Titel: | Die Gasbeleuchtung auf der Pariser Weltausstellung. |
Autor: | Fr. Liebetanz |
Fundstelle: | Band 316, Jahrgang 1901, S. 125 |
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Die Gasbeleuchtung auf der Pariser
Weltausstellung.
Von Fr.
Liebetanz-Düsseldorf.
(Schluss von S. 108 d. Bd.)
Die Gasbeleuchtung auf der Pariser Weltausstellung.
Am reichhaltigsten dürfte von französischen Firmen die Compagnie anonyme continentale pour la fabrication des compteurs au gaz et
autres appareills in Paris ausgestellt gehabt haben. In der Abteilung für
Ingenieurwesen führte sie grössere, im Gaspavillon und im Elektrizitätspalast
kleinere Apparate vor. Von Interesse waren namentlich die Gaswäscher System Kirkham, Hulett und Chaudler, welche eine besonders
rationelle Waschung des Gases bewirken sollen. Je inniger die Berührung des Gases
mit dem Waschwasser ist, desto besser und intensiver wird das Ammoniak aus dem Gase
entfernt; natürlich muss diese Prozedur unter möglichster Zeitersparnis von statten
gehen. An Stelle der üblichen Holzstäbe oder Blechstreifen, die in den
verschiedensten Lagenverbunden, die thunlichst innige Berührung des Gases mit
dem Wasser bewirken sollen, indem dem Gase immer wieder frischbenetzte Teile
dargeboten werden, verwendet obige Firma Mulden, die so zu Paketen verbunden sind,
dass sie bei der Bewegung durch das Wasser immer etwas gefüllt bleiben und das Gas
auch teilweise in die Flüssigkeit hineindrängen bezw. mitnehmen. Hierdurch wird
erreicht, dass dem neu einströmenden Gas nicht nur wie bisher benetzte Flächen
dargeboten werden, an die sich das Ammoniak ablagern kann, sondern eine ganze Anzahl
einzelner Flüssigkeitsbehälter, und gleichzeitig wie sonst benetzte Flächen. Ein
stehender Wascher neuester Konstruktion soll einen noch erheblich grösseren
Nutzeffekt ergeben. Aufmerksamkeit zog der von der Pariser Gesellschaft für einen
Teil des
Kontinentes fabrizierte neue Cyanwäscher von Dr. Bueb
in Dessau auf sich, von dem man sich viel verspricht. Die Cyanwäsche, d.h. die
Gewinnung des Cyans durch Waschen des Gases, ähnlich der Ainmoniakwäsche, hat durch
das Verfahren des Genannten dadurch eine rationelle Vervollkommnung erhalten, dass
nach dieser Methode anstatt des bisherigen lockeren Cyanschlammes, wie in den
englischen und holländischen Gasanstalten, ein unlöslicher Schlamm erhalten wird.
Das Verfahren erfordert die nicht zu grosse Abkühlung des Gases und ferner als
wesentlichste Bedingung, dass das Ammoniak noch im Gase enthalten sein muss, während
nach den älteren Verfahren umgekehrt das Ammoniak erst entfernt wird, ehe das Gas
den Oyanwascher passiert. Das Cyan wird an die chemischen Fabriken verkauft.
Als Konzessionärin von Pelouze und Audouin's bekannten
Kondensationsapparaten, führte dieselbe Gesellschaft das neueste Modell derselben
vor. Diese Apparate haben den Zweck, die letzten Spuren von Teer und Feuchtigkeit
aus dem Gase zu entfernen, was auf die Weise erreicht wird, dass das Gas gezwungen
wird, wiederholt auf eine feste Fläche anzuprallen. Die Apparate ersetzen die
Skrubber mit Füllungen von Koks, Kies, Spänen u. dgl, sind nicht so voluminös wie
diese, liefern eine bessere Teerausbeute und bilden einen guten Schutz gegen
Naphthalinverstopfungen.
