Titel: | Die II. internationale Acetylenausstellung zu Budapest vom 15. Mai bis 5. Juni 1899. |
Autor: | F. Liebetanz |
Fundstelle: | Band 313, Jahrgang 1899, S. 57 |
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Die II. internationale Acetylenausstellung zu
Budapest vom 15. Mai bis 5. Juni 1899.
Von F. Liebetanz in
Düsseldorf.
(Fortsetzung des Berichtes Bd. 312 S.
157.)
Die II. internationale Acetylenausstellung zu Budapest.
Nach dem allgemeinen Ueberblick über die Ausstellung soll nun eine Besprechung
der beachtenswerteren Aus-Stellungsobjekte erfolgen.
Zunächst ist hier von deutschen Firmen die Allgemeine Karbid-
und Acetylen-Gesellschaft in Berlin NW zu nennen, die mit einer
ausserordentlich reichhaltigen Kollektion ihrer Fabrikate vertreten war. Die
letzteren gehören zu dem Besten, was die Acetylenindustrie bisher hervorgebracht
hat. Zwar lässt der Apparat „Automat“ (Fig. 1)
eine anscheinend komplizierte Bedienung vermuten, jedoch haben wir uns überzeugt,
dass die Funktion des Apparates ununterbrochen tadellos von statten geht. Der
Apparat ist nach dem Einfall-(Einwurf-)System konstruiert, d.h. das Karbid fällt
selbstthätig in abgemessenen Quantitäten ins Wasser. Das Karbid befindet sich
in dem oben rechts neben dem Abzugsrohr a angebrachten
Behälter b in einzelnen Fächern, die nach und nach über
das unterhalb des Behälters angeordnete Füllrohr zu stehen kommen und durch die
Bodenöffnung ihren Inhalt in den Entwickler c
entleeren. Die Bethätigung der Bewegungsvorrichtung der Fächer geschieht durch den
Gasbehälter d links neben dem Entwickler c in der Weise, dass beim Sinken des Gasbehälters
jedesmal ein Fächer über die Bodenöffnung rückt und seinen Inhalt entleert, worauf
Gas entwickelt wird und durch Hineintreten in die Gasbehälterglocke diese hebt, e und f sind die Wäscher,
Reiniger und Trockner des Gases. Der Apparat gestattet die Nachfüllung von Karbid
auch während des Betriebes und zeigt ferner den Karbidvorrat aussen an. Das hier ausgeführte System
der Beschickung ist bereits auf der vorjährigen Berliner Ausstellung von Kesselring vorgeführt worden, jedoch war die
Bethätigung dieser Beschickung bei dem Kesselring'schen
Apparat sehr kompliziert. Auch der Revolverapparat der Société du Gaz Acétylène ist nach diesem Beschickungssystem gebaut;
derselbe hat aber den Nachteil, dass der Bewegungsmechanismus so diffizil ist, dass
er nicht selten versagt. Beide Apparate werden zweifellos in letzter Zeit verbessert
worden sein.
Textabbildung Bd. 313, S. 58
Fig. 1.Apparat „Automat“ von der Allgemeinen Karbid- und
Acetylen-Gesellschaft.
Im Gegensatz zu vorbeschriebenem Apparat wird der kleine Zentralapparat derselben
Firma (Fig. 2) von Hand bedient, wie aus der
Abbildung ersichtlich ist. Trockner, Reiniger und Wäscher sind direkt an dem
Generator angebracht. Dieser Apparat für eine grössere Anlage ist in Fig. 3 veranschaulicht. Das Karbid wird bei e eingeworfen und gelangt auf einen im Entwickler P bei r angeordneten Rost.
