Titel: | Die gebräuchlichen Automobilsysteme. |
Autor: | H. Bachner |
Fundstelle: | Band 315, Jahrgang 1900, S. 28 |
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Die gebräuchlichen Automobilsysteme.
Von Professor H. Bachner in Stuttgart.
(Fortsetzung des Berichtes S. 16 d. Bd.)
Die gebräuchlichen Automobilsysteme.
II. Kühlung.
Für die gute Wirkungsweise jedes Explosionsmotors ist eine ausreichende Kühlung des Cylinders wesentliche Vorbedingung. Unterbleibt
die Kühlung, so verbrennt das dem Kolben unentbehrliche Schmiermittel an den überheissen Wandungen und wirkt statt fördernd
stark bremsend auf den Bewegungsvorgang; gleichzeitig verringert sich die Gewichtsmenge des angesaugten Gemisches entsprechend
der Abnahme der Dampfdichte mit steigender Temperatur, wodurch die Intensität der Explosion und die Grösse der indizierten
Leistung eine Einbusse erleidet.
Beim stationären Motor erfolgt die Kühlung stets durch Wasser, welches durch besondere den Cylinder umgebende Hohlräume zirkuliert,
und gilt dann als normal, wenn die höchste Kühlwassertemperatur 60° bis 70° C. nicht überschreitet. Um dies zu erreichen,
sind bei Benutzung von stetig aus der Leitung entnommenem Wasser 30 bis
40 l pro Pferdekraftstunde erforderlich; muss man mit dem Wasser sparen und ein und dieselbe Kühlwassermenge im Kreislauf
benutzen, wobei die Zirkulation durch den Auftrieb des heissen Wassers im Mantel gegenüber den kühleren Schichten im Reservoir
selbstthätig erfolgt, so sind für einen 2pferdigen Motor beispielsweise rund 700 l Wasser erforderlich.
Man sieht, es handelt sich hier um Gewichte, welche dem Motorwagen leichterer Bauart unter keinen Umständen aufgebürdert werden
dürfen. Will man hier doch Wasserkühlung verwenden, was bei grösseren Leistungen nicht zuumgehen ist, so bleibt nichts übrig, als die mitzuführende Wassermenge auf ein Minimum zu beschränken, d.h. nichts anderes,
als für das austretende Wasser die Siedtemperatur zuzulassen; die entsprechende Cylindertemperatur ist dann natürlich noch
wesentlich höher.
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Fig. 10.Kühlvorrichtung des Benz-Motors.
Man benutzt demnach zur Wasserkühlung der Automobilmotoren die an zweiter Stelle genannte Methode, und hat nun vor allen Dingen dafür Sorge zu tragen, dass das Wasser bis zum Wiedereintritt
in den Mantel wenigstens einigermassen rückgekühlt wird.
Hierzu bietet gerade der Umstand, dass das Wasser ins Kochen gerät und verdampft, ein geeignetes Mittel. Gelingt es nämlich,
den Dampf kontinuierlich zu kondensieren und dabei auch das Kondensat noch weiter abzukühlen, so ist ein Dauerbetrieb mit
dieser Kühlmethode wohl möglich.
Textabbildung Bd. 315, S. 28
Fig. 11.Kühlvorrichtung des Roger-Motors.
Fig. 10 zeigt die diesem Zwecke dienendeBaudry de Saunier, Das Automobil in Theorie und Praxis, Bd. Deutsche Uebersetzung. 1900. Hartleben, Wien. Einrichtung der Benz-Wagen. Als Kondensator dient ein doppelwandiges, quer zur Wagenachse gelagertes weites Rohr D, durch dessen inneren beiderseits offenen Hohlraum die Luft hindurchstreichen kann. Häufig wird sie (vgl.
Fig. 11) hierzu genötigt durch die vorstehenden, nach entgegengesetzten Seiten umgebogenen Enden der inneren Wandung, wodurch links
der Eintritt, rechts der Austritt der Luft begünstigt wird; ausserdem umspült und kühlt dieselbe natürlich auch die äussere
Oberfläche des Kondensators.
Der an den Cylinderwänden entwickelte Dampf gelangt zunächst in den Wasserabscheider
B, aus welchem die relativ geringe Menge mitgerissenen bezw. schon hier kondensierten Wassers direkt dem Kühlwasser wieder
zugeführt wird. Der Dampf tritt hierauf in den Kondensator D, schlägt sich an dessen Wänden als Wasser nieder und fliesst in den Vorratsbehälter A zurück, woselbst sich die Kühlung noch fortsetzt.
Selbstverständlich muss am höchsten Punkt des ganzen Kühlleitungssystems eine Kommunikation mit der Atmosphäre vorgesehen
sein, damit ein gefährliches Ansteigen der Dampfspannung vermieden wird; auf diesem Weg entweicht ein Teil des entwickelten
Dampfes (vgl. Fig. 10 bis 12).