Das Gas stösst beim Eintritt in das Innere des Apparates zwischen kleine Löcher
hindurch, welche in eine Blechhaube gebohrt sind, gegen eine zweite Haube, die mit
feinen Schlitzen versehen ist; bei dem Stoss auf die feste Wand bleiben Teer und
Feuchtigkeit zurück. Bei dem neuen Modell ist nun die Haube in ihrer Achsenrichtung
rechtwinklig in vier Teile getrennt, so dass vier Einzelglocken entstehen, die
senkrecht zu einer einzigen zusammenpassen. Der Nutzeffekt wird hierdurch
erklärlicherweise wesentlich gehoben. Im Gaspavillon war ausserdem die Firma mit
einem Gasmesser für 30 Flammen, System Siry Lizars und
Co., mit unveränderlichem Masse bei sinkendem Wasserstande (Fabrikanten für
die beiden letzteren Apparate sind für Deutschland Schirmer,
Richter und Co. in Leipzig-Connewitz). mit einem Photometer von Dumas und Regnault, ferner mit Manometern,
Druckreglern, Experimentiergasmessern, Druckregistrierapparaten u.s.w. vorteilhaft
vertreten.
Die Compagnie pour l'Élairage des Villes in Paris hatte
gleichfalls die verschiedensten Apparate, ähnlich der vorgenannten Gesellschaft
ausgestellt, doch weniger reichhaltig.
Sonst waren meistens nur Pläne, kleinere Zeichnungen, Photographien von
Steinkohlengasanlagen oder -Apparaten ausgestellt, so u.a. von der Compagnie parisienne d'e'clairage et de chauffage par les
gas in Paris, der Firma Graham, Morton und Co.
in London u.a.
Textabbildung Bd. 316, S. 126
Selbstzünder von Daval.
Von Selbst- und Fernzündern waren eine ganze Anzahl
vorhanden, so z.B. der Selbstzünder von J. Daval in
Paris, der in bekannter Weise auf dem Cylinder angeklemmt wird und aus einer
Zündpille besteht, die über dem in eine Glimmerscheibe geschnittenen Loche schwebt,
die vor dem Anzünden (Fig.
7) auf der Cylinderöffnung aufliegt und nach dem Zünden (Fig. 8), welches durch
Berühren der Pille mit dem aufsteigenden Gase vor sich geht, sich von der Oeffnung
des Cylinders durch die aufsteigende Wärme entfernt.
Leo Eliasson in Paris hatte einen elektrischen
Fernzünder im ersten Stock des Gaspavillons ausgestellt, dersicher
funktionierte, aber nichts Neues bot. Ganz versteckt auf der Invalidenesplanade war
ferner dauernd ein Selbstzünder zu sehen, den E. M.
Neufeld aus Neuilly-sur-Seine vorführte. Das Verfahren der Gaszündung ist
dadurch gekennzeichnet, dass im Bereich des ausströmenden Gases zwei Substanzen
angeordnet sind, von denen die eine bei gewöhnlicher Temperatur Gas absorbiert und
dadurch erhitzt wird, worauf die Hitze sich auf die andere Substanz überträgt, die
erst im erhitzten Zustande Gas absorbiert und dadurch glühend wird, so dass eine
Entzündung des Gases stattfindet.
Von den übrigen Beleuchtungsarten war die Acetylenbeleuchtung in überraschender Fülle und Reichhaltigkeit vertreten
– und merkwürdig, es war die einzige von allen Beleuchtungsarten, ausser der
elektrischen, die es zu einer abgeschlossenen Spezialausstellung gebracht hatte. Die
Acetylenindustrie hatte sowohl in der Hauptausstellung, und zwar auf der
Invalidenesplanade eine abgerundete Vorführung ihrer Erzeugnisse veranstaltet, als
auch in Vincennes in einem eigenen Gebäude eine Ausstellung innerhalb dieser
Hauptausstellungsfiliale eingerichtet. Allerdings wurden dort nur französische
Apparate vorgeführt und auch an der Invalidenesplanade waren keine fremdländischen
Aussteller vorhanden, aber immerhin waren beide Vorführungen interessant. Hierzu kam
auch eine grössere öffentliche Beleuchtung an dem beiderseitigen Seineufer an der
Alexanderbrücke, woselbst 2000 Flammen brannten, weshalb die Acetylenindustrie mit
dem auf der Pariser Ausstellung erreichten Erfolge sehr zufrieden sein kann. Für die
Beleuchtung der Seineufer waren beiderseits besondere Entwicklerhäuschen errichtet,
von denen aus die Leitung, gestützt von Kandelabern, die gleichfalls mit
Acetylenbrennern versehen waren, freischwebend in Guirlandenform bis unter die
Brücke geführt wurde. Der Effekt von der Brücke aus war des Abends ein
ausgezeichneter; die Brücke selbst und das umliegende Ausstellungsterrain war mit
elektrischen Bogenlampen, die angrenzenden Strassen mit Gasglühlicht beleuchtet, so
dass man teilweise Vergleiche anstellen konnte. Bedauerlicherweise funktionierte
diese Anlage nicht jeden Abend. Sowohl durch diese Anlage, als durch die Ausstellung
selbst, hat sich die Acetylenbeleuchtung viele neue Freunde erworben.
