Titel: | Ueber die Möglichkeit, die Durchschnittsgeschwindigkeit der Personenzüge ohne gleichzeitige Vergrösserung der Maximalfahrgeschwindigkeit erhöhen zu können. (Ein Vorschlag.) |
Fundstelle: | Band 316, Jahrgang 1901, S. 315 |
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Ueber die Möglichkeit, die
Durchschnittsgeschwindigkeit der Personenzüge ohne gleichzeitige Vergrösserung der
Maximalfahrgeschwindigkeit erhöhen zu können. (Ein Vorschlag.)
Ueber die Möglichkeit, die Durchschnittsgeschwindigkeit der
Personenzüge u.s.w. erhöhen zu können.
Das allgemeine Streben unseres modernen Verkehrslebens zielt auf stete
Vergrösserung der Fahrgeschwindigkeiten hin. Es tritt dieser Zug auf allen Gebieten
des Personentransportes, sei es auf der gebahnten Strasse, sei es auf den mit
Spurwegen versehenen gesonderten Bahnkörpern, sei es auf Flüssen, Seen oder Meeren,
deutlich hervor, und fast täglich wissen die Journale über einen neuen auf
diesemoder jenem Gebiete geschaffenen Geschwindigkeitsrekord zu berichten.
Für die Eisenbahnen macht sich das Bestreben, die Fahrzeit ihrer Züge möglichst zu
beschleunigen, nicht bloss aus Rücksicht auf die Ersparnis an Zeit, oder zur
Bekämpfung der Konkurrenz der den gleichen Endzielen zustrebender Nachbar Knien
allein geltend. Der Betrieb ist nämlich in vielen Fällen bereits an der Grenze der
Leistungsfähigkeit angelangt und müssen die Verwaltungen daher darauf Bedacht
nehmen, letztere ohne allzugrossen Kostenaufwand, wie solcher aus der Vermehrung der
Schienenwege entstehen würde, den gesteigerten Ansprüchen entsprechend zu
vergrössern.
Als einfachstes Mittel, dies zu erreichen, gilt wohl die Verkürzung der Fahrzeit, da
ja mit Vergrösserung der Fahrgeschwindigkeit die Zahl der in einem gegebenen
Zeitraume abzulassenden Züge vergrössert werden kann, ohne dass hierdurch das
Gefahrmoment, wie solches in einer Kollision der Züge besteht, gesteigert werden
würde, weil bei dichtem Zugs verkehre das Fahren in Raumdistanz wohl allgemein
eingeführt ist.
Aber auch hier gelangt man bald zu einer gewissen Grenze, die weit unter der durch in
der Leistungsfähigkeit der Lokomotiven gegebenen praktisch erreichbaren
Geschwindigkeit liegt, und welche durch die Aufenthalte der Züge in den Stationen
hervorgerufen wird.
Jeder Aufenthalt eines Zuges bedingt, dass die von demselben während der Fahrt
aufgespeicherte lebendige Kraft vernichtet wird, was um so längere Zeit in Anspruch
nimmt, je grösser die Fahrgeschwindigkeit war, welche der Zug erreicht hat. Zwar
gestatten die heutigen vorzüglichen Bremsvorrichtungen selbst bei maximaler
Geschwindigkeit rasch und auf verhältnismässig geringe Entfernungen hin, den Zug zum
Anhalten zu bringen, allein in solchen Fällen erfolgt dies so plötzlich und mit so
heftigen Stössen, dass hierdurch nicht nur die Sicherheit der Reisenden gefährdet
wird, sondern auch der gesamte Fahrpark sowie der Oberbau leidet.
Es darf daher von einer so jähen Bremsung nur in Fällen drohender äusserer Gefahr
Gebrauch gemacht werden, während sich unter normalen Verhältnissen die Abnahme der
Fahrgeschwindigkeit von der Maximalgeschwindigkeit bis zum völligen Stillstande in
einer sanft abfallenden Geraden bewegen wird. Die Länge des während des Ueberganges
von voller Geschwindigkeit bis zum Stillstande zurückzulegenden Weges, wird daher
direkt von der erreichten Geschwindigkeit abhängen.
Umgekehrt bedarf ein Zug, um vom Stillstande in die erwünschte Fahrgeschwindigkeit
übergeführt werden zu können, wieder eine beträchtliche Zeit, die von der Belastung
des Zuges und der von der Lokomotive zu leistenden Kraft abhängt.
Nimmt man an, da hier auf eine Spezifikation der verschiedenen Zugsgattungen, sowie
die Faktoren, welche das Anfahren und die Bremsarbeit beeinflussen, nicht
eingegangen werden kann, dass der Weg, welchen der Zug vom Momente des Anfahrens bis
zur Erreichung der vollen maximalen Fahrgeschwindigkeit zurücklegt, der gleiche sei,
wie der Weg vom Beginne des Bremsens bis zum völligen Stillehalten, so wird
derselbe, wenn man sich eines speziellen Beispiels bedienen will, für 60 km
Stundengeschwindigkeit bei Annahme einer Beschleunigung bezw. Retardierung von 0,15
m pro Sekunde, einen Weg von etwa 1850 m für beides gerechnet, in 222 Sekunden
zurücklegen, was einer Geschwindigkeit von ungefähr 8,33 m pro Sekunde oder 30 km
pro Stunde entspricht.
