Titel: | Anlagen der französischen Eisenbahnen für das Wassernehmen der Lokomotiven während der Fahrt. |
Fundstelle: | Band 316, Jahrgang 1901, S. 527 |
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Anlagen der französischen Eisenbahnen für das
Wassernehmen der Lokomotiven während der Fahrt.
Anlagen der französischen Eisenbahnen für das Wassernehmen der
Lokomotiven während der Fahrt.
Mehr als 40 Jahre sind bereits verflossen, seitdem Ramsbottom, der damals die englische Nordwestbahn leitete, auf die Idee verfiel, zur Ersparung der den Zügen
infolge des Wassernehmens erwachsenden Aufenthalte Einrichtungen zu schaffen, welche
das Speisen der Lokomotiven während der Fahrt ermöglichen. Vorliegendenfalls geschah
dies lediglich in dem Bestreben, für die 137 km lange Strecke von Chester nach Cholyhead
eine kürzere Fahrzeit erzielen zu können als jede Konkurrenzbahn. Nach einer Reihe
vorausgegangener sehr lehrreicher theoretischer Erwägungen und praktischer Versuche
entstanden die ersten Anlagen auf der Strecke der North-Western-Railway zu Ende des Jahres 1862. Aus ähnlichen Gründen,
nämlich lediglich zum Zwecke des Wettbewerbes, kamen Ramsbottom'sche Einrichtungen im Jahre 1873 auch nach Amerika, wo sie auf
der Pensylvania-Railroad die erste Anwendung fanden.
Seither wurden sie auf englischen und amerikanischen Eisenbahnen hie und da
eingeführt, ohne jedoch den Weg nach dem europäischen Kontinent zu finden, wo ja die
Knotenpunkte der Eisenbahnnetze verhältnismässigso dicht aneinander liegen.
Erst neuerer Zeit sind es einige französische Eisenbahnen, die im Interesse der
Beschleunigung direkter Anschlüsse zwischen Paris und verschiedenen
Dampfschiffsrouten des Kanals und des Mittelmeeres der in Rede stehenden Methode der
Wasserversorgung bei den fahrenden Zügen praktische Beachtung zugewendet haben.
Dabei handelt es sich vorläufig im allgemeinen bloss um Versuche bis in einem Falle
der französischen Staatsbahnen, die auf ihrer Linie Paris-Royan in regelrechten Betrieb gestellte Einrichtungen besitzt,
mittels denen sich zwei tägliche direkte Expresszüge während der Fahrt mit Wasser
versorgen, welche nur ein einziges Mal, nämlich in Thouars, d. i. 326 km von Paris bezw. 244 km vor Royan, anhalten, um die
Lokomotive zu wechseln. Auf der benannten Strecke befinden sich nämlich für den
gedachten Zweck sechs Wasserbecken – das sind drei für jede Zugrichtung – im
laufenden Doppelgeleise und zwar je zwei unmittelbar anstossend an dem Bahnhofe Illiers, 115 km von Paris, dann zunächst der Station
Chateau du Loir, 220 km von Paris, und an der Station
Villeneuve-la-Comtesse, 450 km von Paris. Jene
sechs Punkte – die Abgangsstation und Endstation mit eingerechnet –, an welchen bei
den bezeichneten Zügen ein Wassernehmen erfolgen kann, liegen sonach, von Paris aus
gerechnet, 115, 105, 106, 124 und 120 km weit voneinander, oder, auf die
Fahrtrichtung von Royan nach Paris bezogen, in Abständen von 120, 124, 106, 105 und
115 km.
Textabbildung Bd. 316, S. 527
Fig. 1.Querschnitt durch das Speisebecken (Französische
Staatsbahn).
Textabbildung Bd. 316, S. 527
Fig. 2.Draufsicht an einer Stückverbindung des Speisebeckens.
