Titel: | Grundlagen zur Fluglehre. |
Autor: | F. Heinz |
Fundstelle: | Band 314, Jahrgang 1899, S. 76 |
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Grundlagen zur Fluglehre.
Von F.
Heinz-Sarajevo.
Grundlagen zur Fluglehre.
Wenn wir die in D. p. J. 1899 313 * 28 nur flüchtig gestreifte Kraftfrage für den dynamischen Flug einer
näheren Betrachtung unterziehen, werden wir auch jene Kleinigkeit entdecken, die
nach Prof. Pissko zur vollständigen Lösung des
Flugproblems noch erwartet wird, und die geeignet ist, auch die Gegner des reinen
dynamischen Fluges zufrieden zu stellen.
General-Direktionsrat i. P. A. Platte, ein Hauptgegner
der Anschauung von der Möglichkeit des rein dynamischen Fluges, knüpft in Heft 4 der
Illustrierten Aeronautischen Mitteilungen vom Jahre
1898 die Möglichkeit vollkommener dynamischer Luftschiffe an die Bedingung, dass
solche Luftschiffe mit Maschinen ausgerüstet sein müssten, deren Kraftvermögen
ausreichen würde, 4/3 des Fluggewichtes zu heben. „Wiegt das Luftschiff samt Maschine“,
sagt Platte,
„z.B. 1000 kg, so soll die Leistungsfähigkeit der Maschine 1300 kg zu heben
vermögen. Wir haben uns aber überzeugt, dass innerhalb des Rahmens des Gewichtes
von 1000 kg nur eine Maschine, welche fähig ist, 400 kg zu heben, konstruiert
werden kann. Es ergibt sich sonach, dass der Apparat um 600 kg zu schwer ist; er
muss daher notwendig um etwa 700 kg entlastet werden.“ Die Entlastung des
Luftschiffes um diese 700 kg hätte nach Platte durch
Beigabe von Tragballons zu erfolgen. Platte bemerkt
dazu aber: „So bedauerlich es auch für die Menschheit wäre, wenn der Flug durch
die Beigabe der Tragballen so verlangsamt würde, dass wesentliche Flugeffekte
nicht zu erzielen sind, so kann man doch nicht ernstlich daran denken, sich von
der teilweisen Entlastung emanzipieren zu wollen, denn das richtige Verhältnis
zwischen Kraft und Last kann nur durch die Anwendung dieses Mittels erzielt
werden; es ist also eine Notwendigkeit, mit der
man, mag sie uns auch noch so unwillkommen sein,
sich befreunden muss.“
Platte weicht also nur der Notwendigkeit, wenn er eine
teilweise Entlastung dynamischer Luftschiffe durch Gasauftrieb vorschlägt; sein
wirkliches Ideal eines Luftschiffes ist ihm ein rein dynamisches Luftschiff, auf das
er nur deshalb Verzicht leistet, weil es ihm mit den vorhandenen Mitteln nicht
ausführbar erscheint.
Wenn nun auch die Ansicht Platte's, dass für ein dynamisches Luftschiff eine Maschine
erforderlich ist, deren Kraft hinreicht, 4/3 des Luftschiffgewichtes zu heben, von vielen nicht
geteilt wird, so wollen wir für die folgende Untersuchung diese Ansicht gleichwohl
als richtig anerkennen, um uns die Aufgabe so schwer als möglich zu stellen, wobei
wir die Hoffnung hegen dürfen, dass, wenn uns deren Lösung gelingt, diese Lösung
auch eine um so vollkommenere sein wird.
In D. p. J. 1899 313 * 132
haben wir gesehen, dass die Elastizität geeignet ist, in der Flugtechnik eine
hervorragende Rolle zu spielen; auf die Elastizität aber hat Platte in seinen Ausführungen gar keine Rücksicht genommen. Wir werden nun
sehen, ob etwa die Elastizität dasselbe oder noch besser dasjenige für das
Luftschiff leistet, was Platte durch Tragballons
leisten lässt.
