Titel: | Die Spirituslokomobile im Vergleich mit der Dampflokomobile. |
Fundstelle: | Band 316, Jahrgang 1901, S. 294 |
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Die Spirituslokomobile im Vergleich mit der
Dampflokomobile.
Die Spirituslokomobile im Vergleich mit der
Dampflokomobile.
I. Dampflokomobile.
Die augenblicklich in der Automobilausstellung in Berlin ausgestellte
Spirituslokomobile der Motorfahrzeug- und Motorenfabrik
Berlin, Aktiengesellschaft, vorm. Ad. Altmann und Comp., Marienfelde bei
Berlin, beweist, dass der Wettkampf, welcher seit Jahren zwischen der Dampfmaschine
und der Verbrennungskraftmaschine zunächst auf dem Gebiete der Kleinmotoren, dann in
allmählich steigender Entwickelung auch auf dem Gebiete der Mittel- und
Grosskraftmaschinen ausgefochten wird, und rücksichtlich der Grosse der erzielten
Wärmeausnutzung stets zu Ungunsten der Dampfmaschine ausgefallen ist, auch auf das
bisher von der Dampfmaschine allein beherrschte Gebiet des Lokomobilenbaues sich
ausgedehnt hat. Es dürfte daher zeitgemäss und angebracht sein, die bisher bei den
mittels Dampf betriebenen Lokomobilen erzielten Ergebnisse mit denjenigen zu
vergleichen, welche die neue Spirituslokomobile zu erreichen gestattet.
Bei der Beurteilung der Güte und Leistungsfähigkeit von Dampfmaschinen oder
Lokomobilen verschiedener Konstruktion ist die Angabe in Pferdestärken allein nicht
ausreichend; denn zwei Dampfmaschinen oder Lokomobilen verschiedenen Ursprungs
brauchen, auch wenn sie mit gleichen Pferdestärken benannt sind, doch nicht gleich
leistungsfähig und daher nicht gleichwertig zu sein, weil,wie ja dem
praktischen Ingenieur geläufig ist, die Anzahl der Pferdekräfte als
Verkaufsbezeichnung für die Maschine oder Lokomobile insofern beliebig gewählt
werden kann, als bald eine hohe oder mittlere, bald auch mässige Beanspruchung der
Kraft der Lokomobile angenommen werden kann. Die Pferdekraftleistungen der Maschinen
an sich bieten daher durchaus keine richtige Grundlage für den Vergleich, vielmehr
dürfen in dieser Beziehung nur die Dimensionen, Heizflächen, Gewichte u.s.w., bezw.
die wirklichen Kraftleistungen bei je einem bestimmten Füllungsgrade, bei gegebener
Dampfspannung und Tourenzahl massgebend sein. Diese Angaben kann man aber in
wirklich verlässlicher Weise nur durch Brems-, Indikator- und Verdampfungsversuche
erhalten, welche von tüchtigen Fach- und Sachkennern angestellt worden sind. Für
Dampfmaschinenanlagen sind derartige von Revisionsingenieuren angestellte Versuche
in grosser Zahl vorhanden; spärlicher ist dagegen das Beobachtungsmaterial für
Lokomobilen. Für ältere Lokomobilen kann man den „Bericht über die im Auftrage
des landwirtschaftlichen Provinzialvereins für die Mark Brandenburg und die
Niederlausitz im Oktober 1883 ausgeführte Prüfung von Lokomobilen“
(bearbeitet von Prof. E. A. Brauer-Darmstadt, Dr. H. Bunte-München, Ingenieur Max
Eyth-Bonn, Ingenieur C. Schneider-Berlin,
Ingenieur F. Schotte-Berlin) mit Vorteil benutzen,
während
I.
Textabbildung Bd. 316, S. 293
Bezeichnungen; Bezeichnung der
Firmen und der geprüften Maschinen; R. Dolberg in Rostock. Fahrbare Lokomobile
Nr. 509; R. Wolf in Buckau-Magdeburg. Fahrbare Lokomobile Nr. 1215; Oluf Onsum
in Christiania. Fahrbare Lokomobile; Feodor Siegel in Schönebeck. Fahrbare
Lokomobile Nr. 427; Ruston, Proctor und Co. in Lincoln Fahrbare
Compoundlokomobile Nr. 10000; R. Wolf in Buckau-Magdeburg; Kommerzielle
Bezeichnung der Leistungsfähigkeit; Dampfüberdruck, zulässiger; Umdrehungen pro
Minute; Gewicht ohne Waeserfüllung; Kessel; Länge einschl. Feuerbüchse u.
Rauchkammer; Feuerbüchse, Länge aussen; Feuerbüchse, Länge innen; Feuerbüchse,
Breite aussen, Feuerbüchse, Breite innen; Feuerbüchse, Höhe aussen; Feuerbüchse,
Höhe innen; Kesselcylinder, Durchmesser; Feuerröhren, Anzahl; Feuerröhren, freie
Länge; Feuerröhren, äusserer Durchmesser; Rauchkammer, Durchmesser; Tiefe;
Schornstein, Durchmesser; Blechdicke der äusseren Feuerbüchse; Blechdicke der
inneren Feuerbüchse; Blechdicke des Kesselcylinders; Blechdicke der
Feuerungsplatten
für die neuesten Lokomobilen verschiedener Herkunft und Bauart eine derartige
vergleichende Gegenüberstellung, so wünschenswert dieselbe für die Kennzeichnung des
Fortschritts dieses Zweiges der Maschinentechnik auch wäre, unseres Wissens nicht
vorhanden ist.
Aus dem oben erwähnten Bericht seien nur die zum Vergleich mit den unten zu
besprechenden Versuchen erforderlichen Angaben über die Konstruktion der
verschiedenen Lokomobilen und die Hauptergebnisse der angestellten Versuche
entnommen, ohne dass auf die Beschreibung der völlig sachgemäss und unter
Beobachtung aller Vorsichtsmassregeln angestellten Versuche eingegangen werde.