An den drei obenbezeichneten Wasserversorgungsstellen der offenen Strecke ist in
jedes der beiden Geleise der Doppelbahn ein aus 4 mm starkem Stahlblech
hergestelltes, 0,50 m hohes, offenes Speisebecken eingebaut. Dasselbe liegt genau in
der Mitte zwischen den beiden Schienensträngen des Geleises und besitzt auf eine
Länge von 440 m die in Fig. 1 bis 5 dargestellte Anordnung und durchaus die gleiche
Tiefe von 160 mm, während an den beiden Beckenenden der Gefässboden auf 48 m Länge
mit 3 Steigung anläuft. Die Gesamtlänge jedes dieser am Oberrande durchaus
wagerecht verlaufenden Speisebeckens beträgt, die beiden Anläufe mitgerechnet, 536
m. Hiervon besteht der 440 m lange Hauptkörper aus 88 aneinander-genieteten Stücken
von je 5 m Länge, während jeder der beiden Anläufe aus 10 ähnlichen, jedoch nur 4,80
m langen Stücken zusammengesetzt ist. An der Aussenseite der beiden Längs wände
wurde das Becken am Fusse durch die 7 mm starken 60,60 mm messenden Winkeleisen w (Fig. 1 u. 2) verstärkt, und zugleich auf den gewöhnlichen,
hölzernen Querschwellen des Oberbaues durch die weitere Vermittelung von Klemmbacken
k befestigt. Die vorerwähnten 108 Stücke, aus denen
jedes Speisebecken besteht, sind im allgemeinen einfach aneinandergestossen und so,
wie es Fig. 2 in der Draufsicht und Fig. 3 (rechts) in der Ansicht ersehen lässt, durch
einen im Profil des Beckens gebogenen, 75 mm breiten, 6 mm starken Blechstreifen
überplattet und durch 52 Stück 10 mm starke, in Abständen von je 30 mm voneinander
angeordnete Nieten verbunden. Nebst diesen gewöhnlichen Verbänden finden sich im
mittleren Hauptteile – je 50 m voneinander entfernt – noch besondere
Stückverbindungen von der in Fig. 3 bis 5 ersichtlich gemachten Anordnung, zu dem Zwecke, die
allenfalls infolge von Temperaturänderungen in der Längsrichtung des Beckens
auftretenden Ausdehnungen oder Zusammenziehungen unschädlich zu machen.
Man hatte ursprünglich allerdings daran gedacht, für den vorbezeichneten Zweck
dieselben Feder- und Nutverbindungen mit Kautschukzwischenlagen anzuwenden, wie sie
in der Regel seitens der amerikanischen Eisenbahnen benutzt werden, allein diese
Dilatationen erwiesen sich weniger haltbar und zugleich nennenswert kostspieliger
als die gewählte Form nach Fig. 3 bis 5. Ueberdies lassen die bisherigen Erfahrungen
annehmen, dass man in betreff der Vorkehrungen für die Ausdehnung und
Zusammenziehung eigentlich weiter gegangen sein dürfte, als es thatsächlich geboten
war, denn es hätte anscheinendgenügt, einfach die Schraubennägel der
Klemmbacken k (Fig. 1),
mit welchen das Speisebecken an den Schwellen befestigt ist, weniger scharf
anzuziehen, so dass den Winkeleisen w zur Längsbewegung
noch ein wenig Luft geblieben wäre. Zu dieser Massnahme mochte man sich jedoch, eben
der gehörigen Lagerhaftigkeit und Befestigung des Beckens halber, gleich von
vornhinein nicht entschliessen; Man zog es vielmehr vor, für die Dilatation in jedes
Becken neun, im Sinne der Fig. 3 bis 5 ausgeführte Stückverbindungen einzuschalten, deren
Anordnung aus den Abbildungen ohne weiteres so klar hervorgeht, dass hierzu etwa nur
noch zu erwähnen bliebe, dass die Winkelkragen B1 welche die Beckenteile A1 und A2 übergreifen, aus 3 mm starkem Stahlblech bestehen,
und dass die Nieten des Verbandes, wie bei den weiter oben betrachteten gewöhnlichen
Stückverbindungen, 10 mm stark und in Abständen von je 30 mm aneinandergereiht
sind.
Textabbildung Bd. 316, S. 527
Fig. 3.Längsschnitt der Verbindungen für die Dilatation.
Textabbildung Bd. 316, S. 527
Fig. 4.Schnitt fg.
Textabbildung Bd. 316, S. 527
Fig. 5.Draufsicht der Verbindungen für die Dilatation.
Das Füllen der drei Speisebeckenpaare geschieht im selbstthätigen Wege derart, dass
fortlaufend mindestens so viel Wasser zugeführt wird, als erforderlich ist, den
Wasserspiegel im Becken dauernd auf der gleichen Normalhöhe von 135 mm zu erhalten.
