Titel: | Die gebräuchlichen Automobilsysteme. |
Autor: | H. Bachner |
Fundstelle: | Band 315, Jahrgang 1900, S. 253 |
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Die gebräuchlichen Automobilsysteme.
Von Professor H. Bachner in Stuttgart.
(Fortsetzung des Berichtes S. 239 d. Bd.)
Die gebräuchlichen Automobilsysteme.
III. Regulierung der Fahrgeschwindigkeit; elektrische Bremsung.
Es wurde bereits erwähnt, dass der Elektromotor bei sachgemässer Konstruktion die Möglichkeit bietet, Zugkraft und Umdrehungszahl
der äusseren Belastung in weiten Grenzen anzupassen, und dass aus diesem Grunde insbesondere der Motor mit Hauptstromwickelung
allgemeine Anwendung für Automobilzwecke gefunden hat. Immerhin liegt es, da doch einmal Vorgelege vorhanden sind, nahe, diese
variabel zu machen und wenigstens neben der elektrischen Regulierung mitzubenutzen.
So ist bei den Wagen von Patin (Fig. 81) (vgl. S. 221 d. Bd.) ein veränderliches Friktionsvorgelege mit zwei Uebersetzungen, die sich wie 1 : 2 verhalten, aus dem
GrundElektrot. Zeitschrift, 1899 S. 703. benutzt worden, um grössere Steigungen langsamer,als es der Motor allein gestattet hätte, zu befahren und damit die mit Rücksicht auf den leichten Wagen verhältnismässig schwache
Batterie zu schonen. Während also gewöhnlich das Rad r mit dem Trieb q in Berührung steht, wird auf Steigungen der Sektor n durch Hebel e nach rechts umgelegt und dadurch das kleinere Reibrad s angedrückt; in beiden Fällen bleibt die zweite Uebersetzung zwischen v und dem mit der Differentialkapsel verschraubten Zahnkranz l der Grösse nach ungeändert.
Das Friktionsgetriebe dürfte wenig Beifall finden; der Gedanke an sich wurde aber auch von der Kommission des Automobilwettbewerbs
in Paris 1898 für dasselbe Verwendungsgebiet mit der BegründungMem. Soc. Ing. Civ., Nov. 1898 S.
330. angeregt, dass man dann die den Wirkungsgrad des Motors herabsetzende geringe Umdrehungszahl vermeiden könne. Beachtung hat
indes dieser Vorschlag nicht gefunden, hauptsächlich wohl aus dem Grund, weil man Bedenken trägt, die Bedienung des Fahrzeuges
ohne dringende Not zu komplizieren.
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Fig. 91.Querschnitt durch einen Fahrschalter.
Zur Regulierung durch Beeinflussung der elektrischen Vorgänge im Motor ist eine Reihe von Umschaltungen erforderlich, die
in der Regel sämtlich durch Verstellung einer einzigen Kurbel nacheinander hergestellt werden können. Zu diesem Zweck stehen
die in Betracht kommenden Teile der elektrischen Wagenausrüstung, also vor allem die Batterie, die Bürsten und die Magnetwickelung,
mit Kontaktfedern (Kontaktfingern)
c (Fig. 91) in Verbindung, die, von einander isoliert, längs einer um eine vertikale Achse drehbaren Walze a angeordnet sind. Jeder gewünschten Bewegungsart entspricht bei einer bestimmten Walzenstellung auch eine bestimmte Verbindung
der einzelnen Kontaktfinger untereinander, dadurch bewerkstelligt, dass Metallstreifen b in entsprechender Gruppierung auf dem Walzenumfang befestigt sind; die verschiedenen Fahrtstellungen werden durch eine Stellhemmung
gesichert.
