Titel: | Neuerungen an Fahrrädern. |
Fundstelle: | Band 313, Jahrgang 1899, S. 88 |
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Neuerungen an Fahrrädern.
(Vorhergehender Bericht 1899 Bd. 311 S.
107.)
Neuerungen an Fahrrädern.
I. Systeme und Rahmen.
a) Fahrräder mit
Fussbetrieb.
Die verschiedenen Mängel, welche dem aus Stahl gefertigten Rahmen teilweise
anhaften, geben immer wieder Anlass, Versuche mit Holzrahmen zu machen. Trotzdem
man aber solche schon längere Zeit kennt (vgl. D. p.
J. 1896 299 173 Fig. 6, 301 176 Fig. 8 und 9, 1897 306 57 Fig. 11 bis
14, 1898 308 197
Fig. 7), ja sogar Sattelstützen, Lenkstangen,
Felgen, Schmutzfänger und einen grossen Teil der Rahmen für Kettenschützer an
Damenmaschinen aus Holz herstellt, hat letzteres sich bei der Rahmenkonstruktion
doch noch nicht einzubürgern vermocht. Die Furcht vor ungenügender
Widerstandsfähigkeit mag Wohl die Hauptursache gewesen sein. Nachdem aber jetzt
das Verfahren, mit welchem Holzfelgen und Schmutzschützer gebogen und
widerstandsfähig gemacht werden, sich verallgemeinert hat, die Holzfelgen keinen
Anlass zu Klagen geben, sich sogar wegen ihrer grösseren Elastizität oft
widerstandsfähiger als Stahlfelgen zeigen, hat C.
Kropp in Benneckenstein (Harz) ein Holzfahrrad konstruiert, dessen
Rahmen in den Dimensionen genau denen eines Stahlrades gleicht. Die
Verbindungsteile bestehen aus geschlitzten Metallhülsen, welche mit Innengewinde
versehen sind. In diese wird das konisch zulaufende Ende der Rahmenstange
geschraubt, durch Eisenkitt verbunden, und die Hülsen mit einem Bolzen noch
extra zusammengeklemmt. Die so hergestellte Verbindung kann sich nicht lösen,
und doch ist es viel leichter, eine Holzstange auszulösen, um sie durch eine
andere zu ersetzen, als ein mit der Muffe verlötetes, verwalztes oder verkeiltes
Stahlrohr zu entfernen.
Das zur Verwendung kommende Hickoryholz wird nach dem bekannten Verfahren (D. p. J. 1895 296 204)
gegen Witterungseinflüsse unempfindlich gemacht.
Wie verhält sich nun aber das Holzrad bei übermässiger Belastung und bei heftigem
Anprall? Die Befürchtung, eine heftige Erschütterung müsse einen Bruch der
Rahmenrohre zur Folge haben, bildet noch immer das schwerwiegendste Bedenken
gegen die allgemeine Verwendung dieser Art Räder. Auf Grund eingehender Versuche
kann behauptet werden, dass die Belastungsfähigkeit derjenigen eines Stahlrades
der üblichen Dimensionen gleichkommt. Ein Stück des zum Rahmenbau verwendeten
Hickoryholzes in der Länge von 44 cm und einem Durchmesser von 31 mm
zeigte bei einer Belastung von 325 kg eine Durchbiegung von knapp 1,5 mm, ohne
dass damit die Belastungsgrenze erreicht worden wäre. Bei Belastung des ganzen
Rades verteilt sich jedoch die Last über den ganzen Rahmen und Proben haben
ergeben, dass eine Belastung mit drei Personen im Gesamtgewicht von 5 Zentner
nicht die geringste Veränderung hervorrufen konnte. Die Belastungsgrenze wird
auf 9 Zentner geschätzt. Da aber eine solch hohe Belastung nie beansprucht wird,
kann man sich einem solchen Rade ohne Bedenken anvertrauen.
Wenn also die Tragfähigkeit die gleiche ist wie beim Stahlrad, so übertrifft das
Holzrad das letztere durch vermehrte Elastizität. Dieselbe bedingt aber eine
grössere Widerstandsfähigkeit des Rahmens andauernden Stössen gegenüber und
macht das Rad zum Gebrauch in welligem Terrain dadurch geeignet, dass die Stösse
bei Anschlägen und ähnlichen Hindernissen nicht so zur Wirkung kommen, wie beim
Stahlrad. Versuche haben ergeben, dass man mit Leichtigkeit selbst bedeutende
Steigungen nehmen und ohne grosse Mühe eine 84zöllige Uebersetzung ebenso gut
wie eine 68zöllige fahren kann.
