Lagerschalen b auf die Achse aufgeschraubt und durch
Gegenmuttern c gesichert werden. Die Konusse a werden mit der Nabe c, welche auch das Kettenrad d trägt,
verbunden. Auf diese Weise wird erreicht, dass die Abnutzung über die Flächen
der mit der Achse verschraubten Konusse gleichmässig verteilt wird. Ausserdem
besitzt diese Konstruktion nach Iron Age den
Vorteil, dass infolge der Art der Verschraubung der die Achse umfassende
Oelbehälter hermetisch abgeschlossen ist.
Textabbildung Bd. 311, S. 184
Fig. 132. Kugellager von Lund.
Davon ausgehend, dass bei den zweispurigen Lagern in den einander
gegenüberliegenden gehöhlten Kugelbahnen aa (Fig.
130) eine klemmende Reibung stattfindet, konstruierte Ch. J. Brown in Chicago ein Lager, dessen Tassen
b (Fig. 131) die
Kugeln an der horizontalen Fläche aufnehmen, während der gekrümmte Teil der
Tasse von dem Kugellager gar nicht berührt wird. Jede Kugelreihe hingegen rollt
zwischen zwei Konussen, deren einer i von der auf
der Achse sitzenden Hülse h gebildet wird, während
der andere g im Gewinde der Achse geht.
Um das Nachstellen des Lagers in der gleichen bequemen Weise wie bisher vornehmen
zu können, ist die Hülse h auf der Achse
verschiebbar, so dass beim Hineinschrauben des Stellkonus die Hülse sich auf die
gegenüberliegende Lagerseite schiebt; eine Kerbe verhindert die Drehung der
Hülse.
Um eine gleitende Reibung der Kugeln im Lager zu verhindern, sowie die Belastung
gleichmässig auf die Kugelreihen zu verteilen, hat Ole
Lund in Elgin, Illinois, Nordamerika, ein Lager mit zwei Kugelreihen,
zwischen welchen eine dritte Reihe kleiner Kugeln sich befindet, konstruiert.
Diese beiden Reihen Kugeln rollen einerseits auf den Konussen a (Fig. 132), von
denen der eine gegen den anderen verstellbar ist, andererseits auf dem
Zwischenkonus b, der durch einen Stift mit der
Achse so verbunden ist, dass er die Drehung derselben mitmacht, jedoch in der
Längsrichtung verschiebbar ist. Infolge dieser Anordnung stellt sich dieser
Konus von selbst ein. Ferner besteht die Lagerung aus zwei an der Nabe
verstellbaren Lagerschalen c, in deren
Zwischenraum ein Ring d gelagert ist, der die
mittlere Kugelreihe umfasst. Ein einseitiges Einstellen des Lagers ist durch den
beweglichen Konus ausgeschlossen, also eine Klemmung der Kugeln auf der einen
oder anderen Seite unmöglich.
Ein Kugellager, das sich durch leichtes Nachstellen, sowie dadurch auszeichnet,
dass es behufs Reinigung, ohne besondere Geschicklichkeit, auseinander genommen
und wieder zusammengesetzt werden kann, ist O. H.
Collmer in South Bend (Staat Indiana, Nordamerika) durch D. R. P. Nr.
98829 gegen Nachahmung geschützt. Dasselbe besteht, wie Fig. 133 und 134
zeigen, aus der Nabe a, in deren erweiterten Enden
a1 die
Lagerschalen b bis zum Anschlag ihrer Kopfflanschen
eingeschraubt sind. Im Inneren dieser Nabe a
befindet sich eine hohle Achse d, an deren Enden
die links- bezw. rechtsgängig angeschraubten Konusse ee1 sitzen. Letztere sind durch die
Lagerschalen fortgeführt, und mit Ansätzen e2 in die Gabel f
gepasst, und durch Schrauben g und Unterlegscheiben
gegen Drehung befestigt.
Textabbildung Bd. 311, S. 184
Kugellager von Collmer.
Um nun das Lager nachzustellen, kuppelt man die hohle Achse d mit der Nabe a auf
Drehung dadurch, dass man einen Stift durch das Loch a2, das sich in der Nabe sowie in der
hohlen Achse befindet, steckt, und alsdann das Rad in geeignetem Sinne dreht,
wodurch sich die Konusse ee1 in entgegengesetzter Richtung
verschrauben.
