Titel: | Heizwertbestimmung von Kohle u.s.w. |
Autor: | W. M. Lehnert |
Fundstelle: | Band 316, Jahrgang 1901, S. 669 |
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Heizwertbestimmung von Kohle u.s.w.
Von W. M. Lehnert,
Darmstadt.
Heizwertbestimmung von Kohle u.s.w.
Die ausserordentliche Zunahme, welche der Verbrauch von Brennstoffen in den
letzten Jahrzehnten erfahren hat, ist die Veranlassung zu Berechnungen über die
Ausgiebigkeit verschiedener Kohlenlager gewesen. Man ist dabeizu dem Ergebnis
gekommen, dass an einzelnen Orten in nicht zu fernen Zeiten ein Mangel an Brennstoff
eintreten wird. Diese Thatsache, in Verbindung mit der Erkenntnis, dass in unseren
heutigen Wärmekraftmaschinen nur ein kleiner Bruchteil der in den Brennmaterialien
aufgespeicherten Energie in dem von uns beabsichtigten Sinn Verwendung findet, haben
das Interesse für die Brennstoffe in der neueren Zeit nicht unwesentlich gesteigert.
Granz in den Hintergrund verliert sich der in der Mitte der 90er Jahre seitens der
Elektrotechnik gepflegte bequeme Gedanke, dass es unserer erfindungsreichen Zeit
gelingen werde, einen anderen und billigeren Brennstoff als Kohle zu entdecken,
vielleicht das Wasser zu zerlegen und im Wasserstoff eine unversiegbare Wärmequelle
zu finden. Dass dies ein Wahn war, geht daraus hervor, dass der Vorrat an Energie,
welcher in den Kohlenlagern aufgespeichert ist, seine Entstehung derjenigen Energie
verdankt, welche die Sonne der Erde in Form von strahlender Wärme in langen, dem
Bestehen des Menschengeschlechtes vorausgegangenen Zeiten zugewendet hat. Wenn also
dieser Vorrat verbraucht sein wird, wird kein Mittel einer noch so weit vorgerückten
Wissenschaft im stande sein, eine identische Energiequelle zu eröffnen und die
Menschen darauf angewiesen sein, sich neben anderem mit der Energie zu behelfen,
welche die Sonne im Laufe der ferneren Zeit noch fortwährend durch ihre Strahlen
liefert. Aufgabe der nächstfolgenden Jahrhunderte ist es, weise Sparsamkeit im
Verbrauch dessen, was an Energiequellen in der Natur geboten ist, einzuführen und
sollte besonders die Ausbeutung der Kohlenlager in ähnlicher Weise überwacht werden,
wie heute in gut eingerichteten Staaten jene der Wälder. Mit der Erschöpfung der
unterirdischen Schätze schwindet die wirtschaftliche Macht.
Erforderlich zur Erreichung grösstmöglichen Minimums im Kohlenverbrauch ist maximale
Ausnutzung der Brennstoffe anzustreben, den Wirkungsgrad der Feuerungsanlagen zu
erhöhen und dazu wiederum notwendig, den Heizwert des verwendeten Brennmaterials zu
kennen. Eine jede Bemühung, den Betrieb einer Feuerungsanlage zu verbessern, baut
sich somit auf einer genauen Bestimmung des Heizwertes des verfeuerten Brennstoffes
auf. Kohlenstoff, Wasserstoff, Sauerstoff und gewisse mineralische Bestandteile,
welche nach dem Verbrennen der verbrennlichen Stoffe als Asche zurückbleiben, sind
die wesentlichen Elemente der Brennmaterialien und werden ob der verschiedenen
Zusammensetzung verschiedene Materialien verschiedene Heizwerte haben, d.h. gleiche
Mengen verschiedener Stoffe ergeben beim Verbrennen verschiedene Wärmemengen.
In Anerkennung der Notwendigkeit derartiger Feststellungen haben sich namhafte
Forscher bemüht, Methoden zu schaffen, welche eine exakte Brennwertbestimmung
ermöglichen. Die bekannteste Methode, deren Anfänge aus der Zeit datieren, als man
anfing, Steinkohlen auf ihren Kohlenstoffgehalt zu untersuchen, ist die Elementaranalyse.
Man bestimmt in der Analyse die Elemente, aus welchen die betreffende Kohle
zusammengesetzt ist, nämlich den Kohlenstoff, Wasserstoff, Sauerstoff, Schwefel und
Stickstoff und berechnet an der Hand einer von Dulong
aufgestellten Formel aus dