Titel: | Eine neue Steuerung mit einem Schieber und veränderlicher Füllung bei sonst konstanten Dampfperioden. |
Autor: | O. Herre |
Fundstelle: | Band 316, Jahrgang 1901, S. 335 |
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Eine neue Steuerung mit einem Schieber und
veränderlicher Füllung bei sonst konstanten Dampfperioden.
(D. R. P. Nr. 115305 und 115502.)
Von O. Herre, Ingenieur und Lehrer.
Eine neue Steuerung mit einem Schieber und veränderlicher Füllung
bei sonst konstanten Dampfperioden.
Die gebräuchlichen Steuerungen für Dampfmaschinen mit einem Schieber, welche eine Veränderung der Füllung ermöglichen, haben den
allgemeinen Nachteil, dass mit der Füllung auch alle übrigen Abschnitte der
Dampfverteilung verändert werden müssen und zwar meistens im ungünstigen Sinne.
Besonders unangenehm erweist sich diese Abhängigkeit aller Perioden voneinander bei
kleineren Füllungen, wie sie bei den jetzigen Dampfspannungen zur Erzielung
grösserer Wirtschaftlichkeit des Dampfbetriebes angewendet werden müssen. Bei
kleinen Füllungen beginnt die Kompression bereits so früh, dass die
Kompressionsendspannung bei Auspuffmaschinen nicht selten über die Einlassspannung
hinaus ansteigt. Ferner beginnt auch der Voraustritt des Dampfes viel zu früh, so
dass die Expansionswirkung des Dampfes nicht vollständig ausgenutzt werden kann.
Schliesslich ist auch der Voreintritt des Dampfes in den Cylinder stark verfrüht,
wodurch die Dampfwirkung gleichfalls ungünstig beeinflusst wird und auch die Ruhe
des Maschinenganges gestört werden kann.
Bei grösseren Füllungen treten die entgegengesetzten Nachteile auf. Die Kompression
beginnt sehr spät und liefert eine niedrige Endspannung, was noch insofern Bedeutung
hat, als auch der Voreintritt des Dampfes später erfolgt, so dass der
Spannungsausgleich im Todpunkt bis auf die Einlassspannung häufig nicht bewirkt
werden kann.Das Indikatordiagramm zeigt dann am Anfang der Füllung keine
scharfe Ecke, sondern eine Abrundung.
Auch der Voraustritt des Dampfes wird stark beschränkt, während zur Erreichung eines
günstigen Spannungsausgleiches am Ende der Expansion bei grossen Füllungen, also
auch bei grossen Expansionsendspannungen, gerade das Gegenteil erwünscht wäre.
Die mit der Veränderung der Füllung verbundenen Veränderungen des Voraus- und
Voreintrittes des Dampfes vollziehen sich also gerade entgegen der Zweckmässigkeit.
Während bei kleinen Füllungen wegen der kleinen Expansionsendspannung ein kleinerer
Voraustritt des Dampfes und mit Rücksicht auf die zugleich vorhandene höhere
Kompressionsendspannung auch ein kleinerer Voreintritt des Dampfes zulässig und
zweckmässig wäre, sind diese beiden Perioden bei kleinen Füllungen am grössten. Bei
grossen Füllungen dagegen, wo die grössere Expansionsendspannung einen grösseren
Dampf vor aus tritt, und die kleinere Kompressionsendspannung einen grösseren
Dampfvoreintritt erfordert, sind diese beiden Perioden am kleinsten.
Man ersieht hieraus, dass die Abhängigkeit aller Perioden von der Füllung zu
unbequemen Verhältnissen führt. Die meisten Schwierigkeiten bei
Einschiebersteuerungen werden in der Regel jedoch durch das hohe Ansteigen der
Kompressionsspannungen bei kleinen Füllungen hervorgerufen.
Diese Schwierigkeiten vermied man bisher in zweifacher Weise; entweder man blieb
bei der Einschiebersteuerung, benutzte aber bei normaler Belastung entsprechend
grössere Füllungen, vermied also hierdurch die übermässig hohen Kompressionen, oder
man benutzte eine Doppelschiebersteuerung, bei welcher die Füllung durch den zweiten
Schieber verändert wird, während die anderen Perioden von dem ersten Schieber allein
abhängig und dadurch konstant bleiben, da der erste Schieber für alle Füllungen in
gleicher unveränderter Weise wirkt.
Nun ist aber zu bedenken, dass die Benutzung grösserer Füllungen bei
Einschiebersteuerungen den Dampfverbrauch erhöhen muss, dass man demnach auch nicht
so wirtschaftlich arbeiten kann, wie mit Doppelschiebersteuerungen, bei welchen
unter sonst gleichen Verhältnissen durchschnittlich kleinere Füllungen angewendet
werden.