Diediesbezüglichen Angaben sind in den Tabellen I und II (a. a. O. S. 31 bis 34
und 78 bis 80) enthalten.
Die Tabelle III gibt Aufschluss über die Abmessungen, Bauart und Arbeitsweise der
Maschine, ob ohne oder mit Kondensation arbeitend. Mit Kondensation arbeiten nur die
beiden letzten Maschinen von Ruston, Proctor und Co.
und von R. Wolf. Bei den heutigen mit Kondensation
arbeitenden besten Lokomobilen ergibt sich ein Dampfverbrauch von rund 7 kg pro 1
PSe/Std.
Die wichtigsten Versuchsergebnisse der vorstehenden Tabellen sind in Tabelle IV
übersichtlich zusammengestellt und darin auch die betreffenden Zahlenangaben für
die
II. Versuchsergebnisse.
Textabbildung Bd. 316, S. 294
Bezeichnungen; Bezeichnung der
Firmen und der geprüften Maschinen; R. Dolberg in Rostock. Fahrbare Lokomobile
Nr. 509; R. Wolf in Buckau-Magdeburg. Fahrbare Lokomobile Nr. 1215; Oluf Onsum
in Christiania. Fahrbare Lokomobile; Feodor Siegel in Schönebeck. Fahrbare
Lokomobile Nr. 427; Ruston, Proctor und Co. in Lincoln Fahrbare
Compoundlokomobile Nr. 10000; R. Wolf in Buckau-Magdeburg. Tragbare
Compoundmaschine Nr. 1255; Kessel; Wasserfüllung; Anheizen; Dauer bis zum
normal. Dampfdruck; Kohlenverbrauch; Dampfüberdruck; Temperatur des
Speisewassers beim Eintritt in den Kessel; Kohlenverbrauch unter der normalen
Bremslast während 10 Stunden; Dampfentwickelung durch 1 kg Kohle von 7325 W.-E.;
Bremsleistung in PS; unter der als normal bezeichneten Bremslast; unter der als
zulässig bezeichneten grössten Bremslast; Umlaufszahl pro Minute; unter der
normalen Bremslast; unter der grössten Bremslast; Weg des Umfanges des als
Riemenscheibe dienenden Schwungrades unter der normalen; Bremslast in 1 Sekunde;
Dampfverbrauch; Kondensationswasserverbrauch in 10 Stunden;
Schmiermaterialverbrauch in 10 Stunden; Transportfähigkeit; Gewicht einschl.
Decke und Werkzeuge, aber ohne Wasserfüllung; Radstand; Spurweite; Fahrräder;
Durchmesser; Kranzbreite; Preis in Mark; Betriebskosten, 300 Arbeitstage zu je
10 Arbeitsstunden, normal; während 10 Stunden; Amortisation 10 %; Verzinsung
2,75 %; Reparatur 5 %; Arbeitslohn; Kohlenverbrauch; Schmiermaterialverbrauch;
Summe für 1 Tag von 10 Stunden; für 1 PS während 10 Stunden; Die wichtigsten
Daten der vorstehenden Versuche, welche in den beiden folgenden Abschnitten zum
Vergleich in erster Linie herangezogen werden sollen, sind; Kohlen- und
Dampf-Verbrauch pro effekt. Stde./Pferdestärke; Die Erfolge, welche durch die an
letzter Stelle genannten Wolf'schen Lokomobilen
erzielt sind, werden, was den Dampf- und Kohlenverbrauch betrifft, von den
heutigen Lokomobilen und Dampfmaschinen gleicher Art bis 40 bezw. bis 20 %
übertroffen.
Tabelle III.
Textabbildung Bd. 316, S. 295
Bezeichnungen; Bezeichnung der
Firmen und der geprüften Maschinen; R. Dolberg in Rostock. Fahrbare Lokomobile
Nr. 509; R. Wolf in Buckau-Magdeburg. Fahrbare Lokomobile Nr. 1215; Oluf Onsum
in Christiania. Fahrbare Lokomobile; Feodor Siegel in Schönebeck. Fahrbare
Lokomobile Nr. 427; Ruston, Proctor und Co. in Lincoln Fahrbare
Compoundlokomobile Nr. 10000; R. Wolf in Buckau-Magdeburg. Tragbare
Compoundmaschine Nr. 1255; Rost, ganze Länge; Rost, abgedämmte Länge; Rost,
ganze Breite; Rost, abgedämmte Breite; Roststäbe, Dicke; Abstand, d.i. Weite der
Luftspalte; Rostfläche, benutzte; Rostfläche, mittlerer Abstand von der Decke
der Feuerbüchse; Heizfläche, Feuerbüchse; Heizfläche, Feuerröhren; Heizfläche,
Rauchkammer; Heizfläche, gesamte; Dampfmaschine; Cylinder, Hochdruck-,
Durchmesser; Cylinder, Niederdruck-; Kolbenhub; Dampfkanäle des
Hochdruckcylind.; Dampfkanäle des Niederdruckcylind.; Schieber, Grund-,
Hochdruck, Hub; Schieber, Expansions-, Hochdruck, Hub; Schieber, Grund-,
Niederdruck,; Füllungsgrad; Kolbenstange, Durchmesser; Gleitstücke, Länge;
Breite; Pleuelkopf, kleiner, Durchmesser; Pleuelkopf, kleiner, Schalenlänge;
Pleuelkopf, grosser, Durchmesser; Pleuelkopf, grosser, Schalenlänge;
Kurbelwelle, Durchmesser; Kurbellager; Kurbellager Schalenlänge; Schwungrad,
Durchmesser; Schwungrad, Breite; Speisepumpe, Durchmesser; Speisepumpe, Hub;
Luftpumpe, Durchmesser; Luftpumpe, Hub; Fahrgestell; Hinterräder, Durchmesser;
Hinterräder, Breite; Vorderräder, Durchmesser; Vorderräder, Breite; Radstand;
Spurweite
Tabelle IV.
