Titel: | Ueber Flecht- und Klöppelmaschinen ohne Gangplatte. |
Autor: | H. Glafey |
Fundstelle: | Band 316, Jahrgang 1901, S. 13 |
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Ueber Flecht- und Klöppelmaschinen ohne
Gangplatte.
Von H. Glafey, Regierungsrat,
Berlin.
Ueber Flecht- und Klöppelmaschinen ohne Gangplatte.
Von den im Gebrauch befindlichen Flecht- und Klöppelmaschinen, seien sie nun
deutschen (Barmer), englischen oder französischen Systems, ist der grösste Teil mit
einer sogen. Gangplatte ausgestattet, deren Gangkurven den von Treibern bewegten
Klöppeln unter Mitwirkung von Weichen, Drehtellern u.s.w. die für die Fadenbindung
erforderliche Bewegung vorschreiben. Die Herstellung dieser Gangplatten, welche
besonders bei den Klöppelmaschinen hinsichtlich ihrer Gangkurven äusserst
kompliziert sind, geschieht noch heute fast ausschliesslich durch Handarbeit,
verursacht also grosse Kosten. Weiter verursachen die Gangkurven eine starke Reibung
der Klöppelfüsse an den Wandungen, die wieder einen grossen Kraftverbrauch und
starke Abnutzung der zusammenarbeitenden Teile in sich schliesst. Aus der letzteren
ergibt sich wieder das bei dem Betrieb der Flecht- und Klöppelmaschinen bekannte
Geräusch, welches durch die zusammenarbeitenden Treiber und Tellerräder noch erhöht
wird.
Zwecks Beseitigung aller der genannten Uebelstände ist man seit etwa 20 Jahren
bemüht, die Gangplatten entbehrlich zu machen, und hat zur Lösung der gestellten
Aufgabe die verschiedensten Vorschläge gemacht, welche mehr oder weniger Eingang in
die Praxis gefunden haben. Mit Rücksicht auf das hohe Interesse, welches
besondersdie Erfindungen der letzten Jahre in der bezeichneten Richtung infolge
der sinnreichen Konstruktionen der verwendeten Hilfsmittel mit sich bringen, sollen
in den nachstehenden Zeilen die einzelnen Vorschläge einer Besprechung unterzogen,
besonders aber die neueren Maschinen in ausführlicher Weise gewürdigt werden.
Der erste Weg, welcher eingeschlagen worden ist, die Gangplatten entbehrlich zu
machen, besteht darin, die Klöppel mit den sie treibenden Tellerrädern zeitweise zu
kuppeln und ihnen so den zur Fadenbindung erforderlichen Weg vorzuschreiben.
Vorrichtungen, welche die Lösung dieser Aufgabe erstreben, finden sich dargestellt
in den Patentbeschreibungen Nr. 9612, 10820, 12319, 67635, 67902, 75172 und 75301
der Klasse 25 b, sowie der britischen Patentschrift Nr. 16658/1880 und
amerikanischen Patentbeschreibung Nr. 572357. Sämtliche Vorrichtungen beruhen
darauf, dass der Klöppel mit seinem Tellerrad durch einen Sperrhebel, Sperrstift o.
dgl. verbunden wird, welcher zum Zwecke des Hinüberwechselns des Klöppels von einem
Tellerrad zum anderen im geeigneten Augenblick gelöst bezw. zur Wirkung gebracht
wird. Die Sperrhebel u.s.w. sitzen dabei entweder an dem Klöppel selbst oder sind am
Tellerrad angeordnet und hiernach zerfallen die gekennzeichneten Vorrichtungen in
zwei Klassen. In jedem Falle sind noch die Klöppel bekannter Konstruktionen mit ihren
Tellerrädern und Treibern vorhanden.