Zur Sicherung der Konusse ist im Inneren der hohlen Achse ein Block k befestigt, welcher in der Mittelachse des Rades
durchbohrt, und beiderseits mit Führungsstutzen versehen ist. Letztere nehmen
zwei Stifte h auf, deren kegelförmige Köpfe h1 sich in
Vertiefungen der Konusse legen. Diese Köpfe werden nun durch Anziehen der
Schraube i, welche durch den Block k geführt wird, und die schräg geformten Enden h2 der Stifte h auseinander treibt, gegen die Konusse gedrückt,
wodurch diese gesichert sind.
Textabbildung Bd. 311, S. 184
Fig. 135. Kugellager von Kirschner und Co.
Beim Nachstellen des Lagers wird zuerst die Oeffnung a2 der Nabe vor den Kopf der Schraube
i gedreht, worauf mittels Schraubenziehers
(Fig.
134 punktiert) die Schraube gelöst und dann wieder angezogen wird.
Ersterer dient gleichzeitig zum Kuppeln von a und
d, um in der erwähnten Weise die Konusse
verstellen zu können.
Beim Reinigen des Lagers werden die Lagerschalen b
abgeschraubt, während die Konusse unverändert in ihrer Lage bleiben. Beim
Zusammensetzen werden jetzt die Lagerschalen wieder bis zürn Anschlag ihrer
Kopfflanschen eingeschraubt, wodurch selbst der Ungeübteste die vorige richtige
Einstellung wieder findet.
Bei dem Kugellager der Komet-Fahrradwerke, A.-G. vorm.
Kirschner und Co. in Dresden befindet sich, wie Fig. 135 zeigt, zwischen dem Kugelhalter, welcher
zugleich die Nabe ölhaltend macht, und der eigentlichen Stopfpackung noch ein
Hohlraum zu dem Zweck, dass, falls durch die Stopfpackung dennoch Staub
hineingelangt, derselbe nicht an die Kugeln kommt, sondern sich in dem Hohlraum
verteilt, indem er dort an den öligen Wänden haften bleibt. Entfernt man dann an
dem Lager die Verschlusshülse, so kann man dasselbe bequem reinigen, ohne die
Nabe auseinander zu nehmen, und ohne dass die Kugeln herausfallen.
Textabbildung Bd. 311, S. 185
Fig. 136. Tretkurbellager von Bilgeri.
Um ein möglichst enges Tretkurbellager zu erzielen, und trotzdem die Kugelreihen
in genügende Entfernung voneinander zu bringen, macht R.
Bilgeri in St. Margrethen (Schweiz) nach seinem Schweizer Patent Nr.
14672 die Tretkurbelachse r (Fig. 136) und die Tretkurbel f, welche zugleich als Lagertasse ausgebildet und
mit dem Kettenrad g verbunden ist, aus einem Stück.
Die Kurbel f1 ist
abnehmbar und ebenfalls als Lagertasse ausgebildet, während die Konusse so auf
der Achse c sitzen, dass derjenige b fest, und der andere b1 zum Nachstellen des Lagers
verstellbar ist.
Textabbildung Bd. 311, S. 185
Fig. 137. Tretkurbellager von Kirschner und Co.
Wie bekannt, ist bei den Konstruktionen der Tretkurbellager mit zweiteiligen
Achsen letztere entweder durch Mutter oder durch Keil zu einem Ganzen verbunden.
Nach Entfernung der Mutter oder des Keiles kann man wohl die Achse herausziehen;
um aber an die eigentliche Lagerung heranzukommen, muss man zuerst die
Lagerschale herausschrauben, dies erfordert erstens viel Zeit, zweitens kann der
Laie bei Montierung des Lagers die Konusse oder Lagerschafen nie wieder so genau
regulieren, mithin haben diese Konstruktionen nicht den richtigen praktischen
Wert. Wenn die Achse zweiteilig ist, so muss man nach Entfernung derselben
alles, und zwar Lagerschalen, Kugeln und Konusse übersehen und untersuchen
können; es muss das Lager so einfach sein, dass Jeder Laie dasselbe nach
Auseinandernähme sofort wieder in die richtige Lage bringen kann. Ein solches
Lager (Fig. 137) bringen die Komet-Fahrradwerke. A.-G., vorm. Kirschner und
Co. in Dresden an ihrem neuesten Modelle an. Bei demselben sind die
Kurbel a und die Achse b aus einem Stück. Auf der Achse befindet sich der linke Konus mit
Gegenscheibe und Mutter. Kurbel c mit Ansatz y dient zur Aufnahme des Kettenrades d, welches durch Konus e festgehalten wird. Löst man nun den Keil f, so kann die Achse mit daran befindlicher linker Kurbel und den
Konussen in 3 bis 5 Minuten aus dem Lager entfernt und ebenso rasch wieder
eingesetzt werden (D. R. G. M. Nr. 92510).