Was die ausgestellten Apparate anlangt, so war wenig Neues unter der grossen Masse zu
finden, aber neben vieler leichten Arbeit zeigten sich gediegene, gut
durchkonstruierte Apparate, denen man volle Anerkennung zollen musste. Auch diese
Ausstellung bewies, dass die minderwertigen Apparate mehr und mehr verschwinden,
nachdem sie so manchen Unfall herbeigeführt und die Kritik herausgefordert hatten,
die dann auf die gesamte Industrie übertragen wurde. Die Fabrikanten solider
Apparate haben auch die Freude, dass sie durchweg viel bessere Geschäfte auf der
Ausstellung machten, als die Aussteller minderwertiger Erzeugnisse, und zwar trotz
den natürlich höheren Preisen. Durch die Erfahrungen gewitzigt, dürften bald nur die
solidesten Apparate das Feld behaupten, und hiermit wird die Acetylenindustrie in
ein Stadium treten, das erst ihre grosse Bedeutung klarlegen wird. Die bisherige
Abneigung beginnt immer mehr zu weichen und die auf die Hälfte ihres früheren
Standes gefallenen Karbidpreise werden dazu beitragen, dieses schöne Licht, diese
ideal einfachen Gasanstalten zu verbreiten.
Bouché-Roullet in Chinon (Indre-et-Loire) hatte
beistehend abgebildeten Apparat (Fig. 9) ausgestellt,
der, wenn auch nicht im Prinzip, so doch in der Verwendung desselben für die
Acetylenerzeugung neu war. Das Karbid befindet sich in dem offenen Cylinder D, dessen loser Boden durch die Stange F mit dem Kolben E
verbunden ist, der in dem Druckcylinder C gleitet. Beim
Fallen der Gasbehälterglocke B strömt Druckwasser durch
Ventile L und I in den
Cylinder C, der Kolben wird hierdurch gehoben und mit
ihm die Stange F und der auf dieser sitzende Boden, der
entsprechend seinem Hochgang das auf ihm lagernde Karbid aus dem Cylinder D hinaus-und durch die Verlängerung H desselben in den Wasserbehälter T stösst. Das entwickelte Gas steigt durch das
Entwickelungswasser in die Glocke B, diese hebend und
sodann durch das Rohr B und den Haupthahn N zu den Brennern bezw. den Reinigungs- und
Trocknungsapparaten. Der entstellende Kalkschlaram wird durch Heben der Kugel an dem
Ablass M entfernt und durch den Auffang S abgeleitet.
Textabbildung Bd. 316, S. 127
Fig. 9.Acetylenapparat von Bouché-Roullet.
Textabbildung Bd. 316, S. 127
Fig. 10.Acetylenapparat von Wilhelm.
Der Apparat von C. Wilhelm in Marseille (Fig. 10) arbeitet ohne beweglichen Gasbehälter auf
folgende Weise: Aus dem Bassin I fliesst Wasser in den
Behälter K, der durch einen festen Boden von dem
Gasbehälter D getrennt ist, und von diesem durch XrmE in den Entwickler A,
wo es zunächst die unterste Karbidschicht zersetzt. Das entwickelte Acetylen tritt
nach Oeffnen des Hahnes L in die Kühlschlange des
Bassins I und aus diesem durch Kondensator B und Reiniger C in den
Gasbehälter D; es strömt sodann aus diesem durch den
geöffneten Hahn p in den Druckregler F und hierauf nach den Brennern. Soll der Apparat
ausser Betrieb gesetzt werden, so wird der Hahn m
geschlossen, worauf zu dem Karbid Wasser nicht mehr zu gelangen vermag. Die bei dem
gleichzeitigen Abdrehen der Flammen entstehende Nachentwickelung von Gas soll
höchstens eine Zusammenpressung bis auf 1 at Druck erleiden, da die Karbidquanten
nur so gross gewählt sind, dass die Zersetzung einer Schicht der für die
vollständige Füllung des Gasometers erforderlichen Gasmenge entspricht.
Dieser Apparat ist insofern als neu zu betrachten, weil er noch nirgends beschrieben,
noch auf einer grösseren Ausstellung vorgeführt wurde und weil die Konstruktion
durch die Einbeziehung des Druckreglers in dieser Anordnung bisher unbekannt war.