Denkt man sich den Mantel der Walze abgewickelt und der Kontaktfederreihe gegenübergestellt, wie dies in den Fig. 92 und 93 geschehen ist, so gewährt ein solches Schaltbild eine bequeme Uebersicht über die gewählten Verbindungsweisen und die möglichen
Variationen der Fahrgeschwindigkeit. Ausser Schaltwalze, Kontaktfingern und Stellhemmung finden sich an einem solchen, den
entsprechenden Apparaten der elektrischen Strassenbahnen nachgebildeten Fahrschalter (engl. Controller, franz. combinateur)
noch Vorkehrungen gegen die beim Wechseln der Kontakte auftretenden Oeffnungsfunken, welche die Gebrauchsdauer dieser Metallteile
sehr verkürzen können; von Interesse sind insbesondere die elektromagnetischen Funkenlöscher, die durch Erzeugung eines Magnetfeldes
den auftretenden Lichtbogen zum Zerreissen bringenNäheres über die Konstruktion der Fahrschalter bringt der Aufsatz: Die Steuerschalter für elektrische Motoren, Z. d. V. d. I., 1900 S. 270..
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Fig. 92.Abwickelung eines einfachen Fahrschalters für zwei Geschwindigkeiten.
Der bereits früherVgl. S. 99 und 100 d. Bd. erwähnte allgemeine Zusammenhang zwischen Fahrwiderstand, Fahrgeschwindigkeit, Drehmoment und Winkelgeschwindigkeit des Motors
behält auch im vorliegenden Fall seine Gültigkeit. Eine Steigerung der Geschwindigkeit bei unverändertem Widerstand bedeutet
eine Erhöhung der Motorleistung; dasselbe ist bei einer Erhöhung des Widerstandes und unverminderter Geschwindigkeit der Fall,
z.B. auf einer Steigung; dagegen lässt sich die Steigung auch ohne Erhöhung der Leistung bewältigen, wenn man die Fahrgeschwindigkeit
entsprechend ermässigen, d.h. beim Fehlen einer veränderlichen Uebersetzung die Umdrehungszahl des Motors genügend herabsetzen
kann. Eine Erhöhung der Motorleistung andererseits lässt sich nur durch Vergrösserung des Produktes aus Klemmenspannung und
Stromstärke erreichen, wobei entwedernur die Spannung oder nur die Stromaufnahme oder schliesslich auch beide zugleich geändert werden können.
Zur Regulierung durch Spannungsänderung stehen zwei Wege offen: Benutzung von veränderlichen Vorschaltwiderständen oder Gruppenschaltung
der Batteriezellen. Das erstgenannte Verfahren hat den Vorzug grosser Einfachheit und Uebersichtlichkeit, wie aus Fig. 92 hervorgeht, auch dann, wenn man die für die meisten Fälle ungenügende Anzahl von zwei Fahrgeschwindigkeiten durch Hinzufügung
weiterer Widerstände vermehrt. Bei Stellung 1 des Fahrschalters sind Batterie, Magnetwickelung und Anker mit dem Vorschaltwiderstand hintereinander geschaltet und geben
infolge verringerter Klemmenspannung des Motors die geringere Geschwindigkeit; bei Stellung 2 ist der Widerstand ausgeschaltet, der höheren Spannung entspricht die grössere Geschwindigkeit.
Trotz ihrer Einfachheit ist diese Reguliermethode für Automobilzwecke kaum in GebrauchSie findet sich bei der Droschke System Egger-Lohner, Z. d. V. d. I., 1900 S. 49 und 50., weil sie die bedenkliche Eigenschaft besitzt, in dem Widerstand einen beträchtlichen Teil der in der Batterie aufgespeicherten
Energie nutzlos zu verschwenden (durch Erwärmung der Drähte). Da von der Kapazität der Batterie die Leistungsfähigkeit des
Wagens direkt abhängt, muss, wie schon erwähnt wurde, unter allen Umständen auf möglichst ökonomische Verwendung des Energievorrats
hingewirkt werden.
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Fig. 93.Fahrschalter einer Droschke der Compagnie générale des voitures in Paris für vier Geschwindigkeiten.
