Titel: | Elektrisch angetriebene „bewegliche Treppen“ der Pariser Weltausstellung. |
Fundstelle: | Band 315, Jahrgang 1900, S. 251 |
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Elektrisch angetriebene „bewegliche Treppen“ der Pariser Weltausstellung.
Elektrisch angetriebene „bewegliche Treppen“ der Pariser Weltausstellung.
Von den mannigfachen elektrischen Transportmitteln, die im laufenden Jahre in Paris innerhalb des Ausstellungsraumes Dienste
leisten werden, hat die Guyenet-Moncable'sche Stufenbahn bereits in D. p. J. 1899 313 7 nähere Besprechung gefunden. Eine fast noch nennenswertere Bedeutung lässt sich für die in den Innenräumen behufs leichter,
bequemer Gewinnung der Geschosshöhe zur Anwendung kommenden „beweglichen Treppen“ voraussehen, von denen sich 27 unausgesetzt im Betriebe befinden werden. Hiervon kommen allein 17 auf die verschiedenen Ausstellungspaläste
des Champ de Mars, wo namentlich die ausgedehnten Maschinenhallen und das Palais für chemische Industrie reichlich damit ausgestattet sind (vgl.
S. 101 d. Bd.), während die restlichen 10 in den verschiedenen Bauwerken der Esplanade des Invalides Aufstellung finden. Für dieZulassung dieses Beförderungsmittels, das bekanntlich aus einer gleichmässig bewegten schiefen Ebene besteht, die den sich
darauf stellenden und ruhig darauf stehenbleibenden Benutzer schräg nach aufwärts mitnimmt, hat man sich auf Grund der vorzüglichen
Erfolge entschieden, welche damit bereits in einigen Pariser Kaufhäusern, wie beispielsweise in den weltbekannten Grands magasins du Louvre erzielt worden sind, wo alle fünf übereinander liegenden Geschosse durch bewegliche Treppen in Verbindung gesetzt sind. Im letztgenannten Kaufhause schwankt die Fahrgeschwindigkeit der gedachten Treppen zwischen 0,50
bis 0,55 laufende Meter der Rampe in der Sekunde; dabei beträgt die gesamte Hubhöhe von Stockwerk zu Stockwerk 6,00 m, während
sich die Länge des Stiegenarmes, nämlich der von einem Geschosse zum anderen führenden schiefen Ebene auf 18,00 m belauft. Die Benutzer der beweglichen Treppen brauchen also 30 bis 36 Sekunden, um von einer Etage in die nächst höhere zu gelangen, und wenn je 18 Personen gleichzeitig
dieselbe Rampe benutzen, so beträgt die Gesamtbeförderung, eine andauernde gleichmässige Inanspruchnahme vorausgesetzt, in
der Stunde 1800 Personen. Bei grösstem Andränge können aber auch 30 Personen hintereinander auf einem Treppenarm Platz finden
und in diesem äussersten Falle steigert sich mithin die Leistung pro Stunde bis auf 3000 Personen. Bei einer Beförderung von
1800 Personen in der Stunde stellt sich das Krafterfordernis auf ungefähr 6 PS, welches im Verhältnis mit der Herabminderung
der Leistung bis zum Leerlauf auf 3 PS abfällt. In Anbetracht dieses stetigen Kraftverbrauches, der also auch während der
Zeit aufrecht bleibt, wo die bewegliche Treppe gar nicht oder nur ganz wenig benutzt wird, ist dieselbe, ähnlich wie die Stufenbahn, nur dort zweckdienlich auszunutzen, wo wenigstens einige Stunden hindurch eine Massenbeförderung bewältigt werden soll; dann
aber auch mit um so nennenswerteren Vorteilen.
Schon mit Rücksicht auf den zuletzt hervorgehobenen Umstand hat die Ausstellungsverwaltung die Aufstellung beweglicher Treppen
veranlasst, obwohl es sich dort in allen Fällen bloss um den Aufstieg vom Erdgeschoss in das erste Stockwerk handelt. Es werden
drei verschiedene Konstruktionen zur Ausführung gelangen, und zwar fünf Treppen nach der Bauart von Jules le Blanc, fünf andere aus dem Etablissement Cail und siebzehn von der Firma Piat gelieferte nach Hallè'scher AnordnungNach Revue industrielle vom 27. Januar 1900, S. 33.. Diese letztgenannte Gattung ist dieselbe, welche in den Grands magasins du Louvre in Benutzung steht, und zu der u.a. auch eine mehrgeschossige Treppenanlage zählt, die soeben im Hotel Terminus am Bahnhofe Quai d'Orsay der Orleansbahn (vgl. S. 24 d. Bd.) hergestellt wird. Die zwei zuerst angeführten Typen werden zugleich Ausstellungsobjekte
bilden und weisen gegenüber der ältesten Konstruktionsform, nämlich jener von Hallè, einige Neuerungen und Abweichungen auf, während sie mit derselben natürlich im wesentlichen vollkommen übereinstimmen.