Dennoch ist der Apparat nicht unbedenklich, da bei diesem System die Temperatur des
entwickelten Gases eine ziemlich hohe ist.
Sonst war nichts besonders Neues vorhanden; eine Reihe der vorhanden gewesenen
Apparate ist überdies bereits in dem vorjährigen Bericht über die Budapester
Ausstellung in diesem Journal beschrieben und abgebildet, sodie Apparate von
J. Besnard in ParisD. p. J. 1899 314 7., von der Urbaine, Gesellschaft für Acetylenbeleuchtung in
ParisIbid. S.
44., ferner die in der Motorenausstellung in Vincennes plazierten
Apparate von Wegmann-Hauser in ZürichIbid. S. 132., von Pärli und Brunschwyler in Biel und von August Lindholm in StockholmIbid. S. 58.. Von ausländischen
Ausstellern waren ausser den drei vorgenannten nur noch C.
Krebs in Biel, Gustav Geissler in Bern
(Acetylenbrenner), G. Meyer und Co. in Zürich mit einem
an eine Akkumulatorenbatterie gemahnenden Apparat, die Svenska Acetylenbelysnings Compagnie in Malmö und La Photolithe in Lüttich, sowie die Barcelonaneser Firma Costa y Ponces mit einem schnurrigen Apparat in der
kunstgewerblichen Abteilung auf der Invalidenesplanade erschienen.
Schon aus diesen wenigen bisherigen Andeutungen erhält man einen Begriff von der
Zerrissenheit im Arrangement der ganzen Weltausstellung. Gasapparate waren im
Gaspavillon, in den verschiedenen Abteilungen für Ingenieurwesen am Marsfelde, in
der elektrotechnischen Abteilung ebenda, auf der Invalidenesplanade in der ganz
versteckten französischen Klasse 75, in Vincennes in der Spezialausstellung und
endlich in dem Gebäude für Kleinmotoren plaziert.
In dem letzteren Gebäude erweckte eine vollständige Anlage zur Erzeugung von Holzgas Interesse, welche von der Compagnie du Gaz H. Riche in Paris vorgeführt wurde und
in Fig. 11 bezw. 11a
in dem wesentlichsten Teile veranschaulicht ist. Das Verfahren beruht in der
Hauptsache auf der Vergasung von Holz und Holzabfällen, jedoch werden zu der
Gaserzeugung auch Abfälle anderer Art, je nach der Gegend, wo die Anlage errichtet
wird, verwendet, z.B. Reishülsen, Torf, Lohe, Laub, Kehricht u.s.w. In der Abbildung
ist rechts eine Retorte gezeichnet, von denen der komplette Ofen, dessen
Vorderansicht und Grundriss aus den beiden linken Abbildungen ersichtlich ist, sechs
besitzt. F ist der Feuerraum, J der den gusseisernen Cylinder I
umschliessende Heizschacht, aus dem die Feuergase durch den Kanal K in den Schornstein entweichen. B ist der Regulierungsschieber für die Verbrennung. Die
Temperatur in dem Heizschacht wird dauernd auf 900° erhalten, wobei die Destillation
des Holzes etc. glatt von statten geht. Das Gas tritt unten bei P aus dem Destillationscylinder aus und in das Rohr O und S, und nachdem es
den Wascher Q passiert hat, in den Gasbehälter und von
dort zu den Brennern. Eine Reinigung des Gases war in Vincennes nicht zu sehen und
es brannte recht gut, aber man wird sie wohl doch nicht unter allen Umständen
umgehen können, denn die einfache Waschung des Gases selbst unter Zusatz einzelne
Unreinigkeiten absorbierender Substanzen, kann unseres Erachtens für die Dauer und
für einen rationellen Betrieb nicht vorhalten. Das so erzeugte Gas besitzt dieselbe
Leuchtkraft wie Kohlen gas, auch lässt es sich für Glühlicht verwenden, aber dennoch
scheint uns die Bedeutung desselben weniger auf dem Beleuchtungsais auf dem
motorischen Gebiete zu liegen. Thatsächlich wird es in den mehr als 50 Anlagen,
welche die Gesellschaft in und um Paris und im übrigen Frankreich und teilweise auch
im Auslande nach diesem System einrichtete, auch vorwiegend als Treibkraft
verwendet. Leider waren über die Betriebskosten an Ort und Stelle keine genauen
Zahlen zu erhalten, nur so viel wurde uns mitgeteilt, dass 100 kg halbtrockenes
Holz, zu deren Vergasung 40 kg Kohle oder die entsprechende Menge eines anderen
Heiz-materiales erforderlich sind, die erstaunliche Menge von 80 cbm Gas zu liefern
vermögen, wobei 18 bis 20 kg Holzkohle, etwa 4 kg Teer und etwa 50 l Holzessig als
Nebenprodukte verbleiben. Bisher lauteten die Angaben auf 40 cbm Gas von 100 kg
Holz. Die Verbrennung des Gases für Beleuchtungszwecke geht in Brennern mit 1 mm
grossen Ausströmungsöffnungen unter einem Druck von 6 bis 8 mm Wassersäule vor
sich.