Bezeichnung
Kohlen-
Dampf-
Maschinen-gattung
Verbrauchpro
effektiveStunden-Pferdestärke
kg
kg
R. Dolberg in Rostock. Fahrbare Lokomobile Nr.
509R. Wolf in Buckau-Magdeburg. Fahrbare Lokomobile Nr.
1215Oluf Onsum in Christiania. Fahr- bare LokomobileFeodor
Siegel in Schönebeck. Fahrbare Lokomobile Nr. 427
4,371,932,692,97
28,0613,6919,8120,21
ohneKondensation
Ruston, Proctor u. Co. in Lincoln. Fahrbare
Lokomobile Nr. 10000R. Wolf in Buckau-Magdeburg. Tragbare
Lokomobile Nr. 1255
1,691,33
12,14 8,74
mitKondensation
Neueste Pampf-Lokomobile
1,3000,75
11,75 7,00
ohnemit
Kon-densation
neuesten und leistungsfähigsten Dampf lokomobilen, wie
sie die Firmen B. Wolf in Buckau-Magdeburg, Lanz in Mannheim u.a. liefern, angeführt worden.
Dass bei Dampf lokomobilen noch wirtschaftlich wesentlich günstigere Resultate
erzielt werden können, erscheint aus theoretischen Gründen als ausgeschlossen, da
die Dampfmaschine bereits an die Grenze ihrer Leistungsfähigkeit angelangt ist.
II. Spirituslokomobile.
Die Spirituslokomobile hat der Dampf lokomobile gegenüber von vornherein den
wesentlichen Vorteil voraus, dass der Brennstoff flüssig ist, und daher die
bewährtesten Konstruktionen der Verbrennungskraftmaschinen als Vorbild dienen
konnten und nur für den besonderen Zweck umgebaut zu werden brauchten; dagegen fällt
bei derselben für die wirtschaftliche Verwendbarkeit der hohe Preis des Spiritus pro
10000 Wärmeeinheiten erheblich ins Gewicht, der gerade durch die Grosse des
Wirkungsgrades des Maschinentypus und durch die dadurch bedingten Ersparnisse für
sonst notwendige Nebenausgaben aufgewogen wird, so dass schon jetzt die neue Lokomobile mit den
bewährtesten Dampflokomobilen in erfolgreichen Wettbewerb treten kann.
Dass die Bestrebungen, den Spiritus als Brennstoff für Verbrennungskraftmaschinen zu
benutzen, zu einem brauchbaren; Resultat geführt haben, ist das Verdienst der
Versuchsstation des Vereins der Spiritusfabrikanten in Berlin, besonders des Geh.
Regierungsrats Prof. Dr. Delbrück und der Ingenieure
W. Goslich und Oelkers, sowie der Zentrale für Spiritusverwertung
in Berlin (Gr. m. b. H.), welche unter der Leitung des Prof. Dr. Witteshöfer die Abgabe eines Liters denaturierten
Spiritus von etwa 88 Vol.-Proz. für 20 Pf. ermöglicht hat.
Textabbildung Bd. 316, S. 296
Fig. 1.Motorlastwagen der Motorfahrzeug- und Motorenfabrik
Berlin-Marienfelde.
Nach diesen für eine gedeihliche Weiterentwickelung des Baues von Spiritusmotoren
unerlässlichen Vorarbeiten hat die Motorfahrzeug- und
Motorenfabrik Berlin, Aktiengesellschaft, es unternommen, einen brauchbaren
Spiritusmotor auf den Markt zu bringen, und nach langen Versuchen Spiritusmotoren
hergestellt, die bezüglich der Einfachheit der Konstruktion, der Betriebssicherheit
und des wirtschaftlichen Wirkungsgrades mit den heutigen besten
Verbrennungskraftmaschinen, Gas- und Petroleummotoren, in Wettbewerb treten
können.
Vor dem Eingehen auf die Leistungsfähigkeit der Spirituslokomobilen mögen hier die
Erklärung des Arbeitsganges und die Beschreibung der wichtigsten
Konstruktionseinzelheiten der neuen Maschine folgen.
Die Arbeitsmöglichkeit des Spiritusmotors beruht darauf, dass mit der etwa
siebenfachen Menge Luft, gemischter, fein zerstäubter Spiritus in einem
geschlossenen Raume bei einem Druck von mindestens 5 at sich durch einen
elektrischen Funken zur Explosion bringen lässt, so dass die Explosionsgase genau so
auf den Kolben wirken, wie die Pulvergase im Gewehr oder der Kanone auf das
Geschoss. Die Explosion ist unhörbar, da sie in einem geschlossenen Raume vor sich
geht. Die Bildung des Zündgemisches erfolgt bei dem in Fig.
1 abgebildeten Fahrzeug durch Zerstäubung mittels der vom Kolben des
Motors angesaugten und vorgewärmten atmosphärischen Luft. Die Steuerung erfolgt in
der Weise, dass der Regulator auf das gesteuerte Einlassventil und den mit diesem
verbundenen Zerstäuber einwirkt, wobei durch Aussetzen von Füllungen die Regelung
der Geschwindigkeit der Maschine bewirkt wird.
