Titel: | Ueber die Grundlagen der mechanischen Wärmetheorie. |
Autor: | Rudolf Mewes |
Fundstelle: | Band 315, Jahrgang 1900, S. 347 |
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Ueber die Grundlagen der mechanischen Wärmetheorie.
Von Rudolf Mewes.
Ueber die Grundlagen der mechanischen Wärmetheorie.
Die Grundlage der mechanischen Wärmetheorie bilden ausser dem ersten Hauptsatz
dQ = cvdT + Apdv = cpd T 1)
worin Q die zugeführte Wärmemenge, T die Temperatur, p die Spannung in Atmosphären, v das spezifische Volumen, A=\frac{1}{424} das kalorische Aequivalent der Arbeitseinheit, cp die spezifische Wärme bei konstantem Druck und c0 die spezifische Wärme bei konstantem Volumen ist, das Wärmespannungsgesetz, d.h. das vereinigte Mariotte-Gay-Lussac'sche Gesetz oder die Clapeyron'sche Zustandsgleichung, ferner die Poisson'sche Formel und das von Mallard und
Lechatelier aufgestellte Gesetz über die Veränderung der spezifischen Wärme mit steigender Temperatur. Die Formeln, durch welche diese
Gesetze wiedergegeben werden, lauten in der herkömmlichen Fassung
pv = R T (Clapeyron'sche Formel) 2)
p vk = p0
v0k (Poisson'sche Formel) 3)
und
cp= ap + b T, cv
= av + b T 4)
(Formel von Mallard und Lechatelier).
Der erste Hauptsatz der mechanischen Wärmetheorie ist durch die experimentelle Forschung als richtig und unantastbar nachgewiesen
worden, während für die drei letztgenannten Formeln dies nicht der Fall ist. Im Gegenteil ist gerade an der Clapeyron'schen Zustandsgleichung von so bedeutenden Kennern der mechanischen Wärmetheorie wie Clausius, van der Waals und Dühring, und zwar nicht mit Unrecht gerüttelt, und damit zugleich auch die Gültigkeit der Poisson'schen Gleichung in Frage gestellt worden. Da die jüngsten Thermodynamiker, wie Prof. Schöttler, Stodola u.a., in ihren Werken bei der Entwickelung der thermodynamischen Formeln im Gegensatz zu den früheren Maschineningenieuren
die genaueren Formeln, beispielsweise für die spezifische Wärme, zu berücksichtigen angefangen haben, so dürfte es zeitgemäss
sein, die oben angeführten Grundformeln
pv = RT 2)
pvk= p0v0k
3)
cp = ap + b T, cv = av + b T 4)
auf ihre Richtigkeit hin zu prüfen und, soweit sie sich als nicht stichhaltig erweisen, über Bord zu werfen und, wenn möglich,
durch besser gesicherte Formeln zu ersetzen. Erst dann, wenn die Grundlagen sicher gelegt sind, lassen sich aus dem ersten
Hauptsatz die für die theoretische Maschinenlehre so überaus wichtigen thermodynamischen Arbeitsgleichungen mit genügender
Strenge ableiten und mit den Thatsachen übereinstimmende Zahlenwerte für den Wirkungsgrad bei verschiedenem Arbeitsverfahren
ermitteln.
Die Clapeyron'sche Form der Zustandsgleichung der Gase wurde unabhängig von van der Waals und Dühring abgeändert und mit den Beobachtungen in Einklang zu bringen versucht. Der letztere beabsichtigte, durch seine Untersuchungen
in der zweiten Folge der „Neuen Grundgesetze zur rationellen Physik und Chemie“ eine allgemeine, für den festen, flüssigen und gasförmigen Aggregatzustand gültige Zustandsgleichung abzuleiten, und ging
mit Recht von dem Spannungsgesetze der Gase aus, da ja das Verhalten der Gase gegen Druck- und Temperaturänderungen sowohl
in der Physik und Chemie, wie auch in der Maschinentechnik eine grundlegende Bedeutung besitzt. Nach ihm ist die Temperatur
als Spannungsfaktor in technischem Sinne und demnach die Spannung als eine Grösse anzusehen, die man als durch Multiplikation
einer Konstanten mit der Temperatur entstanden denken kann.
