Titel: | Zur Frage elektrischer Fernbahnen. |
Autor: | Ernst Zander |
Fundstelle: | Band 315, Jahrgang 1900, S. 685 |
Download: | XML |
Zur Frage elektrischer Fernbahnen.
Von Zivilingenieur Ernst Zander.
(Schluss von S. 666 d. Bd.)
Zur Frage elektrischer Fernbahnen.
B. Technische Fragen.
Die technischen Schwierigkeiten, welche vor der Einführung des elektrischen Betriebes in die grosse Praxis zu lösen sind,
lassen sich in drei Gruppen einteilen:
I. Schwierigkeiten der Betriebsordnung und Betriebssicherung (Zugdeckung, Signalwesen u.s.w.).
II. Schwierigkeiten des Einbaues der motorischen Kraft in den Zug.
III. Schwierigkeiten der Energie Zuführung zum fahrenden Zug.
Zwar wird auch die Einrichtung der Kraftstationen in Anbetracht der stossweisen Energieentnahme beim Anfahren einige Besonderheiten
enthalten müssen, doch kann hierdurch angesichts der sonstigen hervorragenden Leistungen der letzten Zeit im Bau grosser Kraftstationen
eine ernsthafte Schwierigkeit nicht entstehen. Bezüglich der Geleise kann ferner auf die vorhergegangenen Erörterungen verwiesen
werden.
I. Schwierigkeiten der Betriebsordnung und Betriebssicherung.
Es wurde schon oben die Forderung aufgestellt, dass ein für die allgemeine Einführung elektrischer Zugkraft geeignetes System
einen allmählichen Uebergang von Dampf zum elektrischen Betrieb, mit anderen Worten, einen gemischten Betrieb auch auf ein
und derselben Linie zulassen müsse.
Die Wagen der elektrischen Züge müssen sich in Dampfzüge, die Wagen der Dampfzüge in elektrische Züge einreihen lassen, ohne
mehr Schwierigkeiten zu verursachen, als jetzt beim Umsetzen von Dampfzug zu Dampfzug entstehen.
Vorhandene Drehscheiben, Schiebebühnen u.s.w. müssen auch weiter, und zwar für beide Betriebsarten, benutzt werden können,
vor allen Dingen aber natürlich die Bahnhöfe, Weichenanlagen u.s.w. Durchlaufende Wagen müssen sich unter allen Umständen
auch ferner beibehalten lassen.
Diese Forderungen weisen jeden Versuch, anormale Geleise- oder Wagenkonstruktionen oder extreme Geschwindigkeiten (siehe Anfang)
bei Einführung elektrischen Vollbahnbetriebes zu verwenden, zurück. Es soll keineswegs damit bestritten werden, dass für die
erhöhten Geschwindigkeiten und die veränderte Triebkraft vielleicht an sich zweckmässigere Konstruktionen geschaffen werden
könnten, durchführbar würden sie aber nur auf Bahnlinien sein, die eine in sich geschlossene Verkehrslinie bilden und sich
vom übrigen Bahnnetz völlig abtrennen könnten. Es muss aber durchaus bezweifelt werden, ob es selbst bei Annahme eines noch
höheren als des weiter vorn errechneten Verkehrs möglich ist, auf solchen Bahnen, wenn sie eine Rente abwerfen sollen, annehmbare
Fahrpreise zu stellen.
Verlassen wir einen Augenblick den Boden des Erreichbaren und betrachten wir die Hoffnungen und Vorstellungen derer, die die
extremen Geschwindigkeiten auf extremen Bahnkörpern mit extremen Mitteln erreichen wollen, etwas kritisch.
Geschwindigkeiten von 180 bis 200 km pro Stunde lassen sich selbstverständlich auf den heutigen Bahnkörpern mit den heutigen
Wagen im normalen Betriebe nicht durchführen. Bleibt man bei dem zweischienigen Geleise, so müsste die Spur erheblich verbreitert
werden, wahrscheinlich müsste auch noch der Schwerpunkt der Fahrzeuge erheblich tiefer gelegt werden. Ob ein um einige Millimeter
nachgebender Schienenstoss dann noch zulässig ist, bleibt zweifelhaft, nicht minder, ob sich mit den erheblich vergrösserten
Radien in dicht bevölkerten Gegenden – denn nur um solche könnte es sich handeln – überhaupt noch eine den Punkten starken
Verkehrs sich anschmiegende Trace einhalten lässt.
Nicht unwahrscheinlich ist, dass sich für diese Geschwindigkeiten überhaupt nur eine einschienige Bahn verwendenlässt, sei sie nun nach Bauart Behr, Bauart Langen oder nach anderen, praktisch nicht erprobten Vorschlägen.
Soviel ist jedenfalls sicher, dass die Anlage- und Betriebskosten dieser Bahn mindestens proportional der Geschwindigkeit
bei sonst gleicher Antriebsart wachsen werden, wahrscheinlich aber noch erheblich schneller.
Gestatten wir uns daraufhin noch einen kleinen finanziellen Ueberschlag. Nimmt man an Anlage- und Betriebskosten das Doppelte
an, als bei der vorn näher betrachteten elektrischen Bahn mit 100 bis 120 km pro Stunde Geschwindigkeit, so ergeben sich Ausgaben
von rund 34000 M. bei 500000 M. Anlagekosten pro Kilometer. Rechnet man hierfür wieder 5 % Zinsen, so müsste die Bahn 59000
M. Einnahmen pro Kilometer Betriebslänge einbringen. Sollen, entgegen den sehr ermässigten Fahrpreisen bei dem vorderen elektrischen
Projekt, die jetzigen Fahrpreise II. Klasse beibehalten werden und rechnet man der Einfachheit halber nur mit Rückfahrkarten,
so müssten jährlich 1310000 (pro Personenkilometer 4,5 Pf.) oder täglich rund 3600 zahlende Fahrgäste über jeden Kilometer
befördert werden. Das entspricht bei wieder vier Personenwagen pro Tag und 43 Plätzen pro Wagen, sowie durchschnittlich halber
Besetzung der Plätze rund 15250 Zügen pro Kilometer Betriebslänge und pro Jahr oder rund 42 Zügen pro Tag. Es ergäbe sich
danach für jede Richtung eine Zugfolge mit Zwischenräumen von 40 bis 50 Minuten.
Derartig hohe Geschwindigkeiten hätten nun nur Wert für sehr lange Reisestrecken. Je länger die Strecke, desto kleiner wird
naturgemäss die Zahl der Reisenden, die sie ganz durchfahren; der über kürzere Strecken reisende Fahrgast hat aber praktisch
kein Interesse an solchen Geschwindigkeiten, die er nur gegen ausserordentlich erhöhte Fahrpreise würde ausnutzen können.
Für einen Reiseweg von 300 km wäre die Zeitersparnis bei 170 km mittlerer Stundengeschwindigkeit gegen eine solche von 100
km 74 Minuten; für eine Reise von Berlin nach Köln würde man statt 5,8 Stunden bei 100 km pro Stunde 3,4 Stunden bei 170 km
pro Stunde gebrauchen.
Es ist unnütz, hieraus weitere Einzelschlüsse gegen die wirtschaftliche Möglichkeit der extremen Geschwindigkeiten zu ziehen;
diese fallen für heutige Verhältnisse bei näherer Betrachtung in sich selbst zusammen. Für eine ferne Zukunft wollen wir uns
jedoch als Techniker nicht den Kopf zerbrechen, die Gegenwart stellt genug Aufgaben, und Zukunftsphantasien spinnt Jules Verne besser und billiger.
Es sei deshalb hier auch weiter gar nicht auf die Schwierigkeiten der Zugdeckung, Signalgebung u. dgl. bei so hohen Geschwindigkeiten
eingegangen. Heute würde es nicht möglich sein, bei unsichtigem Wetter einen mit 55 m pro Sekunde vorbeisausenden Menschen
zuverlässig Signale zu geben. Auch auf die bisher noch unbekannten, psychologischen Einflüsse derartiger Geschwindigkeiten
auf das Führerpersonal sei nur kurz hingewiesen.