Die Maschine arbeitet wie die grosse Mehrzahl der modernen Verbrennungskraftmaschinen
im Viertakt. Bei Beginn der ersten Kolbenbewegung, der Ansaugeperiode, öffnet der
Steuerhebel 1 (Fig. 2)
das Einlassventil 2 und mit etwas Verspätung das Ventil
des Zerstäubers 3. Der aus der Zerstäubermündung 4 herauspressende Spiritus wird von der durch das
Luftrohr 5 einströmenden Luft aufgefangen und
mitgerissen, während etwa überschüssiger, nicht mitgerissener Spiritus in einen
unter dem Zerstäuber angebrachten Beutel 6 fliesst, in
welchem er aufgefangen und gelegentlich abgelassen wird. Die mit Spiritus
gesättigteLuft strömt zunächst durch das erwärmte Einlassventil 2 und gelangt dann, dem Kolben folgend, in den
Arbeitscylinder. Das Zündgemisch wird durch das heisse Einlassventil erwärmt, so
dass nicht, wie bei Maschinen mit Vergasern, eine Kondensation des Spiritusdampfes
eintreten kann, und so der bei Spiritusmotoren so gefährlichen Rostbildung im
Inneren der Maschine vorgebeugt wird, da die durch Niederschläge entstehenden
Spiritustropfen, welche bei Berührung mit den heissen Wänden des Eisencylinders
sofort Eisenoxyde bilden und schliesslich Cylinder und Ventile anfressen, infolge
der Vorwärmung nicht sich bilden können.
Um die Geschwindigkeit des im Vorwärmer durch die Abgase erhitzten Luftstromes regeln
bezw. auf ein ausprobiertes, zweckentsprechendes Mass einstellen zu können, ist ein
genau justierbarer Luftschieber am Luftrohr angebracht, der den Querschnitt des
letzteren drosselt und dadurch die Geschwindigkeit des Luftstromes vergrössert. Die
Stromrichtung ist dabei stets dem herabfallenden Spiritusstrahl angepasst, um eine
feine, innige Mischung beider Stoffe zu erhalten. Uebrigens kann man bei besonderer
Vorsicht während des Ganges der Maschine den Ablasshahn des Beutels 6 dauernd offen lassen.
Textabbildung Bd. 316, S. 296
Fig. 2.Spiritusmotor der Motorfahrzeug- und Motorenfabrik
Berlin-Marienfelde.
Das unmittelbar unter dem Einlassventil sitzende Auslassventil 16 wird auf gewöhnliche Art durch einen Nocken gesteuert, ohne dass es vom
Regulator beeinflusst wird. Beim Aussetzen der Füllungen bleibt sowohl das
Einlassventil wie auch das Auslassventil der ersten Kolbenbewegung, d.h. in der
Ansaugeperiode, geschlossen, so dass durchaus keine Unreinigkeiten, wie solche sich
vielfach im Auspuff ansammeln, in den Cylinder zurückgesaugt werden, und diesen
daher nicht verschmutzen, rissig und unrund machen können. Die Zündung des auf
mindestens 5 at am Schlusse der zweiten Kolbenbewegung zusammengedrückten
Zündgemisches geschieht, wie schon erwähnt wurde, durch einen elektrischen Funken im
richtigen Augenblick. Es kann jede Art von Spiritus von 90 % bis 70 %, ganz
gleichgültig, ob mit oder ohne Benzolzusatz, verwendet werden.
Textabbildung Bd. 316, S. 297
Fig. 3.Altmann's Verdampfungskühleinrichtung.
Die Kühlung erfolgt durch Wasserverdampfung. Das verdampfte Wasser wird durch
Nachfüllen während des Stillstandes oder während des Betriebes des Motors erneuert.
Diese Kühlmethode, welche sich schon seit 6 Jahren bewährt hat, bedingt nur einen
Kühlwasserverbrauch von ¾ l für die Pferdekraftstunde. Dies Kühlsystem ist von Altmann im Jahre 1895 angegeben und wird
Verdampfungskühlsystem genannt. Bei Anwendung desselben erhält der eigentliche
Explosions- und Kraftentwickelungscylinder einen ringsherum gehenden, oben durch
einen Deckel verschlossenen Wassermantel. Die hohen Temperaturen, welche bei der
Arbeit der Maschine im Arbeitscylinder erzeugt werden, müssen durch ein kälteres
Medium ausgeglichen und so teilweise vernichtet werden, weil sonst die eisernen
Wände des Explosionscylinders in kurzer Zeit glühend und zerstört würden.
Bekanntlich geschah und geschieht dies meist heute noch allgemein so, dass der
Wassermantel mit Wasser gefüllt wird, das den Cylinder umspült, und dem Abfluss
entsprechend durch zufliessendes kaltes Wasser ersetzt werden muss. Dadurch wird ein
Wasserverbrauch von 60 bis 70 l für die Pferdekraftstunde bedingt, wobei das mit 10
bis 12° in den Kühlmantel einströmende Wasserin letzterem auf 70 bis 80°
erwärmt wird. Bei der Altmann'schen Verdampfungskühlung
(vgl. Fig. 3) wird dagegen das Wasser im Kühlmantel
in Dampf von atmosphärischer Spannung verwandelt. Die Kühlung des
Explosionscylinders erfolgt dabei so, dass letzterem diejenige Wärmemenge dauernd
entzogen wird, welche Wasser von 10° auf 100° erwärmt und solches in Dampf von 100°
zu verwandeln vermag, und für jedes Liter verdampftes Kühlwasser etwa 630
Wärmeeinheiten bindet, während bei dem älteren Durchlaufverfahren
(Zirkulationskühlung) im besten Falle nur 50 bis 60 Wärmeeinheiten durch jedes Liter
Wasser gebunden werden. Demgegenüber bietet das Allmann'sche Kühlverfahren noch den Vorzug, dass es eine ganz
gleichmässige Temperatur des Arbeitscylinders sichert, so lange die Maschine
arbeitet. Während bei den Benzin- und Petroleummaschinen der Motorenfabrik Marienfelde-Berlin in der Regel 1 l Kühlwasser pro
Pferdekraft und Stunde als Kühlwasser gebraucht wird, verringert sich der
Kühlwasserverbrauch bei den Spirituslokomobilen und -motoren auf rund ¾ l, da in
einem Liter zur Explosion gebrachten Spiritus ein je nach dem Prozentgehalt reinen,
im Spiritus enthaltenen Alkohols – grösseres oder kleineres Wasserquantum enthalten
ist, welches sich bei der Explosion zu Wasserdampf entwickelt und demgemäss die
Explosionstemperatur im Vergleich zu Petroleum- oder Benzinmotoren entsprechend
erniedrigt. Die Verdampfungskühlung verlangt, dass der Wassermantel bis zu einer
gewissen Linie stets voll Wasser ist.