Behälter P ist zu ¾ mit Wasser gefüllt. Das erzeugte
Gas strömt nach dem kombinierten Reiniger und Wascher RW, indem es Hahn c passiert, gelangt von
hier durch Hahn o nach dem Trockner T und durch k nach dem
Gasbehälter G, aus dem es nach Bedarf dem Leitungsnetz
zugeführt werden kann. Vorher muss es noch einen zweiten Trockner T passieren. Zur Reinigung des Entwicklers dient der
Ablasshahn x und verschraubbare Oeffnung r, zur Abführung überschüssigen Gases Rohr a und zur Ausschaltung der Reinigungsvorrichtung
Umlaufrohr U mit Hähnen c
und k. Hahn d bleibt
geschlossen, wenn die Reinigungsvorrichtung benutzt wird, anderenfalls wird dieser
geöffnet und die Hähne c und k geschlossen. Das Ansatzrohr b hat den
Zweck, das Wasser im Einwurfrohre über ein bestimmtes Niveau nicht steigen zu
lassen. SS sind zwei Wassersäcke zur Aufnahme der von
dem Gase noch mitgerissenen Wasserteilchen. Die Einfachheit der kleinen Anlage lässt
kaum etwas zu wünschen übrig und ist zugleich ein Beispiel für die leichte und
billige Einrichtung einer Acetylengasanstalt. In diesen Apparaten entwickelt sich
luftfreies Acetylen, weshalb etwaige gefährliche Acetylen-Luftgemische
ausgeschlossen sind. Das Acetylen wird in dem kombinierten Wäscher und Reiniger
zuerst mittels Waschen in Wasser vom Ammoniak und sodann durch die durch Wolff verbesserte Chlorkalkreinigung von Lunge und Cederkreuz
energisch vom Phosphor- und Schwefelwasserstoff befreit. Die Apparate und die
Reinigung dieser Gesellschaft sind durch Patente und Gebrauchsmuster geschützt und
wurden mit der goldenen Medaille prämiiert. Die Gesellschaft, welche die Städte
Oliva und Schönsee mit Acetylenbeleuchtung versehen hat und gegenwärtig die
städtischen Zentralen in Ellerbeck und Lippspringe baut, hatte in Budapest eine
Anlage für 300 Flammen ausgestellt und führte ausserdem kleinere Apparate, Laternen,
Brenner u.s.w. vor.
Einen vorzüglichen Eindruck machte die Ausstellung der Allgemeinen Acetylen-Gesellschaft „Prometheus“ in Leipzig. Die
Apparate dieser Firma werden hier das erste Mal in einem Fachjournal beschrieben
und, wie zu sehen, machen sie einen durchaus soliden Eindruck. Alles, was die
Gesellschaft in Budapest ausstellte, war gediegene Arbeit, die wohlthuend von vielen
anderen Blechapparaten abstach. Die in Budapest vorgeführten Apparate der
Gesellschaft zeigen zwei verschiedene Grundprinzipien und zwar ist der Apparat
„Kosmos“ nach dem Einwurfsystem der Apparat
„Universal“ nach dem Ueberlaufsystem unter
Berücksichtigung grösstmöglichster Wasserkühlung gebaut. Beide Systeme arbeiten in
allen Grössen selbstthätig.
Textabbildung Bd. 313, S. 58
Fig. 2.Kleiner Zentralapparat von der Allgemeinen Karbid- und
Acetylen-Gesellschaft.
Der Apparat „Kosmos“ (Fig. 4). Das Karbid kann in Stückform verwandt werden, deren Grösse durch
das Einwurfgitter des Vorratsbehälters vorgeschrieben ist.
Die Karbidgrösse ist bei kleinen Apparaten bis zu 5 cm, bei grösseren Apparaten
unbeschränkt. Das Karbid wird dem Vorratsraum durch eine rotierende Trommel in
abgeteilten Quantitäten entnommen, wobei eine Jalousie verhindert, dass Stücke ein
Versagen oder Klemmen der Trommel verursachen können.
Textabbildung Bd. 313, S. 59
Fig. 3.Zentralapparat für eine grössere Anlage von der Allgemeinen
Karbid- und Acetylen-Gesellschaft.
Die Bewegung der Trommel erfolgt automatisch durch den
Gasometer und ist derart geregelt, dass der Gasometer bei vollem Betriebe
durchschnittlich auf halber Höhe steht, ohne bei Betriebsunterbrechung über ¾ seiner
Steighöhe gelangen zu können. Das von der Trommel geworfene Karbid gelangt in einen
Einwurfschacht, welcher in das Entwickelungswasser taucht. Durch diese Anordnung
wird verhindert, dass bei Neufüllung des Apparates eine Ausströmung von Gas aus dem
Entwickelungsraum stattfindet, sowie dass Luft in denselben eintreten kann. Der
Entwickelungsraum ist derart eingerichtet, dass die Zersetzungsprodukte des Karbids
während des Betriebes aufgerührt, herausgenommen, der Wasservorrat teilweise
abgelassen oder erneuert werden kann, es ist somit möglich, flüssigere Bestandteile
zurückzuhalten und nur den groben Schlamm zu entfernen. Es ist dadurch ferner
möglich, Verstopfungen der Ablasseinrichtung durch Siliciumeisen zu verhindern.
Viele Besitzer von Einwurfapparaten haben es wahrscheinlich schon sehr unangenehm
empfunden, dass sie durch Verstopfungen der Einlassöffnung veranlasst wurden, die
bisher üblichen Mannlochdeckel ihrer Apparate zu entfernen, um eine innere
gründliche Reinigung zu ermöglichen und Verstopfungen zu beseitigen. Zu den
angenehmsten Arbeiten gehört dies keinesfalls.
Textabbildung Bd. 313, S. 59
Fig. 4.Apparat „Kosmos“ von der Allgemeinen Acetylen-Gesellschaft
„Prometheus“.