Der Fahrradrahmen (Schweizer Patent Nr. 15 967) von O.
Drescher in Liegnitz zeichnet sich durch grosse Stabilität und
gleichzeitige Elastizität bei billiger Herstellungsweise aus.
Wie Fig. 1 zeigt, besteht derselbe in der
Hauptsache aus zwei gebogenen Holzteilen a und b, von welchen ersterer an seinen hinteren
gegabelten Enden mit zwei Façonstücken a1 versehen ist, welche das Hinterrad aufnehmen.
Etwa in der Mitte des Teiles a befinden sich zwei
Löcher zur Aufnahme der Schraubenbolzen b und d, welche dazu dienen, das Lagerrohr e für die Tretkurbelachse und ferner das
Sattelstützrohr f zwischen dem Lagerungsrohr e und dem hinteren Ende des Teiles b festzuklemmen.
Textabbildung Bd. 313, S. 88
Fig. 1.Elastischer Rahmen von Drescher.
An seinem vorderen Ende ist der Teil a mit einem
Façonstück g versehen, mittels welchen er an dem
oberen Ende des Steuerrohres h befestigt ist,
während am unteren Ende ein ähnliches Façonstück i
den Teil b trägt. Das Sattelstützrohr f ist an seinem oberen mit Klemmvorrichtung
versehenen Ende in dem Façonstück k, welches
gleichzeitig die Hinterradgabel m trägt,
verstellbar befestigt.
Zu bemerken ist noch, dass der Teil a geschlitzt
ist, so dass der Teil b bei l hindurchtreten kann. Zur Erhöhung der Elastizität sind diese beiden
Teile an der Kreuzungsstelle nicht fest verbunden, sondern lose gelassen.
Verschiedene Versuche, den Rahmen aus gestanzten Platten herzustellen, sind schon
gemacht worden, wie z.B. nach den englischen Patenten Nr. 8832/1894 und Nr.
14617 von 1893, doch ging man darauf aus, die Röhrenform nachzuahmen, wobei man
jedoch hinter der Festigkeit des einheitlichen Rohres zurückblieb. Der Rahmen
von F. Rosenberg in Berlin (D. R. P. Nr. 102020)
geht nun von der Röhrenform vollständig ab, indem er aus zwei Wänden besteht,
welche nach Art des Kastenträgers nebeneinander treten, um, durch Querlaschen
verbunden, einen Querschnitt von grosser Festigkeit zu bieten. Die Ausbildung
jeder einzelnen Wand besteht darin, dass sie in statisch zu berechnender
Fachwerksform aus einem Stück mit Versteifungsrippen gebildet ist, wobei die
Rippen die Platte ringsum, insbesondere auch an den Knotenpunkten, umziehen.
Wie Fig. 2 und 3 zeigen, wird der Rahmen aus zwei symmetrisch in Trägerform
gestalteten Platten ab gebildet, welche gemeinsam
Steuerrohr c, Sattelstütze d, Tretkurbelachse e und Hinterradachse
f aufnehmen. Jede Platte stellt einen aus
Stäben zusammengesetzten Träger dar, welcher aus einem einzigen Stück besteht,
wobei jeder Stab einen seiner Beanspruchung bemessenen Querschnitt erhält.
Textabbildung Bd. 313, S. 88
Fig. 2.Gestanzter Rahmen von Rosenberg.
Die Verbindung der beiden Wände erfolgt durch Querstücke g, welche mittels Niet o. dgl. miteinander vereinigt werden.
Die Hinterradgabeln werden durch Auseinandertreten der beiden Wände gebildet,
während die Vorderradgabel wiederum aus zwei Wänden in Fachwerksform besteht,
die über dem Rade zu einem Rohr zusammengebogen sind.
Textabbildung Bd. 313, S. 88
Fig. 3.Gestanzte Platte zum Rahmen von Rosenberg.
Der Rahmen wird nach Fig. 3 so gestanzt, dass die
Form das Material ringsum stehen lässt, das später unter der Presse umgebördelt
wird, um die umlaufenden Versteifungsrippen zu bilden.