Textabbildung Bd. 316, S. 297
Fig. 4.Spiritusmotor der Motorfahrzeug- und Motorenfabrik
Berlin-Marienfelde.
In dem Schauglase 18 (Fig.
3) ist der Wasserstand im Kühlmantel sichtbar. Zum Nachfüllen giesst man
mit einer Kanne frisches Wasser durch den Wassereinguss 19 in den Cylinder, was auch während des Betriebes der Maschine geschehen
kann. Um im Winter die durch das Einfrieren des Kühlwassers bedingte Gefahr des
Zersprengens des Cylinders zu vermeiden, lässt man nach beendeter Arbeit alles
Kühlwasser durch den Ablasshahn 20 ausfliessen. – Der
aus dem Kühlwasser entwickelte Wasserdampf tritt durch das Abzugsrohr 21 ins Freie (vgl. Fig.
4). Die Auspuffgase entweichen, nachdem sie durch den Vorwärmer und dann
zur Verhütung zu grossen Geräusches durch den Schalltopf geströmt sind, in den
Schornstein; sie bestehen der Hauptsache nach aus Wasserdämpfen und sind fast
unsichtbar und gänzlich geruchlos.
Die Zündvorrichtung, welche in Fig. 4 abgebildet ist,
ist eine elektrische und bewirkt die Entzündung durch einen von der Maschine selbst
erzeugten elektrischen Strom. Die Stromquelle ist somit nicht eine elektrische
Batterie oder ein Akkumulator, die sich früher oder später abnutzen, sondern ein
elektromagnetischer Apparat, der von der Maschine (Fig.
2) durch Abschnappen des Hebels 8 vom Daumen
9 in Schwingungen versetzt wird, und so einen
beständig kreisenden, kräftigen elektrischen Strom erzeugt. Beim Schwingen des
Hebels 8 wird auch die Stange 10 bewegt; dieselbe stösst gegen den Zündhebel, wodurch im Inneren der
Maschine der Stromkreis unterbrochen und ein Unterbrechungsfunken erzeugt wird. Ein
Versagen der Zündung kann nur eintreten, wenn die Isolierung des Zündstiftes 11 schadhaft geworden ist; in diesem Falle erneuert man
dieselbe, indem man den Zündflansch 12 abschraubt, den
Zündstift 11 herausnimmt, die alte Asbestisolierung
entfernt und von neuem trockene Asbestschnur umwickelt. Der Leitungsdraht 13 muss einerseits an dem Zündstift 11 und andererseits an dem elektromagnetischen Apparat
7 gut leitend befestigt werden.
Textabbildung Bd. 316, S. 298
Steuerung zum Spiritusmotor.
Zum bequemeren Anlassen der Maschine wird durch folgende von Altmann angegebene, patentierte Vorrichtung während der ersten, durch das
Drehen des Schwungrades von Hand bewirkten Umdrehungen das Auslassventil des Motors
offen gehalten. Auf diese Weise wird anfangs der Verdichtungswiderstand vermieden
und somit im Schwungrad etwas lebendige Kraft aufgespeichert, so dass, wenn zuletzt
und momentan der Verdichtungswiderstand wirkt, dieser doch leicht überwunden werden
kann. Wenn man den Hebel 1 (Fig. 5 und 6) in die punktierte Lage
bringt, dann wird das Auslassventil geöffnet und der Auslasshebel von der
Steuerwelle so abgedrückt, dass die grosse Rolle 4
nicht mehr auf der Daumennabe liegt. Verschiebt man nun die auf der Steuerrolle
sitzende Schnecke e so auf der Steuerwelle, dass die
messerartige Schneide 5 des Auslasshebelbolzens gerade
in einen der Gänge der Schnecke (in den dritten, vierten oder letzten) zu sitzen
kommt, so wird das Auslassventil des Motors so lange offen gehalten, bis die
Schneide 5 wieder aus den Gängen der Schnecke
herausgelangt ist. Es geschieht dies durch Andrehen des Motors von Hand, da bei der
Drehung die Schnecke nach links hin sich schiebt; dadurch wird die Schneide 5 frei, das Ventil schliesst, und der Motor bewirkt
hierauf sofort die erste Zündung und setzt sich in Bewegung, nachdem man bereits
vorher den Hebel 1 wieder in die alte Lage
zurückgeklappt hat, damit auch die Schneide 5 nach
Ablauf des Schneckenganges den Hebel wieder herunterschnellenlassen und das
Auslassventil zum Schluss bringen kann.
Das Wesen des Regulators und seine Wirkung beruhen darauf, dass zeitweise weder Luft
noch Spiritus in den Arbeitscylinder eintreten kann, und somit Zündungen ausfallen,
wodurch der Gang der Maschine verlangsamt wird. Die Wirkungsweise ist kurz
folgende:
Auf der Steuerwelle 1 des Motors sitzt eine mit zwei
Daumen ausgerüstete Hülse. Der grössere dieser beiden Daumen 2 bewegt den Hebel 3 des Einlassventils und
den mit diesem verbundenen Zerstäuber, während der zum Regulieren dienende kleinere
Daumen bei jeder Umdrehung in einer bestimmten Zeit einen Winkelhebel bewegt, der
seinen Drehpunkt in der Achse der Rolle 6 hat und an
seinem Ende 7 mit einem Stahlschuh 8 versehen ist (vgl. Fig. 7 bis 10).
