Titel: | Die Heizung der Eisenbahnwagen. |
Fundstelle: | Band 316, Jahrgang 1901, S. 427 |
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Die Heizung der EisenbahnwagenNach dem Génie
civil..
(Pariser Weltausstellung 1900.)
Die Heizung der Eisenbahnwagen.
Hinsichtlich der Lösung der Heizungsfrage von Eisenbahnwagen sind auf der
vorjährigen Pariser Weltausstellung die verschiedensten Systeme vorgeführt worden;
denn so einfach sich die Heizungsfrage bei einem gewöhnlichen Gebäude gestaltet, so
schwierig ist die richtige und praktische Lösung derselben, wenn es sich um
Fahrzeuge handelt. Die Schwierigkeiten bestehen teilweise in dem Einfluss, welche
die verschiedene Fahrgeschwindigkeit der Züge auf die Heizung ausübt, teils in der
notwendigen Ueberwachung der Feuerungsanlagen, um jede Feueroder Erstickungsgefahr
zu beseitigen und schliesslich nicht zum mindesten in dem beschränkten Raum, welcher
zur Unterbringung der Heizungsanlagen zur Verfügung steht.
Im allgemeinen lassen sich die jetzt sowohl in Frankreich als ausserhalb desselben
gebräuchlichen Heizungssysteme in vier Gruppen einteilen:
1. Die anfänglichen Heizungseinrichtungen.
2. Heizung mit Wärmeröhren.
3. Heizung mit Dampf oder mit Dampf und Wasser (gemischtes System).
4. Elektrische Heizung.
I. Die anfänglichen
Heizungsanlagen.
Heizung mit Warmwasserbehältern. – Die Heizung mittels
Behälter mit heissem Wasser ist gegenwärtig noch sowohl auf französischen als auch
auf anderen Bahnen im Gebrauch und beruht dieselbe bekanntlich darauf, jeden
Wagenabteil mit einem oder mehreren Warmwasserbehältern zu versehen. Die kalt
gewordenen werden hierbei entweder gegen neue warme umgetauscht oder die kalten
Behälter werden in siedendes Wasser getaucht und wieder erwärmt, oder es wird
schliesslich durch die Behälter Dampf geführt.
Obwohl die erste Art umständlich ist, besonders wenn eine grosse Anzahl von Behältern
in entsprechend kurzer Zeit umzuwechseln ist, so bietet sie doch den Vorteil, am
längsten die Wärme zu erhalten. Die zweite Art, das Eintauchen in siedendes Wasser
ist wenig gebraucht. Mittels der dritten kann zwar in kurzer Zeit eine grössere
Anzahl von Behältern erwärmt werden, es gehören hierzu jedoch besondere Anlagen und
die Anstellung von besonderen Bedienungskräften; die Neuerwärmung kann schliesslich
nur auf grösseren Bahnhöfen erfolgen. Die in dieser Weise erhaltene Wärme hat eine
Temperatur von ungefähr 90°, welche sich innerhalb zweier Stunden verringert,
welcher Zeitraum sich jedoch bei einer äusseren Temperatur von 0° nicht bestimmen
lässt. Ist nun die Fahrzeit eine längere, so müssen sämtliche Behälter an vorher
bestimmten Bahnhöfen erneuert werden.
Diese Erneuerung der Heizkörper bedingt nun ein fortwährendes Oeffnen der
Wagenabteile und eine Belästigung der Reisenden, welche genötigt sind, die Füsse
hoch zu heben, um mit den mit grösserer oder geringerer Vorsicht ausgewechselten
Behältern nicht in Berührung zu kommen. Schliesslich werden durch diese
Heizungsmethode nur die Füsse der Reisenden erwärmt, während im Wagen selbst wenig
von der Wärme zu fühlen ist.
Heizung mit essigsaurem Natron. Um die vorstehend
genannten Umstände und Unzuträglichkeiten zu vermeiden, sind Versuche angestellt
worden, die Heizung der Wagen mittels flüssig gemachten essigsauren Natrons zu
bewirken, welches bei der Rückkrystallisierung eine bedeutende Menge von Wärme
abgibt, die mehrere Stunden anhält.
Die ersten durch Scholte im Jahre 1890 angestellten
Versuche bestanden darin, dass durch die flüssige Masse unter einem Druck von 2 kg/qcm während 45
Minuten ein Dampfstrom geleitet wurde; man erreichte hierdurch eine Temperatur von
94°, welche ungefähr 15 Stunden anhielt. Hierbei mussten jedoch die Behälter mit
einem Luftventilversehen werden, um ein Schmelzen derselben zu verhindern.