Textabbildung Bd. 311, S. 185
Fig. 138. Tretkurbellager von Siebert.
Das von den Borussia-Fahrradwerken (R. Siebert) in Berlin konstruierte Tretkurbellager
(D. R. P. Nr. 100596) ist, ohne die bekannten Nachteile aufzuweisen, sehr schmal
gebaut und besitzt vollständig staubsichere, ölhaltende Kugellager. Die
Kugelreihen liegen möglichst weit auseinander, und die Tretkurbeln sind ohne
Keile direkt im Lager befestigt. Wie Fig. 138
zeigt, besteht dieses Lager im wesentlichen aus einer Achshülse und zwei
Lagertassen. Das ganze Lager wird in das am Rahmen befindliche Gehäuse
hineingeschoben, wodurch dasselbe unabhängig von ersterem ist. Oellöcher sind
hier vermieden, da die Kugeln sich an Filzscheiben, welche mit konsistentem Fett
getränkt sind, selbst ölen können. Die ⅜ Zoll starken Kugeln werden durch
federnde Ringe in den Lagertassen gehalten, so dass sie beim
Auseinanderschrauben des Lagers nicht herausfallen können; sie liegen ganz nach
aussen, direkt unter den Kurbeln, und zwar um 50 mm weiter auseinander, wie bei
den bisherigen Systemen, weshalb die Kette zwischen statt neben den Kugelreihen
läuft; dadurch erhält die Maschine einen leichteren und ruhigeren Gang.
Die Kurbeln bilden gleichzeitig die Staubkapseln für das ganze Lager; sie sind
mit Rechtsgewinde in die innere Achshülse eingeschraubt und werden durch einen
eingepassten Kegel gehindert, sich gegeneinander zu bewegen.
Textabbildung Bd. 311, S. 185
Drahtachsenlager von Ganswindt.
Um das Eindringen von Staub oder Schmutz in das Tretkurbellager absolut
auszuschliessen, liegen die Kugeln nicht in den Kurbeln selbst, sondern unter
diesen in besonderen Lagertassen, an die sich überdies, um die Abdichtung
vollständig zu machen, die Filzscheiben auf beiden Seiten dicht anschliessen.
Hierzu kommt, dass die Kurbeln, indem sie über das Lager hinübergreifen, als
wirksame Staubkappen dienen.
In gleicher Art, wie das Tretkurbellager, sind auch diejenigen des Vorder- und
Hinterrades hergestellt.
Nach seinem D. R. P. Nr. 99008 lässt H. Ganswindt in
Schöneberg bei Berlin die Kugellager ganz fallen. Das Rad wird mit seiner Nabe
a (Fig. 139) auf eine
Hülse b zweckmässig aus gehärtetem Stahl aufgekeilt
oder sonstwie befestigt. Diese Hülse b ist genau
zentrisch durchbohrt, um zur Aufnahme des die Achse bildenden 1 mm starken
Drahtes c zu dienen, der durch Schraubenmuttern
oder, wie Fig. 140 zeigt, durch Umbiegen mit seinen Enden in den Gabeln d verspannt wird. Infolge des geringen Querschnitts
des aus bestem Tiegelgussstahl o. dgl. hergestellten Drahtes von hoher
Abscherungsfestigkeit ist die Reibung sehr gering und die Drehung des Rades
erfolgt unter geringstmöglichem Widerstände. Um den gefährlichen Querschnitt, an
welchem die Beanspruchung des Drahtes e auf
Abscherung erfolgt, nämlich am Ende der Hülse b in
der Weise zu sichern, dass im Falle eines Bruches des Drahtes, z.B. infolge
Stosses o. dgl., das Rad nicht fortgeschleudert wird, sondern mit seiner Hülse
b eine weitere Lagerung behält, sind in den
Gabeln d Futterhülsen e befestigt, durch deren Bohrungen der Draht c hindurchgeführt und deren glockenartige vordere Erweiterungen e1 über die Enden
der Hülse b fassen, ohne diese indessen zu
berühren.