Es ist dieser missliche Uebelstand beim „Kosmos“völlig vermieden, es
ist ferner durch die ständige Zugänglichkeit des Entwickelungsinneren eine bessere
Beurteilung des Entwickelungswassers ermöglicht und durch die Beibehaltung eines
Teiles desselben für neue Chargen wird der Gasverlust durch Absorption
eingeschränkt, wie auch die Entwickelung von schädlichen Gasbeimengungen
eingeschränkt ist, da das vorhandene Kalkwasser die Bildung solcher beeinträchtigt.
Der Apparat lässt ausserdem sofortigen Handbetrieb zu, ohne dass der automatische
Betrieb ausser Thätigkeit zu treten braucht. Der Apparat gestattet ferner durch
seine Anordnung mit grossen Karbidvorräten zu arbeiten und ist dadurch für die
grössten Anlagen ohne weiteres verwendbar, wenn schon es sich immer empfehlen wird,
grössere Anlagen nicht auf einen einzigen Apparat zu basieren.
Textabbildung Bd. 313, S. 60
Fig. 5.Apparat „Universal“ von der Allgemeinen
Acetylen-Gesellschaft „Prometheus“.
Textabbildung Bd. 313, S. 60
Fig. 6.Zentralapparat „Attila“.
Der Apparat „Universal“ derselben Firma (Fig. 5) besteht im wesentlichen aus Gasometer, einem
oder mehreren Entwicklern, und einem hydraulischen Regulator. Die Entwickler teilen
sich je nach Grösse in mehrere Abteile, von denen jedes einzelne unabhängig vom
anderen in oder ausser Betrieb gesetzt, entleert oder gefüllt werden kann. Die
Abteile sind durch besondere Vorrichtung gegen Oeffnung während des Betriebes
geschützt. Es sind nur kleine Karbidmengen jeweilig im Betriebe und durch die
vollständige, reichliche Wasserkühlung, bei welcher das Gegenstromprinzip mit
angewandt ist, tritt eine schädliche Erhitzung in dem Entwickler nicht ein. Der
Regulator regelt unter Vermeidung aller Hähne den Wasserzutritt zum Karbid derart,
dass beim Fernhalten des Wassers vom Karbid dennoch der Nachgasung freier
Zutritt zum Gasometer bleibt. Ausserdem lässt der Regulator sofort erkennen, ob und
wie die Entwickler arbeiten. Derselbe dient ferner gleichzeitig als Wäscher. Die
Apparate sind bis zu 100 Flammen für den Nichtfachmann jedenfalls die bequemsten und
vermöge ihrer Konstruktion, welche davon ausgeht, nur mit Waschverschlüssen zu
arbeiten, auch absolut sicher.
Auch dieser Gesellschaft wurde, wie zu erwarten, die goldene Medaille zuerkannt.
Ausser den besprochenen Apparaten stellte die Gesellschaft Lokomotivlaternen; Acetylenkocher, Lampen, Armaturen u.s.w. in
gediegener Ausführung aus.
Textabbildung Bd. 313, S. 60
Fig. 7.Zentralapparat „Attila“.
Die Firma Schilling und Gutzeit in Königsberg i. Pr. und
Budapest war in ausgedehnter Weise vertreten. Sollte ein scharfer Gegensatz markiert
werden oder hatte die Firma andere Gründe – genug, die Firma stellte in der
Ausstellungshalle fast nur Acetylenkutschen-, Fahrrad- und Handlaternen, sowie
Acetylentischlampen aus, während sie im Hofraum der Halle eine imposante
Acetylenanlage für 2000 Flammen demonstrierte. Apparate mittlerer Grösse, also für Hausgebrauch,
hatte die Firma, soviel wir beobachten konnten, nur in einem Exemplar ausgestellt.
Dieser Apparat war nach dem System Karbid ins Wasser
konstruiert und speiste über hundert zu einer ungarischen Krone vereinigte Flammen.
Die auf dem Hofe installierte Acetylenzentralanlage für 2000 Flammen wurde
anlässlich der Ausstellung das erste Mal in Betrieb gesetzt und funktionierte
tadellos. Auch die hierbei in Thätigkeit befindlichen Entwickler sind nach dem Einwurf System gebaut und werden von der
Gasometerglocke mittels „Einweicher“-Antriebsübersetzung betrieben.
Handeinwurfapparate wurden von dieser Firma nicht vorgeführt und, wenn ich nicht
irre, baut sie solche überhaupt nicht. Der Apparat kann ohne Betriebsstörung und
ohne Gasverlust stets kontrolliert und nachgefüllt werden. Die Anlage beanspruchte
schon aus dem Grunde Interesse, weil sie genau nach den von der Firma Schilling und Gutzeit fertiggestellten oder im Bau
begriffenen Acetylengasanstalten der Städte Arys, Bischofswerder, Frauenburg,
Gutstadt, Johannisburg, Passenheim, Ratzebur und Sensburg gebaut war, soweit die
innere Einrichtung in Betracht kommt.
