Titel: | Die deutsche Industrie und die Arbeiterversicherung. |
Autor: | A. Bantlin |
Fundstelle: | Band 316, Jahrgang 1901, S. 218 |
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Die deutsche Industrie und die
Arbeiterversicherung.
Festrede, gehalten am Geburtsfest S. M. des Königs
Wilhelm II. von Württemberg
am 25. Februar 1901 in der Aula der Technischen Hochschule in
Stuttgart von A. Bantlin, Professor des
Maschineningenieurwesens.
(Schluss von S. 197 d. Bd.)
Die deutsche Industrie und die Arbeiterversicherung.
Der jüngste Zweig der sozialen Gesetzgebung ist das Gesetz betreffend die
Invaliditäts- und Altersversicherung vom 22. Juni 1889 oder wie es jetzt heisst: das
Invalidenversicherungsgesetz. Der Kreis der
Versicherten beziffert sich auf etwa 12,7 Millionen Personen (8,4 Millionen
männliche, 4,3 Millionen weibliche), d.h. etwa ⅔ der erwerbsthätigen Bevölkerung.
(Gegen Unfall sind allerdings noch etwas mehr Personen versichert, doch sind das,
wie aus der obigen Einschränkung hervorgeht, nicht lauter Arbeiter.) Der
Versicherungspflicht unterliegen alle gegen Lohn beschäftigten Arbeiter,
insbesondere auch die Dienstboten. Hiernach erstreckt sich der Einfluss des Gesetzes
auf noch weitere Kreise der Bevölkerung und man könnte das Gesetz nicht ohne Grund
als eine Art „Volksversicherung“ auffassen.
Dem Beruf nach verteilen sich die Versicherungspflichtigen Personen nach der
Berufszählung von 1895 folgendermassen:
Beruf
Versicherungspflichtige
In Pro-zentender
Ge-samt-zahl
männliche
weibliche
überhaupt
LandwirtschaftIndustrieHandelHäusliche und
öffent- liche Dienste
22158094726985 573888 190919
1590008 941819 3097791264052
3805817 5668804 883667 1454971
32 48 7,5 12,5
Zusammen
7707601
4105658
11813259
100,0
Auf die Industrie entfällt somit nahezu die Hälfte der versicherten Personen.
Das Gesetz erstrebt für die Arbeiter in allen Fällen, in welchen sie erwerbsunfähig
geworden sind, ohne durch das Unfallversicherungsgesetz gedeckt zu sein, eine
Fürsorge ohne Rücksicht auf das Lebensalter, in welchem die Erwerbsunfähigkeit
eintritt. Die gewährte Unterstützung ist die sogen. Invalidenrente. Daneben soll Arbeitern, welche das 70. Lebensjahr
vollendet haben, eine Fürsorge zu teil werden auch ohne den Nachweis der
Erwerbsunfähigkeit; dies ist die sogen. Altersrente.
Die Zahl der Renten, die seit Bestehen des Gesetzes ausbezahlt worden sind, erhellt
aus Fig. 8. Es zeigt sich hieraus, dass die
Altersrenten, Kurve A, dauernd in der Abnahme begriffen
sind und sich anscheinend ihrem Beharrungszustand nähern. Sofort mit Inkrafttreten
des Gesetzes wurden 132926 Altersrentner, d.h. alle damals über 70 Jahre alten,
Versicherungspflichtigen Personen, der Wohlthat des Gesetzes teilhaftig; seither ist
deren Zahl bis auf 19525 gesunken infolge des Umstandes, dass die Abgänge grösser
waren als die Zugänge. Entgegengesetzt verhalten sich die Invalidenrenten, Kurve J, deren Zahl dauernd seit Einführung des Gesetzes bis
zur Höhe von 84781 im Jahr 1898 gestiegen ist. Während also in der ersten Zeit,
besonders infolge der günstigen Uebergangsbestimmungen, der Altersrente die
Hauptbedeutung zukam, ist diese im Lauf der Zeit, wie dies in der Natur der Sache
liegt, an die Invalidenrente übergegangen.
Die Kurve X bezeichnet die Zahl der
Beitragserstattungen im Falle der Verheiratung der weiblichen Versicherten, Kurve
Y die der Beitragserstattungen im Todesfall vor
Eintritt des Versicherungsfalls.
