Titel: | Ueber die Anpflanzung und Gewinnung des Indigos in Bengalen. |
Fundstelle: | Band 315, Jahrgang 1900, S. 200 |
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Ueber die Anpflanzung und Gewinnung des Indigos in Bengalen.
Ueber die Anpflanzung und Gewinnung des Indigos in Bengalen.
Der natürliche Indigo ist unter allen Farbstoffen, welche die Natur liefert, der bei weitem wertvollste. Die Einfuhr an natürlichem
Indigo nach Deutschland allein belief sich im Jahre 1895 auf etwa 1800 t im Werte von etwa 21 Millionen Mark.
Im synthetischen Indigo, welcher seit kurzer Zeit von unseren grösseren Farbenfabriken auf den Markt geliefert wird, ist dem
Naturprodukte ein gewaltiger Konkurrent erwachsen. Der Unterschied zwischen den Preisen des natürlichen und des künstlichen
Indigos ist zur Zeit nicht erheblich. Es ist indessen anzunehmen, dass das Kunstprodukt durch Verbesserungen in der Fabrikation
noch bedeutend billiger geliefert werden wird.
Die Produzenten des natürlichen Indigos in den verschiedenen überseeischen Ländern haben sich daher in jüngster Zeit genötigt
gesehen, auch ihrerseits die Gewinnung des Indigos rationeller zu gestalten.
Chr. Rawson, der im vergangenen Jahre Gelegenheit hatte, eine grosse Zahl von Indigopflanzungen und Faktoreien in Behar (Bengalen) zu
besichtigen, gibt neuerdings in dem Journal of the Society of Dyers and Colourists eine interessante Beschreibung der Gewinnung des Indigos, wie sie gegenwärtig in Bengalen ausgeübt wird.
Es unterliegt gar keinem Zweifel, dass die Indigoproduktion weiterer Verbesserungen bedarf, und dass sie auch unter Zuhilfenahme
intelligenter Kräfte einer Verbesserung sehr wohl fähig ist. Wir gehen daher bei der Wichtigkeit des Gegenstandes hier etwas
näher auf die Rawson'sche Arbeit ein.
Eine grosse Menge Pflanzen hat die Fähigkeit, Indigo hervorzubringen, indessen ist die Indigofera tinctoria die einzige Art,
welche in Bengalen kultiviert wird. Vor dem Säen des Samens wird das Land einer ziemlich komplizierten, vorbereitenden Bearbeitung
unterzogen. Im Oktober, bald nachdem die Fabrikationssaison oder
„Mahai“ beendet ist, wird das Land mit Hilfe einer grossen Hacke umgehackt. Nach dem Hacken wird das Land gepflügt. Gewöhnlich werden
ein halbes Dutzend, von Stieren gezogene Pflüge eng aneinander von einem Ende des Feldes zum anderen getrieben, während quer
durch die so erzeugten Furchen in einem rechten Winkel ein anderes halbes Dutzend pflügt. Nach dem Pflügen wird ein 5 bis
8 Fuss langer Balken mit seiner flachen Seite quer über das Land gezogen. Dieses Werkzeug, das von 2 bis 4 Stieren gezogen
wird, wird „Hanga“ genannt. Die flache Seite liegt am Boden, an jedem Ende steht ein Treiber und die „Hanga“ wird vor- und rückwärts über das Land gezogen. Dies hat den Zweck, die grossen Brocken zu zerbrechen, und das Land zu ebnen.
Zuweilen wird auch eine schwere Walze gebraucht. Das Land wird dann wieder 3- oder 4mal gepflügt. Zuletzt werden die kleinen
Erdbrocken durch Frauen und Kinder zerschlagen, welche sich dazu eines kurzen dicken Steckens bedienen. Ebenso sammeln und
beseitigen dieselben allen lockeren Abfall, wie Gras, Unkraut und Stumpen der Ernte der vorhergehenden Saison.Der Samen wird in Rillen gesät, ungefähr Ende Februar oder anfangs März. Er keimt im Verlauf von 4 oder 5 Tagen, und Mitte
Juni, wo die Verarbeitungssaison gewöhnlich beginnt, hat die Pflanze eine Hohe von 1 bis 1½ m erreicht, und einen Stengel
von ungefähr
0,6 cm Durchmesser. Die Indigoernte ist eine sehr unsichere; zu viel oder zu wenig Regen ist in gleicher Weise verderblich.
Nach mehrwöchentlichem Wachstum beginnt die Pflanze zu blühen; wenn die Wurzel tiefer in den Boden eindringt und auf eine
trockene Lage Erdreich kommt, dann dörrt und stirbt die Pflanze sehr schnell ab und der Pflanzer muss mit dem Säen nochmals
beginnen. Ebenso bedingt ein im Februar oder März auf frisch gesätes Land oder auf eben das Erdreich durchbrechende Pflanzen
fallender Regen ein erneutes Säen. In schlechten Jahreszeiten muss so dieses Säen oft 3- bis 4mal wiederholt werden. Das Blatt
der Pflanze ist gelblichgrün und zeigt kein Merkmal von Erzeugung eines blauen Farbstoffes.
Rawson hat eine Anzahl Pflanzenmuster untersucht. Die folgende Tabelle 1 zeigt die hauptsächlichsten Resultate der Analyse von 12
lufttrockenen Mustern, umgerechnet auf die grüne Pflanze mit einem durchschnittlichen Wassergehalt von 75 %. Tabelle 2 zeigt
die Zusammensetzung der Mineralbestandteile in 100 Teilen:
Tabelle 1.
Analyse der Indigopflanze (Indigofera tinctoria).
LufttrockenePflanze
Grüne Pflanze
Blätter
Stengel
Blätter
Stengel
WasserStickstoffhaltige SubstanzOel in Aether löslichHolzfaserKohlenhydrate und andere organische SubstanzenMineralsubstanzen (Asche)
10,42 29,37 3,85 11,07 33,29 12,00
9,75 5,94 1,05 47,50 31,01 4,75
75,00 8,19 1,07 3,09 9,30 3,35
75,00 1,65 0,29 13,16 8,60 1,30
100,00
100,00
100,00
100,00
In Wasser lösliche Substanz: organische unorganische stickstoffhaltigeMineralsubstanz, enthaltend: Silicium Phosphorsäure Schwefelsäure Kohlensäure u.s.w. Chlorate Eisen- und Aluminiumoxyd Magnesiumoxyd Kalk Magnesium Kaliumkarbonat
25,05 7,55 4,64 0,628 0,916 0,296 2,885 0,050 0,086 0,040 3,591 1,298 2,210
9,052,650,94 0,051 0,344 0,074 1,163 0,074 0,020 0,025 1,275 0,164 1,460
6,992,11 1,293 0,175 0,255 0,084 0,806 0,014 0,024 0,011 1,0020,3620,616
2,510,73 0,260 0,013 0,095 0,021 0,323 0,021 0,006 0,008 0,353 0,045 0,404
Tabelle 2.
