Titel: | Vergleichung der beiden Montagekrane der Pariser Weltausstellung. |
Autor: | Fritz Krull |
Fundstelle: | Band 316, Jahrgang 1901, S. 98 |
Download: | XML |
Vergleichung der beiden Montagekrane der Pariser
Weltausstellung.
Von Fritz Krull, Zivilingenieur,
Hamburg.
Vergleichung der beiden Montagekrane der Pariser
Weltausstellung.
Nachdem bereits 1899 314 * 177 und 1900 315 * 714 über die beiden Montagekrane der Pariser
Weltausstellung berichtet wurde, dürfte es nicht uninteressant sein, beide Krane in
den Hauptpunkten einmal miteinander zu vergleichen und zu sehen,in welcher
Weise und wie abweichend voneinander die beiden Firmen Jules
Leblanc in Paris und Karl Flohr in Berlin die
Aufgabe gelöst haben.
Für beide Krane waren die Verhältnisse, denen sie entsprechen sollten, dieselben: sie
sollten eine Tragfähigkeit von 25 t haben und eine Probebelastung von 30 t
aushalten. Da sie als Montagekrane dienen sollten, so war eine grosse
Geschwindigkeit nicht nötig, dagegen eine grosse Genauigkeit der Bewegungen. Die
Hubgeschwindigkeit bei voller Belastung sollte 0,04 m/Sek., die Längslaufgeschwindigkeit 0,5
m/Sek., die
Querlaufgeschwindigkeit 0,3 m/Sek. betragen. Die höchste Hakenstellung war 12,5 m.
Der Kran sollte sich dem Profil der 28 m weiten Halle anpassen, die in der Mitte ein
der Länge nach durchlaufendes Eisenbahngeleis hatte, zu dessen beiden Seiten die
Maschinen aufgestellt waren. Die Gesamtbreite, die der Kran befahren sollte, war auf
22 m (d.h. von der Mitte jederseits 11 m) festgelegt.
Jules Leblanc (nach den Entwürfen von Guyenet) löste nun die Aufgabe in der in D. p. J. 1900 315 * 715
dargestellten Weise, indem er den freien Raum über dem Mittelgeleis ausnutzte und
das Krangerüst als einen Turm ausbildete, der, portalartig das Mittelgeleis
überspannend und das Normalprofil freilassend, auf einem Krangeleis von 6 m
Spurweite fährt und den nach beiden Seiten überkragenden Kranbalken trägt, dessen
einer, 12,5 m langer, Arm zur Aufnahme der Laufkatze dient, während der kürzere Arm
von 9,4 m Länge das Gegengewicht bildet und an seinem Ende einen Ballast von 15 t
trägt. Der ganze Kran hat demnach die Gestalt eines T.
Um auch das Mittelgeleis bestreichen und die auf den Eisenbahnwagen ankommenden
Maschinenteile abheben und an Ort und Stelle bringen zu können, musste der
Kranbalken auf dem Turm drehbar sein. Es waren demnach 4 Bewegungen auszuführen:
Heben, Drehen, Längslauf und Querlauf.
Dass bei dieser Ausgestaltung des Kranes als Turmkran mit frei auskragendem
Kranbalken wegen der bedeutenden Ausladung und Höhe und der grossen Belastung die
Dimensionen der einzelnen Teile sehr gross und das Gewicht des Kranes ein
bedeutendes wurden, war von vornherein zu erwarten. Die auftretenden grossen Kräfte
verlangten eine entsprechend schwere Ausführung: vollwandige Kastenträger für den
Turm und gegitterte Kastenträger für den Kranbalken. Das Eigengewicht des Kranes hat
dadurch denn auch die bedeutende Grosse von 130 t erreicht.
Der frei auskragende Kranbalken wird durch ein Moment von 25 t × 9 m = 225 mt
beansprucht. Der, durch je 2 beiderseits angebrachte gussstählerne Gleitschuhe vom
Kranbalken auf das Krangerüst übertragene, Maximaldruck ist 240 t und wird von 10
(wenigstens 8) stählernen Tragrollen aufgenommen, so dass jede dieser (48) Rollen
einen Druck von 24 bis 30 t bekommt.
Der Vertikaldruck auf eine Turmwand und die darunterliegende Kranschiene setzt sich
zusammen aus der Nutzlast, dem Gegengewicht, dem Eigengewicht fast des ganzen
Kranbalkens und dem halben Turmgewicht und beträgt etwa 100 t. Dieser gewaltige
Druck wird von Doppell auf rädern aufgenommen und auf die Kranschiene übertragen.
Die Konstruktion dieser Laufräder und die eigenartige Verbindung von je 2 Laufrädern
zu einem Doppellaufrad zeigte Fig. 6 D. p. J. 1900 315 * 716.
