Titel: | Ueber die Anpflanzung und Gewinnung des Indigos in Bengalen. |
Autor: | B. |
Fundstelle: | Band 315, Jahrgang 1900, S. 219 |
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Ueber die Anpflanzung und Gewinnung des Indigos in Bengalen.
(Schluss von S. 200 d. Bd.)
Ueber die Anpflanzung und Gewinnung des Indigos in Bengalen.
Die deutsche Industrie ist mit Recht auf diese Errungenschaft stolz.
Dass man in England die Konkurrenz des in Deutschland hergestellten künstlichen Indigos bereits fühlt, erhellt aus einem in
der Times kürzlich erschienenen Artikel (vgl. Färber-Zeitung,
1900 S. 12).
Die Times bespricht zunächst die ungeheure Wichtigkeit in ökonomischer, sozialer und politischer Beziehung, welche die bisher so gewinnbringende
Indigoindustrie für das übervölkerte Gangesthal (Distrikt Behar) besitzt. Ihre imposante Stellung wurde zuerst durch die heftige
Konkurrenz erschüttert, welche ihr von der Indigoproduktion Niederbengalens bereitet wurde, wo überschuldete, Indigo kultivierende
Kleinbauern ihren rücksichtslosen Gläubigern die Indigoernte um Spottpreise hergeben müssen, während die Indigopflanzer Behars
den wertvollen Farbstoff auf ihren eigenen Gütern mit Hilfe relativ gut bezahlter
Arbeiter gewinnen. Weit gefährlicher aber als diese Konkurrenz im eigenen Lande ist den Pflanzern Behars die Konkurrenz des
künstlichen Indigos geworden. Schon in früherer Zeit wurden künstliche Surrogate für den Pflanzenindigo in Anwendung gebracht.
Diese empfahlen sich zwar anfangs infolge ihrer Billigkeit, gerieten aber alsbald in Misskredit, da die hiermit gefärbten
Stoffe den atmosphärischen Einflüssen und der Abnutzung viel schneller unterlagen, als die mit vegetabilischem Indigo gefärbten.
Anders verhält es sich indessen selbst nach dem Urteile der Times, welches das „Handelsmuseum“ kolportiert, mit dem von der Badischen Anilin- und Sodafabrik auf den Markt gebrachten, aus Derivaten des Steinkohlenteeres hergestellten, künstlichen Indigo.
Trotz des Geheimnisses, mit welchem die genannte Fabrik sowohl die Herstellung dieses Artikels als auch die Ausdehnung ihrer
Produktion umgibt, glaubt der Gewährsmann der
Times den Anteil des künstlichen Indigos am allgemeinen Indigokonsum bereits auf ein Fünftel der gesamten Produktion des erwähnten
Behardistriktes schätzen zu können. Dies macht es erklärlich, dass die gegenwärtigen Indigopreise nur zwei Drittel des in
den letzten 10 Jahren beobachteten Preisdurchschnittes betragen. Auf Ueberproduktion ist diese Baisse sicherlich nicht zurückzuführen,
da die dem Anbau von Indigo gewidmeten Bodenflächen Indiens während der letzten Jahre um etwa ein Drittel reduziert worden
sind.
Die Times sähe es nun nicht ungern, wenn der künstliche Indigo mit einem gewissen Einfuhrzoll belegt würde, und sie bemüht sich weiter,
dem Kunstprodukte Nachteilebei der Anwendung in der Färberei nachzusagen. So erwähnt sie, dass verschiedene Untersuchungen in englischen Monturanstalten
ergeben haben, dass mit künstlichem Indigo gefärbte Stoffe doch keine so hohe Widerstandsfähigkeit gegen atmosphärische Einflüsse
und gewöhnliche Abnutzung besitzen, wie die mit vegetabilischem Indigo gefärbten.
Indessen schliesst der Artikel der Times mit einer düsteren Prognose für. die Zukunft des Pflanzenindigos, welcher gleich der westindischen Zuckerindustrie durch
deutsche Konkurrenz schwer bedroht ist.
Im Nachtrage zu den vorstehenden, der Times entlehnten Ausführungen über die Indigofrage, welche von einem dem vegetabilischen Indigo günstigen Standpunkte ausgingen,
verdienen die Erörterungen der Münchener Allgemeinen Zeitung zu dem Thema unstreitig eingehendere Beachtung, worin der künstliche Indigo als ein Ehrenzeichen deutscher technischer Leistungsfähigkeit
betrachtet wird.