Zusammensetzung der Asche in 100 Teilen.
Blätter
Stengel
SiliciumPhosphorsäureSchwefelsäureKohlensäure u.s.w.ChlorateEisen- und AluminiumoxydMagnesiumoxydKalkMagnesiaPottasche
5,23 7,64 2,46 24,05 0,41 0,71 0,33 29,94 10,82 18,41
1,10 7,40 1,58 25,03 1,58 0,43 0,53 27,43 3,50 31,42
100,00
100,00
Die verschiedenen Muster zeigten eine erhebliche Verschiedenheit in ihrer Zusammensetzung. Die Mineralsubstanz variierte im
lufttrockenen Blatte von 8,4 % bis
14,4 %. Ein Muster enthielt 5,48 % Stickstoff, während ein anderes nur 3,75 % hatte. Wie sich aus der „Karbolsäuremethode“ ergab, ist ⅘ des in den Blättern enthaltenen Gesamtstickstoffes in Form von Albuminoidsubstanzen vorhanden.
Ebenso verschieden ist das Verhältnis von Blatt und Stengel in der Indigopflanze. Das Hauptresultat von 20 Bestimmungen ergab
in runden Zahlen 40 % Blätter und 60 % Stengel. Auf dieser Grundlage ergibt sich die Zusammensetzung der ganzen grünen Pflanze
wie folgt:
Tabelle 3.
Zusammensetzung der gesamten grünen Pflanze.
%
Wasser
75,00
Stickstoffhaltige Substanz
4,27
Oel u.s.w., löslich in Aether
0,60
Holzfaser
9,14
Kohlenhydrate und andere organische Bestandteile
8,87
Mineralsubstanz (Asche)
2,12
––––––
100,00
In Wasser lösliche Substanz:
organische
4,30
mineralische
1,28
stickstoffhaltige
0,673
Mineralsubstanz, enthaltend:
Silicium
0,078
Phosphorsäure
0,159
Schwefelsäure
0,046
Kohlensäure u.s.w.
0,519
Chlorate
0,018
Eisen- und Aluminiumoxyd
0,013
Magnesiumoxyd
0,009
Kalk
0,615
Magnesia
0,172
Pottasche
0,491
Die Menge des Ertrages eines mit der Indigopflanze bebauten Ackers Land ist ausserordentlich verschieden. Eine günstige Durchschnittsernte
kann zu 50 bis 60 Zentner per Acker angenommen werden. Die geringere Berechnung angenommen, entzieht eine Ernte der Indigopflanze
einem Acker Land 118 Pfund mineralische Bestandteile. Von diesen sind 9 Pfund Phosphorsäure und 27½ Pfund Pottasche. Auch
enthält die auf einem Acker Land wachsende Pflanze 37,7 Pfund Stickstoff, aber da der Indigo eine Leguminose ist, kann man
annehmen, dass ein Teil dieses Stickstoffes wahrscheinlich der atmosphärischen Luft entnommen worden ist. Mit ganz geringen
Ausnahmen ist der einzige verwandte Dünger zur Kultur der Indigopflanze eben diese Pflanze selbst, nachdem die färbenden Bestandteile
ausgezogen worden sind.
Die Pflanze ist ein wertvolles Düngemittel. Sie enthält alle für das Gedeihen einer neuen Ernte notwendigen Bestandteile.
Die lufttrockene, vom Indigo befreite,
„Seet“ genannte Pflanze enthält einen höheren Prozentsatz Stickstoff als die lufttrockene Originalpflanze, und die Asche enthält
mehr Phosphorsäure, obgleich eher weniger Pottasche als die Asche der Originalpflanze.
Rawson hat ungefähr 40 Muster Erde von Behar untersucht. Alle enthalten einen Ueberfluss von Pottascheund eine beträchtliche Menge Phosphorsäure. Die Mehrzahl der untersuchten Erdmuster aber enthielt nur eine geringe Menge Stickstoff.
Dies ist ziemlich bemerkenswert in Anbetracht des grossen Prozentgehaltes der Pflanze an Stickstoff, beweist aber, wie bereits
erwähnt, dass ein Teil dieses Elementes ohne Zweifel der atmosphärischen Luft entnommen wird.
Dr. Voelcker hat in seinem Bericht über Indian Agriculture 1893 und Dr. Leather in der Agricultural Ledger 1898 auf den geringen Prozentgehalt an Stickstoff, wie er allgemein in den indischen Erden gefunden wird, aufmerksam gemacht.
Die folgende Tabelle 4 enthält die Resultate der Analysen von 4 Proben der Erde von Behar, auf der die Indigopflanze gebaut
wird.
Tabelle 4.
Zusammensetzung von bengalischem Indigoerdreich.
In 100 Teilen trockener Erde
Champarundistrikt
Tirhootdistrikt
Leichtsandig
Schwersandig
A
B
Organische Substanz und WasserSand u. unlösliche SilikatePhosphorsäure (P2O5)Schwefelsäure (SO3)Kohlensäure u.s.w.EisenoxydAluminiumKalkMagnesiaPottasche
1,40 53,85 0,17 0,05 17,37 2,25 3,75 20,60 0,22 0,34
1,95 87,55 0,13 0,04 1,06 3,90 4,20 0,42 0,45 0,30
2,60 87,90 0,10 0,03 0,67 2,60 3,35 1,05 1,30 0,40
2,55 88,85 0,12 0,02 1,01 2,90 3,65 0,40 0,16 0,34
100,00
100,00
100,00
100,00
Enthaltend StickstoffEntsprechend Ammoniak
0,0650,078
0,0550,066
0,0800,097
0,0650,078
Eine grosse Anzahl der untersuchten Erden enthielt ungefähr 20 %. Kalk, während bei einer Anzahl anderer (schwere Thonerde)
in der Analyse sich ein Gehalt ergab von nur
0,5 bis 1 %.
Gewinnung.
Die Gewinnung des Indigos wird in Behar fast ausschliesslich unter der Leitung von Europäern ausgeführt. Die Arbeitssaison
beginnt gewöhnlich ungefähr Mitte Juni, aber auch 14 Tage früher oder später. Bald nach dem Schneiden treibt die Pflanze frische
Blätter und nach 2 oder 3 Monaten erhält man eine zweite Ernte. Die erste und Haupternte wird die „Morhan-Ernte“ genannt und die zweite „Khoontie“, und dementsprechend spricht man von der Arbeitssaison als der „Morhan-Mahai“ und der „Khoontie-Mahai“. Manchmal liegt zwischen den beiden Saisons nur 1 Woche oder 14 Tage, mitunter kann auch ohne Unterbrechung geerntet werden.