Da die Ausführungen Dühring's ausserordentlich kurz und klar sind und darauf weiter gefusst werden soll, so lasse ich den Kern seines Gedankenganges nachstehend
folgen: „Setzt man, um vorläufig die Formeln noch nicht in unserem neuen Sinne abzuändern, p v1 = R T, also den gewöhnlichen Ausdruck des Druck- und Ausdehnungsgesetzes, so entspricht dem sachlichen, von uns ins Auge gefassten
Begriff p=\frac{R}{v_1}\,.\,T als signifikante Gestalt der Gleichung. Hierbei ist v1 ein bestimmtes und konstant bleibendes Volumen und daher \frac{R}{v_1} jene Konstante, zu der die Temperatur als Faktor hinzutritt. Die Konstante R ist p1v1, wenn man mit
p1 die Spannung bei 1° absoluter Temperatur bezeichnet, und hiernach bleibt p = p1
T als reduzierteste Gestalt und als einfachster analytischer Ausdruck für unsere sachliche Vorstellungsart übrig. Die Erklärung
der Temperatur für einen statischen Kraftfaktor ist mithin nur die Heraushebung dessen, was sachlich und begrifflich entscheidet,
aus dem experimentellen Zusammenhang und aus den analytischen Verbindungen.
Es sei hierzu noch bemerkt, wie wir den Satz vom Zwischenvolumen im Hinblick auf die Proportionalität von p und T nicht anzuwenden nötig hatten, weil, wenn das Molekülvolumen x konstant bleibt, auch das Zwischenvolumen u, da es gleich v – x ist, v aber ebenfalls als konstant vorausgesetzt wird, selber konstant bleiben muss, und daher Folgerungen aus einer Veränderung
nicht in Frage kommen. Anders hätte es sich verhalten, wenn wir für das Bereich der Grenzzustände den Satz v = v1
T abgeleitet hätten. Dieser ist auch dort nur eine Annäherungsgleichung, die durch die exakte Gleichung des Zwischenvolumens
v – x = (v1
– x) T oder kürzer u = u1T ersetzt werden muss.
Soll das Zwischenvolumen, d.h. das Volumen nach Abzug des von den Molekülen eingenommenen Volumens, als v – x oder kürzer u, auch für Flüssigkeiten und feste Körper als Spielraum der statischen Wärmekraft massgebend sein, so muss man sich eine bestimmte
Vorstellung davon machen, was hier der Wärmespannung entgegengesetzt sei. Bei den Gasen im Grenzzustande ist es fast nur äusserer
Druck; bei Flüssigkeiten und festen Körpern hat aber die Wärmespannung in ihrem Ausdehnungsbestreben ein Zusammenhalten der
Moleküle mit sich selbst aufzuwiegen. . . . Das statische Verhältnis haben wir uns nun ähnlich wie bei den Gasen zu denken,
nur dass wir den Zug oder, wenn man will, den inneren Druck
π an Stelle des äusseren Druckes p massgebend machen. Statt des Produkts p (v – x) oder p u erhalten wir daher für Flüssigkeiten und feste Körper π u oder, wenn wir den inneren Zug z noch von dem äusseren Druck p unterscheiden wollen und demgemäss in ti noch die kleine Grösse p mit enthalten sein lassen, (p + z) u als dasjenige Produkt, welches dem ursprünglichen pv des Mariotte'schen Gesetzes bei Gasen analog ist. Wollten wir nun aber diesem Produkt die herkömmliche, dem Gay-Lussac'schen Gesetze entsprechende Temperaturfunktion RT gleichsetzen, wie man es bisher in allen Zustandsgleichungen der Gase und der Grenzübergänge zur Flüssigkeit gethan hat,
so würden wir nichts ausrichten. Es ist nämlich R in den fraglichen Gleichungen als Konstante eingeführt, während es in Wahrheit keine sein darf. Nach den bisherigen unrichtigen
Voraussetzungen musste R nicht nur gleich π1u1, d.h. gleich dem Werte von πu für 1° absoluter Temperatur, sondern dieser Wert auch eine konstante Grösse sein. Nun ist aber nicht bloss, wie man weiss,