Hierzu bietet ein anderes auf die Klemmenspannung des Motors einwirkendes Mittel die beste Gelegenheit: Man teilt die Batterie
in Elementgruppen gleicher Zellenzahl und schaltet diese Gruppen nach Bedarf entweder parallel oder hintereinander oder in
gemischter Schaltung. Da man kaum mehr als zweiDer
Columbia-Wagen der Motorfahrzeug- und Motorenfabrik Berlin scheint vier Batteriegruppen zu besitzen, vgl. Z. d. V. d. I., 1900 S. 18. Gruppen benutzt, sich also mit Halbierung der Batterie begnügt (vgl. die meisten folgenden Schaltungsdiagramme), so handelt
es sich nur um die volle oder halbe Batteriespannung, und es müssen zur weiteren Abstufung der Fahrgeschwindigkeit noch andere
Mittel angewendet werden. Jedenfalls ist die Spannungsteilung, weil ausserordentlich wirksam gleich einem im Verhältnis 1
: 2 veränderlichen Vorgelege, sehr beliebt; man hat sie nur ganz vereinzelt unbenutzt gelassen (vgl. Fig. 93)Auch die Schaltungsskizze des A.-E.-G.-Schalters, Z. d. V. d. I., 1900 S.
274., obgleich sie allerdings auch Nachteile in sich schliesst. Bei dem Betrieb mit solchen parallel geschalteten Batteriehälften
ist es nämlich sehr wohl möglich, dass infolge nicht genau übereinstimmenden inneren Widerstandes die eine Hälfte stärker
entladen wird als die andere; bei dem Wiederaufladen schaltet man zumeist die beiden Hälften hintereinander, so dass die Energieaufnahme
für beide gleich ausfallen wird, wobei natürlich die stärker entladene Gruppe zu kurz kommt. Durch häufige Wiederholung dieses
Vorganges kann die Batterie dauernd Schaden nehmen, und da die Kompensation ungleichmässiger Entladung besondere Vorkehrungen
und jedenfalls dauernde Ueberwachung des Ladebetriebs erfordert (z.B. auch das Aufladen innerhalb des Wagens eigentlich ausschliesst), möchten wir den Methoden den Vorzug geben, welche diese Spannungsteilung ganz vermeiden.
Die zur Vergrösserung der Geschwindigkeit bei gleichbleibendem Fahrwiderstand erforderliche Leistungserhöhung des Motors kann
aber auch ohne Spannungsänderung durch Erhöhung der Stromaufnahme erfolgen, und es fragt sich nur, durch welche Mittel der
Motor hierzu veranlasst werden kann. Es geschieht dies bekanntlich durch Schwächung des Magnetfeldes, wodurch die dem Strom
den Eintritt in die Ankerwickelung erschwerende elektromotorische Gegenkraft vermindert, die Stromstärke und mit ihr die Umdrehungszahl
des Ankers entsprechend vergrössert wird.
Diese letztgenannte Methode gestattet verschiedenartige praktische Ausführung, wie sich aus dem Folgenden ergeben wird. Der
Umstand, dass bei einem und demselben Fahrzeug in der Regel noch andere Reguliermethoden gleichzeitig Anwendung gefunden haben,
nötigt uns freilich, auch diese bei unserer Besprechung zu berücksichtigen. Zur Erläuterung diene das Folgende: Die Magnetwickelungen
sind durch nebeneinander gereihte Schleifen (S Serienwickelung, N Nebenschlusswickelung), etwa benutzte Widerstände
(V Vorschaltwiderstand) durch Zickzacklinien wiedergegeben; M bedeutet die Ankerwickelung des Motors, B die Batterie.
Das einfachste Mittel zur Schwächung des Magnetfeldes ist ein Vorschaltwiderstand. Beim Serienmotor freilich, z.B. Fig. 92, kommt diese Wirkung nicht zur Geltung, weil trotzdem der Ankerstrom verringert wird; eine Nebenschlusswickelung hingegen
lässt auf diese Weise bekanntlich eine ausgiebige Regulierung zu, ohne nennenswerten Energieverlust. Reine Nebenschlusswickelung
kommt bei Automobilmotoren nicht vor, doch findet sich ein Beispiel für die oben erwähnte Regulierart beim Fahrschalter des
Dreirades ElektraZ. d. V. d. I.,
1900 S. 50. von A. Krüger, Berlin, von dessen Mischwickelung (s. später) für die höchste Geschwindigkeit nur die Nebenschlusswickelung in Thätigkeit
ist, und diese mit vorgeschaltetem Widerstand.
