Titel: | Regelung aussenschlächtiger Radialturbinen mit Sauggefälle. |
Autor: | Wilh. Müller |
Fundstelle: | Band 316, Jahrgang 1901, S. 657 |
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Regelung aussenschlächtiger Radialturbinen mit
Sauggefälle.
Von Wilh. Müller,
Cannstatt.
(Schluss von S. 619 d. Bd.)
Regelung aussenschlächtiger Radialturbinen mit
Sauggefälle.
II. Sauggefälle.
Lassen örtliche Verhältnisse es als zweckmässig erscheinen, das Laufrad in einer
gewissen Höhe über dem Spiegel des Unterwassers einzubauen, so ist die Anwendung
eines Abfallrohres zu empfehlen, das vor allem die Möglichkeit bietet, Sauggefälle
in vollkommener Weise auszunutzen. Diese Anordnung wählt man gegenwärtig sehr
häufig, um dadurch die Achse der Turbine kürzer und das Rad selbst leichter
zugänglich zu machen, hauptsächlich aber zur Ausführung von Turbinen mit wagerechter
Achse, sogen. „Spiralturbinen“, zwecks unmittelbarem Antrieb unter Wegfall
von Spurzapfen, Halslagern, konischen Zahnrädern u.s.w. Die Gefällhöhe von 2,40 m
bildet die unterste Grenze für die Anwendung von Turbinen mit wagerechter Welle. Bei
vertikalachsigen Turbinen findet man Saugwirkung schon bei Gefällen von etwa 1 m
angeordnet.
Das Turbinenlaufrad befindet sich hier im Inneren eines luftdichten Rohres, das an
seiner Ausmündung ins Unterwasser eintaucht und in Einzelfällen mit einer
Ringschütze versehen ist, oder nach Art der Heberausläufe aus einem betonierten
Saugrohrkrümmer besteht. Das Wasser strömt, aus dem Laufrade kommend, durch das
Saugrohr oder den betonierten Krümmerquerschnitt ab, um durch die Mündung im
ersteren Falle senkrecht, in letzterem in der Richtung des abfliessenden
Unterwassers in den Ablaufkanal überzutreten. Der Druck unter dem Laufrade wird
dabei etwas kleiner als der atmosphärische, und zwar ist die Differenz des inneren
bezw. äusseren Druckes oder das Saugen um so grösser, je höher das Sauggefälle.
Theoretisch kann das Saugrohr so lange funktionieren, als h (d.h. Gefälle von Laufradunterkante bis Unterwasserspiegel) kleiner ist,
als die Wasserbarometerhöhe (10,33 m), nachdem von letzterer die Widerstandhöhe hx abgezogen
ist; praktisch geht man bekanntlich nicht über 5 bis 6 m hinauf. In allen Fällen
aber soll das Druckgefälle grösser sein als das Sauggefälle.
Strömt aus dem Reservoir A (Fig. 26) das Wasser durch ein offenes Rohr B
in das Bassin C ab, und denkt man sich vorerst die
Verengung durch die Turbinenräder weg, so fliesst (bei Vernachlässigung der
Nebenhindernisse) das Wasser am Ende des Rohres mit der Geschwindigkeit aus, mit
welcher dasselbe die Turbine verlässt. Die Verengung des Rohrquerschnittes infolge
der in den Wasserstrom eingeschalteten Turbinenräder ändert diese Verhältnisse
insofern nicht, als das Saugrohr eine Ansatzröhre bildet und daher der Durchfluss
regelrecht vor sich geht. Nach seinem Durchgang durch die Verengung wird das Wasser
das Bestreben zeigen, mit gleichbleibender Geschwindigkeit im Querschnitt des
Abfallrohres fortzufliessen, wodurch einNachsaugen des Wassers durch die
Verengung stattfindet, die Geschwindigkeit somit an dieser Stelle vergrössert wird.
Hat nun das Rohr B eine entsprechende Länge, so dass
das Wasser Zeit findet, den Ueberschuss der entwickelten lebendigen Kraft, d.h. den
Ueberschuss der in der Verengung erzeugten Geschwindigkeit im weiteren
Rohrquerschnitt abzugeben, so wird durch die Einschnürung keine Verminderung der
Austrittsgeschwindigkeit am Ende des Rohres B
verursacht.
Textabbildung Bd. 316, S. 656
Fig. 26.
Aehnlich verhält es sich beim Saugrohrkrümmer (Fig.