Zu dem Ende besteht an jedem der drei in Frage kommenden Strecken eine besondere
Verteilungsanlage (Fig. 6 und 7), welche beiläufig in der Längenmitte der
Speisebecken errichtet und in einem eigenen, leichten Gebäude untergebracht ist. Zu
diesem Verteiler gelangt das Wasser durch ein 200 mm starkes Rohr D (Fig. 7) aus dem
Reservoir der nächsten Eisenbahnstation und durch die weitere Vermittelung der
Zweigrohre D1 und D2, vorausgesetzt, dass
die Hähne V1 und V2 offen sind, was für
gewöhnlich immer der Fall ist, zu den Ventilen U1 bezw. U2. Die letztgenannten Ventile sind am Boden der aus
Stahlblech bestehenden prismatischen Wasserbehälter A1 bezw. A2 angebracht, von denen jedes ungefähr 300 l Wasser
aufzunehmen vermag. A1
steht durch ein 200 mm starkes Rohr C1 mit dem Speisebecken G1 des Geleises S1S1 (Fig. 7) und A2 durch ein
ebensolches Rohr C2 mit
dem Speisebecken G2 des
Geleises S2S2 (Fig. 6 u. 7) in
Verbindung. Von jedem der Rohre C1 und C2 zweigt ein offenes, nach rückwärts geführtes Nebenrohr Q1 bezw. Q2 ab, welches in der
Regel durch den Wechsel w1 bezw. w2
abgesperrt ist, wogegen die Wechsel W1 und W2 in den Hauptrohren C1 und C2 während des Betriebes stets offen stehen. Nur wenn
eines der Speisebecken, beispielsweise G1, vollständig ausser Betrieb gesetzt und entleert
werden soll, wird zuvörderst der Hahn V1 abgedreht, sodann der Wechsel W1 gleichfalls
geschlossen und dafür w1 geöffnet, worauf das gesamte Vorratwasser des Beckens G1 bei der Rohröffnung
y1 in einen
gemauerten Kanal und dann weiter in den Eisenbahngraben abfliesst.
Textabbildung Bd. 316, S. 528
Fig. 6.Selbstthätige Speiseanlage (Draufsicht).
Textabbildung Bd. 316, S. 528
Fig. 7.Selbstthätige Speiseanlage (Schnitt CD).
Was nun die selbstthätigen Regulierungsvorrichtungen anbelangt, so bestehen dieselben
aus zwei neben A1 und
A2 angebrachten,
von denselben jedoch vollständig abgeschiedenen Behältern R1 und R2, welche zwar die nämliche Länge besitzen wie A1 und A2, sonst aber
beträchtlich schmäler und seichter sind als diese. B1 und B2 stehen durch je eine 75 mm starke Rohrleitung O1 bezw. O2 mit dem zugehörigen
Speisebecken G1 bezw.
G2 in Verbindung,
weshalb also im Behälter R1 stets derselbe Wasserstand vorhanden ist wie im Becken G1 und in R2 derselbe
Wasserstandwie in G2. Die Einmündungspunkte der Rohre O1 und O2 befinden sich in den Speisebecken 20 m hinter den
Einmündungspunkten der bezüglichen Speiserohre C1 und C2, wie es Fig. 6
kennzeichnet. Die eigentliche Reguliervorrichtung, welche rücksichtlich des Beckens
G1 in Fig. 8 besonders dargestellt und hier der Deutlichkeit
willen in grösserem Massstabe ausgeführt ist, besteht hauptsächlich aus dem schon
weiter oben erwähnten Ventil U1, bei dem die Zweigleitung D1 der von der Eisenbahnstation kommenden
Wasserleitung D in den Behälter A1 einmündet. U1 bleibt verschlossen, solange der bei
x drehbare Hebelarm L1 die in Fig.
8 gezeichnete Lage besitzt, d.h. solange L1 durch das Gewicht von K1 niedergezogen ist. Wird diese Belastung
jedoch so gering, dass das am zweiten Arm des Hebels L1 angebrachte Gegengewicht P1 wirksam werden kann,
dann hebt sich die Kegelklappe von U1 und das von D1 kommende Wasser gewinnt ungehemmten Zufluss durch
A1 und das Rohr C1 zum Speisebecken.
Das Gewicht K1 ist ein
viereckiges, zu unterst kappenförmig zugespitztes Blechgefäss, das 5 l Wasser zu
fassen vermag und an der tiefsten Stelle seines Bodens ein 6 mm weites Loch als
Ausflussöffnung besitzt. Im Behälter B1 ist seiner ganzen Breite nach eine blecherne
Scheidewand B1
eingesetzt, deren oberer Rand r genau in der Höhe des
normalen Wasserstandes des Speisebeckens liegt. Von dem durch B1 aus dem Behälter B1 abgeschiedenen Teile
tritt ein Abflussrohr t1 heraus, das senkrecht über dem Eimer K1 mündet, derart, dass alles durch t1 ablaufende Wasser
unmittelbar in das benannte Gefäss gelangt. Sobald also der Wasserstand im
Speisebecken das Normale überschreitet, tritt Ueberfallwasser über B1 und fliesst dann durch t in den Eimer K1, der sich auf diese Weise mit Wasser füllt und
bald so schwer geworden ist, dass er das Ventil U1 verschliesst. Nunmehr hört der Zufluss in das
Speisebecken auf und deshalb bald hinterher als natürliche Folge auch das Abfliessen
des Ueberfallwassers durch t nach K1. Aus dem Eimer läuft
aber das Wasser aus dem Loche n unausgesetzt ab, und so
tritt daselbst schliesslich nach dem Verlaufe von ungefähr 10 Minuten, welche Zeit
der Eimer zur genügenden Entleerung in Anspruch nimmt, wieder jene
Gewichtsverminderung ein, die P1 zur Wirksamkeit kommen lässt, so dass U1 sich öffnet und
neuerlich Wasser in das Speisebecken gelangt, bis dort die Füllung einen so hohen
Stand erreicht, dass wieder so viel Ueberfallwasser in den Eimer gelangt, als zur
Durchführung des Ventilverschlusses erforderlich ist. In dieser Weise setzt sich das
Oeffnen und Schliessen des Ventils U1 also unausgesetzt weiter fort, wobei zeitweilig
wohl auch Ueberschüsse in das Speisebecken gelangen können, weshalb die beiden
Längswände des letzteren in der normalen Wasserlinie, d. i. 25 mm unter dem
Beckenrande, mit kleinen, viereckigen Löchern versehen sind, durch welche der
gedachte Ueberschuss abfliesst, um sich in dem Kiesbett des Geleises zu verlaufen.