Bewegt man sich bei allen diesen wirtschaftlichen und geschäftlichen Spekulationen bezüglich jener extremen Verhältnisse völlig
ohne Erfahrung, so ist dies nicht mehr der Fall bei Geschwindigkeiten von 100 bis 120 km pro Stunde. In Frankreich gibt es
auf den Linien der Nordbahngesellschaft bereits fahrplanmässige Geschwindigkeiten von über 100 km mit einem verhältnismässig
sehr leichten Wagenmaterial; in den Vereinigten Staaten werden auf gewissen Linien 100 km pro Stunde gleichfalls überschritten.
Das Verhalten des rollenden Materials sowie der Geleise ist bekannt und es kann daher mit Sicherheit angenommen werden, dass
bei der erheblich günstigeren Bewegungsart im Falle elektrischen Antriebs Geleise und Wagen keine neuen prinzipiellen Schwierigkeiten verursachen werden.
Die Signalgebung und Zugdeckung geschieht bei diesen Geschwindigkeiten bereits zufriedenstellend. Eine gewisse Erhöhung der
Gefahren im Betriebe wird herbeigeführt durch die schnellere Aufeinanderfolge der Züge mit hohen Geschwindigkeiten, durch
die allerdings erhebliche Erhöhung der Durchschnittsgeschwindigkeit aller verkehrenden Personenzüge. Diese Schwierigkeit wird
aber mehr als behoben durch die Thatsache, dass die elektrischen Züge von einer Zentralstelle aus mit Kraft versehen werden
und so viel leichter durch Beeinflussung der die elektrische Energie zuführenden Leitungen in ihrer Verteilung über die ganze
Bahnlinie überwacht und reguliert werden können. Bei einer eingehenderen technischen Behandlung dieser Zugdeckung und Linienblockierung
durch Beeinflussung der elektrischen Leitungen ergeben sich eine Reihe verschiedener Möglichkeiten, deren Behandlung hier
vorläufig noch nicht angezeigt erscheint.
Eine weitere wichtige Frage ist die, wie weit die einzelnen Züge unterteilt werden sollen (ob eventuell bis zum Einzelwagensystem
herab). Es besticht auf den ersten Augenblick, sich den Fernverkehr nach Art des Strassenbahnverkehrs vorzustellen, und es
sind nicht nur jene Zweihundertkilometerphantasten, die eine derartige Betriebseinteilung vorgeschlagen haben. Zwei gewichtige
Gründe sprechen jedoch dagegen, erstens eine Rücksicht auf Energieersparnis, zweitens eine Rücksicht auf Betriebssicherheit
und Betriebsübersicht.
Die erstere Rücksicht gründet sich auf den Luftwiderstand. Es ist weit überwiegend die Frontfläche, welche den Luftwiderstand
hervorruft; die seitliche Luftreibung ist unbedeutend und die Stirnflächen der einzelnen Wagen können mehr als bisher so konstruiert
werden, dass sie nach aussen eine angenähert glatte Zugoberfläche bilden.
Die weiter vorn angegebene Zahl von 400 kg Luftwiderstand ist ungefähr das Mittel aus den verschiedenen Versuchen und setzt
eine schlank verlaufende Spitze am vorderen Ende des Motorwagens voraus. Der aus fünf Einzelwagen bestehende elektrische Zug,
wie er bisher den Rechnungen zu Grunde gelegt wurde, hat einen Widerstand von [(4 × 30) + (1 × 46)] × 7 + 400 = 1560 kg, die
einzel fahrenden Wagen würden, da jeder Wagen als Motorwagen ausgebildet werden müsste, ein Gewicht von je etwa 40 t erhalten
und jeder für sich einen Widerstand von
40 × 7 + 400 kg = 680 kg
zu überwinden haben; also zusammen 4 × 680 = 2720 kg gegen
1560 kg bei Zugform. Es würden demnach die gesamten Kosten für die Krafterzeugung, teilweise auch für die Fernleitung,
75 % mehr betragen.
Bei Trennung des Fünfwagenzuges in zwei Teile und Mitführung je eines leichteren Gepäckwagens ergäben sich [43 + 30 + 19]
× 7 + 400 = 1040 kg pro Zweiwagenzug, also zusammen 2080 kg oder immer noch 33 % mehr Kraftverbrauch als beim ungeteilten
Zuge. Hierzu kommt noch, dass eine grössere Anzahl kleiner Motoren mehr Unterhaltungskosten verursacht als eine geringere
Anzahl grosser Motoren, und dass ferner durch die vier- bezw. zweimal grössere Zahl der vorn spitz gebauten Wagen bei Unterteilung
des Fünfwagenzuges an nutzbarem Raum verloren geht. Würde man die Vorzüge des vorderen Motorwagens beim Fünfwagenzuge, der
als Gepäckwagen gedacht ist und beim Rangieren u.s.w., bei Uebernahme von durchlaufenden Wagen sehr wertvoll ist, in der vergleichenden
Rechnung entsprechend berücksichtigen, so würden die Unterschiede noch mehr zu Gunsten des längeren Zuges sprechen.
Auch die Rücksichtnahme auf Betriebssicherheit und Uebersicht spricht gegen eine unnötig vergrösserte Anzahl von Einzelzügen
auf der Strecke.
Eine stündliche Zugfolge gestattet noch Niveauübergänge, während Zugfolgen von 10 und 20 Minuten diese völlig ausschliessen
würden. Gerade in verkehrsreichen Gegenden dürfte aber eine derartige Forderung der Beseitigung von Niveauübergängen sehr
kostspielig werden.
Ausserdem würde bei den unvermeidlichen Verspätungen eine Zugfolge von 10 zu 10 Minuten ein Zugdeckungs- und Signalwesen erfordern,
das vorläufig wenigstens kaumdie Ansprüche erfüllen könnte, die aus Sicherheitsgründen gestellt werden müssen.
Bei stündlicher Zugfolge würden die Kraftstationen eine Strecke von etwa 50 km beherrschen müssen, um eine angenähert gleichmässige
Belastung zu erfahren. Das lässt sich technisch heute schon vollkommen betriebssicher durchführen mit Spannungen, die erprobt
sind. Es dürfte sich wahrscheinlich durchführen lassen, die Einheitsstrecke von 160 km von einer Station aus zu betreiben.
Immerhin würden die Rücksichten auf die Belastung und Bemessung der Kraftstationen und Leitungen einer häufigeren Zugfolge
das Wort reden, und bei genügender Entwickelung des Verkehrs wird sich dann vielleicht auch eine Zugfolge von 20 bis 30 Minuten
auf verschiedenen Linien erreichen lassen, ohne gerade das Einzelwagensystem anzuwenden.
Es ist hier am Platze, eine Schwierigkeit der Betriebsordnung bei Einführung elektrischen Betriebes zu erwähnen, die von mancher
Seite geradezu als dauerndes Hindernis der Einführung betrachtet wird. Bekanntlich sind die Eisenbahnen eines der wichtigsten
Mittel der Landesverteidigung. Ihr Betrieb geht im Fall der Mobilmachung in die Hände der Militärbehörde über und diese muss
von der neuen Betriebsart verlangen, dass sie für den Transport der Truppen und Lebensmittel ebenso leistungsfähig und betriebssicher
ist, wie die gegenwärtige Beförderung mittels Dampf.
