Titel: | Ueber Getreidemüllerei. |
Autor: | Philipp Tafel |
Fundstelle: | Band 315, Jahrgang 1900, S. 512 |
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Ueber Getreidemüllerei.
Von Philipp Tafel.
Ueber Getreidemüllerei.
Allgemeines.
Wenn der Verfasser dieser Abhandlung sich vorgenommen hat, die ganze Getreidemüllerei, sei es auch nur in allgemeinen Umrissen
in dieser Zeitschrift nach und nach in periodisch erscheinenden Einzelartikeln zu behandeln, so wird dies in der Weise geschehen,
dass die allgemein gebräuchlichen Mahlmaschinen und deren Details u.s.w. als bekannt vorausgesetzt und daher auch nicht mehr
beschrieben und erklärt werden. Ebenso will ichmich enthalten, die geschichtliche Entwickelung der Mehlbereitung von ihren primitivsten Uranfängen an vorzuführen, wie auch
auf die Anatomie des Getreidekornes oder die Beschreibung der verschiedenen Getreidearten selbst näher einzugehen. Ich werde
diese Dinge nur dann streifen, wenn ich bei meinen Abhandlungen auf landläufige Ansichten stossen sollte, die mit den meinigen
in Widerspruch stehen oder mir nicht stichhaltig erscheinen.
Die Aufgabe der Getreidemüllerei zum Zwecke der Mehlbereitung lässt sich in dem Bestreben zusammenfassen, einen möglichst hohen Prozentsatz hellen, also kleienfreien Mehles von grösstmöglicher Backfähigkeit aus einem gegebenen Quantum
Getreide zu erzeugen mit geringstem Aufwand an Betriebskraft und kleinsten sonstigen Unkosten.
Betrachtet man die Verunreinigungen des Getreides und die Kleie als Abgang oder doch als Nebenprodukt, so würde sich logisch
der Satz ergeben: Mehl ist Getreide minus Unreinigkeiten und Kleie.
Dieser Satz kann aber aus verschiedenen Gründen in seiner vollen Tragweite nicht aufrecht erhalten werden, denn es ist nicht
möglich, das Getreide ohne Teile des Mehlkörpers mit in die Abfälle zu reissen oder es zu verletzen, vor dem Vermählen absolut
rein zu bekommen. Es ist auch bis heute ein Ding der Unmöglichkeit, den Mehlkörper auf mechanischem Wege so von der Schale
zu trennen, dass von ersterem gar nichts mehr an der Kleie anhaften bleibt, ohne dabei Schalenteile zu Staub zu zerkleinern,
der, einmal in das Mehl gelangt, nicht mehr aus demselben herausgebracht werden kann.
Als Ziel rationeller Müllerei ist daher ins Auge zu fassen, den eigentlichen Mehlkörper in möglichst kleienfreies Mehl zu verwandeln.
Auf die früher verbreitete Anschauung, dass kleienhaltige Mehle nahrhafter seien als kleienfreie, gehe ich nicht weiter ein,
da dieselbe sich längst als nicht stichhaltig erwiesen hat, wenn auch heute noch hin und wieder ein sogen. Gesundheitsapostel
aus Ueberzeugung oder aus selbstsüchtigen Gründen das Gegenteil predigt.
Abgesehen davon, dass wissenschaftlich schon längst dargethan ist, dass kleienfreie Mehle die nahrhaftesten und verdaulichsten
für den Menschen sind, zeigt schon die Statistik, dass gerade in industriellen Distrikten, wo nahrungsbedürftige Arbeiter
das Gros der Bevölkerung bilden, der Verbrauch und die Nachfrage nach hochfeinen kleienfreien Mehlen ein weit stärkerer ist,
als nach geringeren Mehlsorten, und dass umgekehrt die Städte, die einen geringeren Prozentsatz Arbeiter haben, im Verbrauche
von feinen Mehlen verhältnismässig weit hinter den Arbeiterdistrikten zurückstehen. Diese Erscheinung ist nicht etwa auf zunehmenden
Luxus der nahrungsbedürftigen Bevölkerungsschichten, wie vielleicht geschlossen werden könnte, sondern auf das, man möchte
fast sagen instinktive, Erkennen dieser Schichten zurückzuführen, dass feine Mehle die nahrhaftesten sind, und dass es viel
rationeller ist, im reinen Mehle mehr Nahrung, aber weniger Ballast zu sich zu nehmen, und unsere Haustiere die in den Kleien enthaltenen Eiweissstoffe verdauen zu lassen. Die Mägen
dieser Tiere sind auch zur Verdauung der Kleie eingerichtet, während dieselbe im Mehle in grösserer Menge enthalten auf die
Dauer für den Menschen nachteilig wirken muss, und wir fahren auch wirtschaftlich besser, wenn wir, anstatt unsere Verdauungsorgane
mit Kleie zu beschweren, uns das Fleisch der kleienfressenden Schlachttiere zu Nutzen machen.