Die Einschiebersteuerungen werden daher nur dort mit Berechtigung anwendbar sein, wo
ihre besonderen Vorzüge gegenüber den Doppelschiebersteuerungen, nämlich ihre
Billigkeit und Einfachheit, ausschlaggebend sind; das ist der Fall bei kleineren
Maschinen und bei Schnellläufern.
Textabbildung Bd. 316, S. 336
Steuerung mit Kulissenverstellung.
Insbesondere bei schnellgehenden Maschinen, wo grösste Einfachheit der bewegten Teile
geboten ist, und wo auch an den Dampf verbrauch nicht die höchsten Ansprüche
gestellt zu werden pflegen, wird die Einschiebersteuerung von Vorteil sein. In allen
anderen Fällen jedoch, wo die Einfachheit der Steuerung nicht ausschlaggebend ist
und wo ein sparsamer Betrieb gefordert wird, dürfte die Doppelschiebersteuerung der
Einschiebersteuerung vorzuziehen sein, wenn nicht aus anderen Gründen Ventil- oder
Hahnsteuerungen zweckmässiger erscheinen sollten.
Dem Verfasser ist nun eine Steuerung mit einem Schieber patentiert worden, welche
eine Veränderung der Füllung gestattet, ohne dass es nötig
wird, auch die anderen Perioden der Dampf Verteilung verändern zu
müssen.
Durch diese Steuerung wird daher der hauptsächlichste Nachteil der bis jetzt
benutzten Einschiebersteuerungen beseitigt; damit kommt aber auch der wichtigste
Beweggrund in Wegfall, der bisher zur Wahl einer Doppelschiebersteuerung an Stelle
einer Einschiebersteuerung führte.
Die Einrichtung dieser neuen, durch die D. R. P. Nr. 115305 und 115502 geschützten
Steuerung ist folgende:
Der Schieber a, welcher nach Fig. 2 als Kolbenschieber
gedacht ist, aber auch als einfacher Rundschieber ausgebildet werden könnte, erhält
von dem Exzenter b eine konstante achsiale Bewegung.
Wie in den Fig. 1 und
2 dargestellt ist,
erteilt ein zweites Exzenter c dem Schieber a ausserdem eine rotierende Bewegung, welchejedoch
behufs Veränderung der Füllung unter der Einwirkung des Regulators oder des
Maschinenwärters steht.
Zu diesem Zwecke könnte z.B. die Exzenterstange eine um den Mittelzapfen d drehbare Kulisse e in
Schwingungen versetzen. In der Kulisse befindet sich ein Gleitklotz f, welcher von dem Regler eingestellt wird und
dementsprechend durch Vermittelung einer Stange das Rad g in grössere oder kleinere Schwingungen versetzt. Das Rad g überträgt diese Bewegungen durch das Rad h auf den Schieber a.
Jeder Punkt des Schiebers beschreibt demnach eine allgemeine Schraubenlinie, wobei
die Steigungsverhältnisse derselben von der Lage des Gleitklotzes f in der Kulisse abhängig sind.
Liegt der Gleitklotz, wie in Fig. 1 gezeichnet, in der Mitte der Kulisse e, so ist die Drehbewegung gleich Null und der Schieber a bewegt sich nur geradlinig. Die Dampfverteilung
erfolgt dann genau so wie bei den gewöhnlichen Einschiebersteuerungen.
Wird der Gleitklotz aus seiner Mittellage nach oben verstellt, so führt der Schieber
auch eine Drehung aus, welche bei einer Exzenterstellung nach Fig. 3 und der Schieberanordnung nach Fig. 2 ein längeres
Offenhalten der Dampfkanäle für den Einlass, also eine grössere Füllung bedingt.
In Fig. 3 bezeichne OI
die Kurbel; OII das Exzenter c für die Drehung und OIII das Exzenter b für die Achsialbewegung des Schiebers; ferner ist δ der Voreilwinkel von OIII und δ1 derjenige von OII.
Textabbildung Bd. 316, S. 336
Fig. 3.Exzenteranordnung.
Der Schieber a ist nach Fig. 2 Exzenteranordnung,
als sogen. Parallelogrammschieber mit parallelen aber
zur Achsialbewegung geneigt liegenden Absperrkanten für den Einlass ausgeführt,
während die Absperrkanten für den Auslass ebenfalls parallel sind, aber senkrecht
zur Achsialbewegung liegen. Fig. 4 zeigt die
Abwickelung des Schiebers und der Gleitfläche.