Die Umwandlung nur einiger verkehrsreicher Linien würde die Interessen der Militärverwaltung nicht sonderlich in Beunruhigung
versetzen, wenn, wie schon oben aus anderen Gründen gefordert, Geleise und Betriebsmittel nach den Normalien hergestellt sind
und auch für Dampfbetrieb benutzt werden können. Es könnte dann im schlimmsten Fall von der Militärbehörde verlangt werden,
eine Reihe von Dampflokomotiven für den Fall der Mobilmachung in Bereitschaft zu halten und diese von Zeit zu Zeit praktischen
Proben auf Brauchbarkeit im Kriegsfall zu unterziehen, wenn die elektrischen Kraftstationen, Leitungen und Motorwagen nicht
als betriebssicher angesehen werden sollten. Ein derartiger Einwand gegen die Betriebssicherheit könnte aber nur gegen die
Leitungen aufrecht erhalten werden, die verhältnismässig leicht zerstört werden können. Nun dürfte das bei dem Truppentransport
während der Mobilmachung, ausgenommen die Grenzbezirke, kaum zu erwarten sein, und selbst im Fall einer absichtlichen
oder zufälligen Leitungsstörung lassen sich bei entsprechender Einrichtung und Verteilung der Leitungsreparaturwagen über
die Strecke in wenigen Stunden umfassende Reparaturen vornehmen.
Im Fall einer feindlichen Invasion lassen sich natürlich in der Nähe des Feindes von einer zentralen Kraftanlage abhängige
Betriebsmittel nicht verwenden, für solche Fälle werden aber immer Dampflokomotiven zur Verfügung stehen.
Im wesentlichen hängen diese militärischen Einwände mit einem Gefühl der Unsicherheit hinsichtlich der elektrischen Leitungen,
besonders der Fahrdrähte zusammen. Die Interessen des allgemeinen Verkehrs werden jedoch mit Sicherheit dafür sorgen, dass
vor der Einführung elektrischen Betriebes auf Hauptbahnlinien die Leitungsanlagen auf Versuchsstrecken bewiesen haben, dass
sie betriebssicher sind und dass Methoden existieren, die vorkommende Störungen schnell und sicher zu beseitigen erlauben.
Ohne schon jetzt auf die Leitungsschwierigkeiten näher einzugehen, sei doch an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass für
Strassenbahnen die Oberleitung weitaus den regelmässigsten und sichersten Betrieb erlaubt und bei sorgfältiger Verlegung verhältnismässig
wenig Störungen verursacht. Allerdings waren sehr viele Erfahrungen nötig, ehe die heutige Betriebssicherheit der Strassenbahnoberleitungen
erreicht wurde.
II. Schwierigkeiten des Einbaues der motorischen Kraft in den Zug.
Der Anbau der elektrischen Motoren an die Antriebsachsen hat mit zwei schädlichen Einflüssen zu rechnen, den Stössen und der
hohen Umfangsgeschwindigkeit der rotierenden Motorteile.
Ein Teil der Techniker glaubt, die Wirkungen der Stösse auf die Motoren durch besondere federnde Aufhängungen abschwächen
zu müssen, ein anderer meint, diese Vorsichtsmassregeln entbehren und die rotierenden Motorteile direkt und starr auf die
Achsen setzen zu können.
Die Erfahrungen sind bisher natürlich noch keineswegs umfangreich genug, um schon jetzt nach der einen oder anderen Richtung
hin eine auch nur vorläufige Entscheidung treffen zu können.
Die französischen und amerikanischen Versuchsausführungen für Vollbahnen haben fast durchweg auch bei Motoren ohne Zahnradvorgelege
elastische Aufhängung der Motoren angewendet und in den Veröffentlichungen über diese Versuche ist die Notwendigkeit solcher
Tragevorrichtungen betont.
Die deutschen Vollbahnversuche und vollbahnähnlichen Anlagen, nämlich die elektrische Bahn Düsseldorf Krefeld, sowie die Wannseebahn-Versuche,
die gegenwärtig ausgeführt werden, meines Wissens auch bei Vollbahnmotoren die Firma
Schuckert, haben die unelastische Trageaufhängung vorgezogen.
Besonders nach den Erfahrungen, die mit den Heilmann-Lokomotiven auf den Linien der französischen Ostbahngesellschaft gewonnen
sind, scheint doch die elastische Aufhängung der Motoren mit Rücksicht auf ihre Lebensdauer durchaus wünschenswert zu sein.
Vergegenwärtigt man sich die gegen kurze schlagende Stösse empfindliche Konstruktion, besonders der Gleichstrommotoren, bedenkt
man ferner, dass das Gewicht eines Bahnmotors von 150 PS Dauerleistung 3000 bis 4000 kg beträgt, so muss man eine federnde
Aufhängung der Motoren sowohl in deren eigenem Interesse, als auch im Interesse der Geleiserhaltung, besonders an den Schienenstössen,
durchaus wünschen. Bei Schnellzuglokomotiven erreichen die Treibachsen ein ungefedertes Gewicht von etwa 3000 kg bei Raddurchmessern
von etwa 2000 mm; die Motorachsen bei den Wannseebahn-Versuchen erreichen meines Wissens das gleiche ungefederte Gewicht,
bei um mehr als die Hälfte kleineren Raddurchmessern. Da nun diese kleineren Räder bei jeder Unebenheit des Geleises erheblich
kürzere und heftigere Stösse erhalten als jene grossen Räder, so dürfte bei einem den praktischen Verhältnissen entsprechenden
Dauerbetrieb in kurzer Zeit der schädigende Einfluss der starren Befestigung zu Tage treten. Um besonders die schädlichen
Einflüsse auf die Motoren festzustellen, dürfte es sich empfehlen, bei Dauerversuchen mit elektrischen Lokomotivwagen die
eine Hälfte der Motoren fest, die andere elastisch aufzuhängen.
Besonders bemerkenswert ist, dass noch vor kurzer Zeit die zum Zweck elektrischer Vollbahnbauten geschlossene Vereinigung
Baldwin-Westinghouse ganz entschieden für Anwendung von Zahnradantrieben auch für Geschwindigkeiten von 70 bis 80 km pro Stunde eingetreten sei,
und zwar mit Gründen, die vom praktischen Standpunkt sehr beachtenswert sind. Bedenkt man, dass Elektromotoren bei Umfangsgeschwindigkeiten
von 20 bis 25 m pro Sekunde am günstigsten arbeiten, dass diese Umfangsgeschwindigkeiten aber aus konstruktiven Gründen höchstens
60
% der Zuggeschwindigkeit bei direktem Achsenantrieb betragen, so würdan Achsenmotoren erst bei der von uns früher
angenommenen Zuggeschwindigkeit von etwa 120 km pro Stunde jene günstigste Umfangsgeschwindigkeit erreichen. Besonders umständlich
ist im Fall von Reparaturen am Achsenmotor dessen Entfernung vom Wagengestell. Will man nicht die ganze Achse mit beiden Rädern
zur Reparatur mitsenden, so muss man ein Rad von der Achse herunterbringen, was eine für schnellaufende Vollbahntreibachsen
keineswegs erwünschte Konstruktion für die Befestigung der Räder auf der Achse ergibt.
Auf der anderen Seite hat sich in den letzten Jahren die Technik der Zahnradfabrikation in einer derartigen Weise entwickelt,
dass man, ohne sich einseitig für Zahnradbetrieb zu entscheiden, umfassende Versuche nach dieser Richtung bei Einrichtung
einer Vollbahnstrecke durchaus empfehlen kann. Die Unannehmlichkeiten der Zahnradantriebe bei unseren Strassenbahnen kommen
im wesentlichen von den infolge des oftmaligen Anfahrens übertrieben hohen spezifischen Drücken in den Berührungsliniender Zahnflanken, die das Oel, und infolgedessen auch das Material, in kurzer Zeit fortquetschen. Da eine derartige häufige
Ueberlastung der Räder beim Vollbahnbetrieb keineswegs eintritt, so dürften dort Zahnräder eine erheblich längere Lebensdauer
aufweisen als beim Strassenbahnbetrieb.
Bemerkt möge noch werden, dass sich die elastische Aufhängung der Motoren mit Zahnradvorgelege wesentlich einfacher gestaltet
als die der Achsenmotoren, deren Federung und Lagerkonstruktion bei der erforderlichen Hohlwelle für den rotierenden Teil
des Motors erhebliche Komplikationen bedingt.