Bei allen meinen folgenden Ausführungen setze ich als Vermahlungsprodukt, wenn nicht gegenteilig bemerkt, Weizen voraus.
Im allgemeinen bildet das spezifische Gewicht den Massstab für die Qualität des Weizens, d.h. je grösser das spezifische Gewicht,
desto besser der Weizen.
Wie bekannt, bildet der Kleber im Weizen eines der wichtigsten Bestandteile. Bis vor noch nicht langer Zeit war man allgemein
der Ansicht, dass dieser Kleber in einer geschlossenen dünnen Schicht ziemlich dicht unter der Schale um den ganzen Mehlkörper
herum liege. Neuere Forschungen und Untersuchungen haben bewiesen, dass diese Anschauung unrichtig war, und dass der Kleber
beinahe gleichmässig im ganzen Korn verteilt ist.
Je nach den Provenienzen scheiden sich die Weizen in zwei Hauptgruppen, nämlich harte und weiche Weizen. Harte Weizen haben höheres spezifisches Gewicht als weiche. Die härtesten Weizen sind durchaus die besten zur Mehlfabrikation
mit Ausnahme derjenigen kleberarmen Sorten, die zur sogen. Hartgriessfabrikation ausschliesslich verwendet werden.
Es gibt nun eine grosse Anzahl Zwischensorten, die sich mehr oder weniger der einen oder anderen Gruppenähern. Die zwei Hauptmahlmethoden, Hochmüllerei und Flachmüllerei, haben sich ursprünglich auch diesen Hauptweizenklassen angepasst, während die Halbhochmüllerei und solche Methoden der Vermahlung, die dieser näher kommen, für Zwischensorten des Weizens hauptsächlich angewendet werden.
Die Hochmüllerei sucht aus dem Weizen nicht direkt Mehl zu erzeugen, sondern Griesse, und aus diesen Griessen, nachdem sie
geputzt wurden, erst durch allmähliche Reduktion nach und nach Mehl zu gewinnen. Je weniger beim Schroten des Getreides und
beim Auflösen der Griesse Mehl erzeugt wird, desto vollkommener ist die Hochmüllerei.
Die Flachmüllerei dagegen sucht auf einmal möglichst viel weisses kleienfreies Mehl aus dem Getreide heraus zu holen und in
kürzestem Verfahren die Kleie vom Mehle oder Mehlkörper zu trennen.
Roggen vermahlt man fast ausschliesslich auf dem Wege der Flachmüllerei, und um an einem kleinen Beispiel zu zeigen, wie gross
der Unterschied zwischen Hoch- und Flachmüllerei ist, sei nur erwähnt, dass es gar nichts aussergewöhnliches ist, wenn bei
Roggen auf den ersten Schrot 30 % Mehl erzeugt werden, während bei reiner Hochmüllerei auf Weizen durchschnittlich kaum viel
mehr als der 30. Teil dieses Prozentsatzes an Mehl auf einen Schrot erzeugt werden darf.
In Norddeutschland wurde früher durchgängig flacher gemahlen wie heute. Man ist eben dorten auch stetig der Erkenntnis näher
gerückt, dass die nach dem Hochmahlsystem erzeugten Mehle besser sind. Diese Erkenntnis wurde wesentlich gefördert dadurch,
dass hochgemahlene Mehle eingeführt wurden, an denen das Publikum Geschmack fand.