Zur Erzeugung einer Hefner-Kerze sollen 5 l Gas erforderlich sein. Das Verfahren von
Riche soll eine weit bessere Ausnutzung des zu
vergasenden Materials gewährleisten, wie das alte Verfahren der Holzgasherstellung,
die wir bekanntlich Pettenkofer verdanken.
Textabbildung Bd. 316, S. 128
Fig. 11.Retortenofen Riche zur Holzgasbereitung.
Die Luftgasbeleuchtung, neuerdings unter dem Namen
Aerogengasbeleuchtung, hatte man sowohl in Vincennes als auch in der
Acetylenabteilung der Invaliden-Esplanade vorgeführt und zwar hatte man sich
ersichtlich angestrengt, um das alte Gas mit dem neuen Namen im besten Lichte
erscheinen zu lassen. Komisch mutet es an, dass zwar die verschiedensten
Erzeugungsmethoden für Luftgas ausgearbeitet und auch praktisch angewendet werden,
aber immer wieder unter falschem Namen; fast jede Firma, die sich mit
Luftgasbeleuchtung befasst, hat ihre eigene Bezeichnung hierfür. Warum gerade das
Luftgas zu diesen absurden Verdrehungen verurteilt ist, erscheint nicht ohne
weiteres erklärlich zu sein, denn wenn man damit der Antipathie gegen dasselbe zu
begegnen meint, so irrt man sich in dem Mittel; ganz ebenso wäre es doch unklug,
z.B. das Acetylen mit Rücksicht auf die ihm noch teilweise entgegengebrachte
Antipathie unter einem anderen Namen einzuschmuggeln. Nachdem man die Bezeichnungen
Luftgas, Gasolingas, Karburin, Heliogen u.s.w. als veraltetansah, ging man
jetzt zu dem Namen Aerogengas über. Abgesehen hiervon, muss man der Pariser Compagnie du Gaz Aérogène alle Anerkennung für die
Bemühung zollen, diesem Gase auch auf der Weltausstellung wenigstens einigermassen
Geltung verschafft zu haben. Der Hauptteil dieser Gaserzeugung ist der Karburator,
den wir in Fig. 12 im
teilweisen Längsschnitt und in Fig. 13 im Querschnitt
darstellen. Der Apparat besteht aus einem liegenden in zwei Fächer B und C geteilten
Metallcylinder A, der allseitigverschlossen ist.
Textabbildung Bd. 316, S. 128
Fig. 11a.Vertikalschnitt einer Retorte des Riche-Ofens.
In dem Fach C, das durch eine
geeignete Vorrichtung aus einem Reservoir stets in gleicher Menge mit
Kohlenwasserstoff (Gasolin) gespeist wird, dreht sich eine Spiralpumpe E1E1, welche die
Flüssigkeit mit der Luft innig vermischt und unter Druck bringt. Das auf diese
einfache Weise bereitete Gas strömt mit der nicht verdunsteten Flüssigkeit durch die
Kanäle K in das Fach B,
aus dem es durch einen Druckregulator bei H in die
Gebrauchsleitung geführt wird. Die auf diesem Wege mitgerissene Menge des
Karburierungsmittels tritt unterhalb des Faches B in
das U-Rohr E und gelangt
durch den linken Schenkel desselben in das Fach C
zurück. Die Zuführung des Karburiermittels erfolgt unterhalb des Faches C bei dem Stutzen F,
während bei L ein nicht gezeichnetes Rohr eingeschraubt
ist, das mit dem Behälter des Karburiermittels, einer Mariotte'schen Flasche behufs Druckregulierung verbunden ist. Die
Spiralpumpe besteht aus vier nebeneinander auf der Trommel C aufgewickelten Rohren, deren offene Schöpfenden h1h2h3h4, am Anfange der Trommel regelmässig verteilt und
tangential gerichtet sind, während die Austrittsenden l1l2l3l4 der einzelnen Rohrspiralen radial gestellt sind.