Frei von den beiden letztgenannten Eigentümlichkeiten sind diejenigen
Flechtmaschinen, welche in den deutschen Patentschriften Nr. 22064 und 40261
niedergelegt sind. Anstatt die Fäden der zwei in entgegengesetzter Richtung
laufenden Klöppelsysteme abwechselnd über- und untereinander hinwegzuführen, bleiben
hier die nach dem Flechtpunkt geführten Fäden in ihrer Lage, d.h. sie schreiten
nicht fort und das ganze daselbst vereinigte Fadensystem wird abwechselnd über und
unter je einem Faden hindurchgeleitet. Das zu verflechtende Material wird zu diesem
Zweck durch gekrümmte Rohre (Flechtarme), welche um horizontale, radial angeordnete
Achsen schwingen, bis zur Mitte der Maschine gebracht, woselbst die Verflechtung der
einzelnen Elemente dadurch erfolgt, dass das mittels der Führungswalzen in den
Warenaufnehmer geleitete Geflecht mit dem letzteren um eine vertikale Achse bewegt
wird, und bei dieser Bewegung abwechselnd über und unter die auf- und abwärts
schwingenden Flechtarme gelangt.
Der dritte Weg, welcher eingeschlagen worden ist, um die Gangplatte für die Klöppel
entbehrlich zu machen, besteht darin, dass die Flechtmaschine mit zwei Satz von
Spulen versehen worden ist, die sich in konzentrischen Kreisen entgegengesetzt zu
einander bewegen, aber in verschiedenen Ebenen umlaufen, während die Fäden des einen
(unteren) Satzes abwechselnd über und unter den Fäden des anderen Satzes hinweg-
bezw. hindurchgeführt werden. Maschinen dieser Art können, wie sich aus dem
bezeichneten Arbeitsgang ergibt, nur Rundgeflechte erzeugen. Unter Beachtung der
Hilfsmittel, welche den Fäden des einen Spulensystems ermöglichen sollen, diejenigen
des anderen in der für das Zustandekommen der Flechtung erforderlichen Weise zu
kreuzen, zerfallen die Flechtmaschinen der vorbezeichneten Art in fünf Gruppen.
Bei der einen sind die Spulenträger des einen Spulensystems mit Leitschienen
ausgestattet, welche beim entgegengesetzten Kreisen der beiden Spulensysteme die
Fäden des zweiten Systems abwechselnd heben und senken und ihnen so ermöglichen,
über bezw. unter den Spulen, also auch Fäden des erstgenannten Systems
hinwegzugehen. Maschinen dieser Art sind in den Patentschriften Nr. 24691, 46702,
66073 und der britischen Patentbeschreibung Nr. 945 von 1866 behandelt.
In der amerikanischen Patentschrift Nr. 591105 ist eine Rundflechtmaschine in
Vorschlag gebracht, bei der die Leitschienen an den Spulenträgern dadurch
entbehrlich gemacht worden sind, dass die Spulen in ihren Trägern durch Wirkung von
Elektromagneten abwechselnd gehoben und gesenkt werden, und so den Fäden des zweiten
Systems gestatten, einmal unter und über den Spulen des ersten Systems
hinwegzugehen.
Bei der dritten Gruppe von Maschinen (vgl. die Patentschrift Nr. 61207, die britische
Patentbeschreibung Nr. 23195 von 1896 und die amerikanische Patentschrift Nr.
649618) erfolgt das Heben und Senken der Fäden des einen Spulensystems durch
schwingende bezw. auf- und absteigende Fadenführer unter entsprechender Ausbildung
der Spulenträger des zweiten Systems von Faden spulen.
Die in der Patentschrift Nr. 98160, der amerikanischen Patentbeschreibung Nr. 588421,
und der britischen Patentschrift Nr. 17432/1899 wiedergegebenen Flechtmaschinen
benutzen zur Leitung der Spulenfäden eine in einem trommelartigen Mantel vorgesehene
geschlossene, nach Art einer Sinuskurve ausgebildete Schlitzführung, in welcher die
Fäden laufen, und so abwechselnd aus einer Ebene in die andere überführt werden.
Bei den Maschinen der fünften und letzten Gruppe endlich kommen gleichzeitig
geschlossene, kurvenförmige Schlitzführungen und sich bewegende Fadenführer zur
Anwendung (Amerik. P. Nr. 641880). Es wird hierdurch eine besondere Ausbildung der
Spulenträger des einen Spulensystems vermieden und gleichzeitig auch eine starke
Reibung der geführten Flechtfäden in der Schlitzführung verhindert.