Dass das selbstthätige Füllen des zweiten Speisebeckens G2 (Fig. 7)
und das Entleeren desselben in ganz gleicher Weise erfolgt, wie dies obenstehend
hinsichtlich des Beckens G1 geschildert wurde, bedarf wohl keines weiteren Hervorhebens.
Textabbildung Bd. 316, S. 529
Fig. 8.Reguliervorrichtung zur selbstthätigen Speisung (Französische
Staatsbahn).
So sehr diese an sich einfache, übrigens schon bei anderweitigen, älteren
Wasserhaltungsanlagen in Anwendung gekommene Reguliervorrichtung zum selbstthätigen
Füllen der Speisebecken für den ersten Augenblick besticht und den Schein besonderer
Zweckdienlichkeit besitzt, so hat die Französische
Staatsbahn doch keine günstigen Erfahrungen damit gemacht. Wenn ein Zug
sich aus dem Speisebecken mit Wasser versehen hat, dauert es immer erst 25 bis 35
Minuten, bevor der normale Wasservorrat wieder beschafft ist, ein Zeitaufwand, der
hinsichtlich der Zugsfolge zu Schwierigkeiten führen kann. Dieser Uebelstand darf
vorläufig freilich noch als ganz gegenstandslos gelten, da täglich nach jeder
Richtung nur ein einziger Zug die Strecke passiert, welcher während der Fahrt Wasser
nimmt, und da der Verkehr dieser beiden Züge während des Winters überdem eingestellt
ist. Um so schwerer fallen die nennenswerten Kosten ins Gewicht, welche der
selbstthätigen Fülleinrichtung schon deshalb anhaften, weil bei denselben grosse
Mengen Wassers teils für den Betrieb der Reguliervorrichtung aufgewendet werden
müssen, zum Teil aber ganz nutzlos verloren gehen. Die Einrichtung soll auch
sonstige Unzuträglichkeiten aufweisen und namentlich heiklig und empfindlich
sein.
Für den Dienst der oben erwähnten Expresszüge sind im ganzen sechs Lokomotiven der
französischen Staatsbahnen eingerichtet. Diese in Amerika erbauten Maschinen, von
denen verflossenen Jahres eine in Vincennes auf der
Ausstellung war, sind lediglich für Personeneilzügebestimmt; sie haben vier
gekuppelte Triebräder von 2,14 m Durchmesser und in voller Dienstesausrüstung
ungefähr das Gewicht von 35 t. Der zugehörige zweiachsige Tender ist für das
Wassernehmen während der Fahrt mit einem 330 mm weiten Füllrohr ausgestattet, das
bei Passierung des Speisebeckens mit seinem unteren Mundstück 75 mm tief in das
Wasser eintaucht und hierbei beiläufig 8 cbm Wasser in den Tender befördert,
vorausgesetzt, dass die Fahrgeschwindigkeit des Zuges 58 bis 60 km/Std. beträgt.
Das untere knieförmige Ende des Füllrohres ist nach einem aus dem Jahre 1894
herrührenden Muster der Pensylvania-Railroad
eingerichtet, d.h. es hängt in einem Gelenke und wird von Spiralfedern in einer
Normallage hochgehalten, bei welcher das Mundstück des Rohres das Fahrgeleise
durchwegs ohne Anstand passieren kann. Sobald ein Zug, der Wasser nehmen soll, ein
Speisebecken erreicht, hat der Führer oder Heizer der Lokomotive mittels eines am
Führerstand angebrachten federnden Hebels, der eine Zugstange mit Zugwinkel bewegt,
das besagte Knie 55 mm nach abwärts zu drücken, d.h. ins Wasser zu tauchen und
sodann den Stellhebel wieder loszulassen. Das Knie kann jetzt nicht mehr in seine
Ruhelage nach oben zurückkehren, weil die Kraft der aufwärtsziehenden Federn durch
den Widerstand des ins Mundstück einströmenden Wassers überwunden wird. Das Knie
wird vielmehr auf diese Weise selbstthätig bis zur Tiefe von 75 mm unter den
Wasserspiegel niedergezogen, d. i. so weit als es eben ein Anschlag des Gelenkes
gestattet. Wenn dann am Ende des Speisebeckens das Wasser zunehmend seichter wird,
hört im gleichen Masse der Druck des Wassers auf das Knie auf und die Federn heben
dasselbe sonach wieder in die Normallage zurück.