Ohne hier auf die Wahl des Stromsystems näher einzugehen, sei doch kurz über das Für und Wider von Gleich- und Drehstrommotoren
zum Vollbahnbetrieb hingewiesen. Es gibt Techniker, die rund bestreiten, dass die Konstruktion von Gleichstrommotoren für
Bahn zwecke und Geschwindigkeiten von 100 bis 150 km
möglich sei. Besonders sind es Bedenken gegen die Haltbarkeit der Wickelung und des Kollektors, die geltend gemacht werden.
Man kann selbstverständlich, abgesehen von der letzten Heilmann-Lokomotive, die in normalem Schnellzugsdienst mehrere tausend
Kilometer durchlaufen hat, mit Geschwindigkeiten, die 100 km pro Stunde erreichten und überschritten, auf eine wirkliche praktische
Bewährung der Gleichstrommotoren für hohe Bahngeschwindigkeiten nicht hinweisen. Trotzdem lassen sich aus dem bisher auf dem
Gebiete des Gleichstromdynamo- und Motorenbaues Erreichten sehr wohl Schlüsse ziehen auf die Zulässigkeit elektrischer Gleichstrommotoren
für jene hohen Geschwindigkeiten. Es genügt eigentlich, auf die Leistungen der ersten brauchbaren grossen Dynamos hinzuweisen,
auf die der Siemens'schen Innenpolmaschinen, um auch die Möglichkeit von Gleichstromvollbahnmotoren für hohe Geschwindigkeiten genügend zu erklären.
Jene Dynamos erreichten nach mir vorliegenden alten Preislisten der Firma Siemens und Halske an dem äusseren Umfange des rotierenden Teiles Geschwindigkeiten von über 20 m per Sekunde und haben sich damit in jahrelangen
Betrieben brauchbar gezeigt. Dabei ist die Befestigung der Kupferstäbe auf dem Ankereisen, die bekanntlich bei den Innenpolmaschinen
häufig gleichzeitig Ankerwickelung und Kollektor bilden, mit heutigen Anker- und Kollektorkonstruktionen verglichen, eine
vom mechanischen Standpunkte aus sehr primitive. Vergegenwärtigt man sich dagegen die heutigen Leistungen im Bau grosser Gleichstromanker
mit hohen Umfangsgeschwindigkeiten, so ist eigentlich durchaus kein Grund einzusehen, weshalb, natürlich mit zweckmässigen
Abänderungen, Gleichstromvollbahnmotoren für hohe Geschwindigkeiten unmöglich sein sollten. Jedenfalls war der Weg vom stationären
Gleichstrommotor anfangs der 80 er Jahre bis zum Trambahngleichstrommotor von heute viel weiter, langwieriger, schwieriger,
als der von dem heutigen modernen grossen Gleichstrommotor für stationären Betrieb zu dem für Vollbahnbetrieb. Die Eigentümlichkeit
des Trambahnmotors ist die häufig wechselnde, stossweise Beanspruchung, wogegen sich der Vollbahnmotor weit mehr der Beanspruchung
eines zeitweiligen Ueberlastungen ausgesetzten stationären Motors nähert. Jedenfalls sind eine Reihe von in der letzten Zeit
in Betrieb genommenen grossen Gleichstrommotoren für Fördermaschinen hinsichtlich stossweiser Beanspruchung und zeitweiser
Ueberlastung ungünstiger daran als etwaige zukünftige Vollbahnmotoren.
Drehstrommotoren sind in ihrer Bauart mechanisch fester als Gleichstrommotoren. Dennoch stehen sie in einigen Punkten den
Gleichstrommotoren für Vollbahnzwecke nach. Zunächst muss wegen des geringen Abfalles der Tourenzahl von Drehstrommotoren
zwischen Leerlauf und voller Belastung auf eine peinlich genaue Gleichheit der Triebraddurchmesser gesehen werden. Unterschiede
in den Triebraddurchmessern von ¼ % können schon erhebliche Verschiebungen der Gesamtleistung der Lokomotive auf den oder
die Motoren mit grösseren Triebraddurchmessern zur Folge haben. Sodann – und das dürfte die Hauptschwierigkeit des Drehstromvollbahnmotors
bilden – kann der Luftwiderstand zwischen festem und beweglichem Teil des Motors nur sehr gering bemessen werden, wenn ein rationelles Arbeiten des Drehstrommotors verbürgt werden soll. Im allgemeinen dürften diese Luftzwischenräume innerhalb
der Grenze von 1 bis 2,0 mm schwanken. Hieraus ergibt sich die Notwendigkeit peinlich genauer Lagerkonstruktionen mit sehr
kleinen spezifischen Drücken, um ein Auslaufen der Lager und damit ein Scheuern des beweglichen Teiles am festen Teil zu verhindern.
Trotzdem wird bei den unvermeidlichen Ueberlastungen und den Stössen vom Geleise her, zumal bei unelastisch aufgehängten Achsenmotoren,
ein unzulässiges Auslaufen der Lager und damit eine Zerstörung des Motors nicht zu vermeiden sein.
Es kann auch hierbei mangels praktischer Erfahrungen nicht zu Gunsten eines Motors schon jetzt eine Entscheidung getroffen
werden; so viel dürfte aber aus jenen kurzen Ausführungen hervorgehen, dass, abgesehen von der Frage der Stromverteilung längs
der Bahn, vom Standpunkt des Motorbaues aus sowohl Gleichstrom- wie Drehstrommotoren bei etwa anzustellenden Versuchen zu
berücksichtigen sind.
III. Schwierigkeiten der Energiezuführung zum fahrenden Zug.
Die unter I. und II. soeben behandelten Fragen bieten zwar, wie ausgeführt, Schwierigkeiten, immerhin lässt sich mit ziemlicher
Gewissheit sagen, bei I. mit Hilfe von Folgerungen aus dem modernen Schnellzugbetrieb, bei II. auf Grund der Leistungen des
modernen Motorenbaues, dass die Lösung der auftauchenden Frage keine längeren Schwierigkeiten bereiten wird.
Anders verhält es sich mit der Frage der Energiezuführung zum fahrenden Zug. Sehen wir vom reinen Akkumulatorenbetrieb ab,
der für normale Vollbahnstrecken beim heutigen Stande der Akkumulatorentechnik ausgeschlossen ist, so präzisiert sich die
vorliegende Schwierigkeit zu folgender Frage:
„Wie kann man einem mit 30 bis 45 m pro Sekunde dahinfahrenden Zug von einer feststehenden Leitung aus eine Energiemenge von
500 bis 800 Kilo-Watt für alle Betriebs- und Witterungsverhältnisse sicher zuführen?“
Zur Beantwortung dieser Frage kann man vorläufig weder auf direkte, praktische Erfahrungen, noch auf Schlüsse aus ähnlichen
Verhältnissen zurückgreifen. Zwar sollen nach amerikanischen Berichten auf der Nantasket-Bahn mit normalem Strassenbahntrolley
vorübergehend Geschwindigkeiten bis über 100 km pro Stunde erreicht worden sein; dennoch ist es durchaus feststehend, dass
man mittels dem Strassenbahnbetriebe nachgebildeter Stromabnehmer und Leitungen zu dem hier vorschwebenden Ziele nicht gelangen
kann.
Die Firma Siemens und Halske erreicht auf der einzigen, vollbahnähnlichen elektrisch betriebenen Strecke in Deutschland, der von Düsseldorf nach Krefeld,
vorübergehend eine Geschwindigkeit von 60 km pro Stunde mit ihrem Bügelsystem. Aber sowohl die verhältnismässig geringe Geschwindigkeit
wie die Kürze der Erfahrungen lassen auch hier keinen Analogieschluss zu; noch viel weniger beweisen sie etwas gegen die soeben
aufgestellte Behauptung der gänzlichen Unzulässigkeit strassenbahnähnlicher Stromleitungen und Stromabnehmer für den hier
erstrebten Zweck.