Bei einem 1000 kg schweren Luftschiffe hebt die Maschine 400 kg, der Tragballon 600
kg des Luftschiffgewichtes. Wenn also die Elastizität den Tragballon ersetzen soll,
so muss die Elastizität im stände sein, 600 kg des Luftschiffes zu heben; wie
ist das möglich?
Dass die Elastizität in vielen Fällen in der Mechanik als Kraftakkumulator Anwendung
findet, ist wohl allgemein bekannt; wie wäre es, wenn wir sie in dieser Eigenschaft
auch in die Flugtechnik einführen würden; könnte dann das Gewicht von 600 kg nicht
durch diesen Kraftakkumulator gehoben werden?
In welcher Weise aber wäre die Ladung dieses Kraftakkumulators, die Spannung der
Elastizität vorzunehmen?
Wenn das 1000 kg schwere Luftschiff mit vogelflügelähnlichen Flächen ausgerüstet
wäre, in welcher Weise haben wir da die Kraft der Maschine auf die Auf- und
Abbewegung der Flugflächen wirken zu lassen?
Wir kommen zur Untersuchung der höchst sonderbaren Frage:
Hat die Kraft der Maschine auf Abwärtsbewegung oder auf Aufwärtsbewegung der
Flugflächen zu wirken?
Wir alle glaubten, dass die Kraft der Maschine auf Abwärtsbewegung der Flugflächen zu
wirken hat, und wir glaubten das mit solcher Bestimmtheit und
Selbstverständlichkeit, dass es uns nie einfiel, daran auch nur im geringsten zu
zweifeln, und dennoch ist gerade dieser Glaube der irrigste von allen gewesen, denn
wir werden sofort einsehen, dass die Hauptaufgabe der Kraft der Maschine darin zu
bestehen hat, die Flugflächen aufwärts zu bewegen, so
paradox uns diese Behauptung auch erscheinen mag.
Denken wir uns das 1000 kg schwere Luftschiff hätte im Querschnitt die Form wie in
Fig. 1 und 2, in
welchen die Linien ac und cb zwei steife Flugflächen bedeuten, die im Punkte c in einem Scharnier drehbar sind, und unter welchen der Laderaum d des Luftschiffes angebracht ist.
An den Laderaum d angebracht, denken wir uns durch die
Flugflächen hindurchgehend den Ring e, um welchen
oberhalb der Flächen eine Spiralfeder gewickelt ist, die uns als Kraftakkumulator
dienen soll, die sich also zusammenschiebt, wenn die Flugflächen aus der Stellung
Fig. 1 in die Stellung Fig. 2 übergehen, dagegen mit Heftigkeit wieder auseinander schnellt,
wenn die Flugflächen aus der Stellung Fig. 2 in die
Stellung Fig. 1 zurückkehren, d.h. ihren Niederschlag
ausführen.
Textabbildung, Bd. 314, S. 76
Fig. 1.
Textabbildung, Bd. 314, S. 76
Fig. 2.
Im Laderaum d denken wir uns die 400 kg-Maschine, die so
eingerichtet ist, dass sie direkt mit der Kolbenstange auf Aufwärtsbewegung der
Flugflächen zu wirken vermag.
Wir wissen nun schon aus den Ausführungen in D. p. J.
1899 313 133, dass, wenn einmal das Gewicht des 1000 kg
schweren Luftschiffes vom Luftwiderstande getragen wird, gleichviel, ob es dabei
auch sinkt oder nicht, die Flugflächen aus der Stellung Fig. 1 in die
Stellung Fig. 2
acb übergehen, wodurch die Spiralfeder an dem Ringe e mit einer Kraft gleich dem Gerichte des Luftschiffes,
d. i. mit einer Kraft von 1000 kg zusammengeschoben wird.
Auf diese Weise hat durch das Sinken des Luftschiffes allein schon der durch die
Spiralfeder repräsentierte Kraftakkumulator eine Kraft von 1000 kg erworben.
Wir besitzen demzufolge nunmehr eine Kraft von 1400 kg und zwar 1000 kg Federkraft
und 400 kg Maschinenkraft, also schon um 100 kg mehr Kraft als Platte für nötig erachtet hat.