Um ferner auch die durch Ungenauigkeiten in der Schienenlage möglichen Differenzen
auszugleichen und den Druck auf die Räder gleichmässig zu verteilen, waren die Räder
mit Kugel- und Balancierlagerung versehen (s. Fig. 6 u. 7 ebendaselbst). Auf jeder
Ecke des Krangerüstes waren 2, durch einen Balancier vereinigte, Doppellaufräder
vorhanden, so dass auf jede Turmwand 4 Doppellaufräder (gleich 8 einfachen
Laufrädern) kommen, von denen jedes also den 8. Teil des höchsten Gesamtdruckes,
d.h. \frac{100}{8}=12,5\mbox{ t} aufzunehmen hat. Für diesen Druck waren besonders schwere Schienen,
sogen. Vignolschienen von 48 kg/m nötig, die sehr sorgfältig auf kurzen, in
Abständen von 500 mm auf durchgehendem Cementmauerwerk liegenden, Eichenschwellen
verlegt waren.
Zur Ueberwindung des grossen Fahrwiderstandes genügte die Reibung nicht und war es
nötig, beiderseits die, im Abstand von 160 mm von Mitte zu Mitte, nebeneinander
liegenden Schienen als Sprossenzahnstange auszubilden, in welche ein durch
Wellenleitung, Kegel- und Stirnräder bewegtes Triebrad eingreift (s. Fig. 3, 4, 5, 8
u. 9 a. a. O.).
Der Antrieb erfolgt für den ganzen Kran elektrisch durch Gleichstrom von 220 Volt.
Die Längsbewegung bethätigt ein Hauptstrommotor von 20 PS, der im ersten Geschoss
des Untergestelles angebracht ist und, wie erwähnt, mittels Wellenleitung und
Räderübersetzung die Triebräder der, Sprossenzahnstangen bewegt. Der Querlauf, das
Heben und das Drehen wird durch einen, auf der Plattform der Seitengalerie
aufgestellten kontinuierlich laufenden Nebenschlussmotor von 16 PS bewirkt. Die
durch den Motor getriebene Vorgelegewelle macht 400 Umdrehungen in der Minute und
überträgt durch offene und gekreuzte Riemen die Bewegung auf die Triebwerke (s. Fig.
1 S. 715 a. a. O.). Diese Methode, bei Kranen die Kraft durch Riemen zu über tragen,
ist in Frankreich sehr gebräuchlich und bis etwa 10 PS auch zulässig; der
Riemenbetrieb hat den Nachteil des grösseren Raumbedarfes, aber den Vorteil, dass
Riemen besser zugänglichund leichter auswechselbar sind, als
Reibungskuppelungen, und dass sie ohne Geräusch arbeiten; ausserdem haben
Riementriebe und Räderübersetzungen nur etwa zwei Drittel soviel Reibungswiderstand,
wie Schneckengetriebe, aber doppelt soviel Massenwiderstand. Durch Anordnung von
Wechselrädern mit Reibungskuppelungen, die durch Spindel- und Handrad bewegt werden,
ist eine Aenderung der Bewegungsgeschwindigkeiten möglich. Das lose Kettenende
wickelt sich auf eine Blechtrommel, die durch einen gleitenden Riemen mit
gewichtsbelasteter Spannrolle angetrieben wird; beim Rücklauf wirkt der gleitende
Riemen als Bremse.
Im Führerstande befindet sich unten der als Strassenbahnfahrschalter (sogen.
Kontroller) ausgebildete Umkehranlasser für den Längslaufhauptstrommotor; darüber
liegt der einfache Anlasser für den Nebenschlussmotor der drei übrigen Bewegungen,
die durch die davorsitzenden drei Hebel zur Bewegung der Einrückgabeln für die
Riemen bethätigt werden; dabei ist die Steuerung für das Hubwerk gleichzeitig mit
einer Bandbremse verbunden. Die Kuppelungen der Wechselräder zur Herstellung
verschiedener Bewegungsgeschwindigkeiten werden durch das vom Führerstand aus bequem
erreichbare Handrad bewegt.
Die sekundliche Geschwindigkeit für den Längslauf ist bei voller Last 0,07 m bis 0,3
m und bei unbelastetem Kran 0,4 m. Der Querlauf erfolgt mit einer sekundlichen
Geschwindigkeit von etwa 0,2 m und die Hubgeschwindigkeit bei Lasten bis 10 t mit
etwa 0,035 m beim Heben und 0,04 m beim Niederlassen, bei Lasten bis 30 t mit 0,02 m
beim Heben und 0,055 m beim Niederlassen.