Textabbildung Bd. 316, S. 298
Steuerung zum Spiritusmotor.
Wie aus der Zeichnung zu ersehen ist, passt der Stahlschuh in
eine Stahlplatte, die am Einlassventil befestigt ist. Da der kleine Daumen mittels
eines mit einer Schneide versehenen Schiebers 9 früher
mit dem Winkelhebel in Berührung kommt, als der grosse Daumen mit der Rolle 6, so versetzt er den Winkelhebel in eine Schwingung,
die, wenn der Motor richtig läuft und seine bestimmte, vorgeschriebene Tourenzahl
hat, rechtzeitig beendet ist, so dass der. Stahlschuh 8
wieder unter die Stahlplatte gekommen ist, ehe der grosse Daumen die Rolle 6 berührt, und diese mitsamt dem ganzen Mechanismus
hochheben kann. Wenn aber die Maschine zu schnell läuft, dann ist die Schwingung des
Winkelhebels noch nicht vollendet, und der Stahlschuh 8
noch nicht wieder unter den grossen Hebel gekommen, so dass der grosse Daumen nur
die Rolle 6 mit dem Winkelhebel, aber nicht den Hebel
des Einlassventils mitbewegen kann. Der Einlassventilhebel bleibt somit stehen,
Einlassventil und Zerstäuber bleiben geschlossen, so dass die Ladungen und Zündungen
für diese Periode ausfallen. Wenn man die Tourenzahl des Motors verändern will, so
verschiebt man den Stahlschuh 9 mit der Spitze und zwar
bei langsamerem Gange nach der Rolle zu, bei schnellerem Gange dagegen in
entgegengesetzter Richtung. Die Spiralfeder 10, welche
am Einlassventilhebel befestigt ist und durch ein Auge des Winkelhebels
hindurchgreift, kann ebenfalls zur Veränderung der Tourenzahl benutzt werden. Spannt
man diese Feder mit
½ oder einer Umdrehung an, so läuft der Motor schneller, schraubt man sie schlaffer,
so verlangsamt sich der Gang. Die hierdurch bedingte Einstellung der Tourenzahl ist
jedoch nur in geringen Grenzen möglich, da die Spiralfeder, welche in erster Linie
zur Erzielung eines schnellen Rückganges des Winkelhebels dient, stets nur mässig
gespannt sein soll.
Fig. 7 zeigt den
Regulator vor der Eröffnung des Einlassventils, wobei der kleine Daumen eben an dem
Schieber 9 vorübergegangen ist, während der grosse
Daumen 2 die Rolle 6
berührt, Fig. 8 mit
geöffnetem Einlassventil, wobei die Rolle 6 auf der
Spitze des grossen Daumens steht, Fig. 9 in der Stellung,
in der die Schneide des Schiebers 9 auf dem höchsten
Punkt des kleinen Daumens sich befindet und der Ventilhebel ausgeklinkt ist, Fig. 10 bei zu schnellem
Gange des Motors während der Regulierung, wobei die Rolle 6 durch den grossen Daumen angehoben ist und, da der Winkelhebel
ausgeklinkt ist, der Einlassventilhebel 3 stehen bleibt
und bei geschlossenem Einlassventil die Maschine aussetzt. Durch die hier gegebene
Beschreibung des Spiritusmotors dürfte die Arbeitsweise der Spirituslokomobile
genügend klar gelegt sein, so dass zur Ermittelung der wirtschaftlichen
Leistungsfähigkeit der neuen Maschine im Vergleich mit anderen Maschinentypen
nunmehr übergegangen werden kann.
Ueber die Leistungsfähigkeit der Spirituslokomobile geben die nachfolgenden Versuche,
welche mit derselben in der Zeit vom 23. bis 25. August 1900 auf dem Pachtgute des
Amtmanns Bardenwerper in Buschdorf von der
Maschinenprüfungskommission der Landwirtschaftskammer für die Provinz Sachsen in
Halle a. S. angestellt worden sind, sicheren Aufschluss:
„Die Spirituslokomobile musste 1 Stunde lang unter dem Bremszaume laufen,
gleichzeitig wurden Indikatordiagramme zur Bestimmung der theoretischen Leistung
abgenommen. Die Indikatordiagramme zeigten durchweg tadellose Verbrennung und
rechtzeitige Zündung. Der Auspuff war völlig rein, durchaus geruchlos und zeigte
sich dem Auge nur als Wasserdampf. Aus dem Diagramme berechnet sich der mittlere
Druck zu 5,67 kg. Da die Lokomobile einen Cylinderdurchmesser von 200 mm bei 360 mm
Hub hat und pro Minute 220 Touren macht, die Kolbengeschwindigkeit dementsprechend
2,64 m pro Stunde beträgt, so berechnet sich die theoretische Leistung des Motors zu
N=\frac{\pi\,202\,\cdot\,5,67\,\cdot\,264}{4\,\cdot\,75\,\cdot\,4}=15,66\mbox{ PS}.
Der Bremszaum, unter welchem der Motor 1 Stunde lang lief, hatte einen Hebelarm von 1
m Länge, wobei die Bremsbelastung 42 kg betrug. Hieraus berechnet sich die effektive
Leistung des Motors zu N=\frac{\pi\,1\,\cdot\,220\,\cdot\,42}{30\,\cdot\,75}=12,88\mbox{ PS}.