Etwas später werden die Versuche bei der (französischen) Nordbahngesellschaft mit
denselben Apparaten, welche zur Erhitzung des Wassers dienten, wiederholt. Hierbei
stellte sich heraus, dass, um ein Ueberschmelzen zu vermeiden, ein Erhitzen bis zu
70° ausreichte, da bei einer höheren Temperatur eine neue Krystallisation eintrat,
ohne jedoch mehr Wärme abzugeben. Ein Druck von 1,5 kg/qcm während 10 bis 15 Minuten genügte
zur Erhitzung der Behälter. Die betreffenden Behälter bestehen aus Stahlblech und
enthalten eine Schlange von 1 m Länge für das flüssige essigsaure Salz. Sie
enthalten 12 kg Salz und wiegen gefüllt ungefähr 27 kg. Die Rückkühlung dauert vier
bis fünf Stunden. Zu bemerken ist hierbei, dass durch die Bewegung des Zuges das
Freiwerden der Wärme unterstützt wird.
Diese Heizungsmethode stellt sich jedoch durch den jedesmaligen Gebrauch einer
bedeutenden Menge Dampfes ziemlich teuer, ausserdem ist es nötig, jeden Winter eine
bedeutende Menge Salz zu erneuern.
Heizung mit chemischen Briketts. Mehrere Jahre hindurch
wurden Heizungsversuche mit Heizkörpern aus Kohle angestellt, welche in unter den
Bänken befindlichen durchlochten Behältern untergebracht wurden. Das Brennmaterial
bestand grösstenteils aus sogen. chemischen Briketts, welche vor dem Einbringen in
die Behälter glühend gemacht wurden.
Diese zuerst in Deutschland unter dem Namen „Berghausen'sches System“ angewandte Heizmethode wurde jedoch wegen
ihrer Feuer- und Erstickungsgefährlichkeit, abgesehen von den verhältnismässig hohen
Kosten und der ungleichen Verbrennung, abgeschafft. Augenblicklich wird sie noch bei
einigen Lokalbahnen, bei der allgemeinen Omnibusgesellschaft (Paris) und städtischen
Fahrzeugen angewendet, wobei jedoch die Gase nach aussen abgeführt werden und die
vollkommen luftdichten Heizbehälter zum Erwärmen der Füsse der Passagiere
dienen.
Textabbildung Bd. 316, S. 427
Fig. 1.Heizvorrichtung mit chemischen Briketts.
Bei einigen Eisenbahnen werden diese Briketts noch zur Erhitzung von auf dem Boden
der Wagen angebrachten Wasserbehältern angewendet. Die Heizungseinrichtung ist aus
Fig. 1 zu ersehen, bei welcher der Pfeil die
Fahrrichtung andeutet. Die Heizungseinrichtung besteht aus einem doppelten Behälter
aus Eisenblech, dessen eine Abteilung mit Wasser gefüllt wird, während in der
anderen Abteilung ein oder zwei Briketts untergebracht werden. Der Kohlenbehälter
ist derart eingerichtet, dass die Heizgase längere Zeit in dem ganzen Behälter
verbleiben müssen. Der Behälter ist in zwei Teile geteilt, von denen der eine zur
Einführung der kalten Luft, der andere zum Auslass der warmen Gase dient. Um das
Glühen der Briketts zu unterhalten, befindet sich der Kohlenbehälter vorn im Sinne
der Fahrrichtung. Die Heizvorrichtung wird in einem verschlossenen Raume
untergebracht, welcher nur behufs Erneuerung geöffnet wird. Bei einer äusseren
Temperatur von 0° erzielt man mittels dieser Heizvorrichtung 70° Wasserwärme. Durch
eine Reihe von Beobachtungen ist jedoch festgestellt worden, dass die Briketts oft
verlöschen, ehe sie vollständig ausgeglüht haben, was durch die öfters vorhandene
ungünstige Windrichtung zu erklären ist. Ausserdem werden bei längerem Aufenthalt
die Briketts durch die sich entwickelnde Kohlensäure erstickt. Um dies zu
verhüten, wird bei C eine kleine, mit einem Rohr
versehene Oeffnung angebracht, durch welches die Gase unter den Wagen bezw. ins
Freie geleitet werden.