Die Pflanze wird früh am Morgen geschnitten, oft schon vor Tagesanbruch, und in von 2 Ochsen gezogenen zweiräderigen Karren
nach den Faktoreien gebracht. Die Arbeit an einem Indigounternehmen wird gewöhnlich unter eine Anzahl Faktoreien verteilt,
und zwar unter 2 bis 10 oder 12, je nach der Grösse des Unternehmens. Jede Faktorei verarbeitet die in einem Kreise von 4
oder 5 Meilen wachsenden Pflanzen. In einer mittelgrossen Faktorei werden täglich einige Hundert Karrenladungen voll Pflanzen
während der Campagne verarbeitet. Die Scene, welche sich morgens rund um die Einweichkufen mit den langen Linien der schwer
beladenen Ochsenkarren, welche von den verschiedenen Punkten aus langsam ihren Weg den Faktoreien zu nehmen, abspielt, ist
eine sehr interessante und macht einen ausserordentlich geschäftigen Eindruck.
Eine kleine Indigofaktorei enthält 6 Einweichkufen und 2 Kufen zum nachherigen Schlagen der aus den ersteren abgelassenen
Flüssigkeit. Jene sind höher gestellt als die letzteren. Jede Einweichkufe hat einen Rauminhalt von etwas über 280 hl. Die
Dimensionen sind 5,5 m zu 4,8 m bei 1 m Tiefe. Die Tiefe wurde gemessen bis zu den Kreuzbalken und nicht bis zum Grunde des
Tanks. Jede Reihe der Schlagkufen erstreckt sich in der ganzen Länge der 6 Einweichkufen und jede hat eine Weite von 3,98 in; ein 3 Fuss hoher Wall geht bis zur Mitte des Schlagbades, aber an jedem
Ende ist ein Zwischenraum gelassen, so dass, sobald die Mühle in Bewegung gesetzt wird, eine freie Zirkulation der Flüssigkeit
möglich ist. Die Schlagmühle besteht aus einem Stamm, der mit 3 Reihen Sprossen besetzt ist. Diese Sprossen, deren 6 in jeder
Reihe sind, sind an den Enden mit Blättern ausgerüstet, welche bei den Umdrehungen die Flüssigkeit aufwühlen und so eine beständige
Zirkulation bedingen. In einigen Fällen sind die Einweichkufen in 3 Abteilungen geteilt, und die Mühle ist in der mittleren
Abteilung angebracht. Die Kufen sind aus Mauerwerk mit Portlandcement gebaut. Gewöhnlich sind dieselben offen, zuweilen auch
bedeckt. Das Arrangement der Bäder ist in den verschiedenen Faktoreien ein wechselndes. Manchmal kommt auf mehr als 8 Einweichkufen
nur 1 Schlagkufe. Die Einweichkufen sind häufig an jeder Seite von 2 oder 3 Reihen Schlagkufen aufgestellt, während wieder
in anderen Fällen die Einweichkufen in langen Reihen mit den etwas niederer stehenden Schlagkufen Seite an Seite arrangiert
sind.
Früher waren die Einweichkufen viel grösser als jetzt, indem sie eine Kapazität von ungefähr 560 hl hatten, und zu jeder solchen
gehörte eine korrespondierende Schlagkufe. Die Flüssigkeit wurde an Stelle der Mühle mit der Hand mit Stöcken geschlagen und
jedes Bad war besetzt mit 12 mit Stecken versehenen Kulis. In Madras und den nordwestlichen Provinzen wird heute hauptsächlich
noch nach dieser Methode gearbeitet und einige Faktoreien in Behar haben auch noch einige wenige Bäder mit Handbetrieb. Ausser
den Kufen erfordert eine Indigofaktorei noch an Betriebsmaterial einen Dampfkessel und eine Dampfmaschine, Pumpen, Kochpfannen,
Filtertische, Pressen, Trockenhaus und verschiedene Werkschuppen. An höherem Platze als die Einweichkufen befindet sich ein
grosser Wasserbehälter oder „Kajana“. Zuweilen ist er aus Eisen, aber gewöhnlich aus Mauerwerk mit Portlandcement wie die Kufen. Das Wasser wird in die „Kajana“ von dem benachbarten Fluss oder See hineingepumpt und von ihm aus werden die Einweichkufen gefüllt.
Das Füllen der Kufen und das Einweichen.
Vor allem werden die Kufen jeden Tag aufs sorgfältigste durch und durch gereinigt. Eine Anzahl Kulis steigen in die Kufe hinein
und schrubben jeden Teil gut unter Benutzung einer genügenden Menge Wasser. Die Pflanze wird dann dicht in die Kufe mehr oder
weniger aufrecht hineingesteckt, so dass die sich entwickelnden Gase freier entweichen und die Flüssigkeit nach dem Einweichen
vollständiger abfliessen kann.
Die Menge der grünen Pflanze, welche in eine Kufe von 280 hl Inhalt eingelegt wird, wechselt von 5000 bis 7500 kg. Nach dem
Füllen werden eine Anzahl Baumstämme quer über die Kufe gelegt. Man lässt nun soviel Wasser in die Kufe laufen, bis es bis
auf einige Centimeter an die Bäume hinanreicht. Wenn man die Kufen ganz füllte, so würde die Flüssigkeit bald überlaufen,
da die Pflanze eine beträchtliche Ausdehnung während des Einweichprozesses erfährt.
Die zum Ausziehen der farberzeugenden Bestandteile nötige Zeit variiert zwischen 9 und 14 Stunden, je nach der Temperatur
und anderen klimatischen Bedingungen. 10 bis
11 Stunden kann als günstige Durchschnittszeit angenommen werden. Die Temperatur des Wassers im Juni, Juli und einem
Teile des August beträgt gewöhnlich zwischen 31 und
35° C., während im September dieselbe auf 27° C. heruntergeht, und somit ein längeres Einweichen nötig ist.
Die Indigopflanze netzt sich nicht leicht mit Wasser und vor 1 oder 2 Stunden tritt keine Reaktion ein. Wie Bridges-Lee herausfand, sind die Blätter der Pflanze mit unzähligen kleinen Härchen besetzt, welche zweifellos die Hauptursache der schweren
Netzbarkeit mit Wasser sind. Wenn das Wasser in innigen Kontakt mit dem Blatte kommt, wird der Farbstoff auch schon ausgezogen.
Er ist sehr löslich in Wasser. Nach 2 oder 3 Stunden steigt die Flüssigkeit in den Kufen, Luftblasen werden frei und die Oberfläche
bedeckt sich mit einem dicken Schaum.Kohlensäure entwickelt sich in grossen Mengen und im letzten Stadium entweder Sumpfgas oder Wasserstoffgas oder auch eine
Mischung der beiden. Wenn man am Ende der Einweichoperation ein Licht der Oberfläche der Kufe nähert, erhält man eine blaue
Flamme, welche sich einige Meter weit ausdehnt. Der Kufeninhalt hat ganz das Aussehen, in heftiger Fermentation sich zu befinden.