Ein erhebliches Interesse erweckt die Veröffentlichung von Walter Reichel in der Elektrotechnischen Zeitschrift, Nr. 23: Versuche über Verwendung hochgespannten Drehstromes für den Betrieb elektrischer Bahnen. Das Hauptergebnis der hierin beschriebenen, von
Siemens und Halske angestellten Versuche ist darin zu suchen, dass wahrscheinlich die Erhöhung der Fahrdrahtspannung die Zuführung grösserer
elektrischer Energiemengen von Luftleitungen erleichtert bezw. überhaupt erst ermöglicht. Leider gestatten auch diese verdienstvollen
Versuche keine nennenswerten Folgerungen zur Beantwortung der von uns aufgeworfenen Frage, da sowohl die Geschwindigkeiten
als auch die zugeführten Energiemengen weit unter den für Vollbahnbetrieb erforderlichen Zahlen bleiben.
Die zweifellos sehr erheblichen Schwierigkeiten der Stromzuführung mittels Luftleitungen für unseren Zweck haben eine Reihe
von insbesondere amerikanischen Ingenieurenveranlasst, die Luftleitung zu verlassen und das System der dritten Schiene für Vollbahnen vorzuschlagen und für Stadt- und
Vorortbahnen anzuwenden. Auch die Berliner elektrische Hochbahn, sowie die elektrische Vollbahnlinie Paris-Versailles, beide
gegenwärtig im Bau, verwenden die dritte Schiene.
Wenn sich nun auch in Amerika die dritte Schiene für Stadt- und Vorortbahnen anscheinend gut bewährt, so kann man auch hieraus
leider keinen gültigen Schluss auf Vollbahnverhältnisse ziehen. Derartige Bahnen nähern sich zwar bezüglich des Energiebedarfes
einigermassen den Vollbahnverhältnissen, ihre bedeutend geringere Geschwindigkeit und ihre kurze Streckenlänge, sowie meist
der von Niveauübergängen freie Bahnkörper unterscheiden sie scharf von den bei uns vorerst zu erwartenden Vollbahnverhältnissen.
So lange Gleichstrom von der Zuleitung abgenommen wird, der nur eine Stromzuleitung erfordert und Spannungen unter 1000 Volt
bedingt, lässt sich eine elektrische Vollbahn mit dritter Schiene auf Grund der heutigen Vorort- und Stadtbahnerfahrungen
denken; immerhin müsste bei langen Strecken zur Vermeidung erheblicherer Energieverluste infolge Nebenschlusses zwischen dritter
Schiene und Geleiserückleitung über die sehr zahlreichen, parallel geschalteten Befestigungspunkte hinweg die ganze Strecke
in einzelne, nur während des Passierens eines Zuges einzuschaltende Abteilungen zerlegt werden.
Nun dürfte aber in den meisten Fällen die Energiezuführung in Gestalt von hochgespanntem Drehstrom erfolgen.
Dann schliesst sowohl die Komplikation der Stromleitungsanordnung an Weichen für
2 bis 3 Stromschienen mit erheblichem Spannungsunterschied, als auch der erhebliche Energieverlust durch Nebenschluss
und die Lebensgefahr für das Streckenpersonal die Anwendung von Niveauleitungen bezw. „dritten Schienen“ vollständig aus. Man ist dann gezwungen, für die Zuleitung zur Luftleitung zurückzukehren.
Die weitere Behandlung der Leitungsfrage erfordert ein Eingehen auf die Systemfrage.
Es sind folgende Anordnungen möglich:
1. Betrieb durch Gleichstrommotoren
(zulässig bis 1000 Volt Spannung für die Motoren).
I. Direkte Erzeugung von Gleichstrom in den Kraftstationen.
II. Erzeugung von Wechsel- oder Drehstrom in den Kraftstationen und Umformung durch rotierende Umformer in Gleichstrom.a) Die Umformer befinden sich längs der Strecke stationär.b) Die Umformer befinden sich im Zuge.
2. Betrieb durch Drehstrommotoren.
I. Direkte Erzeugung des Drehstromes in den Kraftstationen mit der erforderlichen Motorenspannung.
II. Erzeugung des Drehstromes mit höherer Spannung und Veränderung dieser auf die Motorenspannung durch Transformatoren.a) Die Transformatoren befinden sich längs der Strecke stationär.b) Die Transformatoren befinden sich im Zuge.
Der Vollständigkeit halber möge erwähnt werden, dass eine Verbindung von Gleichstrom- und Wechselstrommotoren zum Antrieb
unter Zuhilfenahme von Akkumulatoren im Jahre 1896 von den Firmen Schuckert und Siemens und Halske erörtert wurde. Für unsere Zwecke kommt diese Anordnung nicht in Frage.
Einige der oben angeführten Systeme, besonders die Gleichstromsysteme mit rotierenden Umformern, bedingen bei normaler Fahrt
im Vergleich zu den Drehstromsystemen grössere Energie Verluste in den rotierenden Umformern.
Es dürfte daher zweckmässig sein, vor dem Eingehen auf die einzelnen Systeme, das in diesem Aufsatz nur, soweit es zur Leitungsbeurteilung
erforderlich ist, erfolgt, den Einfluss höheren Energieverbrauches auf die gesamten Betriebskosten der Bahnlinie zu untersuchen.
Da Gleichstrommotoren besonders zur Zeit der Zugbeschleunigung wirtschaftlicher arbeiten als Drehstrommotoren, so braucht nicht der ganze Mehrbedarf infolge der Verluste im rotierenden Umformer dem Gleichstrom zur Last gelegt, sondern
es kann davon ein gewisser Abzug gemacht werden. Schnell laufende Einankerumformer für eine Leistung von 500 bis 800 Kilo-Watt
lassen sich heute mit einem Nutzeffekt von 0,94 bauen.
Der Verlust in dem erforderlichen Transformator soll nicht in den Vergleich gezogen werden, da er auch bei dem Drehstromsystem
II a und b, das das weitaus wahrscheinlichere ist, auftritt. Desgleichen sollen die geringe Erhöhung des Kraftbedarfes infolge
des durch den Umformer vermehrten Gewichtes des Motorwagens nicht berücksichtigt werden, da anzunehmen ist, dass sich für
den genannten Zweck und die erforderliche Leistung vierpolige, vielleicht sogar zweipolige Umformer bauen lassen, die infolge
ihrer hohen Tourenzahl – 1500 bezw. 3000 bei 50 Perioden, 900 bezw. 1800 bei 30 Perioden – ein verhältnismässig geringes Gewicht,
wahrscheinlich weit unter 8000 kg, erhalten werden, das teilweise durch das kleinere Gewicht der Gleichstrommotoren wieder
ausgeglichen wird.
Unter Berücksichtigung des erwähnten ökonomischeren Arbeitens der Gleichstrommotoren soll ein Mehrverbrauch von 5 % an Energie
für die Umformersysteme im Vergleich zu den Drehstrommotorsystemen angenommen werden.
Bei der weiter vorn angenommenen elektrischen Vollbahn mit stündlicher Zugfolge fahren über den Kilometer Streckenlänge 11700
Züge jährlich. Die Fahrdauer über
1 km beträgt bei einer Geschwindigkeit, wie angenommen, von 125 km pro Stunde
28,8 Sekunden. Der Kraftbedarf an den Treibradumfängen beläuft sich (vgl. vorn) auf \mbox{690 PS}=\frac{690\,\times\,0,736}{0,91}=560 Kilo-Watt, gemessen an den Klemmen der Motoren. Pro Kilometer Strecke und pro Jahr werden demnach gebraucht:
\frac{560\,\times\,28,8\,\times\,11700}{3600}=52500 Kilo-Watt-Stunden.