Die Aussenluft wird bei S eingeführt und die Drehung
der Trommel C mit der Karburierschlange mittels eines
Heissluftmotors durch Vermittelung der links ersichtlichen Schnurscheibe bewirkt.
Der Uebersichtlichkeit wegen geben wir in Fig. 14 die
Gesamtanordnung einer Anlage wieder, wobei A das Mariotte-sche Füllgefäss, B den vorbeschriebenen Karburatorkompressor, C den Druckregulator und abcdefgh die
verschiedenen Leitungen bezeichnen, und zwar ab die
Speiseleitung, cd diejenige zum Druckausgleich und efgh die Gasleitung.
Textabbildung Bd. 316, S. 129
Aerogengas-Karburatorkompressor.
Mit Bezug auf die vermutliche Nachproduktion von Gas nach dem Ausdrehen der Brenner
sei folgendes bemerkt: Steigt der Druck in der Leitung, was bei dem Abdrehen der
Brenner der Fall sein wird, über eine bestimmte Grenze, so wird die Gasabführung
selbstthätig abgeschlossen, das Gas strömt durch die Schläuche aus dem Fach B in das Fach C zurück,
das Ventil schliesst sich, so dass kein Gas aus dem nun völlig geschlossenen Apparat
auszuströmen vermag und infolge der Druckzunahme wird die Leistung der
Karburierschlange nach und nach gleich Null. Es fragt sich nur, wie gross der Druck
unter Umständen werden kann. denn wenn er ein bestimmtes Mass überschreitet, ist der
Apparat nicht unbedenklich. Diesem Uebelstande kann man natürlich auf einfache Weise
durch Verwendung eines Gassammlers begegnen, was bei den meisten Anlagen wohl auch
geschehen dürfte. In Frankreich und den übrigen europäischen Ländern bestehen
bereits eine grössere Anzahl Aerogengasanlagen für Beleuchtungs, aber auch teilweise
für motorische Zwecke.
Textabbildung Bd. 316, S. 129
Fig. 14.Gesamtanordnung einer Anlage zur Erzeugung von Aerogengas.
Auch ein anderes künstliches Licht der allerjüngsten Zeit war in der vollgepropften
Abteilung der Klasse 75 auf der Invaliden-Esplanade zu sehen: das Washington-Licht. Dasselbe hat den Namen von seinem
Erfinder Georges Washington in Brüssel, dem das
Verfahren auch in Deutschland patentiert ist. Die Erfindung besteht in einem
Verdampfer für Petroleumglühlichtbrenner, der zurGattung derjenigen gehört,
deren Brennstoff in einer aufwärts durch den Flammenbereich geführten Retorte
vergast wird, sich vor diesen aber dadurch auszeichnet, dass die Rückkehr des
Brennstoffes nach unten, die sonst vorgesehen ist, nicht stattfindet, derselbe
vielmehr nach oben durchtritt. Oberhalb der Flamme befindet sich der Luftzutritt,
und das Gasluftgemisch wird durch seitliche Mischrohre nach abwärts zum Brenner
geführt. Fig. 15 stellt
eine besondere Ansicht der Retorte, Fig. 16 einen Aufriss
des vollständigen Brenners dar. Die Retorte besteht aus einer geraden Röhre c von verhältnismässig grossem Durchmesser. Das
Petroleum tritt in diese Retorte an dem einen Ende ein, während der überhitzte
Petroleumdampf am anderen Ende durch die enge Oeffnung o entweicht, die in einem abnehmbaren Mundstück b vorgesehen ist. Der Austritt des vergasten Petroleums kann nach Bedarf
durch eine Nadel a reguliert werden, die durch eine
geeignete Bohrung des Verbindungsstückes r eingeführt
wird, welch letzteres die Verbindung der Retorte mit einem unter Druck stehenden
Petroleumbehälter herstellt. Die Nadel a kann durch
einen Hebel l oder auch durch eine Regulierschraube
bethätigt werden. Die in der Retorte erzeugten Petroleumgase werden von den
Leitungen t aufgenommen, die verhältnismässig grosse
Durchmesser besitzen und mit Luftöffnungen n versehen
sind. Die Leitungen t vereinigen sich in ihrem unteren
Teil mit dem Kopfe des Brenners, der auf der Retorte c
verschiebbar ist. Die Petroleumdämpfe mischen sich hier nochmals mit Luft und kommen
zu dem Brenner oberhalb des Metallsiebes m. Der
Glühstrumpf p wird von der Stütze k, die an dem Kopfe des Brenners befestigt ist,
getragen. Er umgibt die Retorte c vollständig, während
die Flamme, welche ihn zum Glühen erhitzt, gleichzeitig die Verdampfung der Retorte
unterhält. Sobald bei Inbetriebsetzung die Verdampfung eintritt, regelt man den
Austritt der Gase durch das Mundstück o mit Hülfe des
Hebels l und entzündet die Gasluftmischung oberhalb des
Drahtnetzes m. Von diesem Augenblicke an erfolgt die
Vergasung automatisch, indem die überschüssigen Gase in dem oberen Teil der Retorte
c durch Gegendruck das Niveau des Petroleums im
Vergaser unterhalten.