R von einem Stoff zum andern keine Konstante, sondern auch, wie die Physiker bisher nicht berücksichtigt haben, innerhalb der
Zustände desselben Körpers keine solche. Wir führen daher an Stelle der angeblichen Konstanten R das Produkt einer Konstanten b mit der veränderlichen Molekülzahl n als Faktor von T ein. Alsdann lautet die statische Fundamentalgleichung
(p+z)\,(v-x)=b\,n\,.\,T=b\,n\,.\,(273+t)=\frac{b\,n}{273}\,\left(1+\frac{1}{273}\,.\,t\right) . . . . . 5)
Aus der statischen Grundgleichung mit der Molekülzahl lässt sich eine sehr einfach gestaltete für das einzelne Molekül ableiten,
in welcher natürlich die Molekülzahl als solche verschwindet. Bezeichnet man nämlich mit y das zu einem einzelnen Molekül zugehörige Zwischenvolumen, so wird das ganze Zwischenvolumen durch ny ausgedrückt und man hat nach der Grundgleichung
\pi\,.\,n\,y=b\,n\,T=\frac{b\,n}{273}\,(1+\alpha\,t)=b_1\,n\,(1+\alpha\,t)
also nach der Division mit n
πy = bT = b1 (1 + αt) . . . . 6)
In Worte gefasst, ergibt diese einfache Gleichung das Gesetz: Der Wärmedruck ist bei jedwedem Stoff dem zumeinzelnen Molekül gehörigen Zwischenvolumen umgekehrt und der absoluten Temperatur direkt proportional.“
Die Richtigkeit des von Dühring aufgestellten Spannungsgesetzes der Gase,
p (v – x)
= p1 (v1
– x) oder pn =p1n1,
auf welchen die weiteren Schlussfolgerungen beruhen, ergibt sich aus den Versuchen von Natterer über die Kompression der Gase. Die Versuche von Natterer sind meines Wissens nur in den Sitzungsberichten der Wiener Akademie und in Poggendorff's Annalen, nicht aber in technischen Journalen veröffentlicht worden, obwohl dieselben, wie aus der vorliegenden Arbeit deutlich hervorgeht,
für die mechanische Wärmetheorie und damit auch für den Maschineningenieur von Bedeutung sind.
Aus diesem Grunde lasse ich die Natterer'schen Beobachtungen für Wasserstoff hier folgen und füge die aus diesen berechneten Molekülvolumina x=\frac{1}{v}-\frac{1}{p} bei. In der nachfolgenden Tabelle gibt die erste Reihe die im Kompressionsbehälter enthaltene Gewichtsmenge des Gases in
Gramm an, die zweite Reihe die Anzahl der komprimierten Volumina v oder die Spannungen nach dem Mariotte'schen Gesetze, die dritte Reihe die beobachteten Spannungen p, die vierte Reihe die Differenzen der aufeinander folgenden Spannungen, die fünfte Reihe die aus den reciproken Werten von
v und p berechneten Molekülvolumina x.
Wasserstoffgas.
Gewichtin g
Volumina v
Atmo-sphären pbeobachtet
Differenz
c=\frac{1}{v}-\frac{1}{p}Molekül-volumen
Gewichtin g
Volumina v
Atmo-sphären pbeobachtet
Differenz
v=\frac{1}{v}-\frac{1}{p}Molekül-volumen
1290
1008
2790
–
0,000642
525
668
1134
30
0,000615
1244
998
2689
101
0,000628
512
658
1104
30
0,000611
1200
988
2594
95
0,000624
498
648
1074
30
0,000605
1158
978
2505
89
0,000620
484
638
1044
30
0,000613
1120
968
2423
82
0,000617
470
628
1015
29
0,000605
1085
958
2347
76
0,000614
456
618
986
29
0,00061
1053
948
2277
70
0,000602
443
608
958
28
0,00060
1024
938
2213
64
0,000618
430
598
930
28
0,00059
996
928
2154
59
0,000615
417
588
903
27
0,00059
970
918
2098
56
0,000614
392
568
850
26
0,00058
945
908
2044
54
0,000610
368
548
799
25
0,00057
922
898
1995
49
0,000610
357
538
775
24
0,00057
900
888
1948
47
0,000617
346
528
751
24
0,00056
880
878
1904
44
0,000614
336
518
728
23
0,00056
861
858
1821
41
0,000621
326
508
706
22
0,00055
824
848
1781
40
0,000618
316
498
685
21
0,00055
805
838
1741
40
0,000615
307
488
665
20
0,00055
786
828
1701
40
0,000622
298
478
646
19
0,00054
768
818
1662
39
0,000618
290
468
627
19
0,00055
750
808
1623
39
0,000623
282
458
608
19
0,00054
732
798
1584
39
0,000617
274
448
590
18
0,00054
715
788
1546
38
0,000625
266
438
573
17
0,00053
697
778
1508
38
0,000628
258
428
556
17
0,00054
679
768
1471
37
0,000615
250
418
539
17
0,00053
663
758
1434
37
0,000621
242
408
522
17
0,00053
646
748
1398
36
0,000626
234
398
505
17
0,00053
630
738
1362
36
0,000625
226
388
488
17
0,00053
613
728
1326
36
0,000618
218
378
471
17
0,00053
597
718
1292
34
0,000615
210
368
454
17
0,00052
582
708
1259
33
0,000616
203
358
438
16
0,00051
567
698
1226
33
0,000617
196
348
423
15
0,00051
552
688
1194
32
0,000610
189
338
408
15
0,00051
538
678
1164
30
0,000615
Da Natterer bei seinen Versuchen auf sehr grosse Genauigkeit keinen Anspruch erhebt, so ist der Wert von x, der zwischen den Grenzen 0,000642 und 0,000510 schwankt, innerhalb der Grenze der Beobachtungsfehler als eine Konstante
anzusehen. Für geringere Spannungen sind zur Prüfung des Zwischenvolumengesetzes die genaueren Versuche von Regnault und Amagat zu benutzen, da die Natterer'schen Messvorrichtungen nicht für diesen Zweck genau genug anzeigten. Aus den Beobachtungen Regnault's folgt für Spannungen, welche wenig unter und über eine Atmosphäre betragen, für x der Zahlenwert
0,0005, der mit dem Natterer'schen Versuchsergebnis sehr gut übereinstimmt.
Die Dühring'schen Darlegungen sind demnach bis auf die von Gay-Lussac ohne Kritik übernommene Annahme,
dass die Volumzunahme bei steigender Temperatur der Temperatur proportional sei, vollkommen richtig und sachlich zutreffend.
Gay-Lussac hat diesen Satz aus Versuchen abgeleitet und gefunden, dass die Volumzunahme für alle Gase identisch sei. Demgemäss soll
nach ihm die Gleichung
v = v0+ voαt = v0 (1 + αt)
oder nach Dühring die Gleichung
(v –
X) = (v0
– x) (1 + αt),
welche für Gase wegen der Kleinheit des Molekülvolumens mit der Gay-Lussac'schen Formel ziemlich zusammenfällt, ganz allgemeine Geltung haben. Dies ist aber bei den Gasen thatsächlich nicht der Fall,
wie genaue Versuche von Regnault, Magnus und Jolly beweisen. Diese Physiker fanden, dass das Gay-Lussac'sche Gesetz nur annähernd richtig ist, in Wahrheit aber Spannungs- und Ausdehnungskoeffizient verschieden, für verschiedene
Gase nicht identisch sind und dass jeder Koeffizient nicht ganz konstant, sondern
von der Dichte des Gases und der Temperatur abhängig ist.
Ebenso trifft auch die Annahme, dass die Volumzunahme bei steigender Temperatur einfach der Temperaturzunahme proportional
sei, weder für die Gay-Lussac'sche noch auch für die Dühring'sche Formel in Wirklichkeit zu. Recht augenfällig ergibt sich dies aus den Versuchen über die Ausdehnungskoeffizienten der
Flüssigkeiten und festen Stoffe; denn dieselben lassen sich, wenn sie nicht auf das Zwischenvolumen, sondern auf das Gesamtvolumen
bezogen werden, nicht einfach der Temperatur proportional setzen, sondern sich nur durch Formeln, welche auch höhere Potenzen
der Temperatur berücksichtigen, nämlich durch die Formeln
vt = v0 (1 + at + bt2
+ ct3) oder
vt= vv (1 + a (t – r) + b ( – r)2
+ c (t – r)3),
bezüglich bei höherem Druck nach Hirn
vt = v0 (1 +
at + bt2
+ ct3 + dt4)
darstellen. Dagegen versuchte Boscha, wohl einer Anregung Dalton's folgend, die Ausdehnung des Quecksilbers durch die Exponentialformel vt = v0e + at darzustellen. Obwohl der eingeschlagene Weg vollständig richtig war, so konnte er, wie aus den nachfolgenden Auseinandersetzungen
sich ohne weiteres ergibt, darum nicht zum gewünschten Ziel gelangen, weil er sein Gesetz auf das Gesamtvolumen bezog.