Benötigt nun ein Umformer System 5 % mehr und kostet die Kilo-Watt-Stunde in Anbetracht der grossen Kraftzentralen und der
langen jährlichen Betriebsdauer loco Zug 6 Pf., so erhöhen sich die kilometrischen jährlichen Ausgaben um 52500
× 0,05 × 0,06= 158 M., das ist weniger als 1 % der zu erwartenden jährlichen Ausgaben.
Selbst ein Verlust im Umformer von 10 % würde demnach keinen nennenswerten ungünstigen Einfluss auf die Rentabilität der Bahnanlage
haben.
Glaubt man also, durch ein Umformersystem erhebliche Betriebsvorteile, Vereinfachungen, grössere Sicherheit o. dgl. zu erhalten,
so soll man sich durch den geringen Mehrverbrauch an elektrischer Energie nicht abhalten lassen.
Diese Thatsache bietet zur Beurteilung der vorgenannten Systeme, sowie der Leitungsfrage ganz neue Gesichtspunkte.
Vor allem erweitert sie die Aussichten der Gleichstrommotoren für Verwendung bei Vollbahnen. Gelingt es, erprobte Konstruktionen
hiervon auf den Markt zu bringen, die in Bezug auf mechanische Haltbarkeit den Vollbahnanforderungen genügen, so dürfte der
Drehstrommotor keineswegs ohne weiteres der herrschende Vollbahnmotor werden. Man rechnet wohl dem letzteren als einen Vorzug
an, dass er unter allen Verhältnissen eine gleichbleibende Tourenzahl entwickelt. Ich glaube aber, man macht dabei aus der
Not eine Tugend. Man stelle sich vor, es käme heute eine neue Dampflokomotive auf den Markt, die in Bezug auf Oekonomie, ruhigen
Gang u.s.w. die vorhandenen Konstruktionen überflügelt, und als Charakteristikum besitzt, dass sie zwar unter erheblichen
Energieverlusten langsam laufen, unter keinen Umständen aber über die Normalgeschwindigkeit hinaus kann. Ich glaube kaum,
dass ein Eisenbahntechniker diese Lokomotive einführen würde. Genau in der Lage befindet sich aber die Drehstromvollbahnlokomotive.
Unter keinen Umständen kann sie über die Geschwindigkeit, die der Periodenzahl der Zentralanlage entspricht, hinausgehen.
Jede Lokomotive besitzt ihre Normalgeschwindigkeit, die sie zwar mit Hilfe von energieverzehrender Widerstandsdrosselung für
kurze Zeit vermindern, nie aber erhöhen kann. Soergibt sich, dass je ein Lokomotivwagentypus für Schnellzüge, Personenzüge und Güterzüge geschaffen werden müsste, überhaupt
jede aus der Neigung der Strecke oder aus anderen Verkehrsrücksichten erforderliche längere Zeit anhaltende Geschwindigkeit
erfordert einen eigenen Lokomotivtypus, will man nicht für diese Strecken Periodenumformer einführen. Ganz ausgeschlossen
ist bei Verwendung von Drehstrommotoren, dass ein Zugführer eine Verspätung einholen könnte, und allein dieser Punkt enthält
schon einen schweren Vorwurf gegen den Drehstrommotor.
Jede Gleichstromlokomotive hat auch noch insofern eine bedeutende Ueberlegenheit über die Drehstromlokomotive, als es bei
ihr mit Hilfe verschiedener Schaltung der Gleichstrommotoren in der einfachsten Weise möglich ist, bei verringerter Geschwindigkeit,
z.B. beim Anziehen, erheblich höhere Zugkräfte bei der gleichen Primärleistung der Kraftstation wie bei Drehstromlokomotiven
auszuüben. Die bei den Anlagekosten der Kraftstationen eine erhebliche Rolle spielenden stossweisen Erhöhungen der Leistung
beim Anfahren der Züge sind also bei Anwendung von Gleichstrommotoren erheblich niedriger als bei Anwendung von Drehstrommotoren.
Befindet sich dann noch der Drehstrom (oder Wechselstrom) = Gleichstromumformer auf der Lokomotive selbst, so lässt sich durch
die gleichzeitige Anwendung der Serien Parallelschaltung der Gleichstrommotoren und der sogen. Leonard'schen Schaltung eine geradezu ideale Abschwächung der Stösse und eine ganz erhebliche Energieersparnis während der Anfahrperiode
erzielen.
Diese Energie- und Anlagekostenersparnis kann bei Bahnen mit dicht aufeinander folgenden Stationen, z.B. der Berliner Stadtbahn,
zahlreichen Vorortbahnen, geradezu entscheidend für die Einführung eines Drehstrom-Gleichstromumformersystems mit auf der
Lokomotive befindlichem Umformer werden. (Eine Anwendung speziell auf die Verhältnisse der Berliner Stadtbahn behält sich
der Verfasser für einen besonderen Aufsatz vor.)
Aus diesen kurzen Bemerkungen kann natürlich kein Urteil über die endgültige Brauchbarkeit des einen oder anderen der oben
angegebenen Systeme herausgezogen werden; das lässt sich lediglich auf dem Wege praktischer Versuche thun. Soviel dürfte aber
feststehen, dass die Versuche sich unter allen Umständen auch auf die Umformersysteme erstrecken müssen.
Bezüglich der Leitungsanlage ergibt sich nun aus diesen Betrachtungen folgendes:
Denkbar ist sowohl eine Anlage mit dritter Schiene als mit Oberleitung. Erstere ist nur möglich bei verhältnismässig niedriger
Spannung des Betriebsstromes. Sie erschwert ferner, zumal bei Anlage von zwei oder drei Schienen für Drehstromzuführung, die
Anordnung und Uebersichtlichkeit auf Bahnhofs- und Rangieranlagen erheblich. Sie dürfte vielleicht auch merklich teurer werden
als eine geeignete Oberleitung. Nun ist aber nach dem heutigen Stand der Dinge wahrscheinlich, dass sich die erforderliche
Energie viel leichter mittels Hochspannung als mittels Niederspannung in den Zug hineinbringen lässt. 600 Kilo-Watt machen
weniger Schwierigkeiten an den Kontaktstellen, wenn sie mit 100 Ampère bei 6000 Volt, als wenn sie mit 1000 Ampère bei 600
Volt zugeführt werden. 6000 Volt in einer dritten Schiene sind aber für unseren Eisenbahnbetrieb ganz undenkbar, wohl aber
kann man sie sich mittels einer Oberleitung zugeführt denken, die wegen des eigenen Bahnkörpers und der grossen Kurvenradien
wohl für eine derartige oder vielleicht für noch höhere Betriebsspannung gebaut werden kann. Diese Umstände machen es wahrscheinlich,
dass die Stromzuleitung für ausgedehnte Vollbahnstrecken eine oberirdische sein wird.
Ob es sich dabei um drei oberirdische Drähte für Drehstrom handeln wird, oder ob ein Draht von diesen durch die Schiene ersetzt
werden kann, das sind Fragen, die nur der praktische Versuch entscheiden kann. Ebenso muss die Art der Stromabnehmer und die
Anordnung der Leitungen, ob seitlich oder oberhalb der Wagen, für die in Frage kommenden Geschwindigkeiten noch praktisch
erprobt werden. Auch kann die schwierige Weichenfrage nur auf der Versuchsstrecke gelöst werden.
IV. Versuchsprogramm.
Zum Schluss seien daher noch einige kurze Andeutungen über die Art der Versuche, besonders der Vorversuche gemacht.
Das prinzipiell Neue und zuerst zu Entscheidende ist das Verhalten von Kontaktflächen, die mit Geschwindigkeiten von 25 bis
40 m pro Sekunde an stabförmigen metallischen Leitern entlang gleiten, bei Strömen von etwa 20 bis
150 Ampère und Spannungen von 2000 bis 10000 Volt.
Die wirkungsvollste Lösung dieser Frage scheint die Erbauung einer Versuchsstrecke von genügender Länge mit entsprechenden
maschinellen Einrichtungen zu sein. Ich glaube jedoch nicht, dass schon heute eine Eisenbahnverwaltung, geschweige denn eine
Privatfirma, die Mittel dazu, die sich schätzungsweise auf mindestens eine Million Mark belaufen dürften, hergeben würde.