Wie aus den Abbildungen ersichtlich, kann bei einem etwaigen Bruch des Drahtes
derselbe sofort durch einen neuen ersetzt werden, so dass in wenigen Minuten die
Fahrt wieder fortgesetzt werden kann. Praktische Versuche haben z.B. ergeben,
dass eine eiserne Scheibe von 88 kg Gewicht auf einen Klaviersaiten-Stahldraht
von einem Durchmesser von 4 mm gelagert bei einer Anfangsgeschwindigkeit von
etwa 120 Umdrehungen in der Minute länger lief als auf den besten englischen
Kugellagern, während die Lagerung derselben Scheibe auf Drähten von 2 bezw. 1 mm
Durchmesser die Umdrehungszeit auf das Doppelte bezw. Vierfache steigerte, und
zwar bei ganz grober Ausführung der Einrichtung ohne Schmiervorrichtung.
III. Bremsen.
Eine praktische Bremse, deren Hauptmerkmal die andauernde Funktion vom Augenblicke
der Einstellung bis zur Lösung des Mechanismus ist, fabriziert J. Eckart in Trauenstein, Oberbayern. Wie Fig. 141
zeigt, wird die Bremse mittels des Drückers a dadurch
bedient, dass die Lenkstange in der Mitte gefasst, und der Hebel b mittels des Daumens der rechten Hand zuerst
hinabgedrückt wird. Alsdann wird der Drücker a nach
rechts bewegt, wobei Fig. 142. sich der
kurze Hebelarm unter den festen Ansatz c legt (Fig. 142 und
143),
was eine feste und starke Bremsung bewirkt. Gelöst wird die Bremse dadurch, dass der
Drücker mit dem Daumen wieder gerade gestellt wird; durch einen Druck unter b nach oben werden die Zähne aus dem Ring
zurückgezogen, und es springt die Bremse durch die unten angebrachte Spiralfeder
wieder in die Höhe. Besonderen Vorteil bietet diese Bremse bei andauerndem Gefälle
des Weges, da dieselbe vom leichtesten bis zum stärksten Bremsen eingestellt werden
kann.
Textabbildung Bd. 311, S. 186
Bremse von Eckart.
Als wichtige Neuheit sei noch der Bremsschuh (D. R. G. M. Nr. 89005) der Lipsia-Fahrradindustrie vorm. B. Zirrgiebel in Leipzig
erwähnt (Fig. 144). Derselbe besteht aus drei
Hauptteilen: einer unteren Metallplatte, welche eine grössere Anzahl kleiner Zungen
hat, um welche wechselseitig ein gummiertes Leinwandstück geflochten, und nun von
neuem mit Gummi befestigt wird. Erst auf dieser Leinwand ist der eigentliche
Gummi-Bremsklotz angebracht; das ganze ist beweglich in der federnden Oberplatte
angebracht.
Die Bremse wird so montiert, dass der Bremsschuh beim Niederdruck zuerst mit seiner
Mitte den Reifen berührt. Durch die ihm innewohnende Elastizität legt er sich dann
mit seiner in der Reifenrichtung vorhandenen Hohlkehle vollkommen auf und die obere
ebenfalls federnde Platte tritt gleichzeitig in Wirkung. Jetzt pressen sich die
Enden des Bremsschuhes automatisch auf den Reifen, und so greift der ganze
Bremsschuh infolge der doppelten Federung, und weil sich durch dieselbe die
Länge des Bremsschuhs verkürzt, krallenartig in den Pneumatik. Die Mitte des
Bremsschuhs hebt sich ab, löst eventuell gefassten Schmutz oder Sand los und die
scharfen Gummi' kanten des Bremsschuhs streifen den Schmutz oder sonstigen Unrat
zuverlässig und ohne den Gummi zu beschädigen ab. Die Elastizität des
Gummi-Bremsschuhs schliesst jede Verletzung aus.