Das Mehl nach heutigen Ansprüchen muss fast ausnahmslos aus verschiedenen Weizensorten hergestellt werden, indem man entweder die verschiedenen Weizensorten gleich vermischt zusammen vermahlt oder
die Einzelsorten des Weizens getrennt verarbeitet und zuletzt die erzeugten Mehle intensiv vermischt. Da die verschiedenen
Weizensorten auch durch Behandlung vor der Vermahlung in der Härte des inneren Kernes nicht gleichartig gemacht werden können
oder sich doch beim Vermählen nicht gleich verhalten, erscheint es auf den ersten Blick rationeller, die Mehle nach dem Vermählen
zu mischen, die Weizensorten also getrennt zu vermählen.
Da aber in automatischen Mühlen die Mehle zu den verschiedenen Sorten nach Belieben gleich fertig vermischt direkt gezogen
werden und das Mischen überhaupt bei grossen Betrieben viel zu umständlich und zeitraubend wäre und ungewöhnlich grosse Räume
hierzu erforderlich wären, ist es in der Praxis allgemein üblich, die verschiedenen Weizensorten vermischt zu vermählen.
Man scheidet wohl die Weizen vor der Vermahlung, aber zu einem ganz anderen Zweck, wie wir später sehen werden, nur der Grösse
der Körnung nach vor dem ersten Schrot auseinander.
Nur bei der Vorbereitung des Weizens zur Vermahlung und besonders bei der Getreidereinigung behandelt man harte Weizen und
weiche Weizen rationell separat, um sie aber direkt vor dem ersten Schrotprozesse wieder genau in nach Erfahrung bestimmten
perzentuellen Verhältnissen zu mischen. In richtiger Zusammenstellung und Mischung der verschiedenen Weizensorten und Beurteilung
ihrer individuellen Eigenschaften ist einer der wichtigsten Faktoren zur Erzeugung marktfähigen und guten Mehles und der Rentabilität
einer Mühle zu suchen. Hierzu gehören grosse Erfahrungen und Sachkenntnis.
Um harten Weizen und weichen Weizen für gemeinschaftliche Vermahlung gleichartiger zu machen, gibt es zwei Wege: Entweder
man netzt oder wäscht den Hartweizen oder man trocknet künstlich den weichen Weizen. Das erstere Verfahren ist das übliche,
da es sich bei harter Ware meist auch darum handelt, durch Anfeuchten der Oberfläche der Körner die Schale (Kleie) etwas zäher
zu machen, so dass sie beim Schroten nicht zu leicht zusammenbricht und pulverisiert in das Mehl gelangt (sogen. Füchse).
Ausserdem entfernt man durch Waschen auch am Weizenkorn anhaftende und dem Weizen beigemengte Verunreinigungen, die auf andere Weise nicht zu seitigen sind.
Die beiden Hauptarten der Mehlfabrikation, Hochmüllerei und Flachmüllerei, teilen sich, wie früher bemerkt, wieder in verschiedene
Unterabteilungen, und es ist bezüglich Wahl der Mahlmethoden nicht allein der zu Gebote stehende Weizen ausschlaggebend, sondern
es kommt auch in hohem Grade der Geschmack des konsumierenden Publikums wie die Verarbeitungsmethoden der Bäcker in Frage.
Aenderungen im Geschmacke des Publikums pflegen sich nur sehr langsam zu vollziehen.
Es ist auffallend, dass häufig gerade der Bäcker seinen eigenen Vorteil verkennt und Mehle vorzieht, die ihm beim Verarbeiten
(Kneten) wohl weniger Arbeit machen, die aber in fertigem Gebäcke lange nicht so ausgiebig sind wie kleberhaltige, griffige
Mehle, die aber mehr Bearbeitung verlangen.
Es ist auch bekannt, dass der Bäcker meist nicht in der Lage ist oder sein will, seine Verarbeitungsmethode den zu Gebote
stehenden Mehlen anzupassen, und bei jedem Missraten seines Fabrikats die Schuld in erster Linie dem Müller zuschiebt.
In Deutschland wird, was wohl kaum noch zu bezweifeln ist, durchschnittlich nicht so viel Getreide produziert, um dessen Bevölkerung
ausreichend mit Mehl versorgen zu können. Wenn auch einzelne Ernten hierzu ausreichen, so wird doch die Durchschnittsproduktion
an Körnerfrüchten, die auch nicht in gleichem Verhältnisse wie die Bevölkerung wachsen kann, nicht genügen, um auf die Dauer
der stets wachsenden Nachfrage zu genügen. Wir sind in Deutschland aus diesem Grunde schon auf Bezug fremder Weizen angewiesen,
welcher bei schlechten inländischen Ernten eine beträchtliche Höhe erreicht.