Textabbildung Bd. 316, S. 218
Fig. 8.Invalidenversicherung. Zahl der
Rentner.
Ueber die Leistungen der Invalidenversicherung gibt Fig.
9 Auskunft. Demnach wurden im Jahr 1898 ausgegeben:
für Invalidenrenten
rund
34,4
Millionen
Mark,
für Altersrenten
„
27,4
„
„
Insgesamt mit Einrechnung der Beitragserstattungen bei Verheiratung bezw. Todesfall
66,3 Millionen Mark. Das Reich – in diesem Falle die Gesamtheit aller deutschen
Steuerzahler – kommt bekanntlich für jede Alters- und Invalidenrente mit einem
festen jährlichen Zuschuss von 50 Mark auf, während die übrigen Beiträge zu gleichen Teilen auf Arbeitgeber und -nehmer entfallen.
So kommen zu Lasten des Reichs im Jahr 1898 allein 24,4 Millionen Mark, Kurve R. Insgesamt hatten bis 1. Januar 1900 rund 478000
Personen auf eine Invalidenrente, 355000 wegen vollendetem 70. Lebensjahre auf eine
Altersrente Anspruch. Zur Erfüllung sämtlicher gesetzlicher Verpflichtungen der
Invalidenversicherung wurden bis jetzt insgesamt nicht weniger als 402 Millionen
Mark aufgewendet,
davon wurden 126 Millionen von Seiten der Arbeiter, 126 Millionen von Seiten der
Unternehmer und 150 Millionen von Seiten des Reichs, d.h. von der Gesamtheit des
deutschen Volkes aufgebracht.
Textabbildung Bd. 316, S. 219
Fig. 9.Invalidenversicherung.
Textabbildung Bd. 316, S. 219
Fig. 10.Invalidenversicherung.
Vermögensentwickelung einiger Versicherungsanstalten (1. Januar 1898).
Ueberschüsse (d.h. Differenz des Vermögensbestandes und des Deckungskapitales
der laufenden Renten.
Es sind alsoauch hier die Arbeiter nur zu einem kleineren
Teil bei der Aufbringung der Kosten beansprucht.
Den Durchschnittsbetrag der Alters- und Invalidenrenten ersehen wir ebenfalls aus
Fig. 9. Man erkennt, dass beide Renten seit
Inkrafttreten des Gesetzes in langsamem Steigen begriffen sind, und 1898 den
Durchschnittsbetrag von 140 bezw. 130 Mark erreicht haben. Man hört häufig den
Vorwurf, dass eine Rente in der genannten Höhe nicht hinreichend sei, um dem
Arbeiter ein sorgenfreies Auskommen zu ermöglichen. Das ist auch nicht die Absicht
des Gesetzgebers gewesen. Es sollte die gewährte Rente nur eine Unterstützung für
den alten oder invalid gewordenen Arbeiter sein, auf die er einen rechtlich
begründeten Anspruch hat, ohne dass sie den Charakter eines Almosens annimmt. Auch
ist die Invalidenrente für die höheren Lohnklassen bedeutend höher. Es ist z.B. in
den beiden höchsten Lohnklassen mit 850 bis 1150 und mehr Mark Jahresverdienst der
gesetzliche Mindestbetrag 390 bezw. 450 Mark.
Ausserdem gibt es in Deutschland eine ganze Reihe von Gegenden, wo sich die
durchschnittliche Höhe der Rentenbeträge erheblich günstiger gestaltet. Es sind
besonders die Gegenden mit höheren Löhnen. Am höchsten stellt sich der Saarbrücker
Knappschaftsverein (s. Fig. 9); es folgen Berlin, die
Hansestädte u.s.w. Die niedrigsten Renten wurden im Jahr 1898 bezahlt in Oberfranken
und Ostpreussen, wie denn überhaupt nach der Statistik der Vermögensentwickelung der
Versicherungsanstalten diejenigen mit vorwiegend ländlicher Bevölkerung teilweise
recht starke Fehlbeträge aufweisen, während die Anstalten in den Bezirken mit
hochentwickelter Industrie, mit vorwiegend städtischer Bevölkerung und hohen Löhnen
bedeutende Ueberschüsse erzielen. So schliesst z.B. Ostpreussen am 1. Januar 1898
mit einem Fehlbetrag von 7,4 Millionen Mark ab. Dagegen haben die aus Fig. 10 ersichtlichen Versicherungsanstalten einen
Ueberschuss zu verzeichnen.