Nach einer gewissen Zeit setzt sich die Flüssigkeit ab, und dies ist das Hauptmerkmal für den Oberaufseher oder den Betriebsleiter,
dass die Pflanze genügend lange eingeweicht ist. Der Abflusshahn wird nun geöffnet und die Flüssigkeit rinnt in die Schlagkufe.
In vielen Fällen bedient man sich eines grossen hölzernen Zapfens an Stelle eines Hahnes.
Wenn die Lösung abgelaufen ist, wird die Pflanze mit einer gleichen Menge Wasser eingeweicht. Das Blatt, welches vor dem Einweichen
eine gelbliche Farbe hatte, ist nun bläulichgrün und scheint nun erheblich mehr Indigo zu enthalten, als die ursprüngliche Pflanze. Trotzdem hat es sich in der Praxis ergeben, dass ein
nochmaliges Einlegen unvorteilhaft ist. Während die Flüssigkeit von der Pflanze abtropft, scheint es, dass der farbgebende
Stoff, welchen die Flüssigkeit von den Blättern und Zweigen löst, schnell zersetzt und zerstört wird. Eine geringe Menge Indigoblau
bildet sich, aber dieses setzt sich in unlöslichem Zustande auf den Blättern ab und wird deshalb auch bei einem nochmaligen
Einweichen nicht ausgezogen. Wenn das Wasser abgelaufen ist, erhöht sich die Temperatur der Pflanze rapid.
Die ausgezogene Pflanze oder „Seet“ wird herausgenommen und allmählich als Dünger für das Land genommen, während die Kufen für die nachfolgende Einweichung hergerichtet
werden.
Das Schlagen.
Die Flüssigkeit, welche vom Einweichreservoir in das Schlagreservoir fliesst, variiert in der Farbe von hellorange bis olivgrün
und besitzt eine eigentümliche Fluorescenz. Wenn genügend lang eingeweicht war, ist die Flüssigkeit, wenn sie ausläuft, zuerst
orange, aber bald geht sie in gelb über und zuletzt in oliv. Wenn alle Reservoirs entleert sind, wird die Schlagmühle in Bewegung
gesetzt und zwar zuerst langsam und nur nach und nach zur höchsten Schnelligkeit. Unter normalen Umständen erfordert die Operation
des „Schlagens“ bis zur Beendigung 2 bis 3 Stunden; aber zuweilen genügen auch schon 1 bis 1½ Stunden. Ein beträchtlicher Schaum bildet sich,
hauptsächlich wenn die Pflanze übermässig lang eingeweicht worden ist. In solchen Fällen steht häufig der Schaum 2 bis 3 Fuss
hoch an der Oberfläche der Flüssigkeit. Der Schaum wird soviel als möglich durch Kulis niedergehalten, welche durch die Flüssigkeit
durchlaufen mit einem Tuche, das quer über die Kufe gespannt ist und so den Schaum unter die Schlagmühle bringen, wo der meiste
davon gebrochen wird. Wenn der Schaum nahezu verschwunden ist, wird er, wenn er zuerst bläulich war, zunächst weiss und verschwindet
dann ganz. Inzwischen durchläuft die Flüssigkeit die verschiedenen Farben von grün bis dunkel-indigoblau. Um nun festzustellen,
wenn das „Schlagen“ beendet ist, nimmt der „Mal mistri“ etwas von der Flüssigkeit auf und leert sie auf eine weisse Platte. Wenn sich der Niederschlag oder „Fecula“ schnell setzt und eine klare Flüssigkeit zurücklässt, dann ist das Schlagen als genügend zu betrachten und die Mühle wird
angehalten. Zuweilen gibt man ein wenig Kalk mit auf die Platte. Eine bessere Methode ist die, ein Stück Filterpapier mit
der Flüssigkeit zu sättigen und es dann über Ammoniakdämpfe zu halten. Wenn sich die geringste blaue Farbe entwickelt, so
ist das ein Beweis, dass das Schlagen noch nicht beendet werden darf. An Stelle der Schlagmühle wurden schon verschiedene
andere Kunstgriffe zur Oxydation der Flüssigkeit angewandt; sie wurden indessen nicht allgemein angenommen. Die am meisten
versprechende veränderte Methode scheint die zu sein, mittels eines Dampfgebläses Luft durch die Flüssigkeit zu blasen.
Nach dem Schlagen lässt man die Indigofecula absitzen, wozu gewöhnlich 2 oder 3 Stunden notwendig sind. Die überstehende Flüssigkeit,
„seet water“, wird dann entweder mittels eines Hebers abgelassen oder durch Entfernen einer Serie von Holzzapfen, welche unten auf der Seite der Kufe angebracht sind.
Der Boden der Kufe ist nach einer Ecke zu geneigt, wo der niedergeschlagene Indigo oder „Mal“ gesammelt und durch 1 oder 2 Filter passiert wird; von dort fliesst er zu einer Pumpe, von welcher er zu einem grossen rechteckigen
eisernen Reservoir, gewöhnlich mit Hilfe eines Dampfinjektors, emporgehoben wird. Der
„Mal“ wird noch zweimal auf seinem Wege von der Pumpe zum Reservoir durchgeseiht. Besondere Vorsicht wird angewendet, damit der
Indigo rein bleibt und frei von Zweigteilen und Schmutz erhalten wird.
Kochen und Filtrieren.
Die Flüssigkeit, welche bis zu ungefähr 0,5 % Indigo suspendiert enthält, hat beim Heben durch den Dampfinjektor gewöhnlich
eine Temperatur von 60 bis 66° C. angenommen. Sie wird nun nicht immer thatsächlich gekocht, sondern häufig auch nur auf Temperaturen
von 88 bis 100° C. erwärmt, gegenwärtig gewöhnlich durch Dampf, aber zuweilen auch durch direktes Feuer oder durch direktes
Feuer und Dampf zusammen. Teilweise wird der Dampf abgestellt, wenn die Flüssigkeit kocht, teilweise wird ¼ oder ½ Stunde
lang fortgekocht. Ein dreifacher Zweck wird mit dem Kochen des
„Mal“ verfolgt: 1. wird dadurch die Fäulnis verhindert, welche in einem feuchtwarmen Klima, wie es Indien gerade während der Campagne
hat, rapid Platz greift, und welche einen grossen Verlust an Ausbeute bedingen würde; 2. wird ein Teil des braunen Farbstoffes,
welcher mit der Indigofecula ausgefällt wurde, gelöst, und somit die Qualität feiner und es bedingt das Kochen ein besseres
Absetzen der Indigopartikelchen, so dass man die überstehende Flüssigkeit ohne Verlust weglaufen lassen kann.