In solchen Jahren sind dann die Binnenmühlen gegenüber den Mühlen, die an den Seehäfen und Wasserstrassen liegen, bedeutend
im Nachteil, weil ihnen bei Bezug ausländischen Getreides viel höhere Frachtspesen erwachsen. Dass sich daher die Binnenmühlen
in ihrer Existenz bedroht fühlen, dürfte leicht erklärlich sein.
Merkwürdigerweise sind auch dazu noch die Bahnfrachtsätze für Getreide und Mehl, also Rohstoff und Fabrikat, die gleichen,
so dass es den Mühlen mit Schiffsfracht für den bezogenen Weizen leicht ist, gegenüber den Mühlen des Binnenlandes mit ihrem
Fabrikate zu konkurrieren. Die Binnenmüller haben nämlich die Verunreinigungen des fremden Weizens und die Kleie mit zu verfrachten
und müssen häufig die Kleie, etwa
25 %, und Futterartikel an den Ausgangspunkt des Weizens, d. i. an die Wasserstrassen (z.B. an den Rhein), wieder
zurückschicken, wo die Nachfrage nach Futterstoffen gewöhnlich grösser ist.
Es sind daher die Klagen der Binnenmüller begreiflich und man hat den meines Wissens noch nicht vorgekommenen merkwürdigen
Fall, dass von Seite einer Anzahl Fabrikanten
(Müller) eine Erhöhung der Frachtsätze für ihr Fabrikat (Mehl) angestrebt wurde, während andere sich damit begnügen,
eine Ermässigung der Bahnfrachtsätze für Weizen anzustreben. Es ist nicht recht begreiflich, wie sich unsere Getreideproduzenten
in Deutschland, d. i. unsere Landwirte, die sich so eifrig bei jeder Gelegenheit um Eisenbahnverbindungen bewerben, die ihnen
doch unfraglich auch die Konkurrenz mit ihren Produkten erleichtern, gegen die Errichtung billiger Verkehrsmittel, wie Kanäle und Wasserstrassen, sträuben können. Ohne mich auf wirtschaftspolitische Erörterungen einzulassen,
scheint mir dieser Standpunkt ein sehr kurzsichtiger zu sein.
Aus oben Gesagtem geht hervor, dass in Wirklichkeit die Existenz der Binnenmühlen und besonders der kleinen und mittleren
Betriebe durch die grossen an den Wasserstrassen gelegenen Mühlen, denen ausser den Frachtersparnissen noch viele andere Vorteile,
von welchen ich nicht behaupten möchte, dass sie alle berechtigt sind, zu Gebote stehen, unfraglich schwer bedroht ist. Es
wird die Zeit erst lehren müssen, ob die vorgeschlagenen und gesetzlich erreichbaren Mittel zur Abstellung der Missverhältnisse
geeignet sind, den Binnenmüllern und Kleinmüllern für die Dauer zu helfen. Leider steht zu befürchten, dass der mitungleichen Waffen gegenseitig geführte Kampf sich schliesslich doch zu Gunsten des Grossbetriebes entscheidet.
Thatsache ist, dass heute, um in der Müllerei noch erfolgreich konkurrieren zu können, vor allem grosses Kapital, grosse kaufmännische Routine, billige Verkehrswege und ein mit allem Raffinement ausgestatteter und geleiteter
Betrieb mit möglichster Ersparnis an Handarbeit unbedingt erforderlich ist.
Uns in Deutschland gegen die Einfuhr ausländischer Mehle zu schützen, ist Aufgabe der Zollpolitik. Vergessen darf man dabei
nicht, dass Länder, die einen grossen Ueberschuss an Getreide produzieren, wie Amerika, die La Plata-Staaten, Ungarn und zu
Zeiten Rumänien, Russland u.s.w., ohnehin uns gegenüber im Vorteile sind. Dazu kommt noch, wie früher angedeutet, dass aus
unseren Weizenqualitäten, für sich allein vermählen, ein Mehl nach heutigen Ansprüchen des Publikums nicht hergestellt werden kann, was die Gefahr des Mehlimports bei guten ausländischen und schlechten inländischen Ernten erhöht.