Eine theoretische Begründung oder eine einfache Erklärung dieser durch die Beobachtungen nachgewiesenen Abweichungen habe
ich bis jetzt in keinem physikalischen Lehr- und Handbuche gefunden, obgleich dieselbe sich ohne weiteres aus einer strengen
und folgerichtigen Auslegung der Annahme ergibt, dass der Ausdehnungskoeffizient, d.h. die Volumvergrösserung des Zwischenvolumens
für 1° Temperaturerhöhung, unveränderlich ist, gleichgültig, ob man die Temperaturerhöhung von 0° an um 1° oder von einer
beliebigen anderen Temperatur (etwa 100°) an um 1° rechnet. Stellt man sich unter dieser Annahme den Vorgang der Volumzunahme
so vor, wie derselbe demgemäss sachlich vor sich geht, so wird das Zwischenvolumen v0
– x = u0 nach Erhöhung um 1° C., wenn α der Ausdehnungskoeffizient ist,
u1 =
u0 + u0α = u0 (1 + α);
erhöht man das letztere weiter um 1° C., so wird das Zwischenvolumen nach Erhöhung der Temperatur um 2°:
u2 =
u0 (1 + α) + u0 (1 + α) α = u0 (1 + α)2,
nach 3°:
u3
=u0 (l + α)3,
nach Erhöhung um t° C. also:
ut =u0 (1 +
α)t . . . . .
7)
Mit Rücksicht auf Formel 7) lautet die auf das Zwischenvolumen bezogene Zustandsgleichung der Stoffe
p (v – x)
= p0 (vo
– x) (1 +α)T . . . 8)
worin v0– x das Zwischenvolumen beim absoluten Nullpunkte unter dem Drucke p0, v – x das Zwischenvolumen bei der absoluten Temperatur
T unter dem inneren und äusseren Druck p und α der auf das Zwischenvolumen bezogene konstante Ausdehnungskoeffizient ist. Nimmt man an, dass
p konstant sein soll, so wird das Ausdehnungsgesetz die Form annehmen
v – x= (v0
– x) (1 + α)T . . . . 9)
Führt man in die Formal 8) noch die Molekülzahl ein, so erhält man ganz ähnlich wie bei Dühring
(p + z)
(v – x) = bn (1 + α)T,
πn . y = bn (1 + α)T
oder
πy = b (1 +
α)T . . . . . 10)
Aus Gleichung 9) erhält man als Grenzwert für v0
– x, wenn man Unterkühlung annimmt, so dass eine Verflüssigung des Gases bei Abkühlung bis unter den Siedepunkt nicht eintritt,
beim absolutenalsoluten Nullpunkt
v_0-x=\frac{v-x}{(1+\alpha)^T} . . . . . . 11)
Die Formel für die Abkühlung kann man auch in der Weise ableiten, dass man von dem bei 0° gegebenen Zwischenvolumen (v – x) ausgeht und die Volumverkleinerung wie oben die Volumvergrösserung ermittelt. In diesem Falle wird das Zwischenvolumen nach
der Temperaturabnahme um 1° gleich
(v – x)
– (v – x) α= (v – x) (1 – α),
nach 2° Temperaturerniedrigung gleich
(v – x) (1 –
α)2,
nach T° gleich
vo– x = (v – x) (1 – α)T . . .
. 12)
Setzt man v – x = 1, so wird
vo– x = (1 –α)T
Durch Gleichsetzen der Formeln 11) und 12) erhält man (1-\alpha)^T=\frac{1}{(1+\alpha)^T} oder (1– α2)T= 1; dieselbe trifft mit sehr grosser Annäherung zu, da
\frac{1}{1+\alpha}=1-\alpha+\alpha^2-\alpha^3+\alpha^4-+\,...
ist, und die höheren Potenzen von α gegen α vernachlässigt werden können.
Die von mir abgeleitete Definitionsgleichung
v – x = (v0
– x) (1 + α)T oder ut
= u0 (1 + α)T
oder, wenn man 1 + α = b setzt, ut = u0bT führt jedoch, wie dies ja nicht anders zu erwarten ist, zu Widersprüchen, wenn man α nicht entsprechend der neuen Bedingungsgleichung aus den Beobachtungsthatsachen ableitet. Aus den Versuchen über die Ausdehnung
der Luft und der Gase folgt, dass das Volumen bei einer Temperatursteigerung von 273° C. sich verdoppelt. Nehmen wir an, dass
innerhalb dieser Temperaturgrenze die Volumzunahme der Luft noch genau gemessen ist, so erhält man für den neuen Ausdehnungskoeffizienten
α aus der Bedingungsgleichung (1 + α)273
= 2 den Wert α =
0,00256.