Es wird sonach die durchschnittliche Geschwindigkeit der Bewegung eines Zuges in
einer Strecke von 10 km, bei einer gestatteten Maximalgeschwindigkeit von 60 km, da
der Zug die ganze Strecke nicht in 600, sondern in 710 Sekunden durchfährt, nur 55
km betragen. Rechnet man nun fernerhin den Aufenthalt in den Stationen, was ganz
berechtigt ist, in die Fahrzeit ein und berücksichtigt ferner, dass die
Maximalgeschwindigkeit eines Zuges innerhalb verschiedener Strecken infolge
Vorhandenseins starker Neigungen und Krümmungen nicht die gleiche sein kann, so ist
es leicht erklärlich, dass selbst bei Schnellzügen, welche längere Strecken ohne
anzuhalten durchlaufen, nur eine Durchschnittsgeschwindigkeit erreichen, welche
zwischen 45 und 55 km in der Stunde wechselt, wobei jedoch die
Maximalgeschwindigkeiten bis über 80 km hinausgehen. Bei Personenzügen, welche in
allen Stationen anhalten müssen, wird sich ein noch viel ungünstigeres Verhältnis
zwischen Maximal- und Durchschnittsgeschwindigkeit ergeben, und kann es in
dichtbevölkerten Gegenden, wodie Stationen sehr nahe aneinanderliegen,
insbesondere wenn zwischen die Stationen noch Haltestellen auf der offenen Strecke
eingelegt sind, leicht vorkommen, dass ein Zug die zulässige Maximalgeschwindigkeit
überhaupt nicht erreichen kann, weil schon vorher begonnen werden muss die
angesammelte Arbeit zu vernichten, um selben rechtzeitig zum Anhalten zu
bringen.
In solchen Fällen wird eine Vergrösserung der maximalen Fahrgeschwindigkeit zwecks
Erreichung einer grösseren Durchschnittsgeschwindigkeit überhaupt nicht zum Ziele
führen können.
Um daher die Leistungsfähigkeit einer stark befahrenen Bahn zu erhöhen, muss das
Bestreben dahin gerichtet werden, diese Durchschnittsgeschwindigkeit so zu
vergrössern, dass in der gleichen Zeit mehr Züge gleichzeitig in einer Richtung
verkehren können.
Ein Mittel hierzu ist, dem Zuge eine grössere Beschleunigung zu erteilen, so dass er
die Maximalgeschwindigkeit in viel kürzerer Zeit als bisher zu erreichen vermag. In
dem Elektromotor ist nun eine Maschine gegeben, welche diese Beschleunigung zu geben
vermag, ohne dass die Belastung des Bahnkörpers hierdurch wesentlich vergrössert
würde, wobei unter Belastung immer nur der Achsdruck zu verstehen ist.
Da bei dem elektrischen Betriebe jeder einzelne Wagen mit den zu seiner Beförderung
ausreichenden Elektromotoren ausgerüstet wird, verteilt sich die durch Erhöhung der
Leistungsfähigkeit entstehende Mehrlast gleichmässig auf den ganzen Zug, so dass in
dieser Beziehung eine Verstärkung des Oberbaues nicht notwendig wird. Wollte man die
gleiche Leistungsfähigkeit durch Lokomotiven erzielen, so würden dieselben ein so
grosses Gewicht bekommen, dass ein sicherer Betrieb wohl nur durch Verstärkung des
Schienenquerschnittes und bessere Unterbettung der Schienen, bei sehr sorgfältiger
Instandhaltung des gesamten Oberbaues, zu erreichen wäre.
Das Arbeiten mit solchen Lokomotiven wäre aber auch unökonomisch, da die zum Anfahren
und Erteilung der erforderlichen Beschleunigung erforderliche Kraft doch nur für
relativ kurze Zeit benötigt wird, so dass die Maschine nur für diese Zeit
vollbelastet erscheint, während für die übrige Zeit zur Erhaltung der einmal
erreichten Geschwindigkeit im Durchschnitt kaum ein Viertel der verfügbaren Kraft
benötigt wird.
Wie sehr sich die Leistungsfähigkeit einer Vollbahn durch Einführung des elektrischen
Betriebes steigern lässt, ist aus dem Projekte über die Einführung des elektrischen
Betriebes auf der Berliner Stadt- und RingbahnElektrotechnische Zeitschrift 1899, H.
46. zu entnehmen, nach welchem der Verkehr gegenüber dem heutigen
Lokomotivbetriebe eine Steigerung von 260 % zulassen soll, ohne dass die Sicherheit
desselben auch nur im geringsten beeinflusst wird.
Textabbildung Bd. 316, S. 315
Fig. 1.
Am deutlichsten lässt sich der Vorzug des elektrischen Betriebes aus den gleichfalls
dem betreffenden Aufsatze entnommenen Fahrdiagrammen (Fig.
1) ersehen, welche die Fahrzeit für die elektrischen Züge im Vergleiche
mit den dermaligen Dampfzügen darstellt. Aus denselben lässt sich die verschiedene
Art der Bewegung der Fahrzeuge erkennen und ist denselben noch zu entnehmen, dass
ein elektrischer Zug viel leichter eine erlittene Verspätung einzuholen vermag als
der Dampfzug.
Ein weiterer sehr in Berücksichtigung zu ziehender Vorteil des elektrischen
Betriebes liegt darin, dass die dem Antriebe dienenden Elektromotoren nicht für die
maximale, sondern nur für eine wenig über dem Durchschnitte liegende
Arbeitsbeanspruchung gebaut zu werden brauchen, weil dieselben für die kurze Zeit
des Anfahrens leicht auf das Zwei- bis Dreifache ihrer normalen Leistung beansprucht
werden können, ohne Schaden zu erleiden oder sich schädlich zu erwärmen. Hieraus
resultiert eine sehr gute Ausnutzung und ein sehr guter Wirkungsgrad dieser Motoren,
da sie stets nahe unter Volllast laufen. Hierdurch wird im Vereine mit den durch die
Zentralisierung der Krafterzeugung zu erzielenden Ersparnissen der Betrieb auch
billiger als dies mit der Dampflokomotive möglich wäre.