Der Nutzeffekt, mit welchem der Motor arbeitet, berechnet sich zu \frac{12,88}{15,66}=0,82 oder 82
% und ist als äusserst günstig zu bezeichnen.
Während der Brennstunde hat der Motor 5,70 kg Spiritus von 90 % verbraucht.
Pro Pferdekraft und Stunde ergibt sich demnach der Spiritusverbrauch \frac{5,70}{12,88}=0,443\mbox{ kg}.
Das Gewicht von 1 l des verbrauchten Spiritus wurde mit 0,858 kg festgestellt. Legt
man dieses zu Grunde, so berechnet sich der Spiritusverbrauch in Liter pro
Pferdekraft und Stunde zu \frac{0,443}{0,858}=0,516\mbox{ l}.
Beim Bezüge von mindestens 5000 kg Spiritus liefert die Spirituszentrale, Berlin C., unseres Wissens denselben an ihre Mitglieder
zum Preise von 18 Mk. und an andere Landwirte zum Preise von 20 Mk. pro 100 l franko
jeder Eisenbahnstation, jedoch nur für Motorzwecke. Da demselben 20 % Benzol,
welches pro Liter 21 bis 22 Pf. kostet, zugesetzt werden, so würde den Mitgliedern
der Zentrale die Pferdekraft 9,6 Pf., sonstigen
Landwirten die Pferdekraft 10,4 Pf. pro Stunde kosten, wozu noch die geringeren
Kosten für Schmiermaterial kommen.
Ganz besonders aber ist hervorzuheben, dass der nominell 6- bis 8pferdige
Spiritusmotor Marke Altmann im stande ist, seine
Leistung bis auf 12,88 PS zu erhöhen. Der Wasserverbrauch wurde mit 12 l pro Stunde,
demnach pro Pferdekraft mit etwa 1 l festgestellt.
Im Betriebe mit der Richter'schen Dreschmaschine in der
Zeit vom 23. bis 25. August im ganzen 15 Stunden 58 Minuten, davon 1 Stunde 4
Minuten im Leerlauf thätig. Nach genauen Feststellungen stellen sich die Kosten
dafür wie folgt:
89,4 l
Spiritus à 20,2 Pf.
18,06 Mk.
0,3 „
Benzin à 25 Pf.
0,07 „
2,5 „
Schmieröl à 50 Pf.
1,25 „
0,8 „
Staufferfett à 60 Pf.
0,48 „
––––––––
Summa
19,86 Mk.
Das Dreschergebnis stellte sich hierbei wie folgt:
In
3
Stunden
15
Minuten
31,95
Ztr.
Weizen
marktfertig
„
7
„
10
„
119,44
„
Roggen
„
„
4
„
29
„
55,48
„
Hafer
„
Hierbei ist jedoch zu berücksichtigen, dass der gedroschene Weizen und der Hafer nach
Angabe des Amtmanns Bardenwerper sehr schlecht
schütteten, wie auch daraus hervorgeht, dass von 10 Zentnern gewogenem Weizen nur im
ganzen 2 Zentner 64 Pfund Körner erhalten wurden. Dass aber die Richter'sche Dreschmaschine die angegebene Leistung von
800 kg Roggen pro Stunde reichlich hat, geht aus dem Roggendrusch deutlich
hervor.
Nach beendigter Prüfung wurden der Verbrennungsraum im Cylinder, die zugehörigen
Ventile und die elektrische Zündung genau untersucht und vollständig frei von Russ
und Rost gefunden. Wir sind demnach fest überzeugt, dass Betriebsstörungen durch
Verschmieren u.s.w. vollständig ausgeschlossen sind, und bemerken noch ausdrücklich,
dass während der ganzen Prüfungszeit der Motor fortgesetzt tadellos arbeitete und in
jeder Weise vorzüglich funktionierte.
Es unterliegt keinem Zweifel, dass die Landwirtschaft mit dieser Spirituslokomobile
den lang ersehnten vorzüglichen Ersatz für die Dampflokomobile bekommen hat. Der
letzteren gegenüber bietet sie erhebliche Vorteile, die sich kurz, wie folgt,
zusammenfassen lassen:
1. Die Spirituslokomobile Marke Altmann bedarf keiner
Anfeuerung oder Vorwärmung, sondern sie steht zu jeder Zeit betriebsfertig da.
2. Die Betriebskosten, welche 9,6 bezw. 10,4 Pf. pro Pferdekraft und Stunde betragen,
stellen sich erheblich billiger, als die einer Dampf lokomobile, welche
durchschnittlich pro Pferdekraft und Stunde 8 kg mittelgute Kohlen gebraucht (s.
Tabellen II und IV. d. R.).
Dabei ist zu berücksichtigen, dass bei der Spirituslokomobile ein eigenes Erzeugnis
der Landwirtschaft als Brennmaterial verwertet und die Landwirtschaft dadurch
unabhängig von Petroleum- und Kohlenring wird.
3. Die so lästige Zufuhr von Wasser und Kohlen fällt weg, da der Spiritusmotor pro
Pferdekraft und Stunde nur 1 l Kühlwasser gebraucht, ein Fass Spiritus aber lange
Zeit reicht.
4. Die Spirituslokomobile bedarf keiner Konzession, keiner polizeilichen Genehmigung
und Ueberwachung.
5. Es ist keine Funken- und Feuersgefahr vorhanden, die Spirituslokomobile kann in
unmittelbarer Nähe der Scheune stehen, dabei ist der Auspuff völlig geruchlos.
6. Den Brennstoffverbrauch reguliert der Motor vollständig selbstthätig und mit
grösster Zuverlässigkeit: nach erfolgter Inbetriebsetzung ist demnach kein
besonderer Maschinenwärter nötig.
