Titel: | Das Bremsen der Turbinen, speziell einiger von der Maschinenfabrik von J. M. Voith in Heidenheim ausgeführter Anlagen. |
Autor: | C. Schmitthenner |
Fundstelle: | Band 314, Jahrgang 1899, S. 17 |
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Das Bremsen der Turbinen, speziell einiger von
der Maschinenfabrik von J. M. Voith in Heidenheim ausgeführter Anlagen.
Von C.
Schmitthenner.
(Fortsetzung und Schluss des Berichtes S. 1. d.
Bd.)
Das Bremsen der Turbinen, speziell einiger von der Maschinenfabrik
von J. M. Voith ausgeführter Anlagen.
Die Versuche.
Mit Rücksicht auf Wassermessung, Pegelbeobachtung und Bremsung waren natürlich
mehrere Beobachter zu gleicher Zeit thätig, die Uhren waren gleich gerichtet und
jeder notierte seine Beobachtungen stets mit Zeitangabe.
Im ganzen wurden drei Versuche bei 80, 50 und 25 mm Leitschaufelöffnung ausgeführt,
deren Ergebnisse in Tabelle I geordnet sind.
Tabelle I.
Textabbildung Bd. 314, S. 17
Versuch und Wassermessung Nr.;
Zeit; Leitschaufelöffnung; Wagedruck; Vorgelege, minutl. Umdrehung; Gefälle;
Mittlere Wassertiefe; Mittlere Wassergeschwindigkeit im Messquerschnitt;
Wassermenge; Absolute Pferdestärken; Nutzeffekt d. Turb.; Gesamtnutzeffekt der
Anlage; Beaufschlagung; von; bis; im Mittel
Die zugehörigen Wassermessungen sind in Tabelle II zusammengestellt.
Da die projektierte Erweiterung des Untergrabens noch nicht ausgeführt war, so
staute sich das Wasser ganz bedeutend auf und es mussten daher die Versuche bei
wesentlich geringerem Gefälle als normal ausgeführt werden.
Dementsprechend wurde auch die Tourenzahl der Turbine herabgesetzt, damit dieselbe
wieder unter normalen Verhältnissen arbeitete.
Bei 2 m Gefälle soll die Turbine 35,5 Touren machen, also war jetzt eine Tourenzahl
proportional den Quadratwurzeln aus den Gefällen verringert einzuhalten.
Tabelle II.
Wassermessung Illerzell, 2 7. August
1898.
Textabbildung Bd. 314, S. 18
I. Versuch.; II. Versuch.; III.
Versuch.; Beginn; Schluss; Profilpunkt; Ablesung der Sek. für 50 bis 250
Flügelumdrehungen; Ablesung der Sek. für 50 bis 150 Flügelumdrehungen;
Flügelumdrehungen pro Sek.; oben; unten; Mittlere Anzahl Flügelumdrehungen pro;
Mittlere Wassergeschwindigkeit; Mittlere Wassertiefe; Wassermenge
Für 1,434 m Gefälle z.B. ist die normale Tourenzahl demnach
n=35,5\,\sqrt{\frac{1,434}{2}}=30
entsprechend einer Tourenzahl an der Vorgelegewelle von 4 . 30
= 120 Touren.
Ein besonderes Uebereich im Obergraben war nicht vorhanden und floss das Wasser mit
ziemlich grossem Gefälle zu, so dass die Höhe des Oberwasserspiegels fortwährend mit
der schweren Leerschütze reguliert werden musste, damit keine Ueberflutung
eintrat.
Kleine Schwankungen des Gefälles und der Tourenzahl innerhalb des jeweiligen
Versuches waren infolgedessen nicht ganz zu vermeiden, aber durch häufige
Beobachtungen liessen sich trotzdem sichere Mittelwerte feststellen.
Es ergaben sich nun die Nutzeffekte der Turbine zu
82,0%
bei
80 mm
Schaufelöffnung
oder
ganzer
Beaufschlagung
86,0%
„
50 mm
„
„
0,70
„
79,5%
„
25 mm
„
„
0,38
„
Bei der Berechnung des Beaufschlagungsgrades der Turbine ist zu bemerken, dass die
Wassermengen beim Vergleich auch auf gleiches Gefälle reduziert werden müssen, wobei
die Schluckfähigkeit der Turbine proportional den Quadratwurzeln aus den Gefällen
ist.
Bei 1,434 m Gefälle verarbeitet die Turbine, voll beaufschlagt, 4,750 cbm. Bei
Versuch II mit 1,618 m Gefälle verarbeitet die Turbine bei 50 mm Schaufelöffnung
3,510 cbm, während sie bei diesem Gefälle und voll beaufschlagt
Q=4,750\,\sqrt{\frac{1,618}{1,434}}=5,050\mbox{ cbm}
schlucken würde.
Die Beaufschlagung bei Versuch II ist somit
\frac{3,510}{5,050}=0,7.
Es waren somit die seitens der Firma J. M. Voith
geleisteten Garantien (vgl. S. 2) reichlich erfüllt worden.