Textabbildung Bd. 311, S. 186
Fig. 144. Bremse von Zirrgiebel.
Eine Bremse, bei welcher das Gestänge, sowie der Bremshebel in Fortfall kommt, bringt
C. Ehling in Bremen-Neustadt in den Handel (D. R.
G. M. Nr. 97091).
Textabbildung Bd. 311, S. 186
Fig. 145. Bremse von Ehling.
Wie Fig. 145 zeigt, ist der Bremsschuh wie gewöhnlich
an der Gabel befestigt und mit einem Hebel a versehen,
dessen äusseres Ende einen Zugriemen b trägt. Mit
letzterem kann gleichzeitig eine Radlaufglocke derart verbunden werden, dass bei
geringem Anziehen des Riemens die Glocke ertönt, bei stärkerem Anziehen dagegen noch
die Bremse in Thätigkeit tritt.
Eine solche Bremse ist nicht schwerer als die beliebten, jedoch von vielen
Polizeibehörden nicht zugelassenen Fussbremsen, welche meist aus einem federnden
Stahlband, welches hinter der Vorderradgabel angebracht ist, bestehen (Fig. 146).
Textabbildung Bd. 311, S. 186
Fig. 146. Bremse von Zirrgiebel.
Eine andere Konstruktion von Zirrgiebel zeigt Fig. 147. Hier ist statt des Stahlbandes eine Rolle
angeordnet, welche durch eine Feder über dem Reifen gehalten wird. Beide Bremsen
werden dadurch bethätigt, dass man den Fuss bei n
aufsetzt.
Textabbildung Bd. 311, S. 186
Fig. 147. Bremse von Zirrgiebel.
Die Uebelstände, welche die Reifenbremse begleiten, sind allgemein bekannt. Dass
trotzdem die Felgenbremse nicht in grösserem Mass Anwendung gefunden hat, liegt
darin, dass einige recht brauchbare Systeme nur von einigen Firmen verwendet werden
durften, die gerade den gesetzlichen Schutz besassen (vgl. D. p. J. 1895 296 157 Fig. 94 und 95).
Abweichend von diesen Systemen ist die Hand- oder Fussbremse (D. R. G. M. Nr.
73108), welche von G. Winterholler in Miesbach (Bayer.
Hochland) fabriziert wird (Fig. 148 und 149). Um dieselbe montieren zu können, ist es nötig,
das Rad mit einer Felge, die geeignete Bremsfläche bietet, auszustatten. Man kann
nun entweder hierzu eine eigens profilierte hohle Stahlfelge wählen, oder auf eine gewöhnliche
Felge einen Holzreifen aufsetzen, der zugleich die Festigkeit und
Widerstandsfähigkeit des Rades erhöht.
Textabbildung Bd. 311, S. 187
Fig. 148. Bremse von Winterholler.
Um die Fussbremse in Thätigkeit zu setzen, genügt es, einen Fuss auf den rechts oder
den links befindlichen Hebel zu setzen. Die Wirkung der Hemmschuhe wird ebenso wie
bei Anwendung beider Füsse eine gleichmässige sein.
Textabbildung Bd. 311, S. 187
Fig. 149. Bremse von Winterholler.
Textabbildung Bd. 311, S. 187
Fig. 150. Bremse der Hay und Willits Mfg. Co.
Die Handbremse wird durch Anziehen des Bremshebels in der üblichen Weise in
Thätigkeit gesetzt.