Es wäre sohin durch Einführung des elektrischen Betriebes die Möglichkeit der
Erhöhung der Durchschnittsgeschwindigkeit der Züge gegeben, ohne die
Maximalgeschwindigkeit erhöhen zu müssen, wiewohl der elektrische Betrieb bei dem
ruhigen Gange der Fahrzeuge und der gleichmässigen Belastung des Bahnkörpers, sofern
bloss Motorwagen ins Auge gefasst werden, auch deren Erhöhung zulässig erscheinen
lassen würde.
Allein die Vorteile des elektrischen Betriebes treten nur für jene Bahnen auffällig
zu Tage, auf welchen sich die einzelnen Züge von fast gleicher Belastung in
regelmässigen Abständen einander folgen, und sohin eine fast stets gleiche
Inanspruchnahme der elektrischen Zentralstation ermöglichen.
Diese Bedingungen erfüllen sich jedoch nur auf Bahnstrecken mit dichtem Lokalverkehr,
wie solcher in der Umgegend grosser Städte abzuwickeln ist, oder auf Stadtbahnen,
von den Strassenbahnen abgesehen, für welche die Vorteile der elektrischen
Betriebsart bereits allgemein anerkannt sind.
Hat sich die Erkenntnis, dass der elektrische Betrieb auf solchen Vollbahnen der
erwähnten Art ausreichende Vorteile gewährt, um auf denselben, trotz der hiermit
verbundenen Auslagen, überzugehen, noch nicht allgemein durchgerungen, um wieviel
schwieriger wäre es nun, die massgebenden naturgemäss konservativen Kreise von der
Nützlichkeit der Einführung des elektrischen Betriebes auf Fernbahnen, wo doch die
Verhältnisse ganz anders stehen, zu überzeugen, und zwar dies um so mehr, als selbst
in engeren Fachkreisen die Ansichten darüber, ob sich der elektrische Betrieb für
derartige Vollbahnen als anwendbar erweist oder nicht, weit auseinander gehen.
Keinesfalls aber sind die zu erwartenden Vorteile nach dem heutigen Standpunkte der
Entwicklung der Elektrotechnik so gross, dass man ohne zwingende Gründe und ohne
dass natürliche Verhältnisse, wie solche durch das Vorhandensein ausreichender
Wasserkräfte, welche leicht und billig ausgenutzt werden können, dies begünstigen
würden, zu einem derartigen kostspieligen Experimente, welches doch nur im grossen
Massstabe durchgeführt ein endgültiges Urteil ermöglichen könnte, anzuraten
vermöchte.
Die Verschiedenheit des Betriebes auf derartigen Vollbahnen, wo schnellfahrende
Fernzüge mit naturgemäss langsamer fahrenden und mehr den lokalen Bedürfnissen
dienenden Personenzügen und den eine noch längere Fahrzeit aufweisenden Güterzügen,
und zwar nicht in durchaus regelrechter Folge und Anzahl gleichzeitig verkehren,
lässt, da namentlich der Lastenverkehr von den verschiedensten Faktoren abhängig ist
und vielfach in seiner Intensität wechselt, die Schwierigkeit der Einführung einer
geänderten Betriebsart erkennen.
Wie soll aber die Betriebsfähigkeit einer Bahn gesteigert werden können, wenn weder
die Anfahrzeit verkürzt noch die Maximalgeschwindigkeit vergrössert werden kann.
Dass dies aber dennoch möglich ist, dafür finden wir bereits in dem Lastgüterverkehr
ein Beispiel, indem hier durchgehende Lastzüge geschaffen werden, welche nur in den
Hauptstationen anhalten, daselbst die für die Zwischenstrecken bestimmten Lastgüter
abgeben, sowie die von denselben gesammelten Güter aufnehmen, während lokale
Lastzüge die Sammlung und Verteilung dieser Güter von und an die von dem
Hauptlastzuge nicht berührten Strecken besorgen.
Die sich hieraus ergebenden Vorteile in Bezug auf die rationellere Ausnutzung
des Wagenparkes und beschleunigtere Güterbeförderung sind allgemein anerkannt und
wird dies, wiewohl mehr Züge verkehren, dadurch erreicht, dass der Aufenthalt auf
der Strecke und in den Stationen soweit als möglich abgekürzt wird. Wenn auch für
die Sammelzüge, welche sich jedoch zumeist innerhalb kurzer Strecken bewegen, und
welche so gelegt werden können, dass sie den durchgehenden Verkehr nicht behindern,
eine Vergrösserung der Durchschnittsgeschwindigkeit nicht möglich ist, so sieht man
doch, dass bei den durchgehenden Lastzügen, welche nur in wenigen Stationen
anhalten, diese Vergrösserung der Durchschnittsgeschwindigkeit erreicht werden
muss.
Es stellt sich nun auch bei den Personenzügen die Frage, ob deren mittlere
Geschwindigkeit nicht durch Verminderung der Haltepunkte vergrössert werden kann,
ohne dass die Aufnahme von Reisenden von diesen Haltepunkten hierdurch gehindert
wird.