Mit der vorstehenden Konstruktion sind alle übrigen Systeme der Wasserkühlung im Prinzip identisch; gemeinsam ist ihnen insbesondere,
dass im Gegensatz zur Wasserkühlung der stationären Motoren von dem Gewichtsunterschied der heissen gegen die gekühlten Wasserschichten
zur Zirkulation derselben kein Gebrauch gemacht wird; dies ist aber dort auch überflüssig geworden, weil die das verdampfte
Wasser ersetzenden kühleren Schichten mit viel lebhafterer Bewegung nachströmen als bei reiner Wasserzirkulation ohne Dampfbildung.
In vielen Fällen freilich genügt auch diese Anordnung der Kühlung noch nicht, man muss die Oberflächenkühlung des Wassers
noch wirksamer gestalten, indem man es inRohrschlangen zirkulieren lässt. Hierzu ist dann, da die Bewegungswiderstände zu gross ausfallen, eine besondere kleine Pumpe
einzubauen, wie die von Roger gewählte Anordnung zeigt (Fig. 11). Es sind: i die Vorratsbehälter, a der durch eine Rohrspirale gekühlte Cylinder, c der Wasserabscheider, e der Kondensator, g die Rohrschlange für die Oberflächenkühlung, m die Zirkulationspumpe, durch o gleicht sich die Dampfspannung aus; die Kühlrohre finden dabei vorn unter dem Wagenkasten ihren Platz.
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Fig. 12.Kühlvorrichtung des Daimler-Motors.
Textabbildung Bd. 315, S. 28
Fig. 13.Anordnung der Kühlvorrichtung eines französischen Rennwagens.
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Fig. 14.Anordnung der Kühlvorrichtung des Motorwagens Liliput von Heinle und Wegelin.
Auch die Daimler-Wagen erhalten eine kleine Pumpe zur Erzeugung einer von zufälligen Störungen unabhängigen, möglichst lebhaften WasserzirkulationDem Verfasser von der Firma Daimler-Motorengesellschaft in Cannstatt ebenso wie Fig. 4 und 5 freundlichst überlassen. (Fig. 12). Diese Pumpe a wird von der Motorwelle durch ein Exzentergetriebe bewegt und drückt das Wasser- und Dampfgemisch aus dem Cylindermantel
b in ein Sammelgefäss d; von hier gelangt das Kondensat infolge der Saugwirkung der Pumpe in die Kühlrohre e und schliesslich zum Saugventil der Pumpe zurück. Die Kommunikation mit der Atmosphäre ist durch das Rohr f gewahrt.
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Fig. 15.System des schlangenförmigen Abkühlers von Loyal.
Legt man weniger Wert auf das Aussehen als auf möglichst intensive Kühlung, wie z.B. bei Rennwagen, welche neuerdings auftauchen,
so kann man die Kühlschlangen vor der Wagenstirn anordnenVgl. auch D. p. J. 1899 314 *
37, Motorwagen Petit-Duc von De Dietrich. (vgl. die Abbildung eines französischen Rennwagens,
Fig. 13). Auch die Firma Heinle und Wegelin in Oberhausen bei Augsburg benutzt diese Anordnung an ihrem Motorwagen Liliput (Fig. 14), da sie, von dem Bestreben nach einer möglichst kompendiösen Bauart ausgehend, bedacht sein muss, die Rückkühlung so weit
zu treiben, als ausführbar erscheint.
Dabei benutzt man zur Vergrösserung der wärmeableitenden Oberfläche zweckmässig Rippenrohre (Fig. 12), welche ähnlich den bekannten Heizkörpern der Dampfheizungen aus Gusseisen hergestellt sein können, nach dem Verfahren von
A. Loyal in Paris indes recht zweckmässig aus Kupferrohr mit aufgelöteten gewellten Stahlrippenbestehen (Fig. 15)Vgl. auch
D. p. J. 1899 314 * 182.. Dies System ist offenbar auch beim Liliput-Wagen (Fig. 14) zur Anwendung gekommen. Weniger glücklich erscheint der in Fig. 16 verzeichnete Gedanke, die glatten Kühlrohre durch Umwickeln mit Drahtspiralen ausstrahlungsfähiger zu machen, weil zwischen
Rohr und Draht zu wenig Uebergangsfläche für die Wärme vorhanden ist.
Dagegen kommt trotz grösserer Komplikation und vermehrten Energieverbrauches jetzt häufig künstliche Ventilation zur Anwendung.
Auf verhältnismässig einfachem Wege ist hierzu bei den neueren Daimler-Motoren das Schwungrad selbst als Ventilator ausgebildet.
Textabbildung Bd. 315, S. 29
Fig. 16.Kühlung mittels Drahtspirale.