7. Kostspielige Reparaturen, wie bei der Dampf lokomobile, kommen nicht vor, auch
sind Betriebsstörungen durch Verschmieren, wie beim Petroleummotor, vollständig
ausgeschlossen, der Betrieb ist fortgesetzt ein sicherer und zuverlässiger.
8. Eine Explosion, wie beim Dampfkessel, und dadurch entstehende Unfälle, sind
unmöglich.
9. Während der Betriebspausen findet kein Verbrauch von Spiritus statt, trotzdem der
Motor jederzeit betriebsfertig dasteht.“
Tabelle V.
Dampf
Benzin
Spiritus
Petroleum
Anlagekosten in Mark
5200,00
4550,00
4800,00
4300,00
Verzinsung: 4 ½ % des AnlagekapitalsAbschreibung: 7 ½ %
des AnlagekapitalsBedienungSchmiermittelUnterhaltungskosten,
Putzmaterial u.s.w.
234,00 364,00 1200,00 75,00 25,00
204,75 318,50 600,00 75,00 25,00
216,00 336,00 600,00 75,00 25,00
193,50 311,00 600,00 75,00 30,00
Allgemeine Jahreskosten
Mk.
1898,00
1223,25
1252,00
1209,50
Brennstoff pro Stunde
kg „ „ Jahr
„
27,582500,0
3,510500,0
4,3 l12900,0 l
3,5 kg10500,0 kg
Brennstoffkosten pro 100 kg resp. pro 100 l Mk.
3,20
36,00
20,00
25,00
Brennstoffkosten pro Jahr
Mk.
2640,00
3780,00
2580,00
2625,00
Gesamtkosten pro
Jahr Mk.
4538,00
5003,25
3832,00
3839,50
Kosten der effekt. Pferdekräfte in Pfg.
18,9
20,8
16,0
16,0
Ergänzt wird das vorstehende Gutachten durch die in den Fig. 11 bis 14 dargestellten Diagramme,
welche einer besonderen Erklärung nicht bedürfen.
Textabbildung Bd. 316, S. 300
Fig. 11.Kurve des gesamten Spiritusverbrauches für die Stunde bei
verschiedenen Belastungen.
Textabbildung Bd. 316, S. 300
Fig. 12.Kurve des Spiritusverbrauches für die Pferdest. und Stde. bei
verschied. Belastungen.
Textabbildung Bd. 316, S. 300
Fig. 13.Diagramm eines Spiritusmotors, Massstab 1,5 mm = 1 kg.
Nach den bisherigen Erfahrungen mit der Spirituslokomobile empfiehlt sich zur
Erzielung des billigsten Betriebes ein Zusatz von Benzol zum Spiritus im Verhältnis
von 4 l Benzol auf 16 l 90prozentigen Spiritus. Giesst man zu diesem Gemisch noch 2
l Wasser, so erhält man einen etwa 81 ½prozentigen Benzol-Spiritus, dessen
spezifisches Gewicht etwa 0,858 ist. Bei einem Benzolpreise von 20 Pf. pro Liter
würde 1 l des Gemisches 18,2 Pf. kosten. Setzt man als mittleren Verbrauch der
Maschine 0,55 l für die Pferdekraft und Stunde ein, so erhält man bei Anrechnung der
heutigen Berliner Marktpreise für die verschiedenen Brennstoffe die in Tabelle V
gegebene vergleichende Kostenaufstellung zur Erzeugung von 8 PS durch Dampf, Benzin,
Spiritus und Petroleum, gerechnet für 3000 jährliche Arbeitsstunden und für die
effektive Pferdekraft pro Stunde.
Zu der obenstehenden Tabelle V ist zu bemerken, dassder Kohlenverbrauch für 8 PS
und Stunde mit 27,5 kg Kohlen etwas zu hoch angesetzt sein dürfte, wenn auch die
überaus günstigen oben veröffentlichten Angaben für Dampflokomobilen von grosser
Stärke bezw. für solche mit Kondensation bei Dampf lokomobilen von weniger als 10 PS
nicht als richtig für den Vergleich benutzt werden können.
Nach den Angaben der Dampflokomobilenfirmen werden bei kleinen Dampflokomobilen für 8
PS/Std. nur 16 kg Kohlen verbraucht, so dass sich die Brennstoffkosten pro Jahr auf
\frac{16}{97,5}\,\cdot\,2640=1536\mbox{ Mk.}, und demnach die
Kosten der effektiven Dampfpferdekraft nur auf 14,3 Pf. stellen, also etwas
günstiger als bei den Verbrennungskraftmaschinen.
Textabbildung Bd. 316, S. 300
Fig. 14.Geschwindigkeitskurve eines Spiritusmotors.
a Bei falsch eingestelltem
Regulator. b Bei richtig eingestelltem Regulator.
Dabei muss jedoch berücksichtigt werden, und insbesondere für
landwirtschaftliche Zwecke, dass die Kosten für das Anfahren von Kohle und
Speisewasser, besonders beim Dreschen auf dem Felde, in Rechnung gezogen werden
müssen, und dass mit Rücksicht auf diese beiden nicht unerheblichen Ausgaben die
Spirituslokomobile in wirtschaftlicher Hinsicht der Dampflokomobile mindestens ebenbürtig,
wenn nicht gar überlegen wird.
Da die Leistungsfähigkeit der Verbrennungskraftmaschinen, wie ich bereits mehrfach in
theoretischen Arbeiten nachgewiesen habe, auf das Doppelte gesteigert
werdenkann, eine erhebliche Erhöhung der Leistungsfähigkeit der Dampfmaschine
aber aus theoretischen Gründen gänzlich ausgeschlossen ist, so dürfte über kurz oder
lang die Dampflokomobile in dem Wettbewerb mit der bequemer zu bedienenden
Spirituslokomobile ins Hintertreffen geraten.