Textabbildung Bd. 316, S. 129
Retorte und Gesamtansicht des Washington-Brenners für
Petroleumglühlicht.
Mit gewöhnlichem Petroleum, einerlei ob amerikanischem oder russischem, soll eine
Lichtmenge zu erzielen sein, die derjenigen des elektrischen Bogenlichtes nicht
nachsteht. Da zu der Beleuchtung keinerlei maschinelle Einrichtungen gehören, ist
sie überall sehr rasch und auf einfachste Weise einzurichten. Ein beliebig
aufzustellendes, geschweisstes, für 25 bis 30 Lampen ausreichendes
Petroleumreservoir wird mittels einer angeschlossenen Handpumpe auf etwa 4 at Druck
gebracht und hierdurch das Petroleum durch auffallend enge Röhren dem in der Lampe
befindlichen oben erklärten Vergaser zugeführt. Der Apparat mit Lampe war in Paris
durch die Washington-Société anonyme in Brüssel mit
Filiale in Paris ausgestellt, in Deutschland hat den Vertrieb die Washington-Licht-Gesellschaft in Elberfeld.
Auch andere Petroleumglühlichtlampen waren vorhanden, so namentlich die Lampe von Hantz und Co. in Paris, von Georges Nouvelle in Paris und die Lampe „La lune“. Beides waren
Tischlampen, die wesentliche Neuerungen nicht aufwiesen.
Unter den verschiedenen Spiritusglühlichtlampen verdient
diejenige der Société d'Éclairage de Chauffage et de Force
motrice par l'Alcool in Paris, welche die Verfahren von Denayrouze und Dusart
ausnutzt, hervorgehoben zu werden, die in verschiedenen Ausführungen, als Tisch- und
Ständerlampe ausgestellt war. Zur Verwendung gelangt hier der von Denayrouze konstruierte Brenner, der sich besonders
durch den gänzlichen Wegfall des Hilfsbrenners zur Einleitung des
Vergasungsprozesses auszeichnet. Die Vergasung wird dadurch unterhalten, dass die
allerdings starke Hitze, welche von dem Brenner ausströmt, an einen über dem Strumpf
angebrachten Kupferkörper anprallt, der mit der Vergasungskammer durch einen
Kupferstab in Verbindung steht, und auf diese einfache Weise die Wärme in dieselbe
überträgt. Der verwendete Leuchtstoff „Denayrouzine“, ein nach einem von Denayrouze angegebenen Verfahren karburierter Spiritus,
soli bei einem Preise von 80 Centimes für das Liter Spiritus die Carcelstunde im
Maximum mit 0,70 Centimes abgeben; hiernach würde also die normale Lampenflamme, wie
sie für mittelgrosse Petroleumlampen üblich ist, 16 Kerzen, 1,12 Pfennig kosten, und
in dieser Oekonomie sucht die Pariser Gesellschaft den überwiegenden Vorteil ihrer
Lampe gegenüber allen anderen Spiritusglühlichtlampen. Der Effekt der ausgestellten
Lampen war ein ausgezeichneter, was verständlich erscheint, wenn wir die Bemerkung
der Aussteller wiedergeben, dass die Brenner eine Lichtfülle von 300 bis 400 Kerzen
spendeten, was im Vergleich zu unseren simplen Stubenlampen als enorm bezeichnet
werden muss. Natürlich kommen solche Lichtmengen für den gewöhnlichen Gebrauch nicht
in Betracht, aber es war doch sehr interessant, deren Erzeugung auf die
ausserordentlich einfache Weise in einer leichten, handlichen Tischlampe zu
beobachten. Der bisher empfundene grösste Uebelstand der Spiritusglühlichtlampen,
den sie mit dem Petroleumglühlicht teilen, ihre grosse Hitzeentwickelung, war
freilich auch bei den ausgestellten Exemplaren nicht verhindert, fast könnte man
hinsichtlich der grossen Lampen hier auch das Prädikat „enorm“ anwenden.