Bei der Ausarbeitung des Gesetzes ist man von der Annahme ausgegangen, dass die
Finanzlage der Versicherungsträger im ganzen Deutschen Reich annähernd dieselbe
bleiben werde. Wie die Zahlen der Fig. 10 zeigen, ist
dies nicht eingetreten. Einzelne Versicherungsanstalten sind in der Lage gewesen,
bedeutende Vermögen anzusammeln, andere arbeiten mit Fehlbeträgen oder nur geringem
aktivem Kapital zur Deckung ihrer Verpflichtungen. Die Hauptgründe für diese
Gegensätze liegen in den örtlichen, sowie beruflichen Verschiedenheiten der
einzelnen Versicherungsanstalten. Die Invaliden- wie Altersrentner finden sich in
Gegenden mit landwirtschaftlicher Bevölkerung weit häufiger, als in den
Industriebezirken; auch dauert der Bezug der Renten in diesen Gegenden weit länger,
als bei der industriellen Bevölkerung. Ferner ist an die bekannte Thatsache zu
erinnern, dass die jungen kräftigen Arbeiter vom Land in die Stadt und in die
Industriebezirke strömen, während die weniger leistungsfähigen Arbeiter auf dem
Lande zurückbleiben. Infolgedessen sind die Anstalten ländlicher Bezirke sowohl mit
Alters- wie mit Invalidenrentner stärker belastet. Zur Ausgleichung der Gegensätze
hat daher das neue Gesetz vom 13. Juli 1899 die Bestimmung getroffen, dass gewisse
Lasten der Invalidenversicherung von sämtlichen Versicherungsträgern des Reichs
gemeinsam getragen werden. Dies ist die sogen. Gemeinlast, bestehend aus den Grundbeträgen aller Invalidenrenten, sowie aus ¾
sämtlicher Altersrenten.
Fassen wir nunmehr die Leistungen aller drei Zweige der deutschen
Arbeiterversicherung zusammen, so ergibt sich, dass seit dem Jahr 1885 bis 1. Januar
1900 in 40 Millionen Fällen Fürsorge gewährt worden ist im Gesamtbetrag von rund 2400 Millionen Mark. An Entschädigungen und Renten
hat die Arbeit er Versicherung in jedem der letztvergangenen Jahre nahezu 300
Millionen Mark jährlich an rund 4 Millionen Personen der Arbeiterbevölkerung
ausbezahlt, so dass jeden Arbeitstag im ganzen
Gebiet der Versicherung nahezu 1 Million Mark als
Entschädigung zur Auszahlung gelangt.
An der Aufbringung der 2,4 Milliarden sind nach Fig.
11 beteiligt:
die Arbeiter
mit
1164
Millionen
Mark
= 48,3%
„ Unternehmer
„
1099
„
„
= 45,5 „
das Reich
„
150
„
„
= 6,2 „
so dass die Arbeiter mehr als 1
Milliarde mehr empfangen, als beigesteuert haben.
Textabbildung Bd. 316, S. 220
Fig. 11.Gesamtleistungen der deutschen Arbeiterversicherung (zus. rund
2400 Milionen.)
Aus den vorhergehenden zahlenmässigen Darstellungen geht ohne Zweifel hervor, dass
die soziale (Gesetzgebung bisher segensreich gewirkt hat und dies in Zukunft in
immer erhöhterem Masse thun wird.
Im Zusammenhang damit erhebt sich naturgemäss die Frage: Wie
hat die deutsche Industrie die ihr durch die soziale Gesetzgebung aufgebürdete
Last ertragen?