In gewissen Faktoreien wird nach dem Abfliessen der überstehenden Flüssigkeit frisches Wasser zugelassen und das Ganze ein
zweites Mal aufgekocht. Nach dem Kochen lässt man den Indigo absitzen, die überstehende Flüssigkeit wird so weit als irgend
möglich abgelassen und dann fliesst die heisse konzentrierte „Mal“ durch Filtertrichter zu einem grossen Filter, bekannt als „Tafel-“ oder
„Tröpfelreservoir“. Jeder Filtertisch ist 5,5 m lang und 2 m breit. Die Tische bestehen aus schmalen parallelen Latten, welche eng aneinander
gereiht an einem starken Holzrahmen befestigt sind, dessen Seiten 0,5 m breit und nach aussen zu abwärts geneigt sind. Der
Filtertisch, der in einem seichten Cementtrog steht, ist mit einem eigens für diesen Zweck gemachten Stück Tuch überspannt.
Zuerst geht die Flüssigkeit blau durch und wird so lange auf das Tuch zurückgepumpt, bis sie vollständig klar abläuft. Gewöhnlich
hat sie eine sherryähnliche Farbe. Das Meiste der Flüssigkeit geht durch das Filtertuch hindurch, aber eine nicht unbeträchtliche
Menge wird auch dadurch entfernt, dass man ganz sorgfältig eine Ecke
des Filtertuches hinablässt, wenn der Niederschlag sich zu einem mehr oder minder festen Brei niedergesetzt hat. Dieser Brei
wird dann gegen ein Ende des Filters hinuntergeschabt und das Tuch zusammengefaltet. Nachdem man nun noch 1 oder 2 Stunden
die Flüssigkeit weiterhin ablaufen lässt, ist die weiche Masse, welche in diesem Zustande 8 bis 12 % Indigotin enthält, fertig
zum Pressen.
Das Pressen und Schneiden.
Die Presse besteht aus einem rechteckigen, sehr starken Kasten, dessen Rahmenwerk an allen Seiten zahlreiche Löcher hat. Jede
Faktorei hat eine nötige Anzahl Pressen in Thätigkeit. Der Kasten ist gut ausgelegt mit zwei Lagen eines starken, enggewobenen
Tuches und steht unter einem Paar kräftiger Schrauben, welche mit langen Hebeln angezogen werden können. Das Tuch wird angefeuchtet
und die Paste vom Filtriertische in die Kasten eingefüllt bis zu einer Tiefe von 25 bis 80 cm, je nach der Konsistenz derselben;
die Menge wird so bemessen, dass ein Presskuchen in der Dicke von 7,5 bis
8,5 cm erhalten wird. Die Schrauben werden ganz langsam angezogen und zwar immer in Zwischenräumen von einigen Stunden.
Wenn nicht mit grosser Vorsicht vorgegangen wird, dann reisst das Tuch und ein Verlust an Indigo ist unvermeidlich.Wenn keine Flüssigkeit mehr abfliesst, wird der Druck langsam und gleichmässig aufgehoben. Der Presskuchen, der nun noch etwa
70
% Wasser enthält, wird auf einen Rahmen gebracht und mittels eines Messingdrahtes in Würfel von 7,5 zu 8,5 cm geschnitten.
Jeder Würfel wird mit der Fabrikmarke gestempelt und mit Angabe des Tages, wann gekocht worden ist, versehen, und dann zum
Trockenhaus gebracht.
Das Trocknen.
Das Trockenhaus ist ein luftiges, gut ventiliertes Gebäude, welches eine Anzahl Schäfte enthält aus leichtem Bambus- oder
Drahtgeflecht. Die Würfel werden in einem Abstand von 1,5 cm auf diese Schäfte gelegt und zum Trocknen 2 oder 3 Monate liegen
gelassen. Das Trocknen geht sehr langsam von statten, da um diese Jahreszeit die Luftfeuchtigkeit sehr gross ist. Starke Durchzüge
sind nicht statthaft, da sonst die Kuchen rissig werden und der Wert solcher Indigokuchen auf dem Markte in Calcutta infolgedessen
fällt. Gewöhnlich werden einige Würfel brüchig, aber man wendet die allergrösste Vorsicht an, um die Würfel ganz zu erhalten.
Während des Trocknens entwickelt sich eine beträchtliche Menge Ammoniak, und die Würfel bedecken sich mit einer dicken Schwammschicht.
Verschiedene Experimente haben ergeben, dass die Ammoniak- und Schwammbildung nicht auf Kosten des Farbstoffes vor sich geht,
sondern auf Kosten des löslichen Extraktivstoffes, welcher nach dem Pressen noch in dem Kuchen zurückbleibt. Wenn die Würfel
trocken sind, werden sie abgebürstet und in Kisten verpackt, welche gewöhnlich aus gut abgelagertem Mangoholz verfertigt sind.
Wasserverbrauch bei der Indigogewinnung.
Zur Gewinnung des Indigos muss gutes Wasser im Ueberfluss vorhanden sein. Jedes Pfund erfordert 1500 bis 2000 l, und von der
Qualität des Wassers hängt ein erfolgreiches Gelingen der verschiedenen Operationen ab. Die Hauptquellen für den Wasservorrat
sind das Fluss-, See- und Regenwasser. Die Flüsse in Behar fliessen gewöhnlich von Nepal im Norden in südöstlicher Richtung
und münden in den Ganges. Der grösste Fluss ist der Gundack im Westen. Regenwasser wird entweder in grossen Reservoirs, welche
in den Boden hineingebaut sind oder in natürlichen Bodensenkungen, welche
„Chowrs“ bilden, gesammelt.
Der Boden in Behar ist meist kalkhaltig und daher kommt es häufig, dass das Regenwasser in diesen Reservoirs und Chowrs soviel
Mineralbestandteile enthält, wie der benachbarte Fluss. Das Seewasser variiert aber sehr in seinen Bestandteilen, je nach
der Menge und Häufigkeit des Regenfalles. In Zeiten der Trockenheit enthält das Seewasser oft eine grosse Menge organischer
Substanz in Lösung und suspendiert; ein solches Wasser gibt nach allgemeiner Erfahrung schlechte Resultate bei der Indigogewinnung,
sowohl in Beziehung auf die Qualität als auch auf Quantität. Es mag noch angeführt werden, dass, wenn man den Durchschnitt
von ungefähr 70 Proben nimmt, das in Behar zur Indigogewinnung gebrauchte Wasser ungefähr 0,02 % feste Substanz enthält, im
einzelnen von 0,005 bis 0,05 % betragend.