Während alle die vorbesprochenen Maschinen im allgemeinen nur zur Herstellung von
einfachen Geflechten dienen, sind diejenigen Maschinen, welche in den nachstehenden
Zeilen einer Besprechung unterzogen werdensollen, Maschinen für spitzenartige
Geflechte oder Klöppelmaschinen, also Maschinen, die nicht nur eine Fadenkreuzung,
sondern auch Fadenzwirnung zulassen, somit die Erzeugung von der Handspitze
ähnlichen Spitzen ermöglichen.
Als Ausgangspunkt der Entwickelungsreihe der ohne Gangplatte arbeitenden
Spitzenmaschinen kann die Spitzenklöppelmaschine von Louis
Hohl in Annaberg (Sachs. Patent Nr. 1193/1860) angesehen werden. D. p. J. 1881 240 281
entnehmen wir hierüber das folgende: Die Maschine liefert ein Produkt, welches die
Grundbindung der Torchonspitze zeigt. Eine Anzahl kreisrunde, um senkrechte Achsen
drehbare Teller sind in zwei Reihen so angeordnet, dass sie sich paarweise einander
gegenüber stehen, während neben den Endtellern auf jeder Seite der Maschine je ein
grösserer Teller vorgesehen ist. Zu jedem Teller gehört ein Klöppelpaar, dessen
Fäden bei Drehung der Teller gezwirnt werden. Diametrale Aussparungen in den
Tellern, schlitzförmige Aussparungen in der mit den Tellern in gleicher Ebene
liegenden Grundplatte zwischen den Nachbartellern einer Reihe und den einander
gegenüberliegenden Tellern beider Reihen gestatten unter Mitwirkung von Treibern
eine Wanderung der Klöppel über die ganze Scheibenreihe zum Zwecke der Flechtung der
Fäden. Drehung der Teller und Treiber wechseln miteinander ab. Den Lauf der Klöppel
bestimmen Weichen, welche durch einen Musterapparat beeinflusst werden, während das
Abführen der Ware durch einen Klöppelbrief bewirkt wird.
Die erste Spitzenklöppelmaschine ohne Gangplatte, die zur Bedeutung gelangt ist, ist
diejenige von Eugen Malhère in Paris. Auf dieselben
wurden neben den belgischen und britischen Patenten die französischen Patente Nr.
93970 und 96873/1872 erteilt, während die Compagnie La
Dentellière in Paris die Ausführung der Erfindung übernahm und sich durch
das D. R. P. Nr. 25325 eine weitere Ausbildung der Malhère'schen Erfindung schützen liess. Die Grundidee der letzteren
gipfelt in der Heranziehung der Jacquardmaschine zur direkten Bewegung, sowohl
Drehung als Verschiebung der Klöppel. Hierdurch ist erreicht, dass einzelne
Fadenspulen der Maschine ebenso wie die des Handklöpplers beliebige
Relativbewegungen gegenüber den übrigen Fadenspulen ausführen können, diese mögen
ruhend oder bewegt sein. Die Spitzenklöppelmaschine von Malhère, welche in D. p. J. 1881 240 274 ausführlich behandelt ist, ahmt also die
Thätigkeit des Handklöpplers genau nach. Für eine Spitze aus n Fäden sind n drehbare Scheiben oder Teller
erforderlich, welche in einer Geraden so angeordnet sind, dass sich die
Nachbarteller berühren. Jeder der Teller enthält eine diametral verlaufende
schlitzförmige Aussparung, so dass bei bestimmter Stellung der Teller die einzelnen
Aussparungen aneinander stossen und einen einzigen Kanal bilden, welcher über die
ganze Scheibenreihe entlang läuft. Die n Fäden werden
einer gleichen Zahl Spulen (Klöppel) entnommen, welche in den Tellern verschiebbar
sitzen. Sind die Spulen so verteilt, dass je zwei derselben auf einer Scheibe
stehen, so erfolgt durch gleichzeitige Drehung derselben die Bildung von ½ n zweifädigen Gezwirnen. Die Zahl und Reihenfolge der
umlaufenden Teller kann beliebig geändert werden, demnach auch Zahl und Art der
Gezwirne. Die Zwirnung zweier Fäden oder auch die Bildung von Geflechten erfordert
die Umstellung der Klöppel und demgemäss ihre Gruppierung zu neuen Paaren. Die
Umstellung erfolgt mit Hilfe von Treibern, welche die Klöppel eines Tellers auf den
Nachbarteller überführen, wenn die Aussparungen beider Teller in eine Gerade fallen.