In der Stellung acb der Flugflächen (Fig. 2) hat aber die Maschine mit ihrer Kraft noch
nicht gegen die Flugflächen zu wirken begonnen. Damit nun die Flugflächen aus der
Stellung acb (Fig. 2) in
die punktierte Stellung a1cb1
gelangen, lassen wir die Kraft der Maschine auf Aufwärtsbewegung der Flugflächen wirken, wodurch die Spiralfeder an dem
Ringe e entsprechend der Kraft von 400 kg
zusammengeschoben wird und die in der Spiralfeder aufgespeicherte Kraft von 1000 kg
auf 1400 kg steigt.
Wir besitzen nun in der Spiralfeder allein 1400 kg Kraft, das Luftschiff ist nur 1000
kg schwer; wenn wir also die Thätigkeit der Maschine einstellen, nicht mehr auf
Aufwärtsbewegung wirken lassen, so wird sofort die Entspannung der Spiralfeder und
damit der Niederschlag der Flugflächen erfolgen, das Luftschiff wird während des
Niederschlages in eine höhere Lage gehoben.
Danach vermag also die richtige Ausnutzung der Elastizität für den dynamischen Flug
in reichlichem Masse dasjenige zu leisten, wozu Platte
den Tragballon vorgeschlagen hat, und es stellt sich die richtige Ausnutzung der
Elastizität als diejenige Kleinigkeit dar, welche nach Prof. Pissko für die vollständige Lösung des Flugproblems erwartet wird.
Absichtlich beschränkte ich mich oben darauf, zu sagen, die Kraft der Maschine habe
nur auf Aufwärtsbewegung der Flugflächen und
Spannung der Elastizität der Spiralfeder an dem Ringe e
zu wirken, um die Bedeutung der Elastizität als Kraftakkumulator für den
Fliegeprozess in ihrer ganzen Grösse klar zu stellen, und um den erforderlichen
Umschwung in unserer Auffassung des Flugvorganges um so sicherer und rascher herbei
zu führen.
Es hindert uns aber natürlich nichts, die Kraft der Maschine auch auf Abwärtsbewegung
der Flugflächen wirken zu lassen, in welchem Falle sich der Ueberfluss an Kraft für
den Niederschlag der Flugflächen noch um weitere 400 kg erhöht, die gesamte Kraft
auf 1800 kg anwächst, nämlich 1400 kg Federkraft und 400 kg Maschinenkraft.
Platte bezeichnete für den Niederschlag der Flugflächen
und Heben des 1000 kg schweren Luftschiffes als erforderlich eine Kraft von nur 1300
kg, hält die hierfür konstruierbare Maschine mit 400 kg für viel zu schwach; wir
dagegen erhalten nun bei richtiger Ausnutzung der Elastizität als Kraftakkumulator
bei Anwendung derselben schwachen Maschine von nur 400 kg Kraft, für den
Niederschlag der Flugflächen und Heben des Luftschiffes im ganzen eine Kraft von 1800 kg, d. i. 4½mal so viel als die Maschinenkraft
beträgt, und beinahe um die Hälfte mehr als Platte für
den Niederschlag der Flugflächen für erforderlich hält.
Damit erscheint die Kraftfrage für die Flugtechnik theoretisch in überraschend
einfacher Weise gelöst; praktisch mag sie ja vielleicht noch immerhin nicht
unbedeutende Schwierigkeiten zu überwinden haben, etwa die, dass es nicht möglich
ist, solche Federn zu konstruieren, die bei genügender Elastizität Festigkeit genug
besitzen, um Kräfte von so ausserordentlicher Grösse in sich aufzuspeichern;
vielleicht wird es nötig sein, zu untersuchen, ob durch Pressung von Luft in
Kompressoren nicht in gleicher Weise ein Kraftakkumulator herstellbar ist, wie bei
Anwendung und Ausnutzung von Elastizität von Stahlfedern.
Eines aber ist sicher: Die Ladung des Akkumulators muss beim Flügelaufschlage, die
Entladung desselben muss beim Flügelniederschlage erfolgen und nur bei Anwendung
eines auf solche Art funktionirenden Kraftakkumulators ist die Lösung des
Flugproblems möglich.