Ein in dieser Weise gebildeter Rahmen zeichnet sich nicht nur durch seine billige
Herstellung aus, sondern er gestattet auch eine Verminderung des Gewichtes, da
in diesem Falle der Kastenquerschnitt das Material infolge seines grösseren
Trägheitsmomentes besser ausnutzt als der Rohrquerschnitt, ferner fallen die
Verbindungsmuffen fort und jeder Stab kann genau nach seiner Beanspruchung
bemessen werden.
Textabbildung Bd. 313, S. 88
Fig. 4.Sechssitzer von Reichstein.
Der Brennabor-Sechssitzer (Fig. 4) von Gebr. Reichstein in Brandenburg a. H. ist speziell
für Schrittmacherdienste gebaut. Die Neuerung desselben besteht darin, dass sich
der letzte Sitz direkt über dem Hinterrad befindet und darum, nicht wie bisher
der letzte, sondern der vorletzte Mann das grosse Kettenrad bethätigt, und somit
das Hinterrad antreibt, während der hinten sitzende Fahrer durch die
Tretkurbelachse, welche zugleich die Hinterradachse ersetzt, direkt auf den
Antrieb wirkt. Diese Neuerung bewirkt noch, dass dieses sechssitzige Fahrzeug
nicht länger als ein fünfsitziges der sonst gebräuchlichen Anordnung ist.
Textabbildung Bd. 313, S. 89
Fig. 5.Zweisitzer der Freya-Fahrradwerke A.-G.
Bei dem neuen Tandem (Zweisitzer) der Freya-Fahrradwerke
A.-G. in München ist, wie Fig. 5 zeigt,
der hintere Sitz höher als der vordere und ebenfalls über der Hinterradachse
angeordnet. Auf diese Weise ist hier für das Tandem eine Länge erreicht, die nur
wenig mehr als die Länge eines gewöhnlichen einsitzigen Zweirades beträgt.
Ergibt sich schon aus diesen zwei Punkten höhere Sicherheit beim Fahren durch
bessere Orientierungsmöglichkeit für den hinteren Partner und leichtere
Steuerung, so wird noch dadurch ein weiterer Vorteil erreicht, dass auch hier
die hintere Kurbelachse zugleich die Nabenachse des Rades bildet. Hieraus ergibt
sich zugleich eine Verminderung der Reibungsverluste, weil der Konus nicht still
steht, sondern sich in der Richtung des Rades langsam fortbewegt. Rechnet man
hierzu die Vorteile des „Freya“-Lagers, auf welches wir noch
zurückkommen, so ergibt sich eine erhebliche Kraftersparnis.
Textabbildung Bd. 313, S. 89
Fig. 6.Herrendreirad von Seidel und Naumann.
Fig. 6 zeigt die 1899er Dreiradform der Firma Seidel und Naumann in Dresden. Dieselbe
unterscheidet sich von der sonst gebräuchlichen dadurch, dass die sonst übliche
Hinterradgabel in Fortfall gekommen ist. Diese Konstruktion bedingt nun, dass
das Sattelstützrohr nicht mehr schräg, sondern senkrecht zur Hinterradachse
angeordnet werden muss, so dass dieses die Gabel ersetzt. Durch diese Anordnung
soll das Fahrzeug leicht laufend, und für ältere Fahrer besonders zu empfehlen
sein.
Nach denselben Prinzipien ist auch das Damendreirad Fig. 7, sowie das Gepäckdreirad Fig. 8
gebaut, die wohl keiner näheren Beschreibung bedürfen.
Textabbildung Bd. 313, S. 89
Fig. 7.Damendreirad von Seidel und Naumann.
Das Warentransport-Dreirad hat sich im Verkehr infolge seiner Vorzüge allen
anderen Transportmitteln gegenüber in kurzer Zeit das Feld erobert; es dürfte in
der Beförderung das Drei- bis Vierfache dessen leisten, was andere mit
Menschenkraft bewegte Wagen thun.
Textabbildung Bd. 313, S. 89
Fig. 8.Gepäckdreirad von Seidel und Naumann.
Der Anblick des Rades, bei dem der Kasten vorn und der Fahrer dahinter sitzt, ist
für den Augenblick etwas befremdend, dagegen ist nur mit dieser Anordnung das
Prinzip der einfachen Konstruktion und leichten Lenkbarkeit zu vereinen.