Durch passenden Wechsel in der Bildung ein- oder mehrfach gedrehter Gezwirne und
Geflechte lässt sich jedes voraus festgesetzte Muster erzeugen.
Um mehrere gleichartige Spitzen gleichzeitig auf der Maschine fertigen zu können,
sind mehrere Tellerreihen übereinander angeordnet, von denen jede einen
Spitzenstreifen liefert. Die in Vertikalebenen übereinander liegenden Elemente
derselben werden von der Jacquardmaschine gleichzeitig beeinflusst.
Für die Erzeugung von Spitzen, deren Musterfiguren von starken Fäden umrahmt sind,
werden die Teller in anderer Art angeordnet. Zu jedem Hauptteller tritt ein unter ihm liegender
Nebenteller von gleicher Konstruktion, diese Nebenteller stehen untereinander und
mit den Haupttellern in Berührung. Jeder Nebenteller führt einen Klöppel. Die
Schaltung der Spindeln erlaubt stets nur eine Vierteldrehung der Teller beider
Systeme. Das Einführen des Einlegefadens erfordert stets eine solche Einstellung der
übereinander liegenden Teller, dass die Aussparungen beider in eine Gerade fallen
und der Treiber des Nebentellers den Einlegeklöppel auf den Hauptteller zu heben
vermag.
Für gewöhnliche Fälle genügt es, die Spulen einer einzigen Tellerreihe arbeiten zu
lassen. Um aber schöne Spitzenmuster zu erhalten, muss man nach dem D. R. P. Nr.
25325 zuweilen drei Spulenreihen verwenden, um zwei Spitzenstreifen zu erhalten. In
diesem Falle lässt man zwischen je zwei Reihen Spulen eine dritte Reihe arbeiten,
welche Fäden an die beiden anderen abgibt. Soll diese Zwischenreihe arbeiten, so ist
nötig, dass ihre Spulen in die untere Reihe sowohl, als in die obere gelangen
können.
Das Wesen der in der oben genannten Patentschrift behandelten verbesserten Malhère'schen Spitzenklöppelmaschine besteht nun darin,
dass die verschieden grosse Drehung der Klöppel- oder Spulenträger mittels einer
Jacquardmaschine, des sogen. Drehjacquards, erzielt wird, deren Platinen mehrere
Nasen von verschiedener Höhenlage besitzen und gleichzeitig die vom Treibjacquard
hervorgerufene Vertikalverschiebung mittels eines mehrfachen Schubgetriebes in eine
Horizontal Verschiebung der Treibschiene umgewandelt wird.
Die Festlegung der Kreuzungspunkte der Fäden erfolgt sowohl bei der ersten als auch
bei der verbesserten Maschine durch Nadeln, welche ebenfalls von einer
Jacquardmaschine eingestellt werden. Die Grosse des Weges aber, den jede Nadel
zurücklegt, ist immer die gleiche. Es war somit durch die Malhère'sche Spitzenklöppelmaschine wohl die Aufgabe gelöst, ohne
Anwendung einer Gangplatte, wie sie die alte Spitzenklöppelmaschine von Henkels und Hedtmann in Langerfeld-Barmen noch fordert,
Fäden zur Kreuzung und Zwirnung zu bringen oder auch beliebig lange der
Fadenverschlingung zu entziehen, nicht aber ist die Aufgabe gelöst worden, das
zuletzt erzeugte Spitzenstück ohne Aufwickeln beliebig lange Zeit so festzuhalten,
dass die hergestellte Fadenverschlingung in der ihnen zukommenden Lage erhalten
bleiben, bis die um sie herum liegenden Verbindungen erzeugt sind, wie es das
Klöppelkissen bei der Herstellung der Handspitze ermöglicht. Eines der wichtigsten
Merkmale der Handspitze, die Erzielung eines schwungvollen, ungezwungenen Fadenlaufs
im Gegensatz zu der reihenweisen Lage der Fadenverschlingungen – senkrecht zur
Längsachse der Spitze – bei den sogen. Maschinenspitzen, lassen somit auch die
Produkte der Maschine von Malhère vermissen.