Die leidige gegenseitige Konkurrenz hat auch bei der Mehlfabrikation einen weiteren Missstand geschaffen, d. i. die grosse
Anzahl der produzierten Mehlsorten. Es ist begreiflich, dass mit so vielen Abstufungen in den Mehlqualitäten der Betrieb kompliziert und erschwert wird, während
es auf der anderen Seite bekannt ist, dass der Laie oder das konsumierende Publikum die verschwindenden Unterschiede der einzelnen
Mehlnummern meist gar nicht mehr erkennen kann.
Die sogen. Lohnmüllerei wird sich wohl auf die Dauer überhaupt nicht halten können, denn der Bauer wird nach und nach immer
mehr zur Erkenntnis kommen, dass er viel besser fährt, wenn er sein Getreide an den Müller verkauft und von diesem Mehl bezieht.
Es ist mir nicht recht begreiflich, warum auch der Staat noch in eigener Regie mahlt und glaubt, dass er damit billiger wegkommt
oder eher in der Lage sei, unter allen Umständet für Proviant gesorgt zu haben. Vor mehreren Jahrzehnten war die sogen. Kommismüllerei
vielleicht noch am Platze, doch ist heute die Mehlfabrikation so bedeutend, die Konkurrenz in derselben eine so scharfe, dass
sicher die Militärverwaltung in Friedenszeiten billigere und bessere Mehle von den Handelsmühlen bekommen kann, als sie sich
solche selbst zu erstellen in der Lage ist. In Kriegszeiten sind ohnehin die Proviantmühlen, abgesehen davon, dass es fraglich
sein wird, ob sie den nötigen Bestand an Getreide vorrätig haben, wohl nicht in der Lage, den Mehlbedarf für das Heer zu decken.
Bei einem überseeischen Kriege, bei welchem der Proviant nicht Zug um Zug nachgeschickt werden kann, ist die Frage natürlich
eine andere. Mir erscheint das in der Schweiz übliche Verfahren, dass man in Friedenszeiten die Brotlieferung für das Militär
an Bäcker vergibt und nur im Manöver das Mehl von den Mühlen bezieht und es in Feldbacköfen selbst backt, viel rationeller.
Die Schweiz hat dagegen für alle Fälle einen eisernen Bestand von
200000 Zentner Weizen konstant auf Lager. Ich halte auch die Art, wie das deutsche sogen. Kommisbrot stark mit Kleie
vermischt hergestellt wird, für nicht rationell, denn, wie oben erwähnt, schleppt der Soldat unnötigerweise einen Ballast
nicht verdaulicher Kleie in seinem Magen mit sich, die keinen Nährwert hat und nur seine Beweglichkeit beeinträchtigt. Das
Brot des Schweizer Militärs ist weisser und besser als das des unserigen.
Die Müllerei ist in den auch in anderen Zweigen schon früher zu Tage getretenen Umschwung vom Handwerk oder Gewerbe zur Industrie
eingetreten, und die Zeit wird wohl nicht ausbleiben, wo eine Kundenmühle ebenso wenig neben einer grossen rationell eingerichteten
und geleiteten Mühle bestehen kann, wie heutzutage ein Handweber gegen eine mechanische Weberei oder ein Spinnrad gegen eine
moderne Spinnerei anzukämpfen im stände ist.
Wie an anderer Stelle schon erwähnt, bin ich der festen Ueberzeugung, dass die automatische Müllerei die Müllerei der Zukunft
wird, und dass alles Sträuben dagegen nichts hilft. Die Begründung der vielfach vorhandenen Aversion gegen den automatischen
Betrieb damit, dass man doch nicht die guten Mehle erzeugen könne wie früher mit der Postenmüllerei, ist absolut hinfällig,
und wenn mancher Müller der alten Schule meint, sein Mehl sei doch immer das beste, so gibt er sich meistens einer Selbsttäuschung
hin und übersieht die Hauptfrage, nämlich wie viel Prozent Mehl er aus einem gegebenen Quantum Weizen gegenüber einer automatischen
Mühle zieht, und wie viel Spesen er darauf hat, denn dies ist doch die Hauptsache, da hieraus der Nutzen und Verdienst, um
den man arbeitet, resultiert.