Hiervon ausgehend haben auch die Cito-Fahrradwerke
A.-G. in Köln-Klettenberg ihr Transportrad nach diesen Prinzipien
gebaut.
Dasselbe erhält entweder einen geschlossenen Kasten in den Dimensionen 80 cm
lang, 60 cm breit und 55 cm hoch, oder, wie Fig.
9 zeigt, eine Pritsche 80 cm lang, 60 cm breit und 20 cm hoch.
Um ein Umschlagen dieses Fahrzeuges zu verhüten, ist die Steuerungsachse so
angeordnet, dass, sobald die Maschine eine Wendung macht, das Hinterrad eine
schräge Lage nach innen erhält, wodurch sich naturgemäss der Schwerpunkt des
Fahrers ebenfalls nach innen verlegt, und infolgedessen ein Umschlagen des Hades
nach aussen unmöglich macht. Als Nebenwirkung entsteht eine automatische
Steuerung. Neigt der Fahrer den Körper nach links oder rechts, so wird durch die
Verlegung des Schwerpunktes die Maschine sofort nach der einen oder anderen
Seite dirigiert, ohne dass es dazu einer weiteren Kraftleistung der Arme
bedarf.
Textabbildung Bd. 313, S. 90
Fig. 9.Gepäckdreirad der Cito-Fahrradwerke A.-G.
Durch diese Konstruktion wird auch ermöglicht, dass sowohl jeder Zweirad- als
auch Nichtradfahrer dieses Transportrad ohne jede Vorübung benutzen kann und
nach kurzer Zeit die Maschine ohne Anfassen der Lenkstange zu steuern in der
Lage ist.
Textabbildung Bd. 313, S. 90
Fig. 10.Differentialgetriebe der Brennabor-Werke.
Textabbildung Bd. 313, S. 90
Fig. 11.Differentialgetriebe der Neckarsulmer Fahrradwerke
A.-G.
Anders ist dies bei einer Maschine mit Sitz vorn; da hier das vordere Rad beim
Steuern gedreht wird, so hat dasselbe die beiden Hinterräder mitsamt der ganzen
Last nach sich zu ziehen, und gehört zum Fahren einer solchen Maschine schon
eine gewisse Uebung. Ausserdem ist, um überhaupt eine Kurve fahren zu können
ohne dass das innere Hinterrad auf dem Boden schleift, ein Differentialgetriebe
(Fig. 10) mit Brücke oben, wie solches die
von den Brennabor-Werken gebauten Personen- und
Transportdreiräder erhalten, oder wie es mit Brücke unten die Neckarsulmer Fahrradwerke A.-G. fabrizieren (Fig. 11) und bei ihren Gepäckdreirädern mit Sitz
vorn verwenden, notwendig, welches aber die Konstruktion kompliziert und teuer
macht. Allerdings werden auch Gepäckdreiräder in den Handel gebracht, bei
welchen das Differentialgetriebe fehlt. An Stelle des letzteren kommt eine
einfache Achse, an welcher ein Rad fest, das andere drehbar angebracht ist, in
Anwendung. Natürlich gehen solche Fahrzeuge doppelt so schwer als solche mit
Differentialgetriebe, da hier beide Räder gleichmässig mittels der Kette
angetrieben werden, wohingegen bei denjenigen mit einfacher Achse nur ein Rad
die Maschine vorwärts bewegt. Das zweite Rad wirkt also eher hemmend als
fördernd, wodurch naturgemäss der Lauf der Maschine ein einseitiger sein muss.
Ebenso wird das Steuern erschwert und die Pneumatiks derart stark mitgenommen,
dass dieselben bald durch neue ersetzt werden müssen. Ausserdem kann der Fahrer,
da sich der Kasten hinten befindet, nur abschätzen, ob die Passage breit genug
ist. Ein Hängenbleiben der Hinterräder ist also leicht möglich.
Bei Maschinen mit Sitz hinten dagegen hat der Fahrer den breiten Teil seines
Fahrzeuges vor sich und sieht also genau, ob er bei engen Passagen durchkommt
oder nicht. Ausserdem belasten die Waren nicht das Triebrad, sondern werden auf
den Lenkrädern geschoben; hierdurch wird ein schwerer Antritt vermieden, und ein
leichter Lauf erzielt.