Die Indigokultur hat nicht allein in Indien, sondern auch in der benachbarten zweitgrössten Produktionsstätte dieses Färbemittels,
in Java, beträchtlich gelitten und wird zweifelsohne noch weiter zurückgehen, sobald die rührige deutsche Farbenindustrie
in der Lage ist, den Anforderungen an einen grösseren Export zu genügen.
Was der Ausfall für Indien bedeutet, lässt sich erkennen, wenn man erwägt, dass, wie bereits oben gesagt, 400000 Acres (=162000
ha) unter der Anpflanzung von Indigo gestanden haben und dass deren Bebauung die Arbeit von 1500000 Menschen erforderte. Allgemein
ist die Sorge, wie die durch die nach und nach sich entwickelnde Uebermacht des künstlichen Indigos beschäftigungslos werdenden
Menschen zu versorgen seien, und wie das durch den Ausfall des Indigobaues freigewordene Land am besten anderweitig verwertet
werden kann.
In welcher Weise man in Indien selbst gegen das Kunstprodukt vorzugehen beabsichtigt, erhellt am besten aus einer Notiz des
Confectionär, laut welcher die Indigointeressenten dieses Landes ihre Regierung aufgefordert haben, die Verwendung des künstlichen Indigos
gänzlich zu verbieten.
Man wird gewiss der Indigobau treibenden Bevölkerung Indiens eine derartige schroffe Ablehnung des Kunstproduktes nachfühlen
können, indessen ist kaum anzunehmen, dass es zu solchen Massnahmen, zu einem vollständigen Ausschlusse des synthetischen
Indigos in England und den Kolonien jemals kommen wird.
Aufgabe der indischen Regierung wird es sein, die Gewinnung des natürlichen Indigos, die jahrhundertelang die gleiche geblieben
ist, zu verbessern.
Diese Gewinnung ist ja eine äusserst primitive, und es kann Wunder nehmen, dass die Interessenten nicht schon längst zeitgemässe
Aenderungen in der Gewinnungsmethode eingeführt haben. Die Einführung eines rationellen Betriebes unter Zuhilfenahme geeigneter
maschineller Einrichtungen und unter Leitung tüchtiger Ingenieure und Chemiker wird ohne Zweifel mehr Erfolg haben, als irgend
welche steuerpolitischen Massnahmen.
Ein Hauptvorzug des künstlichen Indigos ist die stets gleichmässige Zusammensetzung und die Reinheit. Die mit diesem Produkte
erhaltenen Färbungen fallen daher stets gleich in Stärke und Nuance aus. Der aus den Pflanzen gewonnene, zur Zeit in den Handel
gebrachte Indigo enthält stets mehr oder weniger Verunreinigungen und Beimischungen, welche einen häufigen Wechsel in der
Nuance und in der Stärke der Färbungen bei Verwendung verschiedener Partien hervorrufen. Es ist bekannt, dass man diesen Uebelstand
des Naturproduktes zu beheben versucht hat, und zum grossen Teile auch behoben hat, durch die Einführung eines besonders gereinigten
Pflanzenindigos, der Indigoraffinade, die von verschiedenen Seiten auch in Deutschland in vorzüglicher Qualität geliefert
wird.
Ein weiterer Vorzug des synthetischen Indigos ist die schöne klare Nuance der Färbungen, die mit ihm erzielt wird, und die
besonders in hellen Tönen zur Geltung kommt. In einigen Fällen indessen, wo es sich um die Erzeugung dunkler Färbungen handelt,
ist gerade diese Klarheit nicht erwünscht, denn die Klarheit der Färbungen des künstlichen Indigos bedingt auch eine etwas
geringere Deckkraft gegenüber dem Naturprodukte, und infolgedessen Mehrverbrauch an Farbstoff. Der Grund der grösseren Deckkraft
(Färbekraft) des Pflanzenindigos ist offenbar in der Anwesenheit von Indigorot und eventuell auch Indigobraun zu suchen. Indigorot
und Indigobraun bedingen eine Trübung der Nuance und lassen daher die bei ihrer Gegenwart erhaltenen Färbungen tiefer erscheinen.