Nach diesen allgemeinen Betrachtungen will ich zu meinem eigentlichen Thema übergehen und möchte nur noch bemerken, dass ein
grosser Teil des Publikums keine Ahnung hat von der Grösse und Bedeutung der Mehlindustrie. Hierüber nur ein kleines Beispiel:
Eine Mühle von 3000 Sack = 6000 Zentner à 50 kg Leistung pro 24 Stunden gehört noch nicht zu den grössten Anlagen und doch
ergibt sich für diese schon, den Sack durchschnittlich zu 20 M. gerechnet, ein täglicher Umsatz von 60000 M.
Die Weizenmüllerei lässt sich in folgende acht Unterabteilungen scheiden: 1. Lagerung und Transport des Getreides, 2. Getreideputzerei, 3. Schroterei, 4. Sichterei, 5. Griessputzerei, 6. Auflösen der Griesse, 7. Dunstausmahlen, 8. Mehlmischerei und Packerei.
Jede dieser Unterabteilungen gibt allein schon Stoff genug zu einem ganzen Studium und die Zeit wird kommen, wo sich der Mühlenbauer,
wenn er wirklich Vollkommenes leisten will, als Spezialist einer dieser Unterabteilungen seine ganze Thätigkeit widmet. Auch
hierin ist uns Amerika seit langer Zeit voraus, und wenn die amerikanischen Ausführungen der Maschinen nach unseren Begriffen
solider wären, würden wir die Konkurrenz von dorten im Mühlenbau empfindlich zu spüren bekommen.
Beim Bau von Mühlenanlagen ist die Würdigung der lokalen Verhältnisse u.a., und besonders die Art und der Preis des zur Verfügung
stehenden Weizens, die Lage des Absatzgebietes und die Transportverhältnisse für Rohmaterial, sowie von Mehl und Futterstoffen
und der Geschmack des konsumierenden Publikums im Absatzgebiete, wie schonbemerkt, von grösster Wichtigkeit. Die Kunst des Mühlenbaues besteht
deshalb nicht zum geringsten Teile darin, diese Verhältnisse entsprechend zu würdigen.
Gegen Ende der 70er Jahre schon hat der in weiten Kreisen bekannte Ingenieur für Mühlenbau Oskar Oexle in Augsburg, der die Amerikaner mit der Walzenmüllerei bekannt machte, versucht, die automatische Müllerei in Deutschland
einzuführen, fand aber merkwürdigerweise, trotzdem er damals schon der Sache durchaus gewachsen war, noch keinen Anklang,
und erst ungefähr 10 Jahre später durch die Verhältnisse gezwungen und teilweise infolge geschickter Reklame aus dem Auslande
gekommener Mühlenbauer fing man allmählich an, der automatischen Müllerei Beachtung zu schenken. Es ist überhaupt charakteristisch
für die Müllerei Deutschlands, dass mit wenigen Ausnahmen epochemachende Aenderungen und Verbesserungen im Betriebe weniger
wie in anderen Industrien und in anderen Ländern aus dem Betriebe selbst herausgewachsen sind und von den Müllern selbst angeregt
wurden, sondern meist von Mühlenbautechnikern herrühren. Es mag dies wohl daher kommen, dass die Müllerei Jahrhunderte lang
als Handwerk betrieben wurde, und der Umschwung vom Handwerk zur Industrie zu unvermittelt erfolgte. Es ist daher auch in
keiner anderen Industrie so wie in der Müllerei üblich, dass an die Fabriken, die die Mühlenanlage erstellen, so weitumfassende
Ansprüche gestellt werden. Hier soll der Maschinenfabrikant für jede einzelne Maschine, für das richtige Funktionieren der
ganzen Anlage und ausserdem noch für Mehlausbeute und quantitative Leistung garantieren. Ausserdem soll der Mühlenbauer die
Mühle einmahlen und womöglich auch noch die Weizenmischungen u. dgl. angeben und selbst mahlen, das Mühlenpersonal anlernen.
Es beweist dies, dass die Müller grossenteils dem Ideengang beim Vermahlungsprozess nicht ganz gefolgt sind und sich meist
in Details vergraben haben.
(Fortsetzung folgt.)