Die nachstehenden Erläuterungen, welche sich mit dieser Frage befassen, beziehen
sich, es sei dies im vornhinein erwähnt, nur auf solche Züge, welche den
durchgehenden Verkehr zu bewältigen haben, bei welchen daher in dem zumeist weniger
dicht bevölkerten Hinterlande, für jeden Zug nur eine geringe Anzahl von Reisenden
aufzunehmen oder abzusetzen haben, nicht aber auf jene einen Massenverkehr
bewältigenden Züge, wie solche zur Verbindung der grossen Städte mit ihren Vororten
und deren Ausläufern in Verkehr gesetzt werden.
Dieser zumeist als Lokalverkehr bezeichnete Verkehr, welcher einen der grössten
Hemmnisse der glatten Abwickelung des Durchzugsverkehrs bildet, wird am
zweckmässigsten durch Errichtung gesonderter, wenn auch parallel verlaufender Linien
von den Hauptlinien abgelenkt und bietet in seiner Organisation alle jene
Anhaltspunkte, welche die Einführung des elektrischen Betriebes als vorteilhaft
erscheinen lassen.
Das Absetzen bezw. die Aufnahme von Passagieren wie das Ueberladen des Reisegepäckes
von bezw. auf einen im Fahren begriffenen Zuge erscheint zwar für den ersten
Augenblick, da es sich hierbei immerhin um noch recht erhebliche Geschwindigkeiten
handelt, wegen der drohenden Gefahr nahezu als undurchführbar.
Eine eingehendere Betrachtung zeigt jedoch, dass es sich bei der hier in Anregung
gebrachten Idee nicht um eine Utopie handelt, und dass auch die technische Lösung
des hierbei in Frage kommenden Problems nicht zu den Unmöglichkeiten zählt.
Geht man von der Thatsache aus, dass zwei parallel nebeneinander sich mit gleicher
Geschwindigkeit bewegende Körper im gegenseitigen Verhältnisse als ruhend betrachtet
werden können, so wird es sofort einleuchtend, dass ein Uebergang von dem einen
Körper zu dem anderen, sofern der Zwischenraum zwischen denselben leicht zu
überbrücken ist, keine Schwierigkeiten bietet. Ist nun das Planum dieser beiden
Körper in einer Ebene und hinreichend gross, so wird der Uebergang von einem
derselben auf den anderen ebenso leicht möglich sein, wie beispielsweise einen
Graben zu überschreiten, über welchen ein Brett gelegt ist. Beispiele für die
Richtigkeit dieser Thatsache lassen sich allenthalben zur Genüge finden und sei hier
nur des bekannten Zirkuskunststückes gedacht, bei welchem der betreffende Artist auf
zwei in gleichem Tempo laufenden Pferden die überraschendsten Evolutionen
ausführt.
Ein praktisches Analogem findet sich in der sogen. Stufenbahn, wie solche auf der
Weltausstellung zu Chicago 1893, der Berliner Gewerbeausstellung 1896 und der
Pariser Ausstellung 1900 zur Vorführung gebracht wurde. Bei dieser Stufenbahn tritt
noch der erschwerende Umstand hinzu, dass der Uebertritt von einer ruhenden
Plattform auf eine mit gemässigter Geschwindigkeit und von dieser wieder auf zwei
weitere Plattformen, welche eine proportionale Geschwindigkeitszunahme aufweisen,
erfolgen muss, was trotzdem, dass es ein gewisses Mass von körperlicher Gewandtheit
und etwas Beobachtungsgabe erfordert, selbst von älteren schwerfälligeren Damen nach
nur einiger gefahrloser Uebung mit Leichtigkeit vollführt werde.
Denkt man sich nun parallel neben dem Hauptgeleise der Bahn, welches von dem
Zuge, der die Reisenden abzusetzen und aufzunehmen hat, ein zweites Geleise, auf
welchem sich ein geeignet konstruierter Wagen befindet, von dem die Reisenden den
Uebergang auf den Zug und umgekehrt vornehmen sollen, und denselben für die
Zeitdauer, welche das Aus- und Einsteigen, sowie das Ueberladen des Gepäckes
erfordert, in ganz gleicher Geschwindigkeit mit dem betreffenden Zuge bewegt, so
lässt sich dieser Zug und der Wagen für diese Zeitdauer als im Zustande der
gegenseitigen Ruhe befindlich ansehen.
Es wird also, insbesondere wenn eine Ueberbrückung zwischen den beiden Plattformen
hergestellt wird, was ja leicht ausführbar ist, ein Uebersteigen von dem Wagen in
den Zug in der Querrichtung der Bewegung derselben und umgekehrt ebenso leicht
möglich sein, wie der Verkehr von einem Wagen in einen anderen Wagen desselben
Zuges. Die unvermeidlichen gegenseitigen seitlichen Schwankungen zwischen Zug und
Einsteigewagen können hierbei, wenn die herzustellenden Verbindungsbrücken eine
kleine gegenseitige Versteifung ermöglichen, teilweise ausgeglichen werden, so dass
auch diesbezügliche Bedenken hinwegfallen.
Textabbildung Bd. 316, S. 317
Fig. 2.
Textabbildung Bd. 316, S. 317
Fig. 3.
Textabbildung Bd. 316, S. 317
Fig. 4.
Die Hauptschwierigkeit, welche sich der Durchführung einer derartigen Einrichtung
entgegenzustellen scheint, dürfte in der Wahl der Mittel zu suchen sein, den
Umsteigewagen, wie derselbe bezeichnet werden soll, in Bewegung zu setzen und ihm
die erforderliche Beschleunigung zu erteilen, damit er die vorgesehene Streckenlänge
in gleicher Geschwindigkeit wie der durchfahrende Zug befährt.