Textabbildung Bd. 316, S. 428
Fig. 2.Heizung mit warmer Luft.
Heizung mittels Oefen. Bei den belgischen Eisenbahnen
war längere Zeit hindurch die Heizung der Wagen mittels Warm Wasserbehälter in
Anwendung, welche jedoch bei leichteren Zügen, bei denen sich die Wagenthüren an der
Stirnseite der Wagen befinden, zu umständlich war. Es werden daher jetzt
Kaloripheröfen verwendet, welche mit Koks oder Oel geheizt und von dem Zugpersonal
bedient werden. Die Einrichtung der Oefen ist einfach und allgemein bekannt.
Auf den Nebenlinien der russischen Eisenbahnen finden ebenfalls Oefen Verwendung,
welche mit Koks oder Holz geheizt werden. Dieselben dienen für den Notfall bei
etwaigem Versagen der Dampfheizung, mit welcher die Wagen im allgemeinen versehen
sind.
Textabbildung Bd. 316, S. 428
Fig. 3.Schema der Heizungsanlage der Nordbahn.
Auf der Mailänder Nordbahn finden besondere Heizröhren Anwendung zum Zweck mittels
einer quer unter dem Wagen angebrachten Teuerung heisse Luft in die Wagen zu leiten.
s Der Apparat besteht aus einem Feuerherd a, einer
Abteilung zum Erhitzen der Luft und den Leitungsröhren für die warme Luft bb (Fig. 2). Der
Feuerherd oder Ofen a ist in eine untere und eine obere
Kammer geteilt; in der oberen befindet sich das Feuerungsmaterial, während die
untere zum Anzünden desselben und zum Reinigen dient. Der Aschenraum hat sechs
Oeffnungen, unter denen sich Schubläden zur Aufnahme und Entleeren der Asche
befinden. Von diesem Raume führen vier Röhren bb die
warme Luft nach den einzelnen Abteilungen des Wagens; der Eintritt der warmen Luft
wird in der Weise geregelt, dass das der Fahrrichtung entgegenliegende Ende
geschlossen wird, während der Eintritt der durch die Bewegung des Zuges
mitgerissenen Luft durch Hindernisse geregelt wird, welche sich in den Oeffnungen
der Luftröhren und des Aschekastensbefinden. Zur Heizung wird Koks verwendet;
die einmalige Beschickung reicht für zwei Stunden aus.
II. Heizung mit
Wärmeröhren.
Heizungssystem der Nordbahn. Auf der Pariser Ausstellung
hatte die Nordbahngesellschaft gewöhnliche Wagen und solche mit Gängen ausgestellt,
welche mit einem Heizsystem mittels Röhren zur Zirkulation von warmem Wasser
ausgestattet waren.
In Fig. 3 ist die Anlage einer derartigen
Heizvorrichtung schematisch dargestellt, wobei ein Wagen mit sechs Abteilungen
angenommen ist.
Textabbildung Bd. 316, S. 428
Kessel der Heizungsanlage der Nordbahn.
Die Heizungsanlage besteht aus einem Kessel C mit einer
inneren Feuerung B, welche sich aussen in der Mitte des
Wagens befinden. Von dem Kessel gehen drei Röhren E
aus, welche das warme Wasser nach den Heizkörpern N,
die paarweise angeordnet sind, führen; drei Röhren O
dienen zum Rückleiten des kalten Wassers nach einem Spannungsregler L mit einem Reservebehälter M für Wasser. Von hier aus wird das Wasser nach einer niedrig gelegenen
Stelle B des Kessels zurückgeleitet. Die Anlage ist
noch mit einem Fülltrichter K zum Einfüllen von Wasser,
mit Ueberflussröhren G und einem Reservebehälter
versehen; Luftröhren S vermitteln den Abzug der Luft
aus der Anlage.
Von Kesseln werden zwei Systeme angewendet, welche in den Fig. 4 und 5 im Längsschnitt
veranschaulicht sind. Dieselben haben eine doppelte Wand, welche entweder einen
ringförmigen Wasserraum bildet (Fig. 4) oder der Ringraum
enthält drei Schlangenrohre (Fig. 5), welche für die Zirkulation des Wassers in den je zwei
Heizkörpern dienen. Da der durch den Bau der Wagen verfügbare Raum beschränkt
ist und daher Röhren von geringem Durchmesser benutzt werden müssen, werden die
einzelnen Windungen derselben sehr nahe aneinander gebracht. Die Schlangenröhren
haben den Vorteil einer grossen Heizfläche, der sich in den Zwischenräumen der
einzelnen Windungen ansetzende Russ schränkt jedoch die Verteilungsoberfläche der
Hitze bedeutend ein und erschwert die Reinigung. Infolgedessen werden anstatt der
Kessel mit Schlangenröhren die Ringkessel verwendet, welche sich im Gebrauch
vorteilhafter erwiesen haben. Beide haben jedoch zwei oder drei Aus-flussröhren B und ein Rückflussrohr D.