Die in Fig. 150. abgebildete Bremse ist vollständig in
der Hinterradnabe a eingeschlossen. Der Reibungskegel
b aus Vulkanfiber ist auf der Achse befestigt. C zeigt den zweiten Reibungskegel, der hohl ist und am
rechten Ende aussen ein rechteckiges Gewinde von starker Steigung hat. Auf dieses
passt die Mutter d, welche mit zwei Einschnitten für
die Vorsprünge der Scheibe e versehen ist. Ebenso hat
das Kettenrad zwei Einschnitte, in welche die erwähnten Vorsprünge eingreifen, f zeigt die Zusammenstellung der beiden Reibungskegel,
der Mutter und der Scheibe, wobei zu bemerken ist, dass nur der hohle Reibungskegel
längs verschiebbar ist, während die anderen Teile von der Hinterradnabe unverrückbar
gehalten werden, wie g zeigt. Die Mutter kann mit der
Scheibe nur ungefähr ⅙ Umdrehung machen, da die Vorsprünge durch die Schlitze
einer auf die Nabe geschobenen Mutter im Anschlage begrenzt sind. Um die Bremse in
Thätigkeit zu setzen, genügt ein leichter Druck in entgegengesetzter Richtung der
Fahrt auf die Pedale, wodurch das Kettenrad durch die Scheibe e die Mutter verdreht, wodurch der hohle Reibungskegel
verschoben und an den festen Reibungskegel gepresst wird. Diese Bremse wird nach Scientific American von der Hay
und Willits Mfg. Co. in Indianapolis, Ind., Nordamerika, hergestellt.
Wenn ein möglichst plötzliches Anhalten des Fahrrades erforderlich ist, und zu diesem
Zwecke die Tretkurbeln angehalten werden, so kommt es vor, dass durch den beim
Gegentreten hervorgebrachten Ruck die Treibkette reisst, wodurch also eine Bremsung
durch die Tretkurbeln nicht mehr möglich ist. Um in solchen Fällen trotzdem eine
sichere Bremsung zu bewirken, ordnet J. G. Accles in
Peny Barr (England) eine selbstthätig wirkende Bremse an (D. R. P. Nr. 95956).
Dieselbe ist bei unbeschädigter Treibkette durch diese ausser Berührung mit dem
Radreifen gehalten, wird aber beim Zerreissen der Kette freigegeben, von dem
Radreifen mitgenommen und infolge exzentrischer Anordnung ihres Drehzapfens zum
Hinterrade fest gegen den Radreifen gezogen.
Bei der Ausführung ist, wie Fig. 151 zeigt, am
Fahrradrahmen eine Scheibe a fest angeordnet, welche
exzentrisch zu der Achse des Hinterrades b einen
Drehzapfen c für die Bremse trägt. Letztere besteht aus
einem an beiden Enden mit Rollen ausgerüsteten Winkelhebel dd1
, dessen kurzer Schenkel d, durch eine Feder e niedergedrückt, sich
mit seiner Rolle f auf den oberen Strang der Treibkette
stützt, wodurch der lange Schenkel d1 mit seiner einstellbaren Bremsrolle h in geringer Entfernung von dem Radreifen b gehalten wird.
Textabbildung Bd. 311, S. 187
Fig. 151. Bremse von Accles.
Findet nun ein Zerreissen der Kette statt, so wird der jetzt nicht mehr gestützte
Schenkel d durch die Feder e herabgedrückt, der Schenkel d1 wird gehoben und die hierdurch mit dem Radreifen
in Berührung gebrachte Bremsrolle h wird von dem in der
Pfeilrichtung rotierenden Rade mitgenommen. Hierbei drückt sich dieselbe infolge der
exzentrischen Lage des Drehzapfens c fest in den
Radreifen ein und führt eine wirksame Bremsung herbei.
IV. Sättel.
Einen wunden Punkt im Fahrradbaue bildete von jeher der Sattel. Es schien fast
unmöglich, einen Sattel zu konstruieren, welcher jedem Fahrer angenehmen und gesunden Sitz bietet; zu
der Verschiedenheit des Geschmacks und der Gewohnheit trat hier noch die
Verschiedenheit des Körperbaues. Nun hat die Lipsia-Fahrradindustrie vorm. B. Zirrgiebel in Leipzig in ihrem Psychp-Sattel (Fig. 152
bis 154) einen Fahrradsattel geschaffen, welcher
neben elegantem Aussehen viele Vorteile in sich vereinigt. Derselbe wird, den
verschiedenen Verwendungen angemessen, als Herren-, Damen-, Renn-, Knaben- und
Mädchensattel hergestellt. Bei der einen Form ist eine breite Sitzfläche durch einen
weitgebogenen Holzbügel geschaffen, während bei einer anderen Form ein Bügel aus
nicht gebogenem Holz verwendet wird. Bei beiden jedoch wird den Sitzknochen eine
bequeme und sichere Auflagefläche geboten und ein Druck auf die empfindlichen
Weichteile vermieden. Das letztere wird durch herzförmige Oeffnung in der Mitte des
Sattels und durch Lederverschnürung bei der einen und Bandunterlage bei der anderen
Form erreicht.