Die Härte des Wassers, welche beinahe ohne Ausnahme durch Calcium- und Magnesiumkarbonat bedingt ist, beträgt im Durchschnitt
6°, mit einem Maximalgehalt von 14° und einem Minimalgehalt von 2°. Die Mehrzahl der untersuchten Wasserproben ergaben nur
einen Gehalt, der schwankte zwischen 4 und 8° Härte. Die grösste Menge des Wassers enthält auch neben Calcium- und Magnesiumkarbonat
noch geringe Quantitäten Natriumkarbonat. Chlornatrium findet sich nur bis zu einem Maximalgehalt von 0,0065 ‰. Mit wenig
Ausnahmen war das untersuchte Wasser frei von Nitraten. In Rücksicht auf die heftigen Regen und die Schneeschmelzen im Himalaya
ist die Zusammensetzung des Wassers in Behar von Zeit zu Zeit eine ausserordentlich verschiedene.
Alle Pflanzer stimmen darin überein, dass frisches Regenwasser, abgesehen von allem anderen, das beste für die Indigogewinnung
ist, und dass mehr oder weniger lange stagnierendes Wasser, welches ungezählte Mengen lebender Organismen, sowohl pflanzliche als thierische, enthält, entschieden nachteilig und schädlich auf die Gewinnung eines guten
Indigo einwirkt.
Das farbstoffgebende Prinzip und die beim Einweichen erhaltene Lösung.
Trotz der langen Zeit, welche der Untersuchung dieses Gegenstandes gewidmet worden ist, weiss man doch noch nicht definitiv,
in welchem Zustand der chemischen Zusammensetzung das Farbprinzip in den Blättern der Pflanze enthalten ist; noch präzis anzugeben,
welches die Veränderungen sind, welche während der Umwandelung in Indigoblau Platz greifen. Es wurde früher angenommen, dass
das Indigoblau in der Pflanze fertig gebildet existiert, und später, dass es in Form von reduziertem Indigo oder Indigoweiss
enthalten ist. Vor vielen Jahren nun hat Dr. Schunk in seinen klassischen Untersuchungen über
„Die Bildung von Indigoblau“ nachgewiesen, dass beide Ansichten inkorrekt sind. Er fand, dass die Blätter von gewissen Indigo liefernden Pflanzen, wie
Isatis tinctoria und Polygonum tinctorium, eine gewisse eigentümliche Substanz enthalten, welche er Indican nannte. Wenn man
die Blätter der Indigopflanze in kochenden Alkohol einlegt, so wird das Indican gänzlich ausgezogen und die Blätter zeigen
eine gelblichgraue Farbe. Wenn man die Lebensfähigkeit des frischen Blattes teilweise zerstört, indem man es punktiert oder
gefrieren lässt oder mit Säure oder kaltem
Weingeist behandelt, und es dann in heissen Alkohol einlegt, so werden die Teile, die so behandelt waren, blau, während die
anderen grau oder farblos werden. Das Indican, welches zur Klasse der sogen. Glukoside gehört, kann gespalten werden in Indigoblau
und eine Zuckerart.
Es wurde nun kürzlich gezeigt, dass diese Umsetzung nicht direkt eintritt, und dass das Indican nicht selbst das Indigoblaumolekül
als solches enthält. Es ist sehr wahrscheinlich, dass der Farbstoff in derselben Form auch in den Blättern der Indigofera
tinctoria, wie in den anderen Indigo liefernden Pflanzen enthalten ist, aber, wie schon gesagt, ist der definitive Beweis
dafür noch nicht erbracht. Die gewöhnliche Theorie des Einweichprozesses ist die, dass durch Fermentation das Glukosid Indican
zerlegt wird in Indigoblau und eine gewisse Art Zucker, und dass das Indigoblau durch weitere Fermentation zu Indigoweiss
reduziert wird, welches in Lösung bleibt, bis es nachträglich durch Oxydation im Schlagbade als Indigoblau wieder ausgefällt
wird. Diese einfache Theorie des Prozesses wird aber durch die Thatsachen nicht bestätigt. Wenn die aus den Einweichbädern
abfliessende Flüssigkeit Indigoweiss in Lösung enthalten würde, so würde es in viel kürzerer Zeit zu Indigoblau oxydiert werden,
als dies wirklich der Fall ist.
Schunk und Römer (Berichte der deutschen chemischen Gesellschaft, 1879 S.
2311) haben gezeigt, dass, wenn Indican durch Salzsäure bei Abwesenheit von oxydierenden Agentien zerlegt wird, eine
Substanz erhalten wird, welche sich nicht in Indigotin überführen lässt; und weiterhin, dass Indigotin gebildet wird aus Indican
bei der Einwirkung von Salzsäure bei Gegenwart von oxydierenden Agentien, und dass diese Bedingungen – die Gegenwart eines
zersetzenden neben einem oxydierenden Agens zu gleicher Zeit – nötig sind zur Erzeugung von Indigotin.
Von den Untersuchungen dieser Forscher ausgehend, haben Marchlewski und Radcliffe (Journ. Soc. Chem. Ind., Mai 1898) die Theorie aufgestellt, dass Indoxyl die Muttersubstanz des Indigotins sei, und dass das Glukosid Indican bei
der Zersetzung Glukose und Indoxyl bilde. Dr. Ranking bestätigt ebenfalls in einem Berichte, welcher der Asiatic Society of Bengal im Jahre 1896 vorgelegt wurde, dass die Flüssigkeit nach dem Einweichen wahrscheinlich Indoxyl enthält und nicht Indigoweiss,
wie man früher annahm.
Rawson's Beobachtungen und Experimente unterstützen diese Ansicht. Indoxyl (C8H7NO) ist eine Verbindung, die auch, wie Indigoweiss, unter der Einwirkung von Oxydationsmitteln in Indigoblau übergeführt werden
kann, aber es bedarf hierzu der doppelten Menge Sauerstoff als Indigoweiss.
Grosse Meinungsdifferenzen herrschen darüber, ob dieFermentation nötig ist zur Erzeugung von Indigoblau oder ob die Fermentation nur eine Folge des Einweichprozesses ist. Es
ist möglich, Indigoblau unter solchen Bedingungen aus der Pflanze herzustellen, dass Bakterien nicht existieren können, und
dies möchte den Anschein erwecken, dass eine Fermentation nicht notwendig ist. Andererseits versichert Alvarez, den Mikroorganismus entdeckt zu haben, der die Indigofermentation hervorbringt. Er züchtete den Mikrobus (genannt Bacillus
indigogenus) und fand, dass derselbe in einem sterilisierten Blätterextrakt die Indigofermentation einleitete, welches dagegen
unverändert blieb, wenn es ohne Einimpfung frei der Luft ausgesetzt wurde. Bréandot
(Comptes rendus, 1898 S. 769) schreibt die Bildung des Indigo einer „diastatischen“ Fermentation zu und nicht dem Wachstum eines Mikroorganismus.
Rawson neigt der Ansicht zu, dass dies die richtige Meinung ist, obgleich die vom Einweichreservoir abfliessende Flüssigkeit eine
Unzahl Mikroorganismen von der gleichen Form enthält, die von Alvarez beschrieben wurde.