Für diese Zwecke eine eigene Maschinenanlage zu schaffen, welche den Umsteigewagen,
sei es direkt, sei es indirekt, antreibt, wäre, abgesehen von der
Unzuverlässlichkeit der rechtzeitigen Erreichung und Erhaltung der
Synchrongeschwindigkeit, schon mit Rücksicht auf die Anlagekosten und die nur kurze
Dauer der Inanspruchnahme derselben, als ein absolutes Hindernis für die
Durchführung einer solchen Idee zu betrachten.
Kann aber dem Zuge selbst die Aufgabe zugewiesen werden, den Umsteigewagen direkt in
Bewegung zu setzen, zu geeignetem Zeitpunkte in Synchrongeschwindigkeit zu bringen
und für die Dauer des Bedarfes in selber zu erhalten, so scheinen diese
Schwierigkeiten zum grössten Teil beseitigt.
In den Induktionsgeneratoren und Elektromotoren findet sich nun ein geeignetes
Mittel, dieses Ziel zu erreichen. Wird die Lokomotive oder ein Wagen des Zuges mit
einem derartigen Elektrogenerator, der Umsteigewagen hingegen mit einem den
Anforderungen entsprechenden Elektromotor ausgerüstet und die Einrichtung so
getroffen, dassder Generator von der geeigneten Stelle der Strecke aus
angetrieben und mit dem Motor durch vorgesehene Leitungen in Verbindung gebracht
wird, so bringt der von dem Generator entsendete Strom den Motor in Bewegung,
welcher wieder durch Anordnung von entsprechenden Transmissionen, in ganz gleicher
Weise wie die Motorwagen bei den elektrischen Trambahnen, den Umsteigewagen in
Bewegung setzen wird.
Zu diesem Zwecke wird daher jede Lokomotive oder besser noch jeder Gepäckwagen mit
einem derartigen Generator ausgerüstet werden müssen, welcher so aufgehangen wird,
dass die Schwankungen und Stösse, die der Wagen erleidet, nicht auf denselben
übertragen werden können. Dieser Generator wird nun direkt von einer Achse der
Lokomotive oder des Wagens, in der von den Strassenbahnmotorwagen her bekannten
Weise, durch ein Zahnradvorgelege oder Kettenübersetzung angetrieben und läuft
normal leer. Erst wenn die Lokomotive an einen vorher genau bestimmten Punkt der
Strecke anlangt, wird der Elektrogenerator durch zwei an der Lokomotive vorgesehene
Bürsten oder Trolleys mit den zwei parallel der Bahn verlaufenden Leitungen in
Verbindung gebracht und kann nunmehr erst Strom erzeugen. Dieser Strom wird nun von
dem Elektromotor des Umsteigewagens aufgenommen und setzt nun diesen in
Bewegung.
Die Art und Weise der Anordnung, wie solches gedacht wird, ist aus Fig. 2, 3 und 4 zu entnehmen. In denselben bezeichnet A den Gepäckwagen, B den
Umsteigewagen, C den Wagen des Zuges, von und in
welchen übergestiegen werden soll, G den Generator und
M den Motor, VV die
Verbindungsleitungen und TT die Trolleys. Zur
deutlicheren Uebersicht wurden nämlich hier Luftleitungen und Stromentsendung
mittels Trolleys angenommen, während es sich in der Praxis empfehlen dürfte,
isolierte Schienenleiter, auf welchen Bürsten oder Gleitschuhe schleifen, zu
verwenden.
Wie schon erwähnt, sollen für die Erzeugung der elektrischen Ströme und deren
Umwertung in mechanische Arbeit Induktionsgeneratoren und Motoren zur Verwendung
gelangen. Die Wahl des Induktions- und zwar speziell des Dreiphasenmotors musste
neben dem bekannt verlässlichen Arbeiten und der einfachen Konstruktion desselben
aus dem Grunde getroffen werden, weil derselbe stets das Bestreben hat, die
Synchrongeschwindigkeit anzunehmen, d.h. der Anker sucht die Drehgeschwindigkeit des
rotierenden magnetischen Feldes zu erreichen. Da nun die Drehgeschwindigkeit des
durch die Feldmagnete des Motors erzeugten Feldes von der Umdrehungsgeschwindigkeit
des Ankers des Generators unmittelbar abhängt, wird der Motoranker synchron mit dem
Induktor des Generators zu laufen suchen und auch, wenn er nicht überlastet ist, den
Synchronismus erreichen, somit der Drehgeschwindigkeit desselben, auch wenn dieselbe
Schwankungen unterliegt, genau folgen.