Textabbildung Bd. 315, S. 252
Fig. 1.Bewegliche Treppe im Maschinenpalais.
Fig. 1 zeigt die Ansicht und Fig. 2 den Querschnitt einer der in Rede stehenden Einrichtungen, welche in dem Maschinenpalais aufgestellt sind, und die daselbst
gleich allen übrigen in der Ausstellung vorhandenen beweglichen Treppen dem Publikum gegen eine Benutzungsgebühr von 10 Cent, pro Person zur Verfügung stehen werden. Hauptteile der Treppe sind
zuförderst zwei aus Flach- und Winkelblechen hergestellte, in einem Abstande von 0,90 m parallel nebeneinander gelagerte Stahlträger
T1 und T2, die sich mit ihren unteren Enden unter dem Niveau des Fussbodens auf gusseisernen Schuhen D (Fig. 1) stützen, welche durch kräftige Ummauerungen aus Cement unddaselbst eingelassene Verankerungen unverrückbar festgehalten werden, während die oberen Enden der beiden Wangenstücke direkt
mit den Stahlträgern und Stützen der Decke des Erdgeschosses in Verbindung gebracht sind; sie haben eine Steigung von 33 %
und es belauft sich somit ihre Länge, da die Geschosshöhe 8 m beträgt, von Fussboden zu Fussboden auf 26,40 m. Zunächst den
oberen Enden der Wangenbalken sind auf deren Untergurten Lager festgemacht, in welchen eine cylindrische Riementrommel P1 von 0,62 m Breite und 1,40 m Durchmesser sich dreht. Eine zweite Trommel P2 von denselben Abmessungen lagert in ähnlicher Weise an den unteren Enden der Wangenträger; über diese beiden Cylinder und
zwei
0,62 m breite, 0,60 m dicke, ebenfalls an den Treppenwangen angebrachte Leitwalzen
p1 und p2 lauft aber ein 0,60 m breiter, 24 mm starker Riemen R1R2 ohne Ende, dessen oberer, offenliegender Strang
R1 die bewegte Fahrbahn bildet. Damit er für diesen Zweck möglichst glatt und gleichmässig verlauft, wird er längs der ganzen
Rampe in Abständen von je 0,65 m durch 0,35 m starke Walzen W1 (Fig. 2) unterstützt, welche in den beiden Wangenträgern eingezapft sind, und auf die sich also die Last der die Treppe benutzenden
Personen samt der des Riemens verteilt. Damit derselbe aber auch auf seinem Rückwege R2 an der Unterseite der Rampe nicht frei hängt, so wird er hier gleichfalls von Zwischenwalzen W2 (Fig. 2) getragen, die in denselben Abständen voneinander angebracht sind, wie die Zwischenwalzen W1 des Strangs R1, jedoch nur einen Durchmesser von 0,10 m besitzen, da sie eben niemals mehr zu tragen haben, als den Riemen. Letzterer ist
aus vorzüglichstem Material, kräftigst verflochten und sorgsam gekittet, derart, dass er die erforderliche Festigkeit, sowie
eine genügende Straffheit besitzt, und dabei doch gehörig biegsam bleibt; zumeist, aber nicht immer, ist er auch noch mit
einem festgewebten Laufteppich oder einer Kautschukdecke geschützt, welcher Ueberzug, schadhaft geworden, leicht ausgebessert
oder ausgewechselt werden kann. In der Herstellungsweise und im Störte des endlosen Riemens liegen die hauptsächlichsten Abweichungen
der verschiedenen Systeme.
Textabbildung Bd. 315, S. 252
Fig. 2
Die früher erwähnte Haupttrommel P1 (Fig. 1) wird durch einen Elektromotor M unter Beihilfe eines aus drei Sätzen bestehenden Zahnradvorgeleges Z stetig angetrieben, wobei sich die bei einem Betriebsstrom von 440 Volt auf 1150 belaufende Tourenzahl des Motorankers an
der Riementrommel bis auf 8,18 Umdrehungen in der Minute reduziert. Es sei hier bemerkt, dass auch die Art der Bewegungsübertragung mit zu den
bereits mehrfach angeführten kleinen Unterschieden der Treppenkonstruktionen auf der Ausstellung gehört, insofern bei einigen
an der Stelle von Zahnradsätzen ein Schneckenradvorgelege angewendet wird. Damit der Riemen bei jeder Belastung so ziemlich
dieselbe Spannung behält, sind die beiden Lager der unteren Trommel P2
(Fig. 1) nicht unbeweglich festgemacht, sondern in Schlitten geführt und durch starke Federnbuffer beeinflusst, die sie stetig in
der Längsrichtung der Träger T1 und T2 nach abwärts schieben. Auf den letzteren sind zwei vom Untergeschoss bis zum Obergeschoss führende, aus stählernen ⊤- und Winkelblechen hergestellte Sicherheitsgeländer G1 und G2 angebracht. Die lichte Weite zwischen den beiden Geländern beträgt 1,08 m; an denselben sind rechts und links an der Innenseite