Aehnlich wirkt, auch für die Hauptstromwickelung anwendbar, ein parallel geschalteter Widerstand (Shunt), wie er z.B. von Jeantaud verwendet wird (Fig.
94); doch ist hier das Feld stärker bei voll eingeschaltetem (3. Stufe), schwächer bei verringertem Widerstand (4. Stufe), weil
ja durch den Nebenschluss ein Teil des Stromes der Wickelung entzogen wird. Auch diese Methode konsumiert merkliche Strommengen,
ohne nützliche Arbeit daraus zu leisten, gibt also zu Bedenken Anlass.
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Fig. 94.Hauptstromwickelung ungeteilt, Nebenschlusswickelung geteilt.
Dieselbe Fig. 94 gibt auch ein Beispiel ab für die Anwendung der Unterteilung der Magnetwickelung, wie sie in ähnlicher, freilich in ihrer
Eigenart stärker betonter und für reine Serienwickelung bestimmter Ausführung bei den Einmotorwagen der Strassenbahn Verwendung
fand (System Sprague). Der mit Mischwickelung versehene zweipolige Motor trägt zwei Nebenschlusswickelungen, die in Fahrtstellung 1 parallel, in Stellung 2 bis 4 hintereinander geschaltet sind. Der Geschwindigkeit 2 gegenüber erscheint 1 in zweifacher Weise reduziert: Die Klemmenspannung ist durch Parallelschaltung der Batteriehälften halbiert, die für die
Feldstärke massgebende Ampère-Windungszahl ist verdoppelt (die halbierte Spannung ist dabei berücksichtigt), also das Feld
wesentlich verstärkt.
Aehnlichen Zwecken dient die hauptsächlich bei französischenWagen benutzte Mischwickelung, die für den Motor eine Serien- und eine Nebenschlusswickelung gleichzeitig vorsieht, wie dies
in Fig. 94 und für die 2. Geschwindigkeitsstufe des „Elektra“-DreiradesSiehe oben, auch Z. d. V. d. I., 1900 S. 50. in Fig.
95 dargestellt ist. Durch Aenderung der Feldstärke in der einen oder anderen Wickelung oder in beiden zugleich und durch Kombination
mit der Spannungsteilung an der Batterie lässt sich eine weitgehende Abstufung der Tourenzahl ohne Energieverschwendung erreichen.
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Fig. 95.Serienwickelung geteilt, Nebenschlusswickelung ungeteilt.
Zu beachten ist, dass die beiden Serienwickelung geteilt, Wickelungen sich unterstützen, nicht, wie bei der ganz anderen Zwecken,
nämlich der Aufrechterhaltung konstanter Tourenzahl bei verschiedener Belastung, dienenden eigentlichen Compoundwickelung
einander entgegenwirken sollen; dies geht aus den drei Figuren deutlich hervor. Nicht empfehlenswert erscheint in Fig.
95 der Anschluss der Nebenschlusswickelung an nur eine Batteriehälfte (und zwar, wie a. a. O. ersichtlich ist, dauernd durch
alle Fahrtstellungen), weil hierbei die ungleichmässige Entladung unvermeidlich wird. Es mag sein, dass dies im vorliegenden
Fall keine grosse Bedeutung hat, weil die Batterie, wie wir noch sehen werden, nicht aus normalen Akkumulatoren besteht.
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Fig. 96.Triebradnabe mit Vorgelege und Motor System Riker.
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Fig. 97.Doppelmotor von Mildé.
An diese Reguliermethoden mit einem einzigen Motor reihen sich diejenigen an, welche für zwei Motoren bestimmt sind. Das Bedürfnis
zur Anwendung eines doppelten Antriebs ist nur bei ganz schweren Fahrzeugen in der Grösse der Belastung begründet und würde
dann am besten dadurch befriedigt, dass mit Rücksicht auf volle Ausnutzung des Adhäsionsgewichtes jede Achse einen Motor erhält.