Textabbildung Bd. 316, S. 220
Fig. 12.Lohnsteigerung. Gewerbliche
Berufsgenossenschaften
Für die Unternehmer war die obligatorische Arbeiterversicherung begreiflicher Weise
in erster Linie eine Last. Zwar hatten vor Einführung der Gesetze einzelne Werke auf
dem Gebiet der Arbeiterfürsorge ansehnliche, zum Teil hervorragende freiwillige
Leistungen aufzuweisen, aber für die Mehrzahl bedeutete sie eine neue Belastung, und
es fehlte auch nicht an Stimmen, die davor als einem bedenklichen Hemmschuh für die
Entwickelung der Industrie, namentlich im Hinblick auf ihren Wettbewerb mit dem
nicht in ähnlicherWeise belasteten Ausland, warnten. Die Zeit hat denen Recht
gegeben, die der Ueberzeugung waren, dass die aufgebürdeten Lasten angemessene
seien. Kaiser Wilhelm II. hatte dies vollkommen richtig erkannt, als er sich in
seinem Erlass an den Reichskanzler vom 4. Februar 1890 folgendermassen
aussprach:
„Ich bin entschlossen, zur Verbesserung der Lage der deutschen Arbeiter die Hand
zu bieten, soweit die Grenzen es gestatten, welche Meiner Fürsorge durch die
Notwendigkeit gezogen werden, die deutsche Industrie auf dem Weltmarkt
konkurrenzfähig zu erhalten und dadurch ihre und der Arbeiter Existenz zu
sichern. Der Rückgang der heimischen Betriebe durch Verlust ihres Absatzes im
Ausland würde nicht nur die Unternehmer, sondern auch ihre Arbeiter brotlos
machen.“
Man kann eine Reihe von Beweisen dafür erbringen, dass die deutsche Industrie, trotz
der grossen Lasten der Arbeiterversicherung, keinen Schaden erlitten hat. Sie hat im
Gegenteil gerade in den letzten anderthalb Jahrzehnten eine wirklich glänzende
Entwickelung genommen.
Neben der ungemeinen Vermehrung der industriellen
Betriebe, namentlich der Mittel- und Grossbetriebe, die sich in dem Zeitraum
von 1882 bis 1895 auf 64% bezw. 89% beziffert, zeigt sich dies unter anderem in der
nicht unbedeutenden Steigerung der Löhne, die in den
verschiedensten Gegenden des Reiches und in den verschiedenartigsten
Industriezweigen nachgewiesen werden konnte. Diese Lohnsteigerung kommt auch in der
Zunahme der bei der Versicherung anrechnungsfähigen Löhne zum Ausdruck. Nach Fig. 12 stiegen bei den gewerblichen
Berufsgenossenschaften die genannten Löhne vom Jahr 1888 bis 1898 dauernd von 612,43
Mark auf 735,09 Mark auf einen Versicherten, d.h. um 20%. Damit ist auch die gehegte
Befürchtung einer Abwälzung der Beitragslast von Seiten der Unternehmer auf die
Arbeiter widerlegt. Die übrigen Kurven zeigen den durchschnittlichen Jahresbetrag
der Arbeitslöhne einiger preussischer Bergbaubezirke, die namentlich von der Mitte
der neunziger Jahre ab eine ganz erhebliche Steigerung aufweisen.
Mit der Erhöhung der Arbeitslöhne ging Hand in Hand eine Hebung
des Wohlstandes der unteren Klassen überhaupt. Einen Beweis dafür bietet
die Einkommensteuerstatistik im Deutschen Reich, die eine erhebliche Vermehrung des
durchschnittlichen Einkommens nachweist, und zwar nicht bloss bei den oberen,
sondern auch bei den unteren Schichten der Bevölkerung. Desgleichen weist die KonsumstatistikVgl.
hierzu auch: Zeitschrift des Vereines deutscher
Ingenieure 1900, S. 547. C. Bach: Wachstum
des Wohlstandes unserer industriellen Bevölkerung bezw. a. a. O.,
1890, S. 427. nach, dass die grosse Masse des Volks an dem
Verbrauch der besseren Lebensmittel fortgesetzt grösseren Anteil nimmt.
Des weiteren kommt die günstigere materielle Lage besonders deutlich in den SparkasseneinlagenVgl.
hierzu auch: Zeitschrift des Vereines deutscher
Ingenieure 1900, S. 547. C. Bach: Wachstum
des Wohlstandes unserer industriellen Bevölkerung bezw. a. a. O.,
1890, S. 427. zum Ausdruck. Fig.