Textabbildung Bd. 313, S. 90
Fig. 12.Vorderachse für Gepäckdreiräder der Neckarsulmer Fahrradwerke
A.-G.
Zum Schlusse sei noch der Vorteil erwähnt, dass der Fahrer, wenn er hinten sitzt,
im Falle der Gefahr leicht abspringen und seine Maschine durch Zurückziehen in
Sicherheit bringen kann. Dies ist bei der Maschine mit Sitz vorn ganz unmöglich,
denn würde der Fahrer abspringen, so lange sich die Maschine noch bewegt, so
würde er unbedingt von derselben umgeworfen werden. Da nun eine Last, wie sie
gewöhnlich mit Gepäckdreirädern fortgeschafft wird, nicht mit einem Ruck
abgebremst werden kann, so kommt der Fahrer in einem solchen Falle, wenn z.B.
ein Gefährt schnell aus einer Seitenstrasse hervorkommt und den Weg des Fahrers
kreuzt, in eine sehr missliche Lage.
Fig. 12 zeigt die Vorderradachse für ein
Gepäcktransportrad (Fig. 13) mit hinterem Sitz,
wie solches von den Neckarsulmer Fahrradwerken
A.-G. gebaut wird. Die Last ruht auf starken, einfachen Lamellenfedern,
die Steuerung bewegt sich in Kugellagern.
Ein kettenloses Gepäcktransport-Dreirad (Fig. 14)
haben die „Graziosa“-Fahrradwerke,
Kommanditgesellschaft Benedikt Albl und Co. in Graz konstruiert.
Textabbildung Bd. 313, S. 90
Fig. 13.Gepäckdreirad der Neckarsulmer Fahrradwerke A.-G.
Das gänzlich verschlossene Getriebe (auf welches wir noch zurückkommen werden)
vermeidet alle Misshelligkeiten, welche die offen liegende Kette mit sich
bringt: an den Zähnen eines Kettenrades verfangen sich oft die Kleider,
namentlich bei
raschem Aufstieg; bei schmutzigem Wetter ist der Antrieb erschwert. Das
Transportrad muss aber stets zur Verfügung sein, gleichviel bei welchem Wetter.
Es ist erklärlich, dass unter diesen Umständen die Kette sehr leiden muss. Der
kettenlose Antrieb dagegen bleibt, unabhängig von Witterungsunbilden und Wege
Verhältnissen, ein gleichmässiger.
Textabbildung Bd. 313, S. 91
Fig. 14.Gepäckdreirad der Grazlosa-Fahrradwerke Albl und Co.
Bisher standen zwar der Anordnung des kettenlosen Getriebes am Gepäckdreirad
Schwierigkeiten entgegen, indem gerade am Tretkurbellagergehäuse eine Schwächung
der Stabilität des Rahmens herbeigeführt wurde. Bei diesem Antriebe (abgesehen
von dem Cryptogetriebe) muss entweder die Welle oder die Achse beweglich
angeordnet werden. Da diese eine Hälfte der Hinterradgabel bildet, so ergeben
sich neue Verbindungsstellen, welche infolge des von dem Kettenantriebe völlig
verschiedenen Uebertragungsmechanismus neue Schwierigkeiten verursachen.
Bei der neuen Konstruktion der „Graziosa“-Fahrradwerke sind diese Schwierigkeiten überwunden,
wodurch dieses Gepäckdreirad dem gewöhnlichen gegenüber viele Vorteile besitzt.
Zu erwähnen ist noch, dass auch hier der Sitz hinter dem Kasten angeordnet
ist.
Textabbildung Bd. 313, S. 91
Fig. 15.Gepäckdreirad von Marschütz und Co.
Das von der Nürnberger Velociped-Fabrik vorm. C.
Marschütz und Co. in Nürnberg konstruierte Transportrad (Fig. 15) eignet sich besonders für grössere
Lasten, sowie zum Fahrradtransport. Zum letzteren Zwecke ist die 120 bis 130 cm
grosse Plattform mit Galgen versehen, an welchem die Fahrräder aufgestellt und
befestigt werden. Die Steuerung ist einfach und der Gang ein ruhiger und
leichter; das Befahren kleiner Steigungen ist nicht anstrengend.
Der Bau kann auch so gestaltet werden, dass die Fahrräder nicht allein quer,
sondern auch längs zur Fahrtrichtung zu stellen sind.