Neben den beiden Grundbedingungen, welche eine zur Herstellung einer der Handspitze
gleichwertigen Maschinenspitze bestimmte Maschine erfüllen muss, kommt auch noch das
Haupterfordernis, dass die Maschine in jeder Weise ökonomisch arbeitet. Es muss also
die Maschine so eingerichtet sein, dass sie mit einfachen Mitteln eine grosse
Leistungsfähigkeit besitzt. Weder die Maschine von Henkels
und Hedtmann, noch diejenige von Malhère
entsprechen dieser Forderung. Wohl ist durch die letztere die komplizierte
Gangplatte der alten Flechtmaschine beseitigt worden, die einen grossen Raum
einnehmenden Klöppel und ihre Träger aber finden sich noch vor und gestatten im
allgemeinen nur die Herstellung eines Klöppelstreifens, denn die hierzu
erforderlichen Spulen nehmen einen weit breiteren Raum ein als der Spitzen streifen
selbst.
Die zweite Richtung, welche eingeschlagen worden ist, die Maschine mit Gangplatte
durch eine solche ohne Gangplatte zu ersetzen, findet sich verkörpert in denjenigen
Maschinen von Adolf Bottenberg in Barmen, welche den
Gegenstand der D. R. P. Nr. 73934, 78345 und 114756 bilden. An Stelle des
schlangenförmigen, vom Normalkreis bald nach innen, bald nach aussen abweichenden
Laufs der Klöppel oder Spulenträger ist eine Bewegung genau im Normalkreis benutzt
und radiale Abweichungen sind trotz Beibehaltung des der alten Klöppelmaschine mit
Gangplatte eigentümlichen Aufbaues gänzlich vermieden. Die Ausweichung der Klöppel
und die Kreuzung der Fädenwerden durch Heben und Senken derselben bewirkt. Die
durch die radialen Abweichungen bedingten Schwankungen in den Fadenspannungen, sowie
die deshalb erforderlichen Belastungen der Klöppelfäden sind vermieden. Der Abzug
des Fadens von der Spule nach dem Flechtpunkt ist nahezu geradlinig oder doch ohne
nachteilige, spürbare winklige Ablenkung und die Kürzung und Längung des Fadens
zwischen Klöppel und Flechtpunkt findet nicht statt bezw. wird durch die
Klöppelbewegung selbst ausgeglichen. Der Raumbedarf einer Maschine des neuen Systems
ist im Vergleich der Flächenausdehnung einer an Klöppelzahl gleichen des alten
Systems wesentlich geringer, es wird somit der letzten der bei Besprechung der Malhère'schen Maschine genannten Grundbedingungen für
eine Spitzenklöppelmaschine durch die Maschine von Bottenberg zum Teil Rechnung getragen.
Textabbildung Bd. 316, S. 14
Bottenberg's Maschine mit einem Spulensystem und
einem schwingenden Spulenring.