Zur Prüfung der neuen Zustandsgleichung
p (vt
– x) =p0 (v0
– x) (l + α)Tt – T0 . . 13)
kann man aus dem Anfangszwischenvolumen v0 – x, dem Anfangsdruck p0, dem Ausdehnungskoeffizienten α und dem Enddruck p und der Temperatur Tt
– T0 das Volumen
v_0-x=p_0\,\frac{(v_0-x)\,(1+\alpha)\,T_t-T_0}{p}
und daraus dann vt berechnen und die gefundenen Zahlenwerte mit dem durch Beobachtungen gefundenen Volumen vergleichen. In der nachstehenden
Tabelle ist dies für Wasserdampf geschehen; die ersten vier Reihen sind aus Rietschel's Leitfaden für Heizungs- und Lüftungsanlagen
(Teil II) entnommen. Es ist gesetzt p0
= 0,02, v0 – x = 67,114, t0= 17,83° C., α = 0,00256, log (1 + α) = 0,00111.
Mit Hilfe dieser Zahlen ist die fünfte Zahlenreihe von mir berechnet worden; die sechste Reihe enthält die Unterschiede zwischen
den beobachteten und berechneten Werten.
Tabelle für Wasserdampf.
Dampfspannung
Temperatur
Volumen1 kg in cbmbeobachtet
Volumen1 kg in cbmberechnet
Differenz
in At-mosph.
In kg proqm
0,02
206,7
17,83
67,115
67,115
0,0000
0,04
413,3
29,35
34,722
34,561
0,1610
0,06
620,0
36,56
23,641
23,467
0,174
0,08
826,6
41,92
17,985
17,845
0,140
0,10
1033,3
46,21
14,556
14,434
0,122
0,20
2066,6
60,45
7,541
7,485
0,056
0,30
3099,9
69,49
5,141
5,106
0,035
0,40
4133,2
76,25
3,917
3,897
0,020
0,50
5166,5
81,71
3,172
3,162
0,010
0,60
6199,8
86,32
2,672
2,666
0,006
0,70
7233,1
90,32
2,310
2,309
0,001
0,80
8266,4
93,88
2,037
2,039
0,002
0,90
9299,7
97,08
1,823
1,827
0,004
1,00
10334,0
100,00
1,654
1,657
0,003
1,50
15501,0
111,74
1,127
1,136
0,009
2,00
20668,0
120,60
0,8598
0,8737
0,0139
2,50
25835,0
127,80
0,6971
0,7123
0,0152
3,00
31002,0
133,91
0,5874
0,6014
0,0140
4,00
41336,0
144,00
0,4484
0,4629
0,0145
5,00
51670,0
152,22
0,3636
0,3783
0,0147
6,00
62004,0
159,22
0,3065
0,3211
0,0146
7,00
72338,0
165,34
0,2652
0,2796
0,0144
8,00
82672,0
170,81
0,2339
0,2482
0,0143
9,00
93006,0
175,77
0,2095
0,2235
0,0140
10,00
103340,0
180,31
0,1897
0,2036
0,0139
Tabelle für Quecksilber.
Spannungmm
Temperatur0o C.