Diese Konstruktion hat dem alten System gegenüber, bei welchem die Waren gezogen
werden und der Kontrolle des Fahrers entbehren, den Vorteil, dass die lange
Kette, sowie der lange und dadurch nicht stabile Rahmen wegfällt; ferner ist
auch das Auf- und Absteigen sicherer.
Die Vorderräder messen 24 × 2 Zoll und sind mit extra starken Pneumatiks
versehen; das Triebrad dagegen ist 28 × 2 Zoll und hat einen einfachen
Reifen.
Dieselbe Firma baut vorbeschriebenes Transportrad statt mit Galgen auch mit
Galerie, sowie mit Kasten in der Grösse 64 × 64 × 60 cm.
Textabbildung Bd. 313, S. 91
Fig. 16.Droschkenfahrrad von Marschütz und Co.
Nach denselben Prinzipien ist auch das Droschkenfahrrad Fig. 16 gebaut. Dasselbe ist seit 2 Jahren praktisch durchprobiert,
wobei sich ergeben hat, dass es sowohl als Droschke zum Personenverkehr, als
auch zum Spazierenfahren für Kranke und ältere Leute von Vorteil ist. Die
Konstruktion gestattet, dass Passagier und Fahrer die Strasse stets vor Augen
haben. Man kann mit diesem Fahrzeug ohne Anstrengung etwa 8 bis 12 km in der
Stunde zurücklegen, selbst Steigungen sind leicht zu überwinden. Für die
Sicherheit zum Bergabfahren sorgt eine kräftig wirkende Bremse; ebenso ist zur
Bequemlichkeit des Passagiers ein Sitz konstruiert, der allen Anforderungen
entspricht. Gewicht etwa 40 kg.
Textabbildung Bd. 313, S. 91
Fig. 17.Gepäckhandwagen der Neckarsulmer Fahrradwerke A.-G.
Textabbildung Bd. 313, S. 91
Fig. 18.Verwandlungsfahrrad von Brandt.
Ein Reklamewagen derselben Firma besteht aus einer Trommel, innerhalb welcher ein
feststehender runder Tisch angebracht, und durch Gitterwerk von der beweglichen
Aussentrommel getrennt ist. Diese Aussentrommel, welche mit Plakate u.s.w.
beklebt werden kann, dreht sich durch Kettenübertragung, welche von den
Vorderrädern angetrieben wird, um den feststehenden Tisch, so dass derselbe zum
Befördern von Waren, Postsachen u.s.w. dienen kann. Um ein leichtes und billiges
Transportmittel zu bieten, haben die Neckarsulmer
Fahrradwerke A.-G. einen Handwagen (Fig.
17) mit Präzisionskugellagern und Kissen-Gummireifen konstruiert. Der
Kasten ist aus Blech, lackiert und mit Verschluss versehen. Mit diesem Wagen
können infolge des leichten, geräuschlosen Ganges grössere Lasten mit geringer
Mühe befördert werden.
Textabbildung Bd. 313, S. 92
Fig. 19.Verwandlungsfahrrad von Brandt.
Das verwandelbare Transportfahrrad „Schwalbe“ der Fahrradfabrik von F. Brandt in Köln-Deutz besteht aus zwei schnell
und leicht fest zu verbindenden Teilen, nämlich einem Zweiradrahmen und einem
Rahmen, auf welchem der Kasten sitzt (Fig. 18).
An letzterem sind die vorderen Muffen aufgeschlitzt und zum Klemmen
eingerichtet, ferner ist an dem vorderen Rahmen ein Rohr angebracht, über
welches das Führungsrohr des Zweiradrahmens schliessend passt. Steckt man
letzteres darauf und zieht die Bolzen an, so sind beide Teile fest verbunden.
Der Kasten ist möglichst tief gelagert, und die Lenkung geschieht wie beim
Zweirad mittels der Lenkstange. Dieses alles bewirkt, dass bei schnellem und
kurzem Kurvenfahren ein Umkippen des Fahrzeuges ausgeschlossen ist.
Textabbildung Bd. 313, S. 92
Fig. 20.Verwandlungsfahrrad von Brandt.