Da die vorläufig in Betracht kommenden Züge nur des Sommers und in Tageszeiten
verkehren, wo die schon vermöge der unmittelbaren Nachbarschaft bekannter Bahnhöfe
gut gekennzeichneten Speisebecken weithin sichtbar sind, so hat man bisher keinen
Anlass gefunden, Anfang und Ende der Becken zur Erinnerung des Maschinenpersonals
mit besonderen Signalen zu versehen. Ebenso sind wegen eines allfälligen Vereisens
des Vorratwassers in den Becken zur Zeit keine Massnahmen erforderlich und demnach
auch nicht vorgesehen. Die von der Firma Dyle und
Bacalan gelieferten und hergestellten Speisebecken haben durchschnittlich
pro laufenden Meter rund 30 Frcs. gekostet. Der Preis jeder einzelnen
Reguliervorrichtung an den selbstthätigen Füllanlagen beträgt 200 Frcs.,
ausschliesslich der Rohrleitungen samt Wechsel, Windkessel und Hähne, des Gebäudes,
der gemauerten Rohr- und Abflusskanäle und der Aufstellungsarbeiten, die für sich zu
berechnen sind und für deren Kosten uns keine näheren Angaben vorliegen.
Textabbildung Bd. 316, S. 529
Fig. 9.Querschnitt des Speisebeckens (Paris-Lyon-Mittelmeerbahn).
Seit längerem macht die Paris-Lyon-Mittelmeerbahn mit
der in Rede stehenden Wasserversorgung nach englischen Mustern Versuche, aus welchem
Anlasse sie auf ihrer Strecke Aisy-Montbard, 238 km von
Paris, ein Probespeisebecken errichtet hat. Dieses besitzt dieselbe Anordnung, wie
einige auf der Lancashire and Yorkshire-Railway schon
seit 1894 praktisch angewendete Speisebecken und bildet einen 458 mm weiten, 153 mm
hohen Behälter aus Stahlblech, der, wie Fig. 9
ersehen lässt, an den beiden Oberrändern mit 50 mm breiten Pratzen auf hölzernen,
mittels Kopfschrauben s1 und s2 an
den gewöhnlichen hölzernen Querschwellen des Fahrgeleises befestigte Längsschwellen
L1 und L2 aufliegt. Die
gesamte Länge des durchwegs in wagerechter Strecke verlegten Beckens beträgt 567 m,
wovon jedoch nur ein mittleres Stück von 457 m die gleichmässige Höhe von 133 mm
besitzt, während an
den beiden Enden je 55 m mit einer Steigung bezw. mit einem Gefälle von 2,8 ‰ schräg
verlaufen. Die einzelnen Stücke, aus dem das Speisebecken zusammengesetzt ist, sind
an den Stössen einfach durch einen Blechstreifen überplattet und durch zwei Reihen
Nieten, ähnlich wie in Fig. 2, wasserdicht
miteinander verbunden. Sonderverbindungen für die Dilatation sind nicht vorhanden,
weshalb denn auch die Pratzen des Beckens auf den Unterlagen L1 und L2 keine besondere Befestigung erhalten haben,
sondern nur lose aufliegen.
Textabbildung Bd. 316, S. 530
Fig. 10.Querschnitt des Wasserturmes beim Speisebecken
(Paris-Lyon-Mittelmeerbahn).
Normalniveau des Speisebeckens;
Höhe der Schienenoberkante; Ueberfallhöhe.