Ist nun unter Berücksichtigung der Schlüpfung das Uebersetzungsverhältnis zwischen
der antreibenden Lokomotivachse und dem Generatoranker das gleiche, wie das
Verhältnis der Uebersetzung zwischen dem Rotor des Motors und der Achse des von ihm
anzutreibenden Wagens, so wird sich der Umsteigewagen auch bald mit der gleichen
Geschwindigkeit bewegen müssen wie der einfahrende Zug. Wird nun dieser
Umsteigewagen, sobald ein Zug erwartet wird, so disponiert, dass er, einmal in
Bewegung gesetzt, von einem vorher zu bestimmenden Punkte ab die gleiche
Geschwindigkeit wie der einfahrende Zug hat, zu welcher Zeit der Zug und
Umsteigewagen bereits parallel laufen müssen, so ist es ein leichtes, das
Uebersteigen von dem einen auf den anderen zu ermöglichen, insbesondere wenn der
Zwischenraum der Wagen durch mit Geländern versehene Falltreppen, die rechtzeitig
niedergelassen werden, überbrückt wird. Diese Falltreppen sollen vom Umsteigewagen
aus niedergelegt und mit den betreffenden Wagen des Zuges gekuppelt werden, so dass
für die Dauer des Uebersteigens Zug und Umsteigewagen fest miteinander verbunden
sind und letzterer vom Zuge mitgenommen wird, so dass eine ungleiche Geschwindigkeit
des Umsteigewagens gegenüber dem Zuge während der Umsteigdauer ausgeschlossen
ist.
Sobald das Umsteigen, für welches besondere Massnahmen kaum erforderlich werden,
vollzogen ist, lösen die Begleiter des Umsteigewagens die Verbindung mit dem Zuge,
schalten den Motor von der Leitung ab und bringen den Wagen durch eine entsprechend
angeordnete Bremse zum Stillstande, worauf die Passagiere erst direkt zum Aussteigen
gelangen.
An Stelle eines auf besonderem Geleise fahrenden Wagens kann auch ein Traggerüst
aufgestellt werden, auf welchem der Umsteigewagen mittels Laufrollen aufgehängt
wird. Diese Einrichtung nach Art der Schwebebahnen, wobei durch seitliche
Führungsrollen einem Hin- und Herschlenkern des Wagens vorgebeugt wird, dürfte sich
in vielen Fällen viel vorteilhafter erweisen, weil die Anordnung der Hauptgeleise in
einem Bahnhofe oft die Anlage eines derartigen naturgemäss schmalspurigen Geleises
nicht zulassen dürfte, die Aufstellung eines Traggerüstes immerhin aber noch möglich
wäre.
Am erspriesslichsten bliebe es wohl, diese Nebenbahn, sei selbe eine Spur- oder
Schwebebahn, ausserhalb der Stationen auf der offenen Strecke zu errichten, weil
dann dem Auslauf des Umsteigewagens keine zu engen Grenzen gesetzt sind, und
anderenteils wieder die Durchfahrt des Zuges durch die Station an kein bestimmtes
Geleise gebunden werden muss.
Was nun den Bau des Umsteigewagens betrifft, so kann derselbe sehr einfach und leicht
gehalten werden und muss zum mindesten einen Fassungsraum für 20 Personen besitzen,
die der Länge nach hintereinander Platz finden sollen. Der Wagen wird sonach eine
bedeutende Länge erhalten müssen, etwa die doppelte Länge eines normalen
zweiachsigen Personenwagens, damit das Uebersteigen nicht allein von einem Punkte
aus erfolgen muss, sich sonach verlangsamt. Dagegen wird dieser Wagen sehr schmal
gehalten werden können, und eine Breite desselben von 1 m ausreichend erscheinen.
Die Spurweite des Geleises, wenn der Wagen auf einem solchen zu laufen haben wird,
kann demnach mit etwa 60 m bemessen werden.
Nach diesen skizzenhaften Andeutungen, die die Möglichkeit dieser Art des
Personenübertrittes auf einen in Bewegung befindlichen Zug klar legen sollen, ist
zwar das Grundprinzip als richtig zu erkennen, aber noch nicht der Beweis erbracht,
dass dies praktisch durchführbar ist.
Eine der wichtigsten Fragen hierbei ist die, auf welche Länge hin muss sich der
Umsteigewagen in gleicher Geschwindigkeit mit dem Zuge in paralleler Richtung
bewegen, um das Umsteigen als solches anstandslos zu ermöglichen. Die Zeitdauer,
welche das Ein- und Aussteigen der Personen aus einem stehenden Zuge erfordert,
lässt sich aus der Aufenthaltsdauer des Zuges ermessen. Inder Regel genügt für
Schnellzüge in Stationen von geringer Personenfrequenz sowohl zum Aus- und
Einsteigen der Personen, als zum Auf- und Abladen des Reisegepäckes eine Minute. Die
Maximalgeschwindigkeit eines derartigen Zuges schwankt zwischen 60 und 90 km in der
Stunde, welche jedoch für die Durchfahrt von Stationen gesetzlich auf 40 km
reduziert werden muss. Nimmt man nun für Stationen, in welchen früher angehalten
werden musste, eine Durchfahrtsgeschwindigkeit von 30 km in der Stunde an, so muss,
wenn für das Uebersteigen der Zeitraum von 1 ½ Minuten als zulässig anerkannt wird,
die Wegstrecke, welche Zug und Umsteigewagen in gleicher Geschwindigkeit
zurückzulegen haben, 750 m betragen. Da für das Anfahren des Umsteigewagens bis zur
Erreichung der Synchrongeschwindigkeit mit dem einfahrenden Zuge, ebenso für das
Bremsen und Anhalten des Wagens, 250 m Geleiselänge, also zusammen 500 m
Geleiselänge zu rechnen sein werden, muss das Parallelgeleise für den Umsteigewagen
oder das Traggerüst bei Verwertung einer Schwebebahn insgesamt eine Geleiselänge von
1250 m haben. Diese Länge kann allerdings nur für grössere Bahnhöfe als bestehend
angenommen werden, doch unterliegt es sicher keinem Anstände, das Nebengeleise für
den Umsteigewagen soweit über das eine Stationsende hinauszuführen, als es zur
Ergänzung der notwendigen Streckenlänge bedarf.