27), abgesehen von den dabei allerdings vermehrten Nebenhindernissen. Das
Nachsaugen des Wassers wird wesentlich begünstigt, wenn dem Krümmer unterhalb der
Verengung, also vom Turbinenlaufrad ab, eine konisch erweiterte Form gegeben wird
und die einzelnen Querschnitte in leicht geschwungener Kurve ineinander übergeführt
sind, um Stossverluste zu vermeiden. Der Saugrohrkrümmer soll allmählich in die Höhe
der Abflusssohle übergehen; die Austrittsgeschwindigkeit muss mindestens der
Geschwindigkeit des im Untergraben abfliessenden Wassers gleichkommen. Die frühere
Anordnung, die Turbine nur wenig unter dem Oberwasserspiegel einzubauen und mit
hohem Saugrohr zu versehen, ist bei neueren Anlagen verlassen, da das lange Saugrohr
äusserst schwierig dicht zu halten ist bezw. im Oberwasser Trichterbildung entsteht,
wodurch die saugende Wassersäule abgerissen wird, was absolut vermieden werden
muss.
Mit dem Austritt ist ein Verlust an lebendiger Kraft verbunden, wenn man denselben
bei partieller Beaufschlagung ohne weiteres vor sich gehen lässt; das Wasser breitet
sich nach allen Seiten gleichmässig aus, die vorhandene überschüssige Kraft wird
über die Ausflussgeschwindigkeit hinaus durch Stosswirkungen aufgezehrt, es muss
eine Erhebung des Unterwasserspiegels stattfinden, um das Wasser nach einer Seite
hin entweichen zu lassen. Denkt man sich den Uebergang vom Rad durch das Rohr ins
Unterwasser mit Hilfe einer Vorrichtung vermittelt, die eine konstante
Durchflussgeschwindigkeit sichert, so würde ein gewisser Effekt für das Rad dadurch
gewonnen, dass der Gegendruck des Unterwassers auf die Austrittsöffnung verringert
wird.
Textabbildung Bd. 316, S. 657
Fig. 27.Plan einer Turbinenanlage für das Elektrizitätswerk Sulz.
Nutzgefälle; Wassermenge pro Sek;
Leistung in PS; Tourenzahl pro Min.
Die Lage der Turbine zum Unterwasserspiegel hängt auch vom Durchmesser des
Abflussrohres ab. Bei grossem Raddurchmesser ist die Wasserbewegung in ein und
demselben Querschnitte je nach dem Abstand von der Rohrachse sehr verschiedenartig
und kann schon durch den in bestimmter Richtung erfolgenden Abfluss des Unterwassers
leicht einseitig werden.
In allen Fällen muss die Luft unbedingt aus dem Saugrohr entfernt bleiben, sei es
durch Anfüllen des Abflussrohres und Austreiben der darin enthaltenen Luft, oder durch eine
Einrichtung zur Abführung derselben am Anfang des Saugrohres. Immerhin ist darauf
Rücksicht zu nehmen, dass der Mantel derart dicht gehalten ist, dass die etwa
vorhandene Luft, die sich während des Betriebes ausscheidet, vom Wasser mitgerissen
wird und sich keine grösseren Blasen bilden.
Um einen Anhalt über den grössten Vertikalabstand hmax des Laufrades über den
Unterwasserspiegel zu erhalten, setzt Prof. BachC. Bach: Die
Wasserräder, Stuttgart 1886. die empirische
Beziehung:
h_{max}\,\leq\,\frac{1}{0,11+0,055\,d}
worin
d den Durchmesser des
Abflussrohres in Meter bezeichnet.
Die Saugwirkung einer Turbine beruht auf gleichen Grundsätzen, wie das Saugen bei
einer Pumpe; am besten lässt sich dieser Vergleich dadurch bestätigen, dass im
Saugrohr eher Unzuträglichkeiten entstehen als im Druckrohr.
Für die theoretische Gesamtleistung einer Turbine bleibt es gleichgültig, welcher
Teil des Gefälles drückend und welcher saugend wirkt. Die Gefällshöhe kommt auch zur
Geltung, wenn die Turbine an der tiefsten Stelle eingebaut ist, eine grössere
Leistung wird demnach durch das Saugrohr oder den Saugrohrkrümmer nicht erzielt.
Jedenfalls erscheint das Saugrohr bei solchen Verhältnissen am vorteilhaftesten
angebracht, wo der Unterwasserspiegel erheblich steigt und in dieser Lage lange
anhält, so dass die Turbine für längere Zeit unzugänglich wäre.
Eine Turbine mit Saugwirkung ist im allgemeinen keine so gute
Partialturbine, als eine solche mit Druckwirkung allein. Die veränderlichen
Wassermengen sind aber die am häufigsten vorkommenden und ist es deshalb absolut
notwendig, eine regulierbare Reaktionsturbine zu haben, die in ihrem Prinzip ganz
zum Saugrohr passt und in weiten Grenzen ebenso auf Wasserungleichheiten, wie auf
wechselnden Kraftbedarf eingestellt werden kann.