Van Lookeren Campagne (Chem. Zeit., 1899 S. 16) endlich glaubt, dass die Zersetzung oder Umwandlung von Indican im Inneren des Blattes unter der Einwirkung der
Bakterien vor sich geht, und Indigoweiss in die Flüssigkeit diffundiert.
Die durch Einweichen der Pflanze erhaltene Flüssigkeit enthält eine grosse Menge von organischen und anorganischen Substanzen
in Lösung, unter welchen die wichtigste, der Indigo bildende Grundstoff, nur in ganz geringen Mengen vorhanden ist. Viele
Substanzen, welche bei Anwendung gewisser Indikatoren eine saure Reaktion zeigen, geben mit anderen eine alkalische. Dies
ist mit dem Extrakt der Indigoblätter der Fall. Rawson fand eine frische Abkochung der Pflanze neutral gegen rotes und blaues Lackmuspapier. Es war ausgesprochen alkalisch gegen
Methylorange und sauer gegen Phenolphtaleïn. Die Flüssigkeit enthält eine grosse Menge Kalk, Magnesia und Pottasche, hauptsächlich
in Verbindung mit Kohlensäure und organischen Säuren. Rawson hat eine Anzahl Proben der Flüssigkeit analysiert und fand einen Durchschnittsgehalt der Flüssigkeit an fester Trockensubstanz
von 0,55 %. (Das Maximum war 0,79 %, das Minimum 0,35 %.) Nahezu die Hälfte des gesamten festen Rückstandes besteht aus Mineralsubstanz,
dabei Kalkbikarbonate, Magnesia und Pottasche vorherrschend. Die Hauptmasse dieser Substanzen und natürlich der ganze Gehalt
an Farbstoff entstammt den Blättern. Die feinen Zweige liefern nur Spuren Farbstoff. Um den relativen Gehalt der Zweige und
Blätter an diesen Substanzen zu zeigen, wurden je 100 g derselben mit der 10fachen Menge Wasser eingeweicht. Die Pflanze enthält
38 % Blätter, und die Resultate sind auch auf die ganze Pflanze umgerechnet worden.
Tabelle 5.
Gibt die Resultate, welche man erhält, wenn man Blätter und Stiele getrennt einweicht.
Blätter
Stiele
Ganze Pflanzen
% in derFlüssigkeit
% aufBlätter aus-gerechnet
% in derFlüssigkeit
% aufStiele aus-gerechnet
% in derFlüssigkeit
% auf dieganzeFflanze aus-gerechnet
Gesamte feste Sub- stanzen
1,014
10,14
0,185
1,85
0,50
5,00
Mineralsubstanz
0,263
2,63
0,043
0,43
0,126
1,26
Alkalische Bestand- teile als CaCO3 ausgedrückt
0,260
2,60
0,080
0,80
0,148
1,48
Indigotin
0,052
0,52
Spuren
–
0,020
0,200
Indigotin als 60 %- iger Indigo aus- gedrückt
0,086
0,86
–
–
0,033
0,333
Es muss beachtet werden, dass Indigotin nur 1/25 der Gesamtmasse der aus der Pflanze ausgezogenen Stoffe beträgt. Der Betrag entspricht 85 g 60%igem Indigo für je 100 engl.
Pfund der Pflanze. Bei einzelnen anderen Versuchen fand Rawson den Gehalt der Blätter an Indigotin zu 0,3 bis 0,6 %. Der Durchschnittsgehalt an Indigo beträgt für 100 Pfund Pflanzen ungefähr
114 g; aber diese Zahlen sind sehr verschieden in den einzelnen Faktoreien und auch in denselben Faktoreien zu verschiedenen Zeiten. In vielen
Fällen werden diese Abweichungen offenbar durch den verschiedenen Gehalt der Blätter und Zweige der Pflanzen bedingt, und
es wird vorkommen, dass es für günstig gehalten wird, die Blätter allein einzuweichen. Ein Prozess, in welchem diese Idee
ausgeführt war, ist vor vielen Jahren Olpherts patentiert worden, indessen hat die Methode keinen Eingang in die Praxis gefunden.
Wenn man Alkalien, wie Kalk, Soda oder Ammoniak, der vom Einweichbad kommenden Flüssigkeit zusetzt, wird die Kohlensäure,
die in grossen Mengen vorhanden ist, neutralisiert und Calcium- und Magnesiumkarbonat fällt aus. Zur selben Zeit scheint der
Charakter des Indigo liefernden Körpers eine Veränderung durchzumachen, indem er nun gänzlich zu Indigoblau oxydiert wird;
denn thatsächlich hat die Lösung ganz das Ansehen einer schwachen Indigoküpe, welche Indigoweiss oder reduzierten Indigo enthält.
Das Hinzufügen von Alkalien hat die Grundlage einiger Patente gebildet. Der Mangel des Erfolges hingegen war bedingt durch
die Thatsache, dass der so erhaltene Indigo notwendigerweise mit dem niedergeschlagenen Kalk- und Magnesiumkarbonat verunreinigt
wurde. Um nun dieser Schwierigkeit zu begegnen, führte B. Coventry sein System des Gebrauches eines Zwischenbades ein, welches die niedergeschlagenen Substanzen zurückhält. Wenn die in Behandlung
zu nehmende Flüssigkeit ganz klar ist, so besteht der Niederschlag, der beim Zufügen eines Alkalis erhalten wird, beinahe
vollständig aus Mineralsubstanz; wenn indessen organische Substanz in der Flüssigkeit suspendiert ist, so wird ein beträchtlicher
Teil derselben mit ausgefällt. Der durch den Coventry'schen Prozess erhaltene Indigo ist von einer sehr guten Qualität und enthält gewöhnlich einen viel grösseren Prozentsatz
Indigorot als der auf gewöhnlichem Wege erhaltene Indigo. Die Bildung von Indigorot geschieht immer, wenn ein geringer Prozentsatz
Alkali im Ueberschuss zu der vom Einweichbad kommenden Flüssigkeit zugesetzt wird. Diese Eigentümlichkeit wurde von Schunk schon im Jahre 1855 entdeckt.
Die Menge der Indigorotbildung scheint von dem überschüssigen Gehalt an Alkali und der Länge der Zeit, die zwischen dem Zugeben
und dem Schlagen der Flüssigkeit vergeht, abhängig zu sein. Die Bildung von Indigorot unter diesen Umständen ist ein sehr
scharfer Beweis dafür, dass die vom Einweichen der Pflanze erhaltene Flüssigkeit nicht aus einer Lösung von Indigoweiss besteht,
denn Indigoweiss wird unter der Einwirkung von Alkalien weder in Indirubin noch in Indigorot übergeführt. Indigorot ist ein
sehr wertvoller Farbstoff. Esist ausserordentlich echt gegen Licht und Walke. Ebenso ist die Sulfosäureverbindung sehr lichtecht. Nach Feststellungen,
welche veröffentlicht worden sind in Bezug auf die Eigenschaften des künstlichen Indirubins, scheint es, dass dieser Farbstoff
nicht identisch ist mit natürlichem Indirubin oder Indigorot.