Da in der Nähe eine Wasserstation nicht zur Verfügung stand, so musste für das
Speisebecken eine solche eigens errichtet werden, wozu die nächst der in Betracht
kommenden Bahnstrecke an günstiger Stelle vorüberfliessende Brenne gute Gelegenheit bot. Beiläufig in der Längsmitte des Speisebeckens
hat man gleich neben dem Bahnkörper einen kreisrunden Wasserturm (Fig. 10) erbaut, der statt einer Abdeckung das 8,50 m
weite, 2,60 m hohe Reservoir BB aus Stahlblech trägt,
wohin das Vorratwasser mittels einer ganz nahe am Flussufer in einer Bude
aufgestellten fünfpferdigen Dampfpumpe durch das Rohr D
zugeführt wird. Im unteren, gemaserten, beiläufig 3,5 m hohen und 7,7 m weiten Raume
des Turmes befinden sich der Verteiler nebst jener Vorrichtung, mit welcher das
Nachfliessen des Wassers in das Becken selbstthätig geregelt wird, sowie die
Wechsel, Windkessel und Hähne der sämtlichen im Wasserturm einmündenden bezw. von da
ausgehenden Rohrleitungen. Zu den letzteren zählt eine 200 mm starke Leitung C, welche die Aufgabe hat, das Wasser aus dem Reservoir
B dem Speisebecken zuzuführen und sich zu diesem
Zwecke ausserhalb des Turmes in zwei Zweige C1 und C2 spaltet, welche fast bis zu den beiden Enden des
Speisebeckens laufen, um dort in dasselbe ganz ähnlich einzumünden, wie die
gleichnamigen Leitungen bei der Staatsbahnanlage (Fig.
6 und 7) mit dem Unterschied, dass die in
Fig. 10 mit C1 und C2 bezeichneten Rohre vorläufig nicht getrennt an
zwei verschiedenen Speisebecken, sondern gemeinsam nur an einem und demselben Becken
angeschlossen sind. In dem Hauptspeiserohr G ist bei
V ein Klappenventil eingebaut, das von aussen durch
eine Kurbel bewegt werden kann, die mit dem längeren Arm H1 eines 1,80 m langen zweiarmigen
Drehhebels durch eine hinsichtlich ihrer Länge regulierbare Gelenkstange in
Verbindung steht. Der zweite, kürzere Arm H2 des eben erwähnten Drehhebels ist an einem grossen
Schwimmer S befestigt, der sich in dem prismatischen
Blechbecken B auf- und niederbewegen kann. Letzteres
kommuniziert mit dem Speisebecken auf der Bahnstrecke durch das Rohr A, von dem zwei 75 mm weite Rohre abzweigen, die in
Entfernungen von 200 m, rechts und links vom Wasserturm, gleichfalls im Speisebecken
münden. Im Behälter B wird demgemäss der Wasserstand
stets derselbe sein wie im Speisebecken; die Lage des Hebels H1H2 ist nun selbstverständlich so eingestellt, dass er
vermöge seiner Verbindung mit V dieses Ventil so lange
verschlossen hält, als der Schwimmer S nicht unter das
Niveau des Speisebeckenshinabsinkt. So lange in B
der normale Wasserstand oder ein höherer Wasserstand vorhanden ist, in welch
letzterem Falle das Ueberwasser durch das Rohr Q aus
B abfliesst, bleibt also V geschlossen; sinkt jedoch im Speisebecken bezw. in B der Wasserstand, dann hebt sich H1 und lässt, V öffnend, frisches Wasser durch C bezw. C1 und C2 in das Speisebecken gelangen. Während dort die
vorgeschriebene Wasserhöhe durch den Zufluss wieder erreicht wird, besorgt der in
B ansteigende Schwimmer auch wieder den Verschluss
von V. Um das durch einen Zug benutzte Speisebecken
wieder ordnungsmässig zu füllen, bedarf der geschilderte, selbstthätige Verteiler 20
bis 30 Minuten Zeit.
Auch diese Durchführungsart, der selbstthätigen Wasserversorgung erweist sich nicht
so widerstandskräftig und verlässlich als es wünschenswert wäre, doch kommt ihr
Betrieb nicht so teuer wie bei der Staatsbahneinrichtung, weil nur wenig Wasser
nutzlos verloren geht. Nach den in beiden Fällen gemachten Wahrnehmungen liesse sich
schliessen, es sei immerhin einfacher und sicherer, das Nachfüllen der Speisebecken
irgend einem zunächst des Beckens aufgestellten Bahn-, Signal- oder Ueberwegwärter
zu überantworten, wie dies bei einigen amerikanischen Eisenbahnen geschieht. Der
betreffende Bahnwärter hat ein Wasserreservoir mit einer Vorrichtung, wie man sie an
Flüssigkeitsbehältern angebracht findet, die zum Vornehmen des Aichens dienen. Durch
die Handhabung eines Hebels dieser Vorrichtung wird das Ausfliessen einer genau
bemessenen Menge von Flüssigkeit bewirkt. Die Aufgabe des Bahnwärters besteht also
lediglich darin, nach jedem Zuge, der das Speisebecken benutzt hat, eine federnde
Schützenstange zu ziehen und wieder loszulassen, wodurch er aus dem Reservoir genau
so viel Wasser ins Speisebecken abfliessen macht, als ein Zug im Maximum aus diesem
zu entnehmen vermag; ein etwaiger Ueberschuss von Wasser, der auftreten kann, wenn
ein Zug weniger Wasser genommen hätte als er sollte, fliesst aus Ueberfalllöchern
der Beckenwände ab. Damit der Bahnwärter aufs Nachfüllen nicht vergessen kann,
bringt jeder vorüberfahrende Zug ein elektrisches Fortläutewerk zur Auslösung, das
solange läutet, bis der Bahnwärter seiner vorgedachten Obliegenheit entsprochen hat,
oder das Läutewerk mit der Hand abstellt. Zur Nachfüllung des Speisebeckens sind bei
der Bedienung desselben durch einen Bahnwärter nach vorstehender Anordnung nicht
ganz 7 Minuten erforderlich.