Besondere Beachtung verdienen noch die aufgeführten hohen Nutzeffekte η1, da sie den Gesamtnutzeffekt der Turbinenanlage
ausdrücken und daher für den Turbinenbesitzer von besonderem Interesse sind.
Die Turbine sollte bei 2 m Gefälle eine Maximalleistung von 109 haben. Der
Nutzeffekt ist derselbe wie bei 1,434 m Gefälle, dagegen wird die verarbeitete
Wassermenge eine grössere sein und zwar berechnet sich dieselbe wie oben erwähnt
zu
Q=4,750\,\sqrt{\frac{2}{1,434}}
Dies entspricht einer Leistung an der Turbinenwelle von
\frac{5,5\,.\,2\,.\,1000\,.\,82}{75\,.\,100}=120
oder einer Nutzarbeit am Riemen von
\frac{5,5\,.\,2\,.\,1000\,.\,78,4}{75\,.\,100}=115.
Textabbildung Bd. 314, S. 19
Fig. 7.Francis-Turbine des städtischen Elektrizitätswerkes
Rosenheim.
Die beschriebene Bremsung ist mit allen Mitteln der Genauigkeit ausgeführt worden,
die Reibungskoeffizienten sehr niedrig und sonstige Voraussetzungen eher für
die Turbine zu ungünstig angenommen worden, um bei der Berechnung des Nutzeffektes
für die Turbine allein jegliche Schönfärberei zu vermeiden und ein sicherlich
unantastbares Resultat zu schaffen.
Textabbildung Bd. 314, S. 19
Fig. 8.Spiralturbine von Karl Freudenberg in Schönau.
Es soll noch an dieser Stelle bemerkt werden, dass die gebremste Turbine genau
dasselbe Modell ist wie die in D. p. J. 1899 312 6 von W. Mittler in
Cannstatt beschriebene und gebremste Turbine von Mühlenbesitzer Adolf Lutz in Calw.
Auch der Einbau ist ganz ähnlich, so dass nur die immerhin grosse Differenz zwischen
den von Müller einerseits und von mir in Illerzell
andererseits gefundenen Resultaten rätselhaft erscheint, und hoffe ich, dass mir
einmal Gelegenheit geboten wird, die Ursache aufzuklären.
Francis-Turbine des städtischen Elektrizitätswerkes
Rosenheim.
Die Gesamtanordnung dieser Turbinenanlage ist durch einen Vertikalschnitt in Fig. 7 dargestellt.
Die Turbine ist ebenfalls eine regulierbare Francis-Turbine mit stehender Welle.
Konische Räder mit 3000 bezw. 1000 mm Durchmesser treiben die Vorgelege welle an,
auf welcher noch ein 4900 kg schweres Schwungrad mit 3000 mm Durchmesser aufgesetzt
ist.
Die Bremsung wurde von Prof. M. Schröter aus München
vorgenommen und ebenfalls mit grösster Genauigkeit ausgeführt. Nach dem
vorangegangenen ausführlichen Bremsbericht soll hier nur auf die Endresultate
hingewiesen werden und sind dieselben in untenstehender Tabelle
zusammengestellt.
Versuch
MittlereWasser-menge
MittleresGefälle
AbsolutePferde-stärkenNα
EffektiveLeistungan
derVorgelege-welle N1
Gesamt-wirkungs-grad
derTurbinen-anlage η1
Beauf-schla-gung
I
4,865
4,719
306,0
256,9
83,9
voll
II
1,630
4,812
104,6
76,0
72,7
⅓
Die ermittelten Nutzeffekte sind die Gesamtnutzeffekte der Anlage, ermittelt für die
horizontale Vorgelegewelle, also ohne Berücksichtigung des Verlustes durch Räder,
Lager und Windreibung des Schwungrades sowie der Lagerreibung, hervorgerufen durch das Gewicht der
Bremse, die eigentlich gar nicht zur Anlage gehört.
Diese vorzügliche Leistung der Turbine, sowie das ruhige und sichere Arbeiten des
Regulators, gaben die Veranlassung, dass in diesem Jahr für dieselbe Anlage eine
dritte Turbine in genau gleicher Ausführung bestellt worden ist.
Spiralturbine von Karl Freudenberg in Schönau.
Die Fig. 8 und 9 zeigen
diese Anlage in ihrer Gesamtanordnung. Oertliche Verhältnisse haben es notwendig
gemacht, die Turbine in einem sehr engen Raum des vorhandenen Wasserbaues
unterzubringen. Unstreitig lassen sich mit der Spiralturbine die elegantesten und
zweckmässigsten Wasserkraftanlagen ausführen, aber auf der anderen Seite ist auch
dieses Beispiel ganz besonders dazu geeignet, die praktische Verwendbarkeit der
Spiralturbine zu zeigen, wenn es sich darum handelt, den bestehenden Bauten sich
anzupassen und doch eine einfache, zugängliche Turbinenanlage und einfachen Antrieb
zu schaffen.