Um nun dieses Transportrad in ein Zweirad umzuwandeln, löst man nur zwei
Schrauben, zieht den Zweiradrahmen ab, setzt die beigegebene Vorderradgabel,
welche fertig mit verschlossener Kugelführung versehen ist, und ein Rad von der
Hauptachse zusammen, klemmt die Lenkstange fest, und ein modernes Zweirad (Fig. 19) ist fertig. Diese ganze Verwandlung nimmt
kaum 5 Minuten in Anspruch.
Soll ein Personenrad (Fig. 20) hergestellt werden,
so ist nur der Kasten abzunehmen und ein passender Sessel einzusetzen.
Textabbildung Bd. 313, S. 92
Fig. 21.Verwandlungsfahrrad von Brandt.
Um einen Krankenwagen (Fig. 21) herzustellen, wird
der Zweiradrahmen abgenommen und ein kleines Rädchen aufgeschraubt.
Fig. 22 zeigt ein Invalidendreirad mit Handbetrieb
der Fahrradwerke E. Deussing in Erfurt. Dasselbe
ist so eingerichtet, dass der Sitz im allgemeinen einem bequemen gepolsterten
Lehnstuhl gleicht, wodurch selbst ein längeres Verweilen in demselben nicht
lästig wird. Der Antrieb geschieht mittels der senkrecht stehenden Hebel a, welche mittels Kurbelstangen auf die
Kettenradachse wirken.
Praktische Versuche haben ergeben, dass selbst Personen mit ganzem oder
teilweisem Verlust bezw. Unbrauchbarkeit der Beine auf diesem Fahrzeug ohne
nennenswerte Anstrengung grössere Strecken zurücklegen können.
Der von der Nürnberger Velociped-Fabrik „Hercules“
vorm. C. Marschütz und Co. in Nürnberg konstruierte Ambulanzwagen (Fig. 23) dürfte berufen sein, eine grosse Lücke im
Transportwesen von Kranken und Verwundeten auszufüllen. An Plätzen und speziell
in entlegenen Vierteln, wo es gilt, rasch zur Stelle zu sein, ist dieser
Transportwagen, was Schnelligkeit und sanfte Beförderung anbelangt, verbunden
mit grösster Sicherheit, ein unentbehrliches Fahrzeug.
Die bisherigen Ambulanzwagen bedürfen ausser zwei Pferden und einem Kutscher
einer Begleitung von zwei Personen. Die letztere Mannschaft von zwei Personen
genügt nunmehr, um schnell an Ort und Stelle zu gelangen und wird hierdurch eine
viel raschere Hilfeleistung erreicht.
Textabbildung Bd. 313, S. 92
Fig. 22.Invalidendreirad von Deussing.
Die Bahre ist leicht abnehmbar und zum Zurückklappen eingerichtet. Ebenso wird
das Hinauf legen des Kranken äusserst schnell bewerkstelligt, da die Längsbäume
der Bahre an den Enden zwei Laufrollen haben, wodurch das Einschieben derselben
auf den Tragrahmen bedeutend erleichtert wird.
Die Steuerung kann sowohl von beiden Fahrern zugleich, als auch von einem
einzelnen übernommen werden.
Textabbildung Bd. 313, S. 92
Fig. 23.Ambulanzwagen von Marschütz.
Die Konstruktion lässt es zu, dass der leere Wagen von einer Person ebenso sicher
und rasch, gefahren werden kann, wie von zwei Fahrern. Das ganze Fahrzeug ist
aus Stahlrohren gebaut, alle reibenden Teile bewegen sich in Kugellagern und die
Räder sind mit extra starken Motor-Pneumatiks versehen, so dass eine gute
Federung vorliegt, zwei kräftige Bremsen bieten bergab Sicherheit. Versuche bei
den Herbstmanövern des I. bayerischen Armeekorps haben ergeben, dass diese
Erfindung in Kürze in allen grösseren Sanitätsstationen eine grosse Rolle
spielen dürfte. Der Wagen wiegt komplett 85 bis 90 kg und ist stark genug, um
ausser den zwei Fahrern noch Lasten über 200 kg zu befördern.
Auch für Feuerwehrzwecke ist diese Konstruktion verwendbar, indem hier anstatt
der Bahre kleine Rettungsmittel, sowie Schlauchrollen transportiert werden
können.
b) Rahmenverbindungen.