Der Reibungswiderstand für den Längslauf hat den Wert von 2,5 t und der Massen
widerstand einen Wert von 3,1 t, wenn man annimmt, dass der Anlaufweg gleich der
Längslaufgeschwindigkeit und die Beschleunigung eine gleichförmige ist.
Eine wesentlich andere Lösung der gestellten Aufgabe ist der Kran von Karl Flohr in Berlin (s. Fig. 1, 6 u. 7 D. p. J. 1899 314 *
179).
Schon der äussere Eindruck ist ein gefälligerer und, während der Leblanc'sche Kran das Aussehen eines langsamen,
schwerfälligen Kolosses hat, macht der Flohr'sche Kran
den Eindruck eines behenden, flinken Gehilfen. Diesem Aussehen entsprechend, sind
auch die Kräfte geringer und die Bewegungen rascher.
Der Flohr'sche Kran ist als Bockträger von 27,6 m
Spurweite ausgebildet, wobei die Kranschienen ganz an die Aussenwände der Halle
gelegt sind. Es musste hierfür beiderseits ein Raum von etwa 0,5 m freigelassen
werden, wodurch der Mittelgang der Halle entsprechend schmäler wurde.
Die Eisenkonstruktion des Kranes ist als Dreigelenkträger ausgeführt, bei dem der
Horizontalschub durch ein, als Gitterträger ausgebildetes, Zugband aufgenommen wird,
das gleichzeitig die Laufkatze trägt. Durch eine am oberen Drehpunkt des
Dreigelenkträgers angreifende, in Kreuzverband ausgeführte Hängewand wird die Mitte
des Zugbandes unterstützt, wodurch einerseits die ganze Konstruktion wesentlich
versteift wird, andererseits aber die das Zugband bildenden Träger nur für die
Hälfte der Spannweite berechnet zu werden brauchen.
Die Beanspruchung des Kranbalkens erfolgte durch ein Moment 12,5 t × 12,5 m = 156 mt.
Infolge dieser Verringerung der Beanspruchung und der dadurch gegebenen Reduktion
der Dimensionen, sowie durch die Ausbildung der ganzen Konstruktion als Gitterwerk
ergibt sich das Eigengewicht des ganzen Kranes zu 90 t. Der Druck auf den Portalfuss
und die Kranschiene setzt sich zusammen aus Nutzlast, dem Eigengewichte des
Hubwerkes und dem halben Gewichte des Portales und erreicht den Höchstwert von rund
80 t. Dieser Druck wird von 4 (auf je 2 Wagen mit je 2 Doppellauf rädern ruhenden)
Balken aufgenommen. Unter jeder Ecke des Krangerüstes befindet sich ein solcher
Tragbalken, so dass jede Ecke auf 2 Wagen, also auf 4 Doppellaufrädern (gleich 8
einfachen Laufrädern) ruht, demnach auf einer Portalseite sich 16 Laufräder
befinden. Auf 1 Laufrad kommt also der 16. Teil der Maximallast einer Seite, d.h.
\frac{80}{16}=5\mbox{ t}. Bei diesem verhältnismässig geringen Drucke genügten Schienen
gewöhnlichen Profiles. Ferner konnte, da die Reibung für die Fortbewegung
ausreichte, von der Ausbildung der Schienen als Sprossenzahnstangen abgesehen
werden, und genügte der Antrieb der 4 inneren Laufradwagen durch Wellenleitung,
Zahnrad- und Schneckengetriebe.
Ein ganz wesentlicher Vorteil der Ausgestaltung des Kranes als Bockkran liegt aber
darin, dass nur 3 Bewegungen nötig sind, nämlich Heben, Querlauf und Längslauf, dass
also die Drehbewegung mit ihren schweren Konstruktionen und ihren
Bewegungsmechanismen fortfällt und damit die ganze Konstruktion ganz bedeutend
vereinfacht wird.
Die durch Gleichstrom von 220 Volt betriebenen Motoren sind von der Union Elektrizitätsgesellschaft in Berlin geliefert und
werden von dem am Fusse des Kranbalkens befindlichen Führerstande aus bethätigt.
Jede einzelne der Bewegungen wird durch einen besonderen Motor bewirkt. Die
Längsbewegung bethätigt ein umsteuerbarer Hauptstrommotor von 26 PS, der 115 Touren macht und, wie
oben erwähnt, mittels Wellenleitung, Kegelräder- und Schneckengetrieben die Bewegung
auf die 4 inneren Laufradböcke überträgt; die Uebersetzung ist 1 : 7,5. Der Motor
hat seinen Platz auf der Galerie der Laufkatzenträger.