Textabbildung Bd. 311, S. 188
Fig. 152. Sattel von Zirrgiebel.
Für empfindliche Fahrer besonders geeignet ist die in Fig.
154 dargestellte Sattelkonstruktion derselben Firma. Der hauptsächlichste
Vorzug besteht darin, dass die beiden gepolsterten Sitzkissen, welche einen sehr
weichen Sitz bilden, vollkommen voneinander getrennt, und daher durchaus unabhängig
voneinander sind. Infolgedessen wird der Sattel nicht bei jedem Tritt des Fahrers
nach der Seite verzogen, auf welcher sich die jeweilig niedergehende Tretkurbel
befindet, sondern es findet ein stärkerer Druck nur auf das betreffende Sitzkissen
statt.
Textabbildung Bd. 311, S. 188
Fig. 153. Sattel von Zirrgiebel.
Der ganze Sattel ist so elastisch, dass er sich den Körperformen genau anpasst, und
den Bewegungen, welche der Körper des Fahrers machen muss, folgt.
Der Sitz ist weich und luftig, ein Erhitzen der Sitzfläche ist daher ausgeschlossen.
Auch ist ein Nachlassen der Elastizität und Schlappwerden des Sattels unmöglich.
Textabbildung Bd. 311, S. 188
Fig. 154. Sattel von Zirrgiebel.
Die Anforderungen, welche man an einen nach hygienischen Grundsätzen richtig
konstruierten Sattel stellen muss, findet man bei dem „Zwillings“-Sattel von
Uschmann und Co. in Berg.-Gladbach erfüllt. Dieser
Sattel weist zwei vollständig voneinander getrennte Sattelbacken auf, welche aus
einem Luftschlauch in der in Fig. 155 ersichtlichen
Form und aus einer Chevreaux-Lederdecke bestehen, die mit einer durch Draht
verstärkten Wulst versehen ist. An den Sattelbacken sind zur Aufnahme der Wulste
Aufbördelungen vorhanden. Die Luftschläuche können in der gewöhnlichen Weise
aufgeblasen und repariert werden.
Auf einen Umstand möchten wir aufmerksam machen d. i. die Nachgiebigkeit der
vorderen Sitzkanten beim Niedergang des Schenkels. Hier zeigt sich erst der Vorteil
der Luftkissen, denn das Sattelkissen gibt jedem starken Druck nach, ohne für die
Dauer zu reiben oder zu hitzen. Die Konstruktion des Federsystems ist der Sitzfläche
entsprechend zweisitzig, wodurch die Sitzbacken noch unabhängiger voneinander
gestaltet worden sind.
Textabbildung Bd. 311, S. 188
Fig. 155. Sattel von Uschmann und Co.
Das 99er Modell des Reformsattels (Fig. 156) der Firma
Thomann und Büttner in Leipzig, ist eine
Vervollkommnung des früheren Reformsattels. Hier sind die Sitzpolster je aus einem
Stück Leder, so dass die Naht, welche die obere Fläche des Polsters sonst begrenzte,
fortgefallen ist. Der weiche, elastische und dauernd kühle Sitz ist dadurch
erreicht, dass an Stelle von Rosshaaren, Komposition u.s.w. kleine Sprungfedern
verwendet sind. Während nun früher Federn gleicher Stärke über dem ganzen Polster
verteilt waren, hat man, den neueren Anforderungen gemäss, die zur Aufnahme des
Gesässes dienenden Federn (ringförmig angeordnet) stark, die dem Sitzknochen
Widerstand bietende Feder dagegen entsprechend schwächer gehalten. Dadurch ist der
Sitz fester und sicherer.
Textabbildung Bd. 311, S. 188
Fig. 156. Sattel von Thomann und Büttner.
Bei dem Firmus-Sattel der Firmus-Fahrradreifen-Gesellschaft in Berlin (Fig.