Neben günstiger Einwirkung auf den Motor selbst und vollständiger Ausnutzung des
vorhandenen Gefälles durch Anbringung des Saugrohres kommen dem Erbauer manche
andere Vorteile zu gute, so die bequeme und rasche Aufstellung. Anstatt, wie früher,
den Motor in einem dunklen, schwer besteigbaren Schacht unterbringen zu müssen, baut
man das Rad nunmehr in passender Lage leicht zugänglich für die Vornahme der
Regulierung ein. Neben Vereinfachung des Betriebes, Ersparnis der
Uebertragungsorgane wird dadurch eine gefällige Gesamtanordnung erzielt.
Namentlich bei Turbinen mit wagerechter Welle, welche zum Betrieb rasch laufender,
direkt gekuppelter Maschinen Anwendung finden (bei sogen. Spiralturbinen), wird
diese Anordnung kaum zu umgehen sein. Bei letzteren müssen jedoch die Stopfbüchsen
stets in guter Ordnung gehalten werden, wenn dieselben nicht genügend angezogen,
findet Luftzutritt in das Saugrohr statt, die Leistung der Turbine wird
beeinträchtigt; sind die Stopfbüchsen dagegen zu hart angezogen, so entsteht
unnötige Reibung und der Effekt der Turbine wird dadurch herabgedrückt. Bei allen
Turbinen mit ganzem Obergefälle verlässt das Wasser den Radkörper mit einer immerhin
noch grossen Geschwindigkeit, die in Wirklichkeit stets grösser und unregelmässiger
ist, als sie dem Geschwindigkeitsparallelogramm gemäss sein sollte – was übrigens
von den ungleichen Schaufelteilungen, wie sie in der Giesserei eben vorkommen, mit
herrühren mag. Diese, dem Wasser nicht abgenommene Geschwindigkeit ist für die
Nutzleistung naturgemäss verloren. Versieht man die Turbine jedoch mit Saugrohr, so
bringt dasselbe diese unvermeidlichen Verluste teilweise wieder ein. Anstatt, wie
bei der offenen Turbine, frei abzufallen, verliert sich die lebendige Arbeit des
Abflusswassers im obersten Teile des Saugrohres. Dieser Vorgang kann aber unmöglich
wirkungslos bleiben. Die angehängte Wassersäule drückt vielmehr abwärts und vermehrt
deren nachsaugende Wirkung, was der Gesamtleistung wieder zu gute kommt.
Ist das Laufrad über dem Unterwasserspiegel eingebaut, so findet infolge der
Druckverminderung im Saugrohr die bekannte Ausscheidung von Luft aus dem hier
abströmendenWasser statt. Bei voll beaufschlagter Turbine ist die
Wassergeschwindigkeit gross genug, um die Luftblasen mit fort zu reissen, die
Luftabscheidung schadet demzufolge nicht. Wird hingegen eine geringere Wassermenge
als die normale verarbeitet und vermindert sich dadurch die Wassergeschwindigkeit im
Rohr in solchem Masse, dass eine Ansammlung von Luft stattfindet, das Wasser somit
eine zusammenhängende, stetig fliessende Masse, die alle Räume ausfüllt, nicht mehr
bildet, so trennt sich die Wassersäule von der Unterseite des Rades, was ein
Abreissen der Saugwassersäule zur Folge hat, selbst wenn das Abfallrohr unter Wasser
ausmündet.
Es ist somit eine gewisse Abflussgeschwindigkeit im Saugrohr notwendig, die nicht
überschritten werden, noch unerreicht bleiben darf. Nimmt man hierfür die
erfahrungsgemäss passende Grösse
c_s=\frac{1}{6}\,\sqrt{2\,g\,H} bis \frac{1}{9}\,\sqrt{2\,g\,H}
an, welche Grösse etwa zwischen 1 und 3 m gewählt werden kann,
so ergibt sich der Halbmesser der Saugröhren zu
r=\sqrt{\frac{Q}{c_s\,\pi}}.
Zu gross soll cs
im Saugrohr nicht werden, um Effektverluste zu vermeiden, andererseits jedoch auch
nicht zu klein, um die in vorstehendem bereits erwähnten Störungen zu vermeiden. Auf
die saugende Wirkung hat der Durchmesser des Rohres keinen Einfluss, doch geht man
aus praktischen Rücksichten nicht über 2,50 m l. W. hinaus.