Die Turbine ist eine Francis-Turbine, aber mit liegender Welle im geschlossenen
Gussgehäuse für folgende Verhältnisse konstruiert:
Nutzgefälle
H = 4,7
m,
Grösste Wassermenge
Q = 0,750
cbm,
Umdrehungszahl
u = 162
pro Minute,
Leistung
voll
beaufschlagt
bei
79%
Nutzeffekt
37,0 ,
„
¾
„
„
80%
„
28,0 ,
„
½
„
„
76%
„
17,8 .
Vorgenommen wurde die Bremsung von der Firma J. M.
Voith, während als Vertreter von K.
Freudenberg Ingenieur Scholl aus Mannheim
zugegen war.
Textabbildung Bd. 314, S. 20
Fig. 9.Spiralturbine von Karl Freudenberg in Schönau.
Die Bremsung wurde in der üblichen sorgfältigen Weise vorbereitet und durchgeführt
und es konnte die Bremse direkt auf die horizontale Turbinenwelle an Stelle der
Antriebscheiben gesetzt werden.
Behufs Wassermessung war im Unterkanal einige Meter von der Turbine entfernt ein
vollkommener scharfkantiger Ueberfall mit Seitenkontraktion eingebaut.
Berechnet wurden die Wassermengen nach Broschmann. Im
folgenden seien eine grössere Zahl der gemachten Versuche wiedergegeben (Tabelle
III).
Tabelle III.
Versuchs-Nr.
Zeit
Schaufel-öffnung
MinutlicheUmdrehungs-zahl
EffektiveLeistung
Gefälle H
Wasser-menge Q
AbsolutePferde-stärken
Wirkungs-grad
Beaufschlagung
mm
N
e
m
cbm
N
α
%
1 2 3
11,0511,1011,15
ca.555555
170170170
34,0434,0434,04
4,3854,3834,363
0,7160,7160,724
41,8541,8442,11
81,381,380,8
voll
4
11,20
55
166
34,05
4,36
0,716
41,62
81,8
–
5 6 7 8 9
11,2511,3011,3511,4011,45
5555555555
157157157157157
34,1234,1234,1234,1234,12
4,3554,3564,3604,3614,356
0,7300,7270,7300,7300,730
42,3842,2242,4242,4442,40
80,580,880,480,480,5
voll
10111213
2,052,102,152,20
40404040
167167167167
28,5428,5428,5428,54
4,504,4864,4784,476
0,5650,5620,5650,565
33,933,633,733,7
83,984,984,684,6
0,77
141516
2,252,302,35
404040
157156157
28,7528,5728,75
4,4654,4654,464
0,5720,5720,575
34,034,034,2
84,584,084,1
–
17181920
2,402,452,502,55
27,527,527,527,5
161160160160,5
17,717,617,617,6
4,5514,5764,5784,577
0,3850,3760,3760,379
23,322,822,823,1
75,977,077,076,3
0,51
2122
3,003,05
18,318,3
162162
11,911,9
4,6494,643
0,2720,276
16,817,0
70,970,9
0,38
Durch das Einbauen des Ueberfalles wurde das Gefälle etwas reduziert und ist daher
die Leistung nach Massgabe des früher Gesagten für 4,7 m Gefälle umzurechnen, für
welches die Nutzleistung von 37 garantiert war. Es wurden also auch bei
dieser Bremsung die garantierten Nutzeffekte wesentlich überschritten, obgleich die
Lagerreibung durch Bremsgewicht nicht berücksichtigt und ferner das ganze Gefälle
von Oberwasser- bis Unterwasserspiegel als Nutzgefälle in Rechnung gesetzt wurde,
während doch ein gewisser Betrag für Rohrreibung, die der Turbine doch nicht zur
Last gelegt werden darf, in Abzug hätte gebracht werden müssen.
Aus den vorgeführten Bremsungen geht hervor, dass der Nutzeffekt der von der Firma
J. M. Voith konstruierten Francis-Turbinen, sei es
mit horizontaler oder vertikaler Welle, ein ausserordentlich günstiger ist, nicht
nur bei voller sondern auch herab bis unter ⅓ Beaufschlagung. Besonders
charakteristisch ist der Umstand, dass bei ¾ der maximalen Wassermenge der
Nutzeffekt am höchsten ist, also bei mittlerer Wassermenge die Ausnutzung noch
besser ist als bei maximaler.
Als weitere vorteilhafte Eigenschaft ist zu bemerken, dass selbst bei beträchtlicher
Abweichung der Tourenzahl von der normalen trotzdem Nutzeffekt und Leistung wenig
abnehmen, und es sind diese Eigenschaften in Verbindung mit der soliden und sauberen
Ausführung der Grund der grossen Beliebtheit und Verbreitung der Voith'schen Turbinen.
Textabbildung, Bd. 314, S. 21
Fig. 10.
Es dürfte daher die graphische Darstellung (Fig. 10)
der in den Jahren 1870 bis 1898 von der Firma J. M.
Voith gelieferten Turbinen einiges Interesse bieten und sei zum Schluss
hier noch wiedergegeben.