Zu den weiteren hierbei in Betracht zu ziehenden Fragen gehört auch die, was zu
erfolgen habe, wenn in irgend einer Station ein abnormaler grösserer Personenandrang
zu verzeichnen ist, so dass die einsteigenden Reisenden auf dem Umsteigewagen keinen
Platz finden können. Nun, in einem solchen Falle wird man eben, wenn dies thunlich
erscheint, einen zweiten Umsteigewagen ankuppeln oder den Zug ganz einfach zum
Halten bringen. Da es nicht wahrscheinlich ist, dass in allen Stationen für den
gleichen Zug ein gleicher Andrang herrscht, wird die in einem solchen Falle
eintretende Verspätung kaum von irgend einem Einflüsse sein und sich leicht wieder
einbringen lassen.
Der Kraftbedarf, welcher erforderlich ist, um dem Umsteigewagen, welchem zweckmässig,
um den Widerstand der Luft zu überwinden, eine keilförmige Form gegeben wird, die
erforderliche Geschwindigkeit zu erteilen, lässt sich, da alle positiven
Anhaltspunkte fehlen, nur annähernd schätzen bezw. auf Grund willkürlicher Annahmen
berechnen.
Um hier nicht allzuweit fehl zu gehen, sei das Gewicht des Umsteigewagens, ähnlich
wie bei den Trambahnwagen für elektrischen Betrieb inklusive Motor mit 7 ½ t leer
und belastet mit 9 ½ t angenommen, wobei das Gewicht von 20 Personen à 75 kg mit 1 ½
t und das Gewicht des zu überladenden Gepäckes mit ½ t geschätzt wird.
Berechnet man nun den Zugswiderstand nach der mittlere Werte ergebenden Formel
W=\left(2,5+\frac{v^2}{1000}+\frac{1}{n}\right)\,G,
wobei G das Gesamtgewicht des
Wagens einschliesslich des Motors und der sonstigen zufälligen Belastung in Tonnen,
v die Geschwindigkeit in Kilometern pro Stunde und
\frac{1}{n} das Steigungsverhältnis der Bahn bezeichnet, so
erhält man nach Einsetzen der Werte von 30 für v, 9 ½
für G und 1 für \frac{1}{n}, da sich
die Bahn in den Stationen zumeist in der Horizontalen befindet, für
w=\left(2,5+\frac{900}{1000}+0\right)\,9,5=32\mbox{ kg}.
Der Motor müsste daher eine Zugkraft von 32 kg besitzen, um den Wagen mit einer
Geschwindigkeit von 30 km in der Stunde bewegen zu können. Da jedoch noch weiters
die Reibungsverluste, welche bei der Uebersetzung der Drehbewegung der Motorwelle
auf die Wagenachse entstehen, der Sicherheit wegen mit 25 % der Zugskraft angenommen
werden sollen, erhöht sich die erforderliche Zugskraft auf 40 kg.
Der antreibende Elektromotor muss dementsprechend eine Leistungsfähigkeit von
4,5 PS besitzen. Da aber die für das Anfahren erforderliche Zugskraft das Drei- bis
Vierfache der normalen beträgt, wird es, wiewohl jeder Elektromotor eine
Ueberlastung um das Drei- bis Vierfache des Normalen verträgt, wenn diese
Ueberlastung nur kurze Zeit andauert, zweckmässig sein, einen 20- oder noch besser
zwei 10pferdige Elektromotoren, deren jeder eine Achse des Umsteigewagens antreibt,
in Verwendung zu nehmen.
Um nun den Leistungswert des Generators auf dem Zuge zu bestimmen, sei im vorhinein
erwähnt, dass bei der heutigen Entwickelung des Motoren- und Dynamomaschinenbaues
ein Wirkungsgrad von 80 bis 93 % derselben und selbst darüber garantiert werden
kann. Sei zur Sicherheit, da es sich hier doch um kleinere, vielen
Unregelmässigkeiten ausgesetzte Maschinen handelt, für Motor und Generator nur je
ein Wirkungsgrad von 70 % angenommen, so müssen, um die 20 PS aus dem Motor an
Arbeit zu gewinnen, von den Leitungen 29 PS in den Motor eingeliefert werden.
Der Verlust in den Leitungen, mit Rücksicht auf die geringen Entfernungen und die
Möglichkeit, hohe Spannungen anwenden zu können, abnorm hoch mit weiteren 10 %
angenommen, bedingt, dass der Elektrogenerator an den Klemmen rund 32 PS abzugeben
hat. Sei der Generator gleichfalls von einem Wirkungsgrade von 70 %, so müssen an
denselben annähernd an 45,5 PS an mechanischer Arbeit übertragen werden.
Die durch Reibung und sonstige Einflüsse entstehenden Verluste, bei Uebertragung der
Bewegung von der Wagenachse auf den Generator oder die Dynamomaschine, sollen
weitere 25 % betragen. Die demgemäss von der Wagenachse zu übertragende Arbeit ist
demnach, sicher hoch, mit 60 PS zu bemessen.
Da nun die Geschwindigkeit des eine Station durchfahrenden Zuges von 60 auf 30 km per
Stunde herabgemindert werden muss, wird für diese Leistung bei der im Zuge
angesammelten Kraft die Trägheit des Zuges selbst genügen, indem ja, um die in
demselben aufgespeicherte Arbeit teilweise zu vernichten, wie dies durch die
Reduzierung der Fahrgeschwindigkeit thatsächlich notwendig wird, eine gewisse
Bremsarbeit verrichtet werden muss. Statt nun, da es sich im Sinne des Gesetzes der
Erhaltung der Kraft nur um eine Umwandlung der Energieform handelt, die mechanische
Arbeit in Wärme umzusetzen, wird hier dieselbe als elektrische Energie und zwar
kostenlos nutzbringend verwertet.