Um bei partieller Beaufschlagung das Abführen der Luftblasen zu sichern, wäre es
notwendig, das Saugrohr der Wasserverminderung entsprechend zu verengen, damit die
Durchflussgeschwindigkeit hier annähernd so gross bleibt, wie bei günstig
beaufschlagten Turbinen. Das Rohr müsste somit eine Umformung erfahren, damit in der
Saugwassersäule eine Strömungsgeschwindigkeit verbleibt, die befähigt ist, die frei
gewordene Luft mit fort zu führen. Je mehr also die Turbine abgeschützt wird, desto
mehr sollte sich auch der Rohrquerschnitt verengen, mit anderen Worten: bei Verminderung der Beaufschlagung muss das Verhältnis
zwischen den freien Durchflussöffnungen der Turbine und dem in Thätigkeit
verbleibenden Saugrohrquerschnitt konstant gehalten werden.
Der Lösung dieses Problems beabsichtigt der Verfasser in einem folgenden Aufsatz
näher zu treten.
Die Form des Saugrohrs findet sich verschiedenartig ausgebildet, entweder senkrecht
oder schräg ins Unterwasser mündend, einfach oder mehrfach, man ist heute bis zu 3
oder 4 getrennten Ausläufen gegangen; die Turbinen in Rheinfelden sind in dieser
Hinsicht vorbildlich geworden.
Die doppelten 1500 PS Turbinen der Anlage bei Lyon, ausgeführt von Escher, Wyss und Comp., Zürich, zeigen einen
gemeinschaftlichen geschlossenen Saugraum, an den sich ein teils aus Blech, teils
aus Gusseisen ausgeführtes Saugrohr anschliesst, das in einen betonierten Kanal
übergeht. Der Querschnitt des Rohrs wächst allmählich, so dass das Wasser ruhig
austritt. Bei der neuen Anlage am Niagara ist das Saugrohr der 5500 PS
Doppel-Francis-Turbinen gegabelt und seitlich schräg in den Unterwasserkanal
eingeführt. Infolgedessen bleibt der Unterkanal gänzlich frei, was wichtig ist wegen
der Schwankungen des Unterwasserspiegels, die, je nachdem eine oder sämtliche
Turbinen im Betrieb sind, bis zu 5 m betragen können. Auch wegen der
Querschnittsverengung des Unterwasserkanals wäre ein einfaches Saugrohr unmöglich
gewesen.
Obgleich Saugwirkung bisher nur bei Ueberdruckturbinen in Anwendung gekommen ist,
kann das Saugrohr, wie u.a. die Ausführungen der Konstruktionswerkstätten in Vevey
für eine italienische Spinnerei in Campione und die Anlage des Kubel-Werkes bei St.
Gallen beweisen, unter gewissen Vorsichtsmassregeln auch an Turbinen mit freier
Abweichung angebracht werden. Diese Anordnung erscheint in solchen Fällen
zweckmässig, wo diese Turbinen örtlicher Verhältnisse wegen ziemlich hoch über das
Unterwasser gestellt werden müssen, was einen grossen Kraftverlust zur Folge
hätte.
Die im Rohr hängende Wassersäule übt eine ihrer Höhe entsprechende saugende
Wirkung auch auf Strahlturbinen aus, die sich auf alle Punkte des das Laufrad
bedeckenden und umschliessenden Gehäuses erstreckt. Damit sich dabei die Turbine in
Luft und nicht im Wasser dreht, muss fortwährend eine geringe Menge äusserer Luft
derart Zutritt ins Gehäuse erhalten, dass die Wasseroberfläche niemals den Umfang
des Rades erreicht. Diese Speisung wird durch einen Schwimmer und ein selbstthätiges
Luftventil bewerkstelligt, das sich öffnet, wenn der Wasserspiegel im Saugrohr
infolge gesteigerten Zuflusses oder Drucküberschusses durch mitgerissene Luft
steigt, sich dagegen sofort wieder schliesst, sobald die von aussen
entnommeneLuft ein erneutes Fallen der Wasseroberfläche bewirkt hat.
Durch die im Gehäuse eintretende Luftverdünnung wird die Druckhöhe, unter welcher das
Wasser aus der Aufschlagdüse austritt, vergrössert. Das Sauggefälle wird natürlich
nur in dem Masse ausgenutzt, wie es die Luftverdünnung gestattet; würde dieselbe zu
gross, so würde der Unterwasserspiegel ansteigen und schliesslich das Gehäuse
anfüllen, wodurch der Wirkungsgrad, wenn das Laufrad im Wasser ginge, sich
ausserordentlich verschlechterte. Diese Hilfseinrichtung soll nach den gemachten
Erfahrungen so genau arbeiten, dass der Unterwasserspiegel nur um wenige Centimeter
schwankt.