Die in dem D. R. P. Nr. 73954 zur Darstellung gebrachte erste Bottenberg'sche Erfindung besitzt die folgende Einrichtung: Sie besteht
aus zwei Klöppel- oder Spulenträgerringen a und b (Fig. 1 und 2), von denen der eine
als oberer a feststeht, während der unter diesem
liegende zweite Ring b eine Schwingbewegung nach vor-
und rückwärts ausführt. Hervorgebracht wird diese Schwingbewegung durch die unrunden
Scheiben c und d, welche
mittels der Schlitten ef und Schubstangen gh ihre Bewegung auf den Klöppelträger b übertragen. Dieser sowohl wie der feststehende
Klöppelträger a sind mit Führungsstiften ik ausgestattet, welche einander achsial gegenüber
stehen, sobald die Scheibe b die Mittelstellung
einnimmt, und deren Teilung bezw. Zahl derjenigen der Teller der alten Maschine mit
Gangplatte entspricht. Die Spulenträger oder Klöppel l
sind mit Führungshülsen m ausgestattet, mit welchen die
Klöppel auf den Stiften k sitzen, und durch deren
Hebung sie auf die Stifte i überführt werden können. Um
das letztere zu ermöglichen, trägt jede Führungshülse m
eine Nase n und auf jedem Stift i sitzt ein Schlitten o, der durch eine Zugschnur p mit der Platine einer Jacquardmaschine verbunden ist
und eine Nase r aufweist. Ueber die letzteren treten,
sobald sich die Schlitten o in gesenkter Lage befinden,
bei Drehung des Trägers b die Nasen n der Spulenträger m und
es erfolgt durch die Schlitten o entweder ein Anheben
bezw. Ueberführen der letzteren auf die Stifte i der
feststehenden Scheibe beim Stillstand der beweglichen Scheibe bezw. ein Senken von
der feststehenden auf die bewegliche Scheibe, und hiermit ist die Möglichkeit
geboten, bei der Verdrehung der letzteren gewisse Spulen bezw. deren Fäden mit den
Fäden der übrigen Spulen zur Kreuzung (Flechtung) oder Zwirnung zu bringen.
Es ist nun einleuchtend, dass eine grössere Mannigfaltigkeit in den Klöppelführungen
hergestellt werden kann, wenn auch der zweite Klöppelträgerring hin und her
schwingend angeordnet wird. Auch kann bei einer derartigen Einrichtung der Maschine
der Weg des einen bewegten Ringes um die Hälfte verkürzt werden, um doch in
Beziehung auf die relative Lage gegenüber dem anderen Ring gleiches Endziel zu
erreichen, indem der letztere dem erstgenannten auf halbem Wege entgegen kommt.
Textabbildung Bd. 316, S. 15
Bottenberg's Maschine mit einem Spulensystem und
zwei schwingenden Spulenringen.
Auf diesem Gedanken beruht die verbesserte Bottenberg'sche Maschine des D. R. P. Nr. 78345 (Fig. 3 bis 6). Der untere
Klöppelträgerring a wird wie bei der älteren Maschine
durch die unrunden Scheiben b und c, welche auswechselbar sind, mittels der Stangen d und e in Schwingung um
seinen Achszapfen gesetzt. Der zweite Klöppelträgerring f wird von Stutzen g einer Scheibe h getragen, die ihrerseits mittels der ebenfalls
auswechselbaren unrunden Scheiben ik (Fig. 3 und 4) durch die Stangen l ihre Schwingbewegung empfängt. Der Ausschlag und die
Gestaltung der unrunden Scheiben bcik sind nun so
gewählt, dass der untere und obere Klöppelträgerring sich so zu einander bewegen und
in korrespondierenden Stellungen zu einander stillstehen, dass die Klöppel von unten
nach oben oder von oben nach unten auf ihren jeweiligen Klöppelträger überführt
werden oder auch über- bezw. untereinander hinweggehen können, wie es das Muster,
die Flechtung und Zwirnung vorschreibt.
Jeder Klöppel m ist mit einem gezahnten Schieber nausgestattet (Fig. 3, 5 und 6), der mittels einer
Jacquardmaschine o o. dgl., der von dieser
beeinflussten Daumen p und Gegenfedern in dem unteren
Klöppelträgerring a und einem diesen umschliessenden
feststehenden Ring q so radial verschoben werden kann,
dass das Schieberstück n entweder mit seinem Klöppel
durch den unteren Klöppelträgerring a im Kreise
herumgeführt wird oder diesen frei passieren lässt. In der letzten Stellung gelangt
der Schieber n mit einer besonderen Nase r in den Bereich derjenigen Huborgane, welche seine
Ueberführung von dem einen Klöppelträger in den anderen bewirken. Die Huborgane
bestehen aus den Fangstangen st (Fig. 3 und 5), welche von den beiden
Ringen uv getragen werden, die ihrerseits mittels der
auf der Hauptwelle w angeordneten unrunden Scheiben x zur geeigneten Zeit eine auf- und absteigende
Bewegung erfahren.