der Treppe aus starkem, an der Oberfläche geriffelten Blech bestehende und durch gebogene Blechträger i1 und i2 gestützte Sicherheitsstreifen B1 und B2 festgenietet, die der ganzen Treppe entlang den Raum zwischen Geländer und Fahrbahn in der Breite von je 0,25 m verdecken
und also über den Rand der beweglichen Fahrbahn, das sind die beiden Längsseiten des Riemens R1, um je 2 cm hinausreichen. Auf diese Blechränder
B1 und B2 kann man von der bewegten Bahn R1 übertreten, sobald dies irgendwie wünschenswert oder geboten erscheint und beide Seiten streifen lassen sich also im Notfall
als feste Rampe ausnutzen. Neben den beiden festen Treppengeländern G1 und G2 (Fig. 2) sind auch noch entlang denselben zwei bewegliche Geländerstränge
g1 und g2 vorhanden, welche sich mit derselben Geschwindigkeit wie die Fahrbahn kontinuierlich nach aufwärts bewegen. An diesen aus
starken Kautschukseilen hergestellten, mit Samt überzogenen Strängen kann der Ausstellungsbesucher sich anhalten und auf diese
Weise ebenso bequem als sicher die Fahrrampe ausnutzen. Jeder der beiden elastischen Geländerstränge ist geschlossen über
zwei Riemenscheiben S1 und S2 (Fig. 1) geführt, die durch schmale, gleichsam eine Fortsetzung des festen Geländers bildende, aus lackiertem Blech ausgeführte Schutzkasten
verkleidet sind. Die Scheiben S2 der beiden Stränge erhalten durch einen in der Zeichnung nicht dargestellten Zwischensatz des Zahnradvorgeleges Z ihren Antrieb genau derart, dass sich die beiden Handhaben, wie schon früher hervorgehoben wurde, stets ebenso schnell nach
aufwärts bewegen, wie der Riemen der Fahrbahn. Nachdem die beweglichen Treppen vom Publikum im allgemeinen benutzt werden sollen, bildet die zweckdienliche Ausführung dieserGeländerstränge den eigentlichen Kernpunkt der Konstruktion, da sie allein es sind, die den mit dem Verkehrsmittel ganz unvertrauten
Personen jenes Gefühl der Sicherheit gewinnen lassen, welches erforderlich ist, um sich der Treppe behaglich und gerne zu
bedienen. Ueberdem bilden die beweglichen Geländer, sollen sie nach jeder Richtung hin vollkommen entsprechen, aus naheliegenden
Gründen jenen Teil der Gesamteinrichtung, dessen gelungene Durchführung die meisten Schwierigkeiten darbietet, sowohl was
die Wahl der Materialien anbelangt, als was die Anordnung der Details betrifft.
Für die Berechnung der Leistungsfähigkeit der vorstehend beschriebenen beweglichen Treppen der Ausstellung ist der Umstand massgebend, dass dieselben eine ausdrücklich festgesetzte Maximalfahrgeschwindigkeit von
0,60 m in der Sekunde besitzen, so dass also der Aufstieg im ganzen \frac{26,40}{0,6}=44 Sekunden Zeit in Anspruch nehmen wird. Da nun die Fahrbahn der Treppe unausgesetzt und ganz bequem von 25 oder 26 Personen
gleichzeitig benutzt werden kann, so belauft sich die Anzahl der Personen, deren Beförderung unter dieser Voraussetzung innerhalb
einer Stunde möglich ist, auf 2050 bis 2730. Bei sehr grossem Andränge können wohl auch 40 bis 44 Personen hintereinander
auf der Fahrrampe stehen, in welchem Falle sich die stündlich beförderte Maximalmenge auf 3600 Personen steigern würde. Aber
auch dies ist keineswegs die äusserste Leistungsfähigkeit der Einrichtung an sich, vielmehr würde sich dieselbe immerhin noch
um 10 bis 15 % erhöhen lassen, wenn die seitens der Ausstellungsverwaltung vorgeschriebene grösste Geschwindigkeit von 0,60
etwas vergrössert werden dürfte, was ganz gut möglich erschiene, sobald nur das Publikum mit der Benutzung vertrauter sein
würde. Zieht man dagegen die Leistungsfähigkeit von Personenaufzügen in Betracht, so erweisen sich die oben berechneten Ziffern
ausserordentlich günstig, denn danach stellt sich die stündliche Personenbeförderung bei der beweglichen Treppe jener eines gleich kräftigen Lift beiläufig 6mal überlegen. Auf der Ausstellung werden übrigens keineswegs sämtliche daselbst
vorhandenen beweglichen Treppen ausschliesslich der Personenbeförderung dienen, sondern zum Teil auch für den Sachentransport Verwendung finden; es wird
sonach hier nach allen Richtungen und im reichlichsten Masse Gelegenheit geboten sein, die in Rede stehende, noch so neue
Einrichtung umfassend auf ihren praktischen Wert auszuproben, namentlich aber zu zeigen – und das bleibt doch die Hauptsache
–, inwieweit sich das grosse Publikum mit der Gebrauchsnahme zu befreunden geneigt findet.