Auf ein Verfahren zur Verbindung der Rahmenrohre mit den Muffen hat B. Reichhold in Berlin D. R. P. Nr. 101347
erhalten. Dasselbe besteht darin, dass die Rohre mit Gewinde versehen und in die
Muffen eingeschraubt werden, wobei vor dem Einpressen des Gewindes in das
Rohrende ein Holzfutterstück eingesetzt wird, welches nach erfolgtem
Zusammenschrauben durch Aufquellen die zu verbindenden Teile fest ineinander
presst.
Textabbildung Bd. 313, S. 93
Rahmenverbindung von Reichhold.
Wie Fig. 24 zeigt,
ist in die Muffe ein Muttergewinde eingeschnitten, während das Rohrende mit dem
entsprechenden Schraubengewinde versehen ist. Dieses ist nun, wenn das Rohr mit
beiden Enden in Muffen eingeschraubt werden soll, an dem einen Ende links- und
am anderen Ende rechtsgängig geschnitten. Das Schneiden erfolgt mittels eines
Rädchens, welches die Gänge nur eindrückt, so dass jede Schwächung der Rohre
vermieden wird. Vor dem Einpressen wird in das Rohrende ein Stück hartes Holz
a eingetrieben (Fig. 25). Die
Steigung des Gewindes beträgt etwa 26 bis 28 Gänge auf 1 Zoll engl., die Tiefe
0,2 bis 0,3 mm. Um nun die Rohre leichter gerade einsetzen und einschrauben zu
können, wird die Muffe etwas länger gewählt als gewöhnlich, und in diesem Teil
b nicht mit Gewinde versehen. Nun wird nach
erfolgtem Zusammenschrauben der Holzpfropfen zum Quellen gebracht, wodurch die
Gewindeteile fest ineinander gepresst werden.
Textabbildung Bd. 313, S. 93
Fig. 26.Auswechselbare Gabelscheiden von Riff.
Das Gewinde verläuft konisch und ist in den Muffen, wo es möglich ist, nicht
durchgeschnitten, so dass sich ein Ansatz c
bildet, gegen den das Rohrende stösst. Durch die Wirkung der Konusform und
dieses Ansatzes schrauben sich die Teile sehr fest ineinander. Ausserdem wird
durch Schrauben d, welche in seitliche Oeffnungen
der Muffen und der Rohre eingeschraubt werden, eine gute Sicherung erreicht.
Auf eine Vorderradgabel, deren etwa beschädigte Gabelscheiden leicht
auswechselbar sind, hat K. Ryff in Basel Schweizer
Patent Nr. 16062 erhalten.
Wie Fig. 26 zeigt, ist jede der hohlen, oben mit
Deckel mit vorstehendem Rand und innerer Wandverstärkung versehenen
Gabelscheiden b in einer Hülse a des Gabelkopfes gelagert und mittels eines quer
durchgehenden Keiles c, der mit Schraubengewinde
und einer Mutter versehen ist, festgespannt.
Bei einem anderen Ausführungsbeispiel Nr. 16061 ist die Scheide b oben offen, geschlitzt und mit zwei Umbördelungen
versehen (Fig. 27). Dieselbe enthält hier in
aufrechtstehender Stellung zwei Keile d, zwischen
welchen ein mit entgegengesetzter Abschrägung und oben mit Muttergewinde
versehener Keil c liegt.
Textabbildung Bd. 313, S. 93
Fig. 27.Auswechselbare Gabelscheiden von Riff.
Im nicht montierten Zustande der Scheide hindern die Keilhalter e die drei Keile am Hinunterfallen in die Scheide,
während im montierten Zustande der obere Teil der Scheide in einer
entsprechenden, oben gedeckten Höhlung des Gabelkopfes a steckt. Der Schraubenteil des Keiles c
geht durch die Deckung nach oben, wo eine Mutter f
aufgesteckt ist, mittels welcher die Keile gegeneinander gezogen werden. Dadurch
und infolge der Schlitzung der Scheide wird ein fester Anschluss dieser an den
Gabelkopf bewirkt.
Behufs Auswechselung einer beschädigten Gabelscheide wird die Mutter f gelöst und der Keil c niedergedrückt, worauf die Scheide aus der Höhlung des Gabelkopfes
herausgenommen werden kann. Bei der Tiefstellung des Keiles c kann nun leicht einer der beiden Keile d aus der Scheide herausgenommen werden, worauf bei
entsprechender Haltung derselben die beiden anderen Keile herausfallen
können.
(Fortsetzung folgt.)