Textabbildung Bd. 316, S. 15
Bottenberg's Maschine mit einem Spulensystem und
zwei schwingenden Spulenringen.
Während bei den vorstehend erläuterten beiden Ausführungsformen der Bottenberg'schen Maschine nur ein System von
Fadenspulen oder Klöppel vorgesehen ist, welches zwecks Kreuzung und Zwirnung der
Fäden im geeigneten Augenblick eine Zweiteilung durch eine Mustervorrichtung derart
erfährt, dass die beiden Gruppen von Spulen oder Fäden über- bezw. untereinander
hinweggeführt werden können, besitzt die neueste Maschine von Bottenberg (vgl. D. R. P. Nr. 114756) zwei Spulen-
bezw. Fadensysteme, und zwar ein Kettenfaden- und ein Spul- oder Flechtfadensystem.
Das letztgenannte Fadensystem wird gehoben und gesenkt, ebenso wie bei den Maschinen
des älteren Systems, während das zweite Fadensystem, das Kettenfadensystem, von
feststehenden Spulen (vgl. Fig. 7 unten) abläuft, und
dessen Fäden aus ihrer gestreckten Lage so abgelenkt, d.h. über bezw. unter mehr
oder weniger Fäden des ersteren Systems so hinwegbewegt werden können, dass sie mit
dem letzteren eine Bindung eingehen. Die Arbeitsweise der Maschine lehnt sich also
an diejenige der alten englischen Bobbinetmaschine an, sie unterscheidet sich aber
hinsichtlich ihres konstruktiven Aufbaues von dieser insofern, als die gestreckt
liegenden Kettenfäden nicht in einer Ebene liegen, sondern den Mantel eines
Cylinders bezw. Kegels bilden und die Spulenschlitten nicht in senkrechten, einander
parallelen Ebenen um eine wagerechte Achse schwingen, sondern in den Radialebenen
eines Kegels senkrecht auf- und absteigen. Bottenberg
hat also auch bei seiner neuesten, ausserordentlich sinnreichen Maschine, wie aus
der Abbildung (Fig. 7) klar hervorgeht, den Grundplan
der alten Klöppelmaschine von Henkels beibehalten,
gruppiert also die Fadensysteme und Nadeln zum Festhalten der Fadenkreuzungen um
eine gemeinsame lotrechte Achse und ordnet die Abzugsvorrichtung in dieser Achse an.
Die Maschine erfordert aber, obgleich sie die viel Raum beanspruchenden
cylindrischen Spulen ebenso wie Malhère im Gegensatz zu
den Scheibenspulen der Bobbinetmaschine noch beibehält, weit weniger Raum als eine
alte Klöppelmaschine. Während z.B. eine Maschine alten Systems mit 98 Klöppeln nach
Angaben des Erfinders etwa 2000 mm Durchmesser hat, hat eine solche neuen Systems
mit 152 Fäden nur einen Durchmesser von 1250 mm.
Die die auf- und abbewegbaren Fäden des ersten Systems tragenden Spulen 1 (Fig. 7 und 8, 8a) sitzen mit Hilfe von
Hülsen 6 auf den Stiften 2 und
werden durch Anheben der genannten Hülsen auf die Stifte 3 überführt (Fig.