Es ist daher nötig, möglichst billige und instruktive Vorversuche anzustellen, um auf Grund von deren Ergebnissen sich über
die Aussichten und Zweckmässigkeit der Verwendung weiterer Mittel klar zu werden.
Diese Versuche lassen sich in zwei Abteilungen, in der Werkstatt und auf der Strecke, folgendermassen anstellen:
a) Vorversuche in der Werkstatt.
Diese sollen dazu dienen, in erster Linie das Auftreten von Feuererscheinungen an den Kontaktflächen, sowie deren Erhitzung
bei Verwendung verschiedener Materialien und Pressungen, sodann auch angenähert die Wirkung kurzer Stösse auf das Funken und
Entgleisen bezw. Abschnellen der Stromabnehmer zu studieren.
Zu diesem Zwecke ersetzt man die Oberleitung durch Ringe aus Kupferdraht oder Stabkupfer, die mittels Porzellan- oder Glimmerisolation
auf einer genügend grossen hölzernen Riemenscheibe befestigt sind. Für diese genügt ein Durchmesser von etwa 4 m. An diese
grossen ringförmigen kupfernen Schleifleitungen kann man dann Stromabnehmer verschiedener Form anlegen, durch die man den
Schleifleitungen Stromstärken unter entsprechenden Spannungen entführt. Die Tourenzahl der Riemenscheibe müsste bis auf 200
Touren pro Minute gesteigert werden können, entsprechend einer Schleifgeschwindigkeit von etwa 150 km pro Stunde oder etwa
42 m pro Sekunde. Die dabei verwendeten Materialien dürften bei geeigneter Konstruktion eine derartige Umfangsgeschwindigkeit
noch sicher zulassen.
Mit diesem billigen und einfachen Apparat lassen sich folgende Versuche anstellen:
1. Variation der Stromstärken und Spannungen.
2. Variation der Schleifmaterialien.
3. Variation der Anpressungen.
4. Messung der Erhitzung.
5. Schmierung der Kontaktflächen.
6. Anwendung von Rollen zur Stromabnahme von verschiedenem Durchmesser und Kontrolle ihrer Tourenzahl bezw. ihres relativen
Gleitens bei hohen Geschwindigkeiten.
7. Anwendung verschiedener Formen von Gleitstücken und Stromabnehmerarmen.
8. Anbringung kleiner Unebenheiten auf den Schleifleitungen zur Untersuchung des Entgleisens der Stromabnehmer und des Funkens,
Parallelschalten mehrerer Stromabnehmer auf eine Leitung.
9. Exzentrische Lagerung der hölzernen Riemenscheibe oder exzentrische Anbringung der Schleifleitungen zur Nachahmung der
Wirkungen des Drahtdurchhanges.
10. Lagerung der Schleifleitungen auf der Oberfläche der Scheibe in Winkeln parallel zur Oberfläche der Riemenscheibe, zur
Nachahmung der Wirkungen von Kurvenecken.
b) Vorversuche auf der Strecke.
Nachdem aus diesen Vorversuchen eine Reihe von Eindrücken über die Wirkung der hohen Geschwindigkeit gesammelt ist, kann man
zur Einrichtung einer mehrere Kilometer langen Oberleitungsstrecke schreiten.
Es würde schon einen vorläufigen Fortschritt bedeuten, wenn die Versuche hierauf vorläufig ohne Verwendung von Elektrizität
an den Schleif stellen lediglich zur Untersuchung der mechanischen Einwirkungen zwischen Leitungund Stromabnehmer angestellt werden. Es würde sich dann darum handeln, einen für Geschwindigkeiten von 100 bis 110 km benutzbaren
Wagen mit dieser Geschwindigkeit fort zu bewegen und auf seinem Dache 1 bis 3 Stromabnehmer anzubringen, die mittels Schleifstückes,
Bügel oder Rolle an den Leitungen entlang gleiten. Am einfachsten und billigsten nimmt man hierfür einen Drehgestellwagen
und lässt diesen durch eine gut ausbalanzierte Lokomotive fortbewegen.
Die Länge der Oberleitung würde zweckmässig 2,5 bis 3 km betragen und auf einer wenig befahrenen Strecke mit bestem Oberbau
auszuführen sein, um die durchaus erforderlichen Geschwindigkeiten von über 100 km zu erlauben.
Die Oberleitung selbst dürfte auf Grund der ersten Vorversuchserfahrungen am besten gleich so ausgeführt werden, dass sie,
nachdem eine Reihe von Erfahrungen über die mechanischen Einwirkungen zwischen Leitung und Stromabnehmer gesammelt sind, unter
Spannung (bis 10000 Volt) gesetzt werden kann. Man wird bezüglich der Befestigung der Isolatoren und der Leitung an diesen,
der Form der Stromabnehmer, der Möglichkeit des Durchfahrens von verstellbaren Luftweichen u.s.w. auch ohne Elektrizität in
den Leitungsdrähten genügende Erfahrungen sammeln und diese auf die mechanische Verbesserung von Luftleitung und Stromabnehmer
anwenden können.
Alsdann käme als weiterer Schritt das Unterspannungsetzen der Leitung mit verschiedenen Spannungen und Stromstärken, ähnlich
den ersten Vorversuchen. Um diese Versuche zu vereinfachen, könnte man vorläufig von einem Hineinführen der Hochspannung in
den Versuchszug absehen und sowohl Stromerzeuger wie Stromverbraucher neben der Linie feststehend anordnen. Zwei der drei
Leitungsdrähte würden dann durch die oberhalb des Wagens elektrisch verbundenen Stromabnehmer zu einem Teil der Verbindungsleitung
einer Phase zwischen Stromerzeuger und Stromverbraucher gemacht werden und der von letzterem in der einen Phase verbrauchte
Strom die Kontaktleitungen und Stromabnehmer des Versuchswagens passieren, von dem aus man dann die Funkenbildung u.s.w. studieren
kann. Man wird hierbei abwechselnd ein und zwei Stromabnehmer pro Leitung anwenden, um den Unterschied in der Funkenbildung
für beide Fälle kennen zu lernen. Ferner kann man eine ähnliche Schaltung für die zweite Phase zwischen der dritten Leitung
und der Schiene anwenden, um so einmal zwischen zwei Kontaktleitungen volle Spannungsdifferenz zu haben, und dann auch den
induktiven Einfluss auf Telegraphen-, Telephon- und Signalleitungen zu studieren. Hierbei wird man die Periodenzahl ungefähr
zwischen 25 und 50 pro Sekunde variieren.
Ausserdem wird man auf dieser Strecke die Einwirkung des Lokomotivrauches auf die Isolation der Kontaktleitungen feststellen
können.
Aus diesen drei Gruppen von Versuchen dürfte sich die Möglichkeit oder Unmöglichkeit oberirdischer Stromzuleitung für hohe
Spannungen und hohe Geschwindigkeiten ergeben. Ist die Möglichkeit bewiesen, so werden die gesammelten Erfahrungen genügen,
um für eine längere Strecke eine zwar noch verbesserungsfähige, immerhin aber von vornherein brauchbare und betriebssichere
Oberleitung zu entwerfen.
c) Praktische Betriebsversuche auf der Strecke.
Hiermit ist ein erster, sehr wichtiger Schritt zu dem vorgesteckten Ziel der Lösung der elektrischen Vollbahnfrage gemacht,
der die Aufwendung grösserer Geldmittel für die weiteren Versuche rechtfertigt. Diese wird man dann zur Lösung der zweiten
Schwierigkeit verwenden und verschiedene Formen von Motoren und Systemen erproben. Hierzu wird sich am besten eine kürzere
Verbindungsstrecke zwischen zwei benachbarten grösseren Städten eignen.