Alle hier angestrebten und noch möglichen Verbesserungen können indes einen Uebelstand nicht beseitigen und das ist die Notwendigkeit,
von Zeit zu Zeit den Wasservorrat zu ergänzen, hervorgerufen durch das schon als unvermeidlich erwähnte teilweise Entweichen
des sich bildenden Dampfes. Hierdurch nimmt die Kühlwassermenge stetig ab, ihre Durchschnittstemperatur entsprechend zu, so
dass schliesslich ihre Kühlfähigkeit nicht mehr genügt, und kaltes Wasser nachgefüllt werden muss, ehe der Motor unter der
Ueberhitzung leidet; beim Benz-Wagen tritt dieser Fall nach etwa 50 km ein.
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Kühlvorrichtung am Dion et Bouton-Motor.
Diese Nachteile in Verbindung mit dem Umstand, dass bei ganz leichten Fahrzeugen, insbesondere den Motorfahrrädern, die Mitnahme
eines auch verhältnismässig recht
kleinen Wasserquantums, welches schon häufiges Nachfüllen bedingen würde, mit Rücksicht auf Gewicht und Raumbedarf überhaupt
ausgeschlossen erscheint, führten zu einer anderen Kühlmethode, der reinen Luftkühlung. Man beseitigt den Mantel, versieht
alle zu kühlenden Oberflächen mit möglichst grossen Kühlrippen und überlässt es der durch das Fahren entstehenden Luftbewegung,
diese Teile vor Ueberhitzung zu schützen.
Die Erfahrung zeigt, dass auch diese Kühlung sich bewährt, vorausgesetzt, dass man ihr nicht zu viel zumutet, d.h. bis zu
einer Motorleistung von etwa 3 bis höchstens
4 PS. Immerhin werden solche Motoren bei dauernd grosser Belastung, z.B. auf langen
Steigungen, in ihrer Leistung merklich nachlassen, gerade dann, wenn dieselbe am grössten sein sollte.
Die normale Bauart dieser Motoren mit reiner Luftkühlung ist in Fig. 1 am De Dion et Bouton-Motor und in Fig. 17 am MotorD. p. J. 1899 311 * 141. der Lizenzinhaberin Cudell und Co. in Aachen dargestellt, im Gegensatz zum wassergekühlten MotorD. p. J. 1899 314 *
34. derselben Firma (Fig. 18). Die eigentliche Cylinderaussenfläche erhält dabei rund herumlaufende, ziemlich nahe bei einander stehende, gusseiserne
Rippen, während der Cylinderkopf nebst Ventilkammer mit vertikal gestellten flügelartigen Rippen ausgerüstet wird. Die Versuche,
diese Kühlungsart noch zu vervollkommnen, erscheinen nicht sehr aussichtsreich; immerhin dürften die folgenden Konstruktionen
von Interesse sein.
Der wegen seines Kurbelgehäuses bereits erwähnte Gaillardet-Motor (Fig. 4) besitzt nur horizontale Rippen, welche weiter als bisher voneinander abstehen, aber sehr verbreitert sind. Offenbar soll
diese Anordnung der Luft einen besseren Zutritt gewähren. Das Gleiche erstrebt die Firma Tourneau und Cie. in Paris, mit ihrem L'Aviatorgenannten Motor (Fig. 19), welcher nur vertikal gestellte Rippen besitzt. Diese Konstruktion, bei der stationären stehenden Maschine die Luftströmung
entschieden begünstigend, erscheint im vorliegenden Fall für vertikale Aufstellung nicht nutzbringend, da die Strömungsrichtung
der bewegten Luft beim Fahren vorwiegend eine horizontale sein wird.
Einen Fortschritt bedeutet dagegen das Aufziehen gewellter kupferner Blechringe auf den glatt gedrehten Cylinder an Stelle
der angegossenen gusseisernen Rippen, eine Bauart, die von den Aster-Fahrradwerken in Paris eingeführt wurde (Fig. 5). Die geringe Blechstärke gestattet die Anzahl der Ringe und damit die ausstrahlende Oberfläche zu vergrössern, während gleichzeitig
die vorzügliche Wärmeleitungsfähigkeit des Kupfers die Wärmeabfuhr begünstigt. Der Einfluss dieser Anordnung auf den Wirkungsgrad
soll nach Angabe der Firma dadurch zum Ausdruck kommen, dass der 2pferdige Motor nur 30 kg, die 4pferdige Zwillingsmaschine
nur 45 kg Gewicht besitzt, Eigenschaften, welche diese Motoren für Fahrradzwecke ausserordentlich geeignet erscheinen lassen.
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Fig. 19.Kühlvorrichtung des L'Aviator-Motors von Turneau und Cie.
Im Anschluss an das Kapitel sei noch erwähnt, dass man neben der Kühlung der ausreichenden Schmierung der Cylinderwände besondere
Beachtung schenken muss. Es erhält daher dieser Teil in der Regel eine Oelzuführung für sich (vgl. Fig. 7), zweckmässig durch eine kleine Oelpumpe, welche von den Erschütterungen des Wagens und der Aufmerksamkeit des Fahrenden
unabhängig funktioniert.
(Fortsetzung folgt.)