Textabbildung Bd. 316, S. 336
Fig. 4.Abwickelung des Schiebers.
Die Drehung des Schiebers um seine Achse bewirkt also eine kontinuierliche
Veränderung der äusseren Ueberdeckung, während die innere Ueberdeckung konstant
bleibt.
Ist nun, wie zuletzt angenommen, der Gleitklotz f in der
Kulisse e nach oben verstellt, so bewirkt die Drehung des
Schiebers während der Oeffnung des Einlasskanals eine Verkleinerung der wirksamen
äusseren Ueberdeckung, also ein längeres Offenhalten des Kanales. Wird der
Gleitklotz in der Kulisse nach unten verstellt, so erfolgt die Drehung in
entgegengesetzter Richtung, die äussere Ueberdeckung wird vergrössert und das
Offenhalten des Einlasskanales beschränkt.
Textabbildung Bd. 316, S. 337
Die fortwährende Veränderung der äusseren Ueberdeckung durch die Drehung ist an den
Diagrammen Fig. 5 und
6 zu verfolgen.
Es ist für die Darstellung das Zeuner'sche Diagramm
gewählt und eine Drehrichtung der Kurbel im Sinne der Uhrzeigerbewegung angenommen
worden. Das Einlassdiagramm liegt im oberen Kurbelhalbkreise und ist durch stärkere
Linien hervorgehoben. Die Darstellung bezieht sich auf die linke Seite des Schiebers
a in Eig. 2.
Liegt der Gleitklotz f in der Mitte der Kulisse, ist
also die Schieberdrehung gleich Null, so bleibt die äussere Ueberdeckung konstant.
In den Eig. 5 und 6 gilt dann der konzentrische Kreis nm, wobei n den Beginn der Voreinströmung und
m das Ende der Füllung bestimmt. Bei dem beliebig
gewählten Beispiel ist diese Füllung 45 % gross.
Das Diagramm Fig. 5 ist
nun unter der Voraussetzung gezeichnet, dass der Gleitklotz f entweder ganz oben oder ganz unten in der Kulisse liegt. Die
entsprechenden Grenzfüllungen sind durch die Punkte l
und k bestimmt und betragen 68 % bezw. 3 %. Diese
Grenzfüllungen lassen sich nach folgendem Verfahren ermitteln.
Da die Drehung des Schiebers a und die Veränderung der
äusseren Ueberdeckung zur Drehung des Exzenters c in
demselben Verhältnis steht wie die Achsialbewegung des Schiebers zur Drehung des
Exzenters b, so lassen sich die Veränderungen der
äusseren Ueberdeckungen ebenfalls durch den Zeuner'schen Schieberkreis darstellen.
In Fig. 5 ist op der Durchmesser dieses Kreises, der gleich der
grössten Zunahme bezw. Abnahme der Ueberdeckung ist und aus den Verhältnissen des
Antriebes bestimmt werden muss. Die Mittellinie dieses Kreises ist um den Winkel δ1 (vgl. Fig. 3) gegen die Vertikale nach links geneigt
einzutragen. Hat man die Grosse und Lage des Kreises richtig ermittelt, so ist die
Sehnenlänge, welche eine beliebige Kurbellage in diesem Kreise liefert, gleich der
zugehörigen Vergrösserung oder Verkleinerung der äusseren Ueberdeckung. Trägt man
daher diese Sehnen radial an den konzentrischen Kreis nm nach aussen oder innen an, so erhält man die – – – – Linie nk, bezw. die – • – • – • – Linie nl, welche die Veränderung der wirksamen Ueberdeckung
erkennen lassen und durch ihren Schnittpunkt mit dem gewöhnlichen Schieberkreise die
Füllung bestimmen.
In dem Diagramm Fig.
6 ist angenommen, dass der Gleitklotz f nicht
ganz nach oben oder nach unten eingestellt wurde. Der Durchmesser op1 des Kreises
für die Schieberdrehung ist daher entsprechend kleiner, seine Mittellinie aber
unverändert geblieben. Trägt man wieder die Sehnen dieses Kreises nach aussen oder
innen von dem Kreise nm ab, so erhält man die Linien
nk1 bezw.
nl1 die
diesmal durch die Schnittpunkte k1 bezw. l1 Füllungen von 22 % bezw. 58 %
bestimmen.