Als zu erreichendes Ziel, ein Gelingen der Motorvorversuche vorausgesetzt, sei die Herstellung eines besonderen Geleises für
den Lokalverkehr zwischen beiden Städten gedacht. Es gibt in Deutschland eine Reihe von Strecken mit einer Ausdehnung von
20 bis 40 km, die wohl eine elektrische Vollbahn als rentabel erscheinen lassen; und zwar würde es sich empfehlen, vorerst eine Strecke zu nehmen, die keinen Vorortverkehrscharakter besitzt,
um infolge der geringen Zahl von Haltestellen eine grössere Maximalgeschwindigkeit zu erreichen.
Zweckmässig würde dann die Oberleitung mit drei Drähten ausgerüstet werden, um alle denkbaren Systeme durchproben zu können.
Die Versuche waren dann vielleicht so einzuleiten, dass zuerst eine kürzere Strecke des beabsichtigten Lokalverkehrgeleises,
etwa 5 bis 6 km, ausgebaut werden, um auf dieser verschiedene Lokomotivwagentypen auszuproben. Folgende Fälle sind hierbei
zu untersuchen:
a) Drehstromzuführung, Drehstrommotoren.
b) Drehstromzuführung, Gleichstrommotoren, Umformer auf dem Zuge.
c) Einphasen-Wechselstromzuführung, Gleichstrommotoren, Umformer auf dem Zuge.
d) Gleichstromzuführung, Gleichstrommotoren, Umformer längs der Strecke.
e) Luftwiderstandsmessungen. Versuche mit verschieden gestalteten Vorderteilen.
Die Versuche a) und b) kommen unter allen Umständen zur Ausführung. Hierbei ist besonders erforderlich, den Energieverbrauch
beider Systeme während des Anfahrens und der freien Fahrt zu vergleichen, sowie das Verhalten und die Beanspruchung der Kraftstation
bei Drehstrom- und Gleichstrommotoren während des Anfahrens zu beobachten. Die Lokomotivwagen werden zweckmässig mit unelastischen
und elastischen Achsenmotoren, sowie mit Vorgelegemotoren ausgerüstet, und diese Verschiedenheit auch bei Einführung des definitiven
elektrischen Betriebes auf der ganzen Strecke so lange beibehalten, bis sich ein zweifelsfreies Urteil über die Vorteile und
Nachteile der verschiedenen Einbauarten erreichen lässt.
Das System c) wäre zu untersuchen, wenn sich, was leicht möglich, die Anordnung der Weichen für zwei oder drei Luftleitungen
als nicht betriebssicher erweist. Dem Vorteil von nur einer (oder zwei) Stromzuführungen steht das ungünstige Verhalten des
Einphasenmotors bei Ueberlastungen gegenüber; immerhin bleibt abzuwarten, wie sich Drehstromluftweichen verhalten werden.
Die Versuche d) schliesslich kämen in Frage, wenn sich Luftleitungen nicht bewähren sollten, und auch für den Fernbahnbetrieb
die dritte Schiene erforderlich wäre.
Die Versuche e) sind ausserordentlich wichtig und durch verschiedene Gestaltung des Lokomotivwagenkastens leicht zu erreichen.
Es ist nach den bisherigen Leistungen der deutschen Elektrotechnik nicht im mindesten daran zu zweifeln, dass umfassende,
planmässige, ausdauernde und gründliche Versuche, gemeinschaftlich mit den erforderlichen Geldmitteln und allseitigem Entgegenkommen
ausgestattet, schliesslich zu einem brauchbaren Resultate führen werden.
Die bisher in Amerika und Frankreich angestellten Versuche haben sich, so interessant sie an sich sind, und so sehr die Erfahrungen
mit den Heilmann'schen Lokomotiven bezüglich des Verhaltens der Motoren weiter benutzt werden können, doch dadurch den Weg zum Erfolg erschwert,
dass sie von vornherein sich auf ein System festlegten, und besonders schon während des Versuchsstadiums in den normalen Eisenbahnbetrieb
einsprangen.
Besonders die amerikanischen Versuche sind fast durchweg nur Variationen des Vorortverkehrs.
Das oben empfohlene langsame und systematische Vorgehen dürfte manchem schwerfällig und mit unnötigem Ballast beladen erscheinen,
es hat aber den grossen Vorteil,von vornherein alle Möglichkeiten ins Auge zu fassen und für den Anfang geringe Geldmittel zu erfordern. Die insgesamt erforderlichen
Kosten dürften sich schätzungsweise wie folgt zusammensetzen:
I.
Vorversuche in der Werkstatt einer elek-trischen Firma oder anschliessend an ein ge-eignetes Elektrizitätswerk zur Vermeidung derAnschaffungskosten eigener elektrischer Ma-schinen (Dauer 3 Monate)
30000
M.
II.
Vorversuche auf der Strecke zur Feststellungder mechanischen Einwirkungen zwischenOberleitung und Stromabnehmer; Unter-suchung verschiedener Stromabnehmerformenbezüglich des Entgleisens; einschliesslich leih-weiser Ueberlassung einer geeigneten Eisen-bahnstrecke, einer Lokomotive und einesWagens (Dauer
5 Monate)
70000
„
III.
Vorversuche anschliessend an II. mit unterSpannung gesetzten Leitungen (2 Monate)
40000
„
IV.
Versuche auf dem ersten Ausbau von 5 kmeines künftigen Betriebsgeleises (ohne dieKosten des Geleises) (Dauer 2 Jahre)Drei verschiedene Versuchslokomotiven
120000
M.
Auswechselungen von Motoren u.s.w.
60000
„
5 km Oberleitung mit Variationen
80000
„
Für Luftwiderstandsversuche
15000
„
An Entschädigung für leihweise überlassene Personenwagen
30000
„
An Entschädigung für eine Dampf- lokomotive für Aushilfsfälle
5000
„
Für Messapparate u.s.w.
10000
„
Personalkosten
50000
„
Für Unvorhergesehenes
80000
„
––––––––––––
Summa
450000
M.
Entschädigung für eine proviso- rische Kraftstation von 1000 PS und für Stromlieferung pro 1 PS 350 M.
350000
„
––––––––––––
Summa
800000
„
––––––––––––––––––––––––––
Summa
940000
M.
Rechnet man hierzu noch als Kosten für ein leitendes Bureau auf etwa 3 Jahre, sowie für Reisekosten und Studien einer vorbereitenden
Kommission 160000 M., so ergibt sich als Gesamtkosten der Versuche die Summe von 1,1 Millionen Mark.
In Anbetracht der grossen Wichtigkeit der Frage elektrischer Vollbahnen und der ausserordentlichen Kapitalien, die von den
beteiligten Kreisen, den Eisenbahnverwaltungen und den Elektrizitätsfirmen festgelegt und an der Lösung dieser Frage stark
interessiert sind, dürfte die Aufbringung einer Summe, wie der obigen, für Versuche nicht schwer fallen.
Weit entfernt davon, dass die vorstehenden Erörterungen als grundlegend für die Einleitung derartiger Versuche angesehen werden
sollen, wünscht der Verfasser vielmehr lediglich, durch seine Ausführungen zu weiteren Erörterungen, zur Kritik und zu neuen
Vorschlägen den Anstoss zu geben.
Das Interesse und die Beteiligung der breitesten technischen und nationalökonomischen Oeffentlichkeit, in vorsichtiger Weise
auch des nichttechnischen Publikums, ist durchaus notwendig, um der Frage der elektrischen Vollbahnen das Gewicht zu verschaffen,
das erforderlich ist, um gründliche und von Einseitigkeit freie Massregeln zur Lösung einer für den wirtschaftlichen Fortschritt
einschneidenden Frage durchzudrücken.