Koppeschaar (Zeitschrift für analytische Chemie, 1899 S. 1) stellt fest, dass der Karmin des synthetischen Indirubins vollständig löslich ist in starker Salzlösung, während
der des natürlichen Produktes nahezu unlöslich ist. Er erwähnt auch, dass die künstliche Art ungefähr 25 % Indigotin enthält.
Die Färbeeigenschaften des künstlichen Indirubins sind nach einer Beschreibung in einer kürzlichen Veröffentlichung von A. Schmidt überdies nicht im Einklang mit Rawson's Erfahrungen mit natürlichem Indirubin.
Der Indigohandel.
Die Indigoernte ist ausserordentlich abhängig vom Wetter; daher finden wir die grossen Unterschiede im Export von Jahr zu
Jahr. Aber trotz der scharfen Konkurrenz der Teerfarbstoffe in den letzten 10 oder 20 Jahren hat der Export von Indigo aus
Indien nicht erhebliche Aenderung erlitten. Es ist wahr, dass für manche Färbezwecke Indigo in grossem Massstabe durch die
Teerfarbstoffe ersetzt worden ist, aber es scheint, dass der so bedingte Ausfall kompensiert worden ist, sei es dadurch, dass
neue Kanäle für dessen Anwendung geöffnet worden sind oder dass überhaupt der Textilmarkt in der ganzen Welt eine Vermehrung
erfahren hat. Wahrscheinlich am meisten wurde der Konsum des Indigo durch die Einführung der sauren Farbstoffe betroffen,
welche in so grossem Massstabe die Anwendung des Indigoextraktes beeinträchtigt haben.
Obwohl Indigo in Indien seit Jahrhunderten gebaut wird, betrug der Import von ganz Asien nach Grossbritannien im Jahre 1782
doch nur 25500 Pfund. In demselben Jahre lieferten die Staaten in Amerika und Westindien 225000 Pfund. Der Gesamtimport belief
sich auf 495000 Pfund. Von diesem Jahre ab nahm der Import stetig zu; im Jahre 1795 betrug er 4368000 Pfund, von welchen Bengalen
allein 2955000 Pfund lieferte. 1815 betrug der Export aus Bengalen 7650000 Pfund oder etwas mehr als 3500 t.
Die folgende Tabelle zeigt den Betrag des Exportes von Indigo aus Indien von 1877 bis
1897 und die Verteilung der Ernte.
Tabelle 6.
Export von Indigo in Zentnern in den Jahren von 1877 bis 1897 und Verteilung auf einzelne Länder.
Jahre,endigendam31. März
ExportiertvonBengalen
ExportiertvonMadras,Bombay u.Sindh.
Total
Verteilung
Gross-britannien
VereinigteStaaten
Deutsch-land
Australien,FrankreichundItalien
AegyptenundTürkei
Persien
AndereLänder
1877
69,379
30,987
100,366
61,141
6,157
–
19,292
–
2,961
10,833
1878
99,402
21,203
120,605
51,641
9,832
–
38,009
12,417
4,152
4,554
1879
74,747
30,304
105,051
52,552
10,773
–
22,966
8,637
4,354
5,769
1880
47,928
52,995
100,923
56,783
13,408
–
15,622
9,248
4,116
1,746
1881
88,111
28,759
116,870
60,092
10,074
–
24,937
18,037
3,024
706
1882
91,898
58,465
150,363
81,504
19,935
–
27,830
14,792
5,510
702
1883
99,715
41,326
141,041
60,645
27,285
–
25,514
20,109
6,077
1,411
1884
110,015
58,575
168,590
93,386
21,194
677
29,799
16,346
4,593
2,595
1885
106,009
48,560
154,629
71,870
25,082
4,026
26,621
18,064
5,824
3,052
1886
76,109
56,386
132,495
64,204
20,737
3,196
24,051
14,194
3,909
2,204
1887
87,941
50,455
138,396
53,152
28,133
4,596
23,538
18,398
7,445
3,144
1888
87,335
52,309
139,644
56,986
21,350
6,392
28,186
15,996
5,229
4,505
1889
86,701
55,746
142,447
59,762
25,123
8,088
22,486
16,628
5,022
5,338
1890
91,835
65,281
157,116
68,205
22,478
9,805
24,371
15,815
10,423
6,019
1891
69,819
48,606
118,425
53,373
13,085
7,029
18,262
17,182
6,139
4,355
1892
98,075
27,252
125,327
38,277
20,278
11,775
24,992
18,685
5,333
5,987
1893
61,637
65,066
126,703
58,086
18,917
4,381
20,401
14,899
4,212
5,807
1894
76,398
55,001
131,399
52,578
12,131
12,572
24,630
16,662
6,622
6,204
1895
106,830
59,478
166,308
50,996
26,044
14,414
30,132
21,966
10,599
12,157
1896
111,714
75,623
187,337
66,215
21,094
16,929
38,658
16,664
5,014
22,763
1897
109,001
60,543
169,543
62,669
22,492
11,816
26,772
15,467
3,663
26,644
Nach dem Bericht des englischen Handelsministeriums überschreitet der Wert des nach Grossbritannien eingeführten Indigos den
aller Anilin- und Alizarinfarbstoffe bei weitem.
Nord-Behar, welches die Distrikte Tirhoot, Chumparan und Chuprah umfasst, liefert ungefähr ⅖ des Gesamtbetrages von Indigo,
der in Indien produziert wird.
300000 bis 400000 Acres Land sind der Anpflanzung der Pflanze gewidmet, und 1½ Millionen Menschen sind in dieser
Industrie beschäftigt. Das Kapital, das darin steckt, beträgt ungefähr 5000000 Pfd. Sterl.!
Der Schrecken, den die Einführung des künstlichen Indigos durch die Badische Anilin- und Sodafabrik vor etwa 1½ Jahren hervorrief, hat stark dazu beigetragen,dass der Preis des Indigos ganz erheblich gesunken ist. Aus dieser Reduktion wird aber zweifellos ein weit grösserer Verbrauch
dieses Farbstoffes resultieren.
Rawson sagt, dass vom wissenschaftlichen Standpunkt aus die Herstellung von künstlichem Indigo zweifelsohne eine grosse Errungenschaft
sei, aber wenn die Herstellung in solchen Mengen und zu solchem Preise möglich werde, dass dadurch die Indigopflanzung unprofitabel
wird, so kann sie nur als ein nationales Unglück angesehen werden. Es gilt dies natürlich nur für England.
B.
(Schluss folgt.)