In welcher Weise die Versuchstender der Paris-Lyon-Mittelmeereisenbahn ausgestattet sind, lassen Fig. 11 und 12 des Näheren ersehen.
Das Füllrohr F liegt wie gewöhnlich in der Längsachse
des Tenders und besitzt einen trapezförmigen Querschnitt, der sich vom
Einflussmundstück M bis zum Knie K verengt und dann nach oben hin sich bis zum
Ausflussmundstück M2
wieder bis zu der maximalen Höhe von 275 mm und einer Breite von 440 mm erweitert.
Diese Anordnung hat den besonderen Zweck, nach obenhin die Geschwindigkeit des
einströmenden Wassers zu vermindern, damit es nicht allzu rasch in den Behälter
stürzt, was man mit Rücksicht auf die sonst hierdurch auftretenden
Unzuträglichkeiten zu vermeiden wünscht. Der schaufeiförmige, unterste Teil des
Mundstückes M1 besteht
nach amerikanischem Muster aus leichtem, dünnen Blech, damit es durch ein
allfälliges Streifen an Steinen oder an sonstigen Hindernissen während der Fahrt
eben nur leicht verbogen oder abgerissen wird, ohne die betreffenden Stösse in
gefährlicher Weise auf die übrigen Rohrteile zu übertragen. Auch ist die Anbringung
so durchgeführt, dass sich ein allenfalls nötig werdender Ersatz leicht, bequem und
rasch bewerkstelligen lässt, und auch keine nennenswerten Kosten verursacht. Die
senkrechte Höhe der Einflussöffnung am Mundstücke M1 beträgt 312 mm, doch taucht letzteres nur 50 mm
tief ins Wasser. Bei einer Zugsgeschwindigkeit von beiläufig 66 km/Std. beträgt
die aus dem Speisebecken in den Tender gelangende Wassermenge immerhin 8 cbm, wie
bei den Lokomotiven der Französischen Staatsbahn. Die
senkrechte Hubhöhe beläuft sich für das durch die Füllröhre F in den Tender strömende Wasser auf 1,75 m, d. i. mehr als es sonst für
die gewöhnlichen Tender der Eilzugsmaschinen erforderlich wäre. Man hat nämlich für
die Züge, welche
auf der Strecke Wasser nehmen sollten, von vorhinein neue Tender mit grösseren bezw.
höheren Wasserbehältern in Aussicht genommen und also auch die Versuchstender
bereits in diesem Sinne eingerichtet. Vom eigentlichen Mundstück M1 ist der im untersten
Drittel des Füllrohres von n nach abwärts führende Teil
auf einer Achse x drehbar, die durch zwei an der
vorderen Tenderbrust befestigte Gestellstangen i1 und i2 gehalten wird und durch einen Kurbelarm z mit einer Schieberstange H in Verbindung gebracht ist. Diese letztangeführte Vorrichtung wirkt
durch ihr Gewicht und ihre Lage dergestalt auf das Rohrstück nM1, dass dasselbe stets umgekippt ist,
wobei sich das Ende n nach abwärts und das Ende M1 nach aufwärts kehrt.
Auf diese Art kann also das Mundstück überall anstandslos die Strecke passieren.
Sobald jedoch der Zug ein Speisebecken erreicht hat, zieht der Lokomotivführer die
Handhabe von H an sich, wodurch das Mundstück gedreht
und bei M1 ins Wasser
gesenkt und zugleich der Rohranschluss bei n
hergestellt wird. Eben des letzteren Umstandes willen hat die Stange an bestimmter
Stelle eine Falle, in welche eine Klinke einschnappt, die das Hebelwerk nebst dem
Mundstück M1 in der
richtigen Verschlusslage festhält. Diese Klinke muss vor dem Verlassen des
Speisebeckens wieder rechtzeitig ausgehoben werden, damit das Mundstück in seine
gesicherte Ruhelage zurückfallen kann. Wird das versäumt, so erfolgt eine jener
Beschädigungen des Mundstückes, welche weiter oben schon angedeutet wurden und wegen
dessen hauptsächlichst das dünne, biegsame Blech zur Ausführung des Endstückes
gewählt ist. Um das während des Wassernehmens beim Mundstück auftretende arge
Spritzen unschädlich zu machen, durch welches sonst der Unterboden des
Tenderkastens, das Gestell, die Achsen und die Räder viel zu leiden haben, sind
verschiedene Schutzbleche namentlich an jenen Stellen angebracht, wo das Eindringen
von Wasser besonders nachteilig wirkt.