13 zeigt das Anwachsen des Einlagebestandes für Preussen, das Königreich
Sachsen und Bayern, in welchen Ländern im Verlauf von 17 Jahren nicht weniger als
3375 bezw. 497 bezw. 195 Millionen Mark erspart wurden. Besonders das Beispiel von
Sachsen mit seiner ausgesprochen industriellen Bevölkerung lässt erkennen, dass es
dem dortigen Arbeiterstand thatsächlich nicht schlecht ergangen ist, ein Ergebnis,
das nach dem Verlauf der übrigen Kurven auch für die Bevölkerung des ganzen Reiches
mehr oder weniger als zutreffend angenommen werden darf. Auf den Kopf der
Bevölkerung umgerechnet beträgt das Sparkassen guthaben in Preussen rund 155 Mark,
in Sachsen 221 Mark, in Bayern 48 Mark. Für Preussen ist noch die Kurve E von Interesse; sie zeigt das Anwachsen der Einlagen
bis 60 Mark, gibt also einen Einblick in die Verhältnisse des kleinen sparsamen
Mannes.
Auch die bayerische Einlagestatistik weist ähnliche Verhältnisse nach.
Am anschaulichsten zeigt sich die Entwickelung der deutschen Industrie in ihrer
wachsenden Exportfähigkeit, Fig.
14. Seit dem Jahre 1885, also gerade mit der Einführung der
Arbeiterversicherung, steigt dieselbe stetig an und ist von 2867 Millionen in dem
genannten Jahre auf der Höhe von 4207 Millionen Mark angelangt. Das ist eine Zunahme
von 47% in 14 Jahren. Welch gewaltige Summe von geistiger und körperlicher Arbeit,
welcher Aufwand von Ueberlegung, Berechnung und Unternehmungsgeist steckt in diesen
ungeheuren Zahlen!
Textabbildung Bd. 316, S. 221
Fig. 13.Sparkasseneinlagen
(Einlagebestand).
Noch ein weiteres Zeichen der zunehmenden Bedeutung der deutschen Industrie ist aus
derselben Figur zu ersehen: Die wachsende Beteiligung
Deutschlands am Welthandel. Am Gesamtwarenumsatz des Welthandelsverkehrs,
der sich für 1898 auf etwa 78 Milliarden veranschlagen lässt, ist Deutschland mit
8,8 Milliarden oder 11,3% beteiligt. Es steht dabei als handeltreibende Nation in
zweiter Linie und wird nur von England mit 13 Milliarden oder 16,8% übertroffen.
Frankreich ist längst bedeutend überflügelt worden und steht unter den angeführten
Nationen an letzter Stelle. Die Vereinigten Staaten nehmen die dritte Stelle ein.
Bemerkenswert ist ferner das stetige Sinken des französischen und namentlich des
englischen Anteils am Welthandel im Gegensatz zum Ansteigen der deutschen
Beteiligung, das seit 1885 besonders hervortritt. Demnach schreitet die
industrielleund kommerzielle Entwickelung stetig vorwärts und wir Deutsche
können mit Genugthuung auf die Stellung blicken, die sich die deutsche Industrie
trotz der bedeutenden finanziellen Belastung durch ihre Arbeiterversicherung in der
gesamten Weltwirtschaft errungen hat.
Textabbildung Bd. 316, S. 221
Fig. 14.Beteiligung Deutschlands am
Welthandel.
Die Zeichen stehen somit günstig für uns, mit voller Sicherheit in die Zukunft zu
blicken vermag jedoch niemand. Wirtschaftliche Krisen und Rückschläge werden auch
fernerhin nicht ausbleiben, hängt doch ihre Vermeidung nicht allein von uns ab.
Unserem grossen Vaterlande aber können wir nur wünschen, dass ihm stets beschieden
sein möge:
Ein leistungsfähiger und geschickter Arbeiterstand, nicht minder aber ein
opferwilliger und unternehmender Arbeitgeberstand.
Weitblickende Kaiser, Fürsten und Staatsmänner mögen am Ruder sitzen, die die
Bedürfnisse ihrer Zeit zu erkennen wissen.
Eine Volksvertretung stehe ihm zur Seite, die über dem Streit der Parteien und
Interessen das Gemeinwohl nicht vergisst.
Das ganze deutsche Volk endlich, der Bürger, der Arbeiter wie der Bauer, möge stets
eingedenk sein der nationalen Errungenschaften aus grosser Zeit, ohne welche die
geistige und materielle Hebung der ganzen Masse der Bevölkerung nicht möglich
gewesen wäre –, dann wird der stolze Bau des Deutschen Reiches, gegründet auf
Intelligenz und Arbeit, niemals ins Wanken kommen!