Die Hubbewegung bewirken 2 auf der Laufkatze nebeneinander montierte Motoren von je
18 PS, die mit 450 Touren pro Minute umlaufen und bei einer, durch Stirnräder und
Schneckengetriebe bewirkten Uebersetzung von 1: 88 eine Hubgeschwindigkeit von 0,04
m/Sek.
hervorbringen.
Für den Querlauf ist ein Motor von 8 PS vorhanden, der sich auf der Laufkatze
zwischen den beiden Hubwerksmotoren befindet und in der Minute 500 Touren macht; die
durch Stirnräder und Schneckengetriebe bewirkte Uebersetzung ist 1 : 43,4.
Der Strom wird dem Krane durch eine längs der Halle hinlaufende Kontaktschiene
zugeführt; die Hubwerksmotoren und der Querlaufsmotor bekommen den Strom durch die,
zwischen den Laufkatzenträgern liegenden, Kontaktleitungen. Die Steuerung der
Motoren erfolgt unter Benutzung von Graphitwiderständen.
Die Längslaufgeschwindigkeit ist 0,5 m/Sek.; die Hubbewegung hat eine Geschwindigkeit von
0,04 m/Sek. bei
belastetem Haken und von 0,06 m/Sek. bei leerem Haken; die sekundliche
Geschwindigkeit des Querlaufes ist 0,3 m.
Infolge des bedeutend geringeren Gewichtes ist der Reibungswiderstand beim Längslauf
wesentlich geringer als bei Leblanc, nämlich nur 1,75
t; ebenso ist der Massenwiderstand nur 2,875 t, bezogen auf 0,5 m Anlaufweg. Und
dabei ist die Längslaufgeschwindigkeit fast doppelt so gross, als bei Leblanc (nämlich 0,5 m Sek. gegen 0,3 m/Sek-).
Stellen wir nun zum Schluss beide Krankonstruktionen einander gegenüber, so ergibt
sich folgendes:
Leblanc's Kran ist als Turmkran mit frei auskragendem
Kranbalken ausgeführt und das Krangerüst in vollwandigen Kastenträgern, der
Kranbalken als gegitterter Kastenträger ausgebildet;– Flohr's Kran ist als Bockkran konstruiert und als ein Dreigelenkträger in
leichtem Gitterwerk durchgeführt.
Leblanc's Kran macht einen schwerfälligen plumpen
Eindruck; – Flohr's Kran sieht leicht und beweglich
aus.
Leblanc's Kran wiegt rund 130 t; – Flohr's Kran wiegt 90 t.
Bei Leblanc wird der Kranbalken durch ein Moment von 225
mt beansprucht; – bei Flohr ist das Moment 156 mt.
Bei Leblanc ist der Höchstdruck auf seine Kranseite 100
t; – bei Flohr ist derselbe 80 t.
Bei Leblanc ist der Höchstdruck auf jedes der Laufräder
und die Schiene 12,5 t; – bei Flohr ist der Druck 5
t.
Bei Leblanc müssen besonders schwere Schienen verwendet
werden; – bei Flohr genügen Schienen gewöhnlichen
Profiles.
Bei Leblanc genügt die Reibung für die Bewegung nicht
und müssen daher die Schienen als Sprossenzahnstangen ausgebildet werden; – bei Flohr reicht die Reibung zur Bewegung aus und genügt
zur Bewegung der Antrieb der Hälfte der Laufräder; Sprossenzahnstangen sind bei Flohr nicht vorhanden.
Bei Leblanc ist der Reibungswiderstand beim Längslauf
2,5 t; – bei Flohr ist er 1,75 t.
Bei Leblanc ist der Massenwiderstand 3,1 t; – bei Flohr ist derselbe 2,875 t.
Leblanc's Kran hat bei Belastung eine
Maximalgeschwindigkeit von rund 0,3 m/Sek. für den Längslauf, von 0,2 m/Sek. für den
Querlauf und von 0,035 m/Sek. für die Hubbewegung; – der Flohr'sche belastete Kran hat eine
Maximalgeschwindigkeit von 0,5 m/Sek. für den Längslauf, von 0,3 m/Sek. für den
Querlauf und von 0,04 m/Sek. für den Hub.
Leblanc's Kran macht 4 Bewegungen: Heben, Drehen,
Längslauf und Querlauf; – Flohr's Kran hat nur 3
Bewegungen: Heben, Längslauf und Querlauf, manöveriert also rascher. Ganz besonders
aber kommen die schweren Konstruktionen und der Ballast, wie sie die Drehbewegung
verlangt, in Fortfall.
Es unterliegt nach dieser Zusammenstellung wohl keinem Zweifel, dass die Lösung der
Aufgabe durch die Firma Flohr die geschicktere und in
jeder Beziehung vorteilhaftere ist.