Soll die Voreinströmung immer bei derselben Kurbelstellung erfolgen, so muss Punkt
n als Schnittpunkt aller Ueberdeckungslinien mit
dem Schieberkreise an derselben Stelle verbleiben. Diese Bedingung wird erfüllt,
wenn der Winkel δ1 gleich dem Winkel son gemacht wird. Die
Grosse der Voröffnungen für den Einlass bleibt dann allerdings nicht für alle
Füllungen konstant; doch könnte man dies erreichen, wenn δ1 = o gewählt wird. Damit wird aber der Beginn der Voreinströmung dem Wechsel
unterworfen. Wählt man δ1 zwischen Null und dem Winkel son, so erhält man annähernd gleiche Voröffnungen für
den Einlass bei annähernd gleichbleibendem Beginn der Voreinströmung. Die
Kompression, die Vorausströmung und die Grosse der Voröffnung für den Auslass sind
dagegen konstant und stehen in keiner Abhängigkeit zur Schieberdrehung.
Der Antrieb der Drehbewegung des Schiebers kann natürlich noch in anderer Weise
konstruktiv bewirkt werden.
In den Fig. 7 bis 10 ist eine Einrichtung
dargestellt, die sich für die Anwendung eines Flachreglers oder Achsenregulators
empfiehlt.
Hier verstellt der Regulator direkt das Exzenter c für
die Drehbewegung; Fig. 7
würde der grössten, Fig.
9 der mittleren und Fig. 10 der kleinsten Füllung entsprechen. Der Mittelpunkt der
Exzenterscheibe muss von dem Regulator auf einer durch den Wellenmittelpunkt
gehenden Geraden oder Kurve verschoben werden. Hierbei ist es natürlich möglich,
jede der praktisch erprobten Konstruktionen zur Exzenterverstellung anzuwenden.
Textabbildung Bd. 316, S. 337
Steuerung mit Exzenterverstellung.
In den Fig. 7 und 8 sind die Zahnräder der
Fig. 1 und 2, die besonders bei
schnellerem Gange besser vermieden werden, durch Hebel ersetzt.
Eine besonders einfache Konstruktion erhält man für stehende Maschinen in der
Anordnung Fig. 11 bis
13.
Die Regulatorwelle a wird in der üblichen Weise durch
Kegelräder oder Hyperbelräder von der Hauptwelle angetrieben. Der Regulator
verstellt entweder direkt oder bei zu kleinem Hube eventuell mittels einer
Uebersetzung das Keilstück b, welches sich in der
Exzenterscheibe c führt. Hierdurch wird die
Exzentrizität des Exzenters verändert. Die Exzenterscheibe c ruht in einer Schwalbenschwanzführung des
Textabbildung Bd. 316, S. 338
Steuerung mit Kollverschiebung.
Kopfes d, der auf der
Regulatorwelle fest aufgekeilt ist und sich in dem Ständer e führt. Das Exzenter c wirkt dann direkt auf
die Drehung der Schieberstange f ein.
Durch diese Anordnung wird eine sehr einfache und unmittelbare Uebertragung der
Bewegung erzielt und auch der Regulator von einem eventuellen Rückdruck befreit.
Ein Vorteil der hier erörterten Steuerung dürfte noch die Zwangläufigkeit sein, die
auch die Verwendung selbst bei höheren Umlaufszahlen gestattet. Weiter ist diese
Steuerung auch bei sehr hochgespanntem oder hochüberhitztem Dampfe verwendbar.
Für hoch überhitzten Dampf kommen bekanntlich neben den Ventilsteuerungen nur
einfache Kolbenschiebersteuerungen in Betracht. Die doppelten ineinander gleitenden
Kolbenschieber haben sich bei den hohen Temperaturen und bei den schwierigen
Ausdehnungsverhältnissen nicht bewährt. Da nun aber die einfachen Kolbenschieber die
schon erwähnten Nachteile besitzen, andererseits aber bei der Verwendung
hochüberhitzten Dampfes die grösste Wirtschaftlichkeit gefordert wird, so sah man
bisher gewöhnlich von den üblichen Einschiebersteuerungen ab; man verwendete
vielmehr zwei Kolbenschieber, die aber nicht ineinander gleiten, sondern in
besonderen Gleitflächen nebeneinander liegen. Der eine Schieber steuert den Einlass,
der andere den Auslass.
Demgegenüber könnte man bei der Verwendung der vorliegenden Steuerung mit einem
Schieber bei derselben Wirtschaftlichkeit des Betriebes auskommen. Allerdings wäre
dann der Schieber entsprechend zu konstruieren, besonders wäre Innenströmung
anzuwenden, damit die Stopfbüchsen der Schieberstange geschützt im Abdampf
liegen.
In Verbindung mit einer geeigneten Umsteuerung wäre die Steuerung übrigens auch für
Schiffsmaschinen oder Lokomotiven unter gewissen Umständen brauchbar und
nützlich.