Textabbildung Bd. 316, S. 531
Zum Wassernehmen während der Fahrt eingerichteter Tender
(Paris-Lyon-Mittelmeerbahn).
Längsschnitt; Vorderansicht
Als letzte unter den französischen Eisenbahnen, welche Versuche mit dem Wassernehmen
der Züge während der Fahrt vornimmt, ist die Französische
Nordbahn anzuführen, welche für diesen Zweck in der Nähe ihrer Station Chauny sowie nächst der Station Longueau, auf der Linie Paris-Calais, je ein Speisebecken angelegt hat.
Dieselben sind nach Ausdehnung, Form und Konstruktion ganz den Speisebecken der Französischen Staatsbahn nachgebildet, doch hat man
hier darauf verzichtet, Verbindungen für die Dilatation einzuschalten. Dafür wurde
die Befestigung der seitlichen Winkeleisen (ww
Fig. 1) so angeordnet, dass dieselben gleich wie das
Blechbecken, rücksichtlich etwaiger Längenausdehnungen oder Zusammenziehungen, in
keiner Weise gehemmt sind. Es bewährt sich diese Massnahme weit besser, als die
steife Befestigung bei den Staatsbahnspeisebecken. Dauernd wirkende, selbstthätige
Wasserverteilersind seitens der Nordbahn nicht angewendet, sondern das
Nachfüllen der Speisebecken geschieht ganz befriedigend nach der weiter oben
geschilderten amerikanischen Methode, durch je einen Bahnwärter mit Hilfe einer zur
nächsten Wasserstation geführten Rohrleitung und eines selbstthätigen Masshahnes.
Die Versuchslokomotiven der Nordbahn haben an den Tendern dieselben Füllrohre und
Mundstücke, wie die bezüglichen Lokomotiven der Staatsbahn, und ist hierüber weiter
nichts hervorzuheben.
Im grossen ganzen sind die Erfahrungen der französischen Eisenbahnen in Angelegenheit
des Wassernehmens während der Fahrt der Züge weder über die alten, längst bekannten
Wahrnehmungen der englischen und amerikanischen Eisenbahnen hinausgelangt, noch
überhaupt besonders ermutigend, sondern eher ungünstig als günstig. Die Sache ist
zuvörderst kostspieliger, als sie sich äusserlich anlässt, hat empfindliche
Nachteile für den Bestand und die Unterhaltung des Oberbaues, wo und wie immer nur
Speisebecken angelegt sein mögen, und bringt auch für die Fahrzeuge, nämlich
namentlich für die Lokomotiven und Tender, manche Unzuträglichkeiten mit sich. Nicht
selten bietet schon die Ausmittelung der zur Anlage von Speisebecken geeigneten,
genügend langen, wagerechten Strecken an zweckdienlichen, mit Wasser versehenen
Punkten seine Schwierigkeiten u.s.w. Der wundeste Punkt scheint übrigens noch immer
im Mundstücke des Füllrohres an den Tendern zu liegen, da es trotz vieler ernster
Versuche bisher nicht gelingen wollte, für dasselbe eine Anordnung zu finden, durch
welche es von der fortwährenden Gefahr der gewaltsamen Zerstörung einigermassen
bewahrt und so weit selbstthätig gemacht würde, dass es seitens des
Lokomotivpersonals keiner nennenswerten Beaufsichtigung und Handhabung bedarf. Die
Verhältnisse der grossen Eisenbahnnetze des europäischen Kontinentes sind zudem, wie
schon eingangs erwähnt wurde, gar nicht danach, die Aufwendung sehr kostspieliger
und unbequemer Konkurrenzmittel, wozu immerhin auch das Wassernehmen der Züge
während der Fahrt gehören würde, anzufordern oder auch nur zu rechtfertigen. Wenn
trotzdem vor wenigen Jahren die alte Erfindung Ramsbottom's von Seiten der französischen Eisenbahnen wieder aufgenommen
worden ist, so scheint hierfür weit weniger irgend ein wirtschaftlicher oder
eisenbahnpolitischer, wirklich zwingender Grund als die letztverflossene Pariser
Weltausstellung anlassgebend gewesen zu sein, da diese Eisenbahnverwaltungen solche
Gelegenheiten – man kann immerhin sagen „löblicherweise“ – nie vorübergehen
lassen, um auch in ihren Betrieben irgend etwas Neues oder Besonderes für die aus
der Ferne heranziehenden Fachleute als Pièce resistance
einzuschieben. In einigen Jahren wird sich ja zeigen, ob und wieviel Ernst hinter
den Versuchen steckt.