Am Eingang der Ausstellungshalle hatte die Firma in geschmackvollster Weise aus
Gasrohren einen Pavillon erbaut, aus dem 1500 Flammen, mit verschiedenen bunten
Beleuchtungskörpern versehen, ihr blendendes Licht spendeten. Das Dach des Pavillons
bildeten gleichfalls Gasrohre, aus denen wiederum 1500 Flammen strahlten. Der
Pavillon machte einen grossartigen Eindruck, wenn seine 3000 Flammen des Abends im
Verein mit den ihn umgebenden Flammen anderer Ausstellungsobjekte ein Lichtmeer von
unnachahmlichem Glanz und beispielloser Fülle bildeten.
Textabbildung Bd. 313, S. 61
Fig. 8.Zentralapparat „Attila“.
Auf den grossen Zentralapparat wird später im besonderen eingegangen werden; der oben
erwähnte kleinere Apparat „Attila“ ist in den beistehenden Fig. 6 bis 8
abgebildet. Derselbe funktioniert tadellos und lässt in allen Teilen eine durchaus
solide Ausführung erkennen. Die konstruktive Durchbildung ist eine
zweckentsprechende. Das Karbid befindet sich in einem oder mehreren Behältern ab cd, die durch Deckel e
verschlossen werden. Die in Scharnieren befindlichen Bodenklappen fgh werden durch die Schienen iklm geschlossen gehalten. Diese Schienen sind an der Querstange n, die mittels der Schubstange o vor- und rückwärts geschoben werden kann, gemeinsam befestigt. Das
Zurückschieben der Stange geschieht auf die Weise, dass der Ansatz q der Gasbehälterglocke p
die Rolle r eines auf der Achse s befestigten Armes t trifft, und der Arm u die Stange o
zurückschiebt. Da die Schienen iklm verschiedene
Längen haben, so wird dadurch ein einmaliges Entleeren sämtlicher Behälter
vermieden: es wird vielmehr beim jedesmaligen Sinken der Gasbehälterglocke nur ein
Karbidbehälter entleert.
Textabbildung Bd. 313, S. 61
Fig. 9.Apparat von Engasser.
Einen äusserst kräftig und einfach gebauten Apparat stellte Emil Engasser in Colmar aus. Der Apparat (Fig.
9) wird je nach der Grösse mit einem oder zwei Entwicklern angefertigt.
Die Inbetriebsetzung des Apparates geschieht wie folgt: Nachdem die beiden
Entwickler mit Karbid gefüllt und verschlossen wurden, wird der Haupthahn K und der zum Entwickler E
gehörige Wasserhahn V geöffnet, worauf das Wasser durch
den Hahn A in den Entwickler E tritt. Sind alle Behälter desselben überschwemmt, so tritt das Wasser
automatisch durch das Verbindungsrohr in den zweiten Entwickler E und setzt denselben in Thätigkeit. An den
Wasserstandsgläsern N kann jederzeit der Stand des
Wasserspiegels der Entwickler abgelesen werden. Das Nachfüllen der Entwickler
geschieht ohne jede Störung des Lichtbetriebes; man hat nach Schluss des Hahnes V nur nötig, eine neue Serie Gefässe FF in den Entwickler zu setzen. Der Apparat ist also
nach dem Ueberschwemmungssystem konstruiert. Das Wasser
dringt von unten in den Entwickler, überschwemmt den untersten Behälter F und steigt bei neuem Gasbedarf zum nächsten Behälter
F, das in demselben befindliche Karbid zersetzend
u.s.f. Jeder Apparat besitzt einen Gaswäscher T mit
Siphon S und einen Reiniger U. Obgleich die Erwärmung des Entwicklers nur eine geringe ist, so ist es
doch wahrscheinlich, dass der aus dem unteren in den oberen Behälter F tretende Wasserdampf, der während der Entwickelung
entsteht, eine vorzeitige Zersetzung der in dem oberen Behälter befindlichen
Karbidmenge äusserlich verursacht. Der so entstehende Kalkschlamm bildet eine Kruste
um das Karbid, wodurch dessen später erfolgende vollständige Zersetzung nicht
vollkommen von statten gehen dürfte. Dieser mögliche Nachteil ist jedoch nicht
derart, dass die Konstruktion des Apparates zu verwerfen wäre, denn wir messen
demselben ein aussergewöhnliches Mass von Sicherheit zu. Er wurde mit der silbernen
Medaille prämiiert.
(Fortsetzung folgt.)