Aber selbst für den Fall, dass die dem Zuge innewohnende lebendige Kraft zur
Vollführung dieser Bremsarbeit nicht ausreichen sollte, vermögen die mächtigen
Lokomotiven der Neuzeit, die bis zu 900 PS entwickeln, den erforderlichen Zuschuss
an Arbeit leicht zu leisten.
Unter allen Umständen wird jedoch hier, da nicht die ganze dem Zage innewohnende
lebendige Kraft durch Bremsen aufgezehrt werden muss und die, grosse Anforderungen
an die Arbeitsmaschine stellende Arbeit des Anfahrens entfällt, an Kohle gespart
werden, indem ja viel weniger Arbeit erforderlich ist, um einem bereits in Bewegung
befindlichen Zuge eine gewisse Beschleunigung zu erteilen, als denselben vom
Ruhezustande in Bewegung zu bringen.
Statt den Elektrogenerator konstant mit der Triebachse zu kuppeln, dürfte es, da
derselbe auch bei Leerlauf eine gewisse Summe von Arbeit nutzlos verzehrt, von
Vorteil sein, denselben mit einer vom Führerstande auszu bedienenden, aus- und
einrückbaren Kuppelung zu versehen, wodurch der Generator eben nur so lange Kraft
beansprucht, als er zur faktischen Arbeit herangezogen wird. Hierdurch fällt auch
der etwa zu erhebende Einwand weg, dass die durch das Vermeiden des Anhaltens zu
erzielende Kohlenersparnis durch den Verbrauch an Arbeit für den Antrieb des
Elektrogenerators aufgehoben wird. Uebrigens kann die hierdurch zu erzielende
Kohlenersparnis wohl kaum in Betracht kommen und wurde derselben deshalb auch nur
nebensächlich erwähnt.
Gleichfalls von Bedeutung ist die Kostenfrage, da in Erwägung zu ziehen sein wird, ob
die mit derlei Einrichtungen verbundenen Auslagen in Einklang mit den zu erwartenden
Vorteilen stehen werden. Diesbezüglich ist es wohl schwer, ein Urteil zu fällen, da
ja nur für einen speziellen Fall der Wert derartiger Einrichtungen annähernd
herausgerechnet werden kann und hierfür die besonderen lokalen Verhältnisse eine
wichtige Rolle spielen. Es soll daher hier gar nicht der Versuch unternommen werden,
auch nur annähernd eine Rentabilitätsberechnung aufzustellen, hingegen seien die
Kosten einer derartigen Anlage einer versuchsweisen, durchaus nicht auf Genauigkeit
Anspruch machenden Schätzung unterzogen.
1.
Kosten der Ausrüstung der Lokomotive und zwarein
Elektromotor von 60 PS inkl. aller sonstigenerforderlichen elektrischen
Einrichtung zu 300 Mk.per Pferdestärke
18000
Mk.
2.
Kosten des Motorwagens
10000
„
3.
Kosten der elektrischen Ausrüstung des Motor-wagens, und
zwar ein Elektromotor von 20 PSinkl. aller sonstigen erforderlichen
elektrischenEinrichtungen zu 300 Mk. für die Pferdestärke
6000
„
4.
Herstellung der Stromzuführungsleitungen perKilometer
10000 Mk., d. i. für 1250 m
12500
„
5.
Herstellung des Nebengeleises auf bereits bestehen-dem
Bahnplanum mit 24000 Mk. per Kilometer,d.i. für 1250 m
30000
„
Aus diesen Ziffern, welche ziemlich willkürlich und hoch angenommen wurden, lässt
sich gegebenen Falles ein allgemeiner Voranschlag über die Gesamtkosten einer
derartigen Einrichtung nach Massgabe der Anzahl der benötigten Maschinen und
Stationsausrüstungen erstellen, und steht es ausser allem Zweifel, dass sich diese
Kosten bei praktischer Ausführung wesentlich reduzieren lassen werden.
Hiermit wurde die diesem Vorschlage zu Grunde liegende Idee und deren Ausgangspunkt
nur in den allgemeinsten Umrissen festgelegt und ebenso die aus der Durchführung
derselben möglicherweise erzielbaren Vorteile nur im Grossen und Ganzen erwähnt. Es
darf aber nicht unterlassen werden, darauf hinzuweisen, dass die Einbürgerung eines
derartigen Umsteige Verfahrens eine belebende Wirkung auf den allgemeinen Verkehr,
namentlich aber auf die Frequenz der Schnellzüge ausüben wird, indem die
Möglichkeit, von Mittelstationen aus rascher als bisher und ohne die vielen
Schwierigkeiten, mit welchen das Reisen von denselben mittels Fernzügen begleitet
war, von einem Orte zum anderen zu gelangen, die Reiselust jedenfalls wesentlich
erhöht.
Diese Idee, welche nach bestem Wissen neu und original ist, hiermit der
Oeffentlichkeit ohne jedweden weiteren Anspruch als dem der Priorität übermittelnd,
würde es dem Verfasser die grösste Befriedigung gewähren, wenn die mit selber
gegebene Anregung auf fruchtbaren Boden fiele und Anlass zur Durchführung
einschlägiger Versuche geben würde.