Es kann indessen wohl kaum bezweifelt werden, dass dieser Uebelstand des Kunstindigos durch irgend welche Zusätze zu dem reinen
Indigo behoben werden kann; unsere Industrie ist noch niemals auf halbem Wege stehen geblieben. Für die Mehrzahl der Färbungen
ist, wie bereits gesagt, gerade die Klarheit der mit synthetischem Indigo erhältlichen Färbungen ein nicht zu unterschätzender
Vorteil. Auch die Indigoraffinade gestattet übrigens in hellen Tönen die Herstellung klarer Färbungen, indessen wird dieses
Produkt immer noch durch den synthetischen Indigo in dieser Beziehung übertroffen.
Noch ein anderer Nachteil wird dem synthetischen Indigo nachgesagt: Die mit dem Kunstprodukte angesetzte Indigoküpe bedarf
längerer Zeit, bevor sie in ihrem Färbevermögen einer in gewöhnlicher Weise mit dem Pflanzenindigo des Handels, ja selbst
mit der Indigoraffinade angesetztenKüpe gleichkommt. Auch hier dürfte es sich nur um einstweilen bestehende Schwierigkeiten handeln, die zum Teil bedingt sind
durch die grössere, dem Eintritte der Küpengärung weniger förderliche Reinheit des Kunstproduktes, zum Teil aber vielleicht
auch durch die Form, in welcher der synthetische Indigo abgeschieden worden ist.
Auch hier wird zweifellos noch eine Reihe von Verbesserungen platzgreifen. So hat die
Badische Anilin- und Sodafabrik bereits empfohlen, den reinen Indigo zuvor mit konzentrierter Natronlauge zu behandeln und thatsächlich wird dadurch eine
bessere Reduktion des Indigos erzielt.
Die vorläufige Entwickelung dieses scharfen Konkurrenzkampfes ist leicht vorauszusehen. Die deutsche Farbenindustrie – es
ist nicht mehr die Badische Anilin- und Sodafabrik allein, auch andere deutsche Firmen beteiligen sich an diesem Wettkampfe – wird sich bemühen, neue Verfahren und Verbesserungen
zu finden, welche eine weitere Verbilligung der Indigofabrikation gestatten; die Produzenten des Pflanzenindigos werden es
sich zur Aufgabe machen, die Pflanzung und Gewinnung des natürlichen Indigos rationeller zu gestalten. Wer in diesem Kampfe
obsiegen wird, ist einstweilen noch zweifelhaft. Vielleicht, und es ist dies das wahrscheinlichere, werden beide Teile nebeneinander
existieren können, denn das Verwendungsgebiet des Indigos sowohl für pflanzliche, als auch für die tierische Faser ist mannigfaltig
und erweiterungsfähig.
Wir beobachten hier das Ringen einer seit Jahrhunderten bestehenden Industrie mit einer wenige Jahre alten Industrie, ein
Ringen, welches sich doch immerhin dadurch etwas einseitig gestaltet, dass auf der einen Seite ein Kampf um die Existenz gekämpft
wird, und auf der anderen Seite nur das Uebermass an Kraft eines sich seines Könnens bewussten, und von Sentimentalitäten
freien Giganten zum Ausdruck kommt.
Wahrlich, wir sollen stolz sein auf unsere vaterländische Farbenindustrie, die nicht nur den Farbenbedarf der gesamten Welt
bis auf einen gewissen Prozentsatz befriedigt, die auch eine uralte ausländische, Millionen von Händen beschäftigende Industrie,
welche einen Teil eben dieses Prozentsatzes gleichfalls dem Gesamtkonsum bisher beigesteuert hat, aus dem Sattel zu heben
droht.
Und sollte selbst dieser Anlauf nur den einen Erfolg zeitigen, dass er korrigierend und ebnend auf die Preisbildung im Indigohandel,
welcher sich grösstenteils in nicht deutschen Händen befindet, einwirkt, dass er eine Verbesserung in der Anpflanzung und
Gewinnung des Pflanzenindigos herbeiführt, mit einem Worte, wenn er die bisherige Indigoindustrie aus ihrem Schlummer aufgerüttelt
hat, so würde auch daraus der deutschen Farbenindustrie unter allen Umständen ein neues Ruhmesdenkmal ihres gewaltigen Könnens
erstanden sein.
Die deutsche Farbenindustrie wird auch beim Indigo nicht stehen bleiben, sie hat ihre Ziele unzweifelhaft weiter gesteckt.
B.