In den meisten Fällen der Anwendung von Doppelmotoren handelt es sich um einen anderen Zweck (was schon daraus hervorgeht,
dass jeder Motor auf je ein Rad derselben Achse einwirkt): es soll das Differentialgetriebe umgangen werden. Hierher gehört
z.B. die Bauart von Riker (Fig. 96, a Motor, c Trieb; Zahnrad
d und Bremsscheibe b sitzen auf der Nabe des Wagenrades), aber auch der eigenartige Doppelmotor von Mildé (Fig. 97), bei welchem beide Anker
a und a1 ein gemeinsames Magnetgestell, aber jeder seine besondere Welle b und b1 besitzen. Ob der hiermit erreichte Vorteil der Beseitigung zweier Lagerstellen unter allen Umständen ausschlaggebend ist,
kann bezweifelt werden, zumal die Erfahrung zeigt, dass, hauptsächlich bei Parallelschaltung der Motoren, häufig ein einseitiges,
die Lenkung erschwerendes Voreilen des einen stattfindet; andererseits hingegen gewinnt man damit die Möglichkeit einer zweckmässigen
und im Verhältnis einfachen Regulierung.
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Fig. 98.Ein Motor mit zwei Ankerwickelungen u. Kollektoren, geteilter Serienwickelung.
Fig. 93 zeigt das Schaltbild, Fig. 98 den hier interessierenden Teil der Schaltungsskizze für die auf diesem Wege mögliche, äusserst übersichtliche Reguliermethode,
die ähnlich auch bei den Zweimotorwagen der Strassenbahnen in Verwendung ist und Serie-Parallelsystem genannt wird, weil,
wie Fig. 98 zeigt, die Motoren und ihre Wickelungen (Hauptstromwickelung) bald in Serie, bald parallel geschaltet sind. Das System, in
Anwendung bei der Compagnie générale des voitures in Paris, beruht in erster Linie auf der Spannungsteilung, da bei Hintereinanderschaltung die Klemmenspannung pro Motor nur
halb so gross ist als bei Parallelschaltung; ausserdem wirken die bei Stellung 3 hintereinander, bei Stellung 4 nebeneinander verbundenen Magnetwickelungen noch gleichzeitig wie ein veränderlicher Vorschaltwiderstand; die Batterie bleibt
ungeteilt.
Auch bei dem schon früher erwähnten Avant-train von Krieger sind zwei Motoren vorhanden, welche die vorne gelegenen Lenkräder antreiben; das hier benutzte Reguliersystem (Fig. 99) stellt sich als eine Mischung aller vorhergenannten dar, denn es benutzt die Batterieteilung, das Serie-Parallelsystem,
die Mischwickelung und schliesslich Parallel-, Hintereinander- und Ausschaltung der Nebenschlusswickelungen.
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Fig. 99.Zwei Motoren, je mit Serien- und Nebenschlusswickelung.
Die Rücksicht auf die Vorteile der Zweimotorenschaltung hat schliesslich dazu geführt, auch einen einzelnen Motor für das
Serie-Parallelsystem anwendbar zu machen; das Ergebnis ist der Motor mit zwei Ankerwickelungen und zwei Kollektoren, entsprechend
zwei miteinander verschmolzenen Ankern, wie er von der Compagnie générale des voitures in Paris für ihre Fahrzeuge benutzt wird, aber auch sonst noch Verwendung findet. Die Schaltungsskizze
(Fig. 98) gehört diesem Motor an, sie unterscheidet sich in nichts von der für zwei getrennte Motoren zu verwendenden Anordnung.
Bisher haben wir uns mit den verschiedenen Stufen der Vorwärtsfahrt beschäftigt und dabei jeweils den Beharrungszustand als
bereits eingetreten vorausgesetzt. Auf den Schaltungsskizzen sind aber noch weitere Fahrschalterstellungen vertreten, die
gleichfalls einer Erläuterung bedürfen.
Beim Anfahren, d.h. dem Uebergang aus dem Ruhezustand in die Bewegung, ist bekanntlich eine wesentlich gesteigerte Zugkraft
seitens des Motors aufzuwenden, weildie grössere Reibung der Ruhe, insbesondere aber der Beschleunigungswiderstand der gesamten Wagenmasse überwunden werden müssen.
Der Elektromotor besitzt die wertvolle Eigenschaft, dass seine Anzugskraft gegenüber der normalen Zugkraft sich von selbst
wesentlich steigert.