8 punktiert), indem die Platinen 18 durch
Vermittelung der Hebelverbindung 11 10 12 die Hebel 78 zum Ausschlag bringen (Fig. 8 und 8a). Damit nun nach dem
Anheben der Spulen den Kettenfäden der Durchgang zwischen den Stiften 2 3 nicht versperrt wird, senken sich die Hülsen 6 wieder, bis die Platinenhaken 17 auf das Messer 18a auftreffen, während gleichzeitig Stecher
13 14 15 die gehobenen Spulen allein in ihrer Lage
halten und erst dann freigeben, sobald die Platinen mit ihren Haken 17 durch die Musterkarte vom festen Messer 18a abgestossen
werden (vgl. Fig. 8
punktierte Stellung).
Textabbildung Bd. 316, S. 16
Fig. 7.Bottenberg's Maschine mit zwei
Spulensystemen und einem schwingenden
Spulenring.
Zwischen den inneren und äusseren Stifthaltern 4 und 5 (Fig. 7 und 8) ist in geeigneter Höhe
eine ringförmige Platte 19 horizontal angeordnet, die
mit Schlitzen 20 zur Führung lotrecht stehender
Fadenführer 21für die Kettenfäden versehen ist
(Fig. 7, 8 und 9).
Textabbildung Bd. 316, S. 16
Bottenberg's Maschine mit zwei Spulensystemen und
einem schwingenden Spulenring.
Die Zahl der letzteren ist eine unbeschränkte und ebenso kann
die Länge der
bezeichneten Führungsschlitze eine verschiedene sein. Bei der in Fig. 9 dargestellten Maschine sind die von den Spulen
ablaufenden Kettenfäden in zwei Systeme geteilt, und zwar können die Fäden des einen
Systems in den Führungsschlitzen 20a immer nur zwei, die in Führungsschlitzen
20b
laufenden Fäden dagegen eine ganze Reihe der Spulenfäden 1 kreuzen. Dabei sind die Schlitze 20a so gestellt, dass z.B. Faden I über oder unter die auf Spulen 1 angeordneten Fäden α und
β, der Faden II über
die Spulenfäden β und γ
geführt werden kann. Die Bewegung der Fadenführer erfolgt von Jacquardmaschinen B und C (Fig. 7 und 9) aus in
folgender Weise:
Mit den Platinen der genannten Jacquardmaschinen stehen durch die Hebel 25 25a die
Schnurzüge 23 in Verbindung, welche, über die Rollen
22 geleitet und am freien Ende durch Gewichte 24 belastet, die verschiebbaren Fadenführer 21 in sich aufnehmen (Fig. 10). Durch das
Heben und Senken der Platinen werden unter Mitwirkung der Gewichte 24 die Fadenführer 21 in
ihren Schlitzen nach der einen oder anderen Richtung verschoben, mit ihnen also auch
die Kettenfäden zum Zwecke der Kreuzung der Spulenfäden. Damit nun aber die
Fadenführer der Schlitze 20a nach Bedarf um eine oder
zwei Stellungen in beiden Richtungen bewegt werden können, sind mit jedem
Winkelhebel 25 25a zwei Platinen 26 27 verschiedener Länge
verbunden (Fig.
11).
Die Bewegung der in den Schlitzen 20b liegenden
Fadenführer erfolgt, um die Anzahl der Platinen nicht allzusehr zu vergrössern,
durch eine Art Hubreduktoren 28 (Fig. 12), welche mittels
eines Schaltwerks den Hub der Platinen in eine mehr oder weniger grosse Bewegung der
Fadenführerschnüre 23 umsetzen. Das Schaltwerk besteht
aus einem Schaltrad 29 mit zwei Schaltklinken 30 31, deren eine 31 mit
der Klinke 32 als Gegenklinke wirkt, während die
zweiteKlinke 30 die Schaltung herbeiführt. Beide
Klinken stehen mit den Platinen der Jacquardmaschine in Verbindung und werden, je
nachdem der Fadenführer 21 eine mehr oder weniger
grosse Bewegung machen soll, früher oder später eingelegt bezw. ausgelöst. Eine
Zahnteilung des Schaltrades entspricht der Verschiebung eines Kettenfadens um eine
Spulenteilung.
Textabbildung Bd. 316, S. 17
Fig. 9.Bottenberg's Maschine mit zwei
Spulensystemen und einem schwingenden
Spulenring.
(Schluss folgt.)