Im oberen Teile befindet sich ein durch einen Deckel E
verschliessbarer Rumpf C zum Einschütten des
Heizmaterials.
Der Feuerraum besteht aus einem Rahmen mit dem Rost G,
ist mittels eines Scharniers drehbar an den Kessel angebracht und wird mittels eines
Schiebers in der Schlusslage gehalten. Der Rost selbst ist beweglich und kann behufs
Entfernung der Asche mittels einer Stange in Drehbewegung versetzt werden. Der
glühende Teil des Feuerungsmaterials steht unmittelbar mit dem unteren Teil des
Wasserraumes oder der Schlangenröhren in Verbindung, während der obere Teil
derselben durch die aufsteigenden Gase erhitzt wird.
Textabbildung Bd. 316, S. 429
Fig. 6.Rauchabziehungsrohr der Heizanlage der Nordbahn.
Das Rauchabzugrohr ist unten bei a knieförmig gebogen,
geht aussen am Wagen in die Höhe und endet oben bei e
wieder in ein Knie, das mit einer Haube abgedeckt ist. Das untere Knie ist behufs
Reinigung mit einer Thür b versehen, über welcher sich
im geraden Teil des Rohreseine Regulierungsklappe c befindet, welche jedoch auch bei der Schlussstellung das Rohr nicht
vollständig abschliesst.
Der Spannungsregler L dient zur Verhütung von Gefahren
bei der Ausdehnung des Wassers und der Dampferzeugung und befindet sich unter der
Bank einer Abteilung eines jeden Wagens. Diese Regler bestehen aus gusseisernen
Behältern, welche mit der Aussenluft durch den Fülltrichter in Verbindung stehen.
Behufs schneller Feststellung, ob die Füllung zum richtigen Funktionieren der Anlage
ausreicht, ist das Gefäss mit einem Wasserstandsrohr und einem weiteren Rohr
versehen, welches unter dem Wagen seinen Ausfluss hat.
Die Heizkörper sind in dem Boden des Wagens gelagert und mit einem zweiten Boden
zugedeckt; ihre Länge entspricht der Breite der Wagen. Ihre Oberfläche ist leicht
gewölbt und in der ersten Wagenklasse behufs Vergrösserung der Heizfläche mit Rippen
versehen. Es sei bemerkt, dass sowohl bei dieser Heizungsanlage, als überhaupt in
Frankreich vor allem darauf Rücksicht genommen wird, die Füsse der Reisenden zu
erwärmen.
Als Heizungsmaterial diente anfangs magere Steinkohle, später Gaskoks, welcher jedoch
manche Nachteile hatte; jetzt wird englischer Anthracit in nussgrossen Stücken
verwendet, welcher ausgezeichnete Resultate liefert.
Textabbildung Bd. 316, S. 429
Fig. 7.Heizungsanlage für Schlafwagen der Nordbahn.
Dasselbe Heizungssystem wird bei den Wagen mit seitlichem Gang bezw. Schlafwagen der
Nordbahngesellschaft angewendet. Wie Fig. 7 zeigt,
befinden sich hier in der Diagonale des Wagens zwei Kessel CC mit je einem Spannungsregler V und
Füllbehältern B; durch die Leitung werden sowohl die
Heizkörper AA gespeist, als auch der Verbindungsgang
erwärmt. Die Rauchabzugsrohre befinden sich an den Enden des Wagens und enden oben
in einen Ventilator. Jeder Kessel enthält drei Schlangenröhren, von denen zwei mit
den Leitungsröhren T1
der Heizkörper, die dritte mit der Leitung T2 zur Erwärmung des Verbindungsganges verbunden ist.
Die beiden Speiseleitungen der Heizkörper sind durch ein gemeinschaftliches Rohr T zur Rückleitung des abgekühlten Wassers
verbunden.
(Fortsetzung folgt.)