Die Zugkraft ist dem Produkt aus Stromstärke und Kraftlinienzahl proportional. Für die genügende Stromaufnahme braucht man
nicht weiter zu sorgen; denn da bei Beginn der Rotation des Ankers die elektromotorische Gegenkraft noch nicht vorhanden ist,
würden ausserordentlich hohe Stromstärken auftreten, gegen die man vielmehr noch geeignete Vorkehrungen treffen muss. Aus
diesem Grunde schaltet man auch, sofern dies möglich ist, die Batteriehälften für das Anfahren (Stellung 1 in den Schaltungsskizzen) parallel (Fig. 94, 99), etwa vorhandene zwei Motoren dagegen hintereinander (Fig.
98, 99), so dass die Klemmenspannung möglichst gering ausfällt, die Beanspruchung der Batterie gleichzeitig nicht zu hoch. Zur grösseren
Sicherheit benutzt man insbesondere bei nur einem Motor einen Anfahrwiderstand (Fig. 94 und 98), der in letzterem Fall auch bei den Zwischenstufen benutzt werden kann.
Das für das Anfahren günstige starke Magnetfeld stellt sich beim Serienmotor gleichfalls von selbst ein, indem die hohe Stromstärke
ja auch in der Magnetwickelung vorhanden ist. Bei Motoren mit Serien- und Nebenschlusswickelung zieht man auch die letztere
zur Unterstützung heran und schaltet, wenn sie geteilt ist, die Hälften parallel (Fig. 94, 99).
Dieselbe Anfahrschaltung wird aus dem gleichen Grund für das Rückwärtsfahren zu wählen sein, nur muss dann die Stromrichtung
in der Ankerwickelung umgekehrt werden, damit der Anker im umgekehrten Sinne rotiert. Die hierauf bezügliche Einrichtung des
Fahrschalters lässt sich sehr übersichtlich aus Fig.
92 entnehmen; die Stellungen für die Rückwärtsfahrt sind in den Fig. 92, 93, 94, 99 mit – 1 bezeichnet.
Die Stellungen I, II schliesslich entsprechen der elektrischen Bremsung. Mit Rücksicht auf möglichste Betriebssicherheit sollte ein Motorfahrzeug
mindestens zweiIn Frankreich sind deren drei vorgeschrieben. voneinander unabhängige Bremsvorrichtungen besitzen. Die wirksamste Bremsung, die gleichzeitig den Vorteil hat, das Fahrzeug,
insbesondere dessen Räder am meisten zu schonen, ist die elektrische. Indem der Motor durch das Getriebe mit den Rädern in
dauernder Verbindung steht, muss der Anker an deren Drehung auch dann teilnehmen, wenn die Verbindung mit der Batterie unterbrochen
ist. In diesem Fall erscheint der Motor als Dynamo, fähig, elektrische Energie zu erzeugen, sobald die Bürsten bezw. die Klemmen
des Motors miteinander verbunden werden.
Da zur Erzeugung dieser elektrischen Energie, d.h. also zum Antrieb der stromliefernden Dynamo, Arbeit erforderlich ist, so
wird das in den bewegten Massen des Wagens aufgespeicherte Arbeitsvermögen dabei aufgezehrt werden, um so rascher, je grösser
die Stromstärke, je geringer der Widerstand des Stromkreises ist. Um eine gefährliche Belastung und Erhitzung des Ankers zu
vermeiden, lässt man ihn zumeist auf einen vorgeschalteten Widerstand arbeiten, wie dies aus Fig. 94, Stellung I (und gleichzeitig 0) hervorgeht; hier ist die Batterie vollständig abgeschaltet und der zur Dynamo umgewandelte Motor muss sein Magnetfeld selbst
erregen.
Diese Selbsterregung ist nicht notwendigerweise bei jedem Motor vorhanden, erfordert überdies eine gewisse Zeit bis zur Erreichung
ihres Maximums. Sicherer erscheint es daher, die Magnetentwickelung beim Bremsen vom Motor loszulösen und durch die Batterie
zu erregen, wie dies in Fig. 99, Stellung
I geschehen ist, wobei allerdings bei reiner Serienwickelung auch in diesen Stromkreis ein Widerstand gelegt werden müsste;
hier zeigt sich also die Mischwickelung gleichfalls als vorteilhaft.