Von zwei Pariser Firmen waren „Fontaines à Gaz“
genannte Beleuchtungsapparate für kleine Anlagen und Einzellampen ausgestellt, die
sich bei näherem Zusehen als Luftgasapparate darstellten, die mit Gasolin getränkte
Ziegel enthielten, zwischen denen die Luft hindurchgepresst wurde.
Dass auch eine erdrückende Fülle von Beleuchtungskörpern aller Art ausgestellt war,
ist selbstverständlich, doch auch hier waren ausschliesslich französische und zwar
zu neun Zehntel Pariser Firmen vertreten, die ja auf diesem Gebiete eine grosse
Leistungsfähigkeit besitzen. In Kronen für Gas und Petroleum mit gleichzeitiger
Möglichkeit für Kerzenbeleuchtung, Lyren, Wandarme, Ampeln, Lampen, Leuchter,
Kandelaber, Laternen u.s.w. in dendenkbar verschiedensten Ausführungen, war
eine ausserordentlich grosse Auswahl vorhanden. Von den Ausstellern nennen wir nur
die Pariser Firmen Ch. Blanc, Vilette et Fils, R. Galy, J.
Ristelhuber, Eug. Putron, A. Kicken, Paul, Jean et A. Boucher, Bengel et
Meguet, alle mit reichhaltigen Kojen, die ausser in Goldbronze, teilweise
prachtvolle Stücke in Schmiedeeisen, geschliffen und schwarz, in Nickel, sowie
Schwarzkupfer in vielen neuen, stilvollen Mustern enthielten. Ausserdem seien noch
genannt: die Société générale d'Éclairage in Paris, die
einige neue Modelle für Petroleumlampen für Strassenbeleuchtung vorführte, Gillet, Forest et Cie. in Paris, die Sicherheitslampen
und Eisenbahnlaternen in der französischen Konstruktion ausstellten, E. Renault in Paris, dessen Spezialität Nacht- und
Kirchenlämpchen sind und endlich Meneveau et Cie. und
Gabriel Ducellier, beide in Paris, deren Laternen
starken Absatz haben.
Die Beleuchtungen der Eisenbahnen (Signale und Waggone), Leuchttürme, Fuhrwerke
u.s.w. sind, weil in die Spezialberichte gehörig, hier übergangen.
Wenn wir zum Schluss das Resultat der Vertretung des gesamten Beleuchtungswesens auf der Pariser Weltausstellung betrachten, so
bemerken wir, dass es ein unvergleichlicher Triumph des
Lichtes war. Im „friedlichen“, aber nicht minder erbitterten Kampfe
des Wettbewerbes hat die Lichtindustrie einen Aufschwung genommen, der
seinesgleichen unter allen anderen Industrien auch nicht annähernd findet, und ohne
jede Ueberhebung kann die Lichtindustrie getrost die Erfolge der
Jahrhundertausstellung zu einem nicht geringen Teile auf ihr Konto setzen, denn die
Ausstellung stand nicht allein im Zeichen des Verkehrs, sondern auch in ganz
hervorragendem Masse im Zeichen des Lichts. Und wenn
für das nun verflossene Jahrhundert das erstere galt, so kann man versucht werden,
angesichts der bisherigen Fortschritte und der zahlreichen noch zu lösenden Probleme
auf dem Gebiete der künstlichen Lichterzeugung von nun an zu sagen, wir stehen im
Zeichen des Lichts! Die Tausende der Lichter der Ausstellung sind erloschen, die
Ausstellung selbst, ein Mene tekel, ein ödes, trostloses Chaos von Schutt und Kisten
und Kasten, glücklich, wem dieser Anblick der zusammenstürzenden Pracht erspart
blieb, aber wie eine unvergängliche Fata morgana, wie eine unauslöschliche
Erinnerung unter all dem Wust von Eindrücken wird die Beleuchtung der Ausstellung im
Gedächtnis haften bleiben, bis die Beleuchtung auf der nächsten gleichwertigen
Weltausstellung neue Triumphe feiern wird!