Volumen1 g Queck-silber in ccmbeobachtet
Volumen1 g Queck-silber in ccmberechnet
Ausdehnungs-koeffizient
Differenz
0,0200
0
0,0735532
0,0735532
0,00018179
0,0000000
0,0268
10
0,0736869
0,0736723
0,00018180
– 0,0000146
0,0372
20
0,0738207
0,0737944
0,00018181
– 0,0000263
0,0530
30
0,0739544
0,0739198
0,00018183
– 0,0000346
0,0767
40
0,0740882
0,0740484
0,00018186
– 0,0000419
0,1120
50
0,0742221
0,0741802
0,00018189
– 0,0000407
0,1643
60
0,0743561
0,0743154
0,00018193
– 0,0000357
0,2410
70
0,0744901
0,0744544
0,00018198
– 0,0000275
0,3528
80
0,0746243
0,0745968
0,00018203
– 0,0000057
0,5142
90
0,0747586
0,0747429
0,00018209
– 0,0000004
0,7455
100
0,0748931
0,0748927
0,00018216
+ 0,0000188
1,0734
110
0,0750276
0,0750464
0,00018224
+ 0,0000419
1,5341
120
0,0751624
0,0752043
0,00013232
+ 0,0000687
2,1752
130
0,0752974
0,0753661
0,00018241
+ 0,0000996
3,0592
140
0,0754325
0,0755321
0,00018250
+ 0,00001346
4,2664
150
0,0755679
0,0757025
0,00018261
+ 0,00001737
5,9002
160
0,0757035
0,0758772
0,00018272
+ 0,00002170
8,0912
170
0,0758394
0,0760564
0,00018284
+ 0,00002648
11,0000
180
0,0759755
0,0762403
0,00018296
+ 0,00003170
14,8400
190
0,0761120
0,0764290
0,00018309
+ 0,00003739
19,9000
200
0,0762486
0,0766225
0,00018310
+ 0,00003739
Die grösste Abweichung zwischen den berechneten und den beobachteten Werten beträgt für Wasserdampf 7 %, während der mittlere
Fehler etwa nur 1 % ausmacht, also innerhalb der Beobachtungsfehler liegt. Die Tabelle für Quecksilber beweist, dass die von
mir abgeleitete Zustandsgleichung auch für Flüssigkeiten von den niedrigsten bis zu den höchsten Temperaturen Gültigkeit besitzt.
Der grösste Unterschied zwischen dem berechneten und dem beobachteten Werte beträgt in diesem Falle noch nicht 0,5 %, während
der mittlere Fehler noch wesentlich kleiner ist. Die Beobachtungsdaten sind aus dem bekannten Tabellenwerk von Landolt und Börnstein entnommen.
Die vorstehenden Ausführungen besitzen, um diesen Punkt noch kurz zu berühren, für die Grundlegung der Thermometrie eine nicht
zu unterschätzende Bedeutung. Als Normalthermometer dient das Luft- bezw. das Wasserstoffthermometer, d.h. im letzten Grunde
das Gay-Lussac'sche Gesetz der Ausdehnung oder Zusammenziehung der Gase durch Temperaturerhöhung oder durch Abkühlung. Gerade für den Fall
der gesteigerten Abkühlung führt die Gay-Lussac'sche Formel für das Volumen bezw. das spezifische Gewicht der Gase bei ihren Siedepunkten zu Zahlen, welche durch die Beobachtung
nicht bestätigt werden. Nimmt man den Siedepunkt des Wasserstoffes bei einer Atmosphäre gleich –
235° C. an, so müsste nach dem alten Gesetze Gay-Lussac's die Dichtigkeit des Wasserstoffdampfes etwa 10mal so gross als bei 0° sein, während nach dem oben aufgestellten Ausdehnungsgesetz
(vt
– x) = (v0 – x) (1 + α)T–T0 = (v0
– x) . l,00256T–T0
folgt, dass dieselbe nur 1,84mal so gross ist. Luft würde beim Siedepunkt nach dem alten Gesetze die dreifache Dichtigkeit
wie bei gewöhnlicher Temperatur besitzen müssen, während die thatsächliche Dichtigkeit entsprechend dem neuen Gesetze nur
etwa das 1,7 bis 1,8fache ist, wie die von Dr. Behn in Wiedemann's Annalen kürzlich veröffentlichten Beobachtungen beweisen.
Die Aenderung der Clapeyron'schen Formel zieht natürlich die Verbesserung der Poisson'schen Formel ohne weiteres nach sich; auch hier muss die Spannung, statt auf das Gesamtvolumen, auf das Zwischenvolumen bezogen,
also die Formel geschrieben werden
p (v –
x)k = p0 (v0 – x)k . . . .
14)
Führt man die Formel 14) und die Formel
p (v –
x) =p0 (v0
– x) (1 + α)T oder p (v – x) = RbT
in den ersten Hauptsatz
d Q = c
v
dT + Apdv = c
p
dT
ein und berücksichtigt zugleich, dass nach Mallard und Lechatelier
cp= ap + b1T, cv
= av + b1T
ist, so ergeben sich für die wichtigsten Arbeitsprozesse verhältnismässig einfache Endformeln, welche in einer besonderen
Arbeit eingehender behandelt werden sollen.