Vielfach begnügt man sich nicht mit einer einzigen Bremsstellung, sondern sieht deren zwei vor (vgl. Fig. 92 und 93), wodurch man einesteils im Notfall sehr starke Wirkungen erzielen, andererseits in normalen Fällen die Bremswirkung länger
hinausziehen kann. Auch hierzu erweist sich die Mischwickelung als recht geeignet, wie aus der Darstellung der Bremsschaltung
(Fig. 100) des neuesten Jeantaud-Wagens hervorgeht. Die erste Bremsstellung I benutzt ein verhältnismässig schwaches Feld, welches durch die Nebenschlusswickelung mit vorgeschaltetem Widerstand erregt
wird; bei der zweiten Bremsstellung unterstützen sich Haupt- und Nebenschlusswickelung mit gleichzeitig vergrösserter Stromaufnahme,
weil die Hauptstromwickelung dem Widerstand parallel geschaltet ist.
Bei reiner Serienschaltung kommen für abgestufte Bremsung geteilte Vorschaltwiderstände in Anwendung, oder man entfernt den
Widerstand für die zweite Bremsstellung vollständig, wie aus Fig. 93 hervorgeht.
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Fig. 100.Serien- und Nebenschlusswickelung ungeteilt.
Bei Haltstellung ist jedenfalls die Batterie vollständig abzuschalten; gewöhnlich trägt der Fahrschalter an dieser Stelle
überhaupt keine Kontakte (Fig. 92, 93). Jeantaud benutzt die Bremsstellung I gleichzeitig als Haltstellung (Fig. 94), was für dauernde Ruhe nur bei Selbsterregung zulässig erscheint, nicht aber bei Sondererregung wegen des fortlaufenden
Stromverbrauchs. In diesem Fall ist (z.B. Fig. 100, für die das Gleiche angegeben wird) ein besonderer Ausschalter hinzuzudenken.
Recht naheliegend erscheint der Gedanke, die Energiemenge, welche bei der elektrischen Bremsung auf vorgenannte Art nutzlos
als Wärme ausgestrahlt wird, nutzbar zu verwenden und zwar zum Laden der Batterie. Bei entsprechenderSchaltungsanordnung ist dies thatsächlich ausführbar, wie aus dem Belastungsdiagramm des Krieger-WagensS. * 241 d. Bd. (Fig. 88) hervorgeht. Es zeigt sich aber, dass der Gewinn selbst auf längeren Gefällen nur unbedeutend ist, dass aber gleichzeitig
die Gefahr besteht, durch unzulässige Ladestösse der Batterie Schaden zuzufügen. Man hat daher, ebenso wie im normalen Strassenbahnbetrieb,
von dieser sogen. Rückgewinnung der elektrischen Energie durchweg wieder Abstand genommen.
Noch sei bemerkt, dass die elektrische Bremsung infolge ihres inneren Wesens niemals für sich allein ausreicht, um den Wagen
unter allen Umständen festzustellen oder gar festzuhalten. Denn da der Motor erst Strom erzeugen kann, wenn er sich dreht,
also der Wagen sich bewegt, so muss die Bremswirkung im Ruhezustand gleich Null sein, sie wird bei sehr langsamer Bewegung
ungenügend bleiben; schon aus diesem Grund ist das gleichzeitige Vorhandensein einer mechanischen Bremse unerlässlich.
Wie viel Schaltstellungen einem Motorfahrzeug zu geben seien, muss die Erfahrung lehren; es hängt dies ja auch von dem gewünschten
Maximum und Minimum der Fahrgeschwindigkeit ab. Ersteres ist von den polizeilichen Vorschriften abhängig und dürfte nur selten
20 km pro Stunde übersteigen, letzteres bestimmt sich mit Rücksicht auf Verkehrshindernisse zu 4 bis 5 km. Man wird wohl mit
4 bis 5 Stufen für die Vorwärtsfahrt, 1 bis höchstens 2 Stufen für Bremsung, einer Halt- und einer Rückwärtsstellung in den
meisten Fällen auskommen können.
(Fortsetzung folgt.)