157) sind die etwa 3 cm hohen Sitzpolster mit einer sehr elastischen
Kompositionsmasse gefüllt, die in ihrer Eigenschaft als schlechter Wärmeleiter
dauernd eine angenehme Kühle behält. Untersuchungen haben ergeben, dass diese Masse
grosse Elastizität zeigt; einem hohen Druck ausgesetzt, behält sie nach Aufhebung
desselben nur kurze Zeit das durch den Druck verminderte Volumen bei, und dehnt sich
rasch wieder auf das ursprüngliche Volumen aus.
Textabbildung Bd. 311, S. 188
Fig. 157. Sattel der Firmus-Fahrradreifen-Gesellschaft.
Eine Kälte von 20° C. bleibt ohne Einfluss auf diese Masse, und bis 120° C. erhitzt,
schmilzt sie nicht. Dem direkten Feuer ausgesetzt, tropft sie nicht ab, sondern
verkohlt, ohne zu brennen. Durch die Feuchtigkeit der Luft erleidet sie ebenfalls
keine Veränderung.
Nicht jeder kann sich jedoch an die vorbeschriebenen Arten gewöhnen, möchte aber doch
einen Sattel, der möglichst die Vorzüge eines hygienischen Sattels in sich
vereinigt.
Dieses findet man an dem neuen Polstersattel (Fig.
158) von Leopold und Hartmann in Rothenburg o. Tauber. Derselbe,
ein Hammock-Sattel, ist mit einem Wildlederpolster überzogen, das in der Mitte eine
geeignete Vertiefung zur Vermeidung des Druckes auf den Damm aufweist. Neuerdings
fabriziert dieselbe Firma auch Sättel mit geteiltem Polster.
Andere Fabriken stellen ihren Sattel, um einen elastischen und luftigen Sitz zu
erhalten, so her, dass das Leder der Sitzfläche durch ein Drahtgeflecht ersetzt
wird. Eine weitere Sattelkonstruktion ist die, dass das Leder ganz in Fortfall
kommt, und die Sitzfläche aus Rohrgeflecht ähnlich dem der Rohrsessel ist.
Textabbildung Bd. 311, S. 189
Fig. 158. Sattel von Leopold und Hartmann.
Trotz der vielen Verbesserungen wird immer noch zu wenig danach gestrebt, den Sattel
so herzustellen, dass dieser für alle Fahrer passt. Schon ein flüchtiger Blick auf
die verschiedenen Körperkonstitutionen sollte die Konstrukteure belehren, dass
verschiedene Sattelgrössen ebenso notwendig sind, wie verschiedene Rahmenhöhen beim
Fahrrad. Wie man sich aber beim Fahrrad durch Verstellung von Sattelstütze und
Lenkstange eine bequeme Körperhaltung zurechtstellen kann, so sollte man auch den
Sattel wenigstens nach der Breite hin verstellen können. Diese Möglichkeit ist noch
bei keinem Sattel geboten worden, weshalb „Böheim's Durania-Sattel“ der Rheinischen
Fahrradsattelfabrik von Hugo Böheim in Düren,
Rheinl. (Fig. 159), der erste dieser Art ist.
Derselbe besteht aus zwei getrennt gehaltenen, gepolsterten Sitzen, welche genügend
gross sind, um eine bequeme Sitzfläche bieten zu können, und welche auf einem
Federungssystem ruhen, um dauernd angenehm und weich sitzen zu können. Die Polster
können in der Breite verstellt werden, je nach der Konstitution des Fahrers. Damit
wird zugleich erreicht, dass sich der Sattel ganz der Gewohnheit des Fahrers
anpasst.
Textabbildung Bd. 311, S. 189
Fig. 159. Sattel von Böheim.
Dadurch, dass die Sitzpolster von einander getrennt und vollständig frei ruhend
angebracht sind, zirkuliert die Luft im denkbar grössten Masse, und verschafft den
sonst von der Hitze so stark belästigten Körperteilen angenehme Kühlung, ungerechnet
der Vorteile, welche sich ergeben, wenn in der Mitte eine Spalte angeordnet ist. Der
Hauptvorzug des Sattels liegt aber in der Beweglichkeit der Sitzpolster, indem sich
diese infolge einer Scharniereinrichtung ohne jedes Hindernis nach unten und oben
leicht bewegen, getreu der wechselseitigen Auf- und Abwärtsbewegung der Schenkel
folgend, so dass sowohl Druck wie Reibung vollständig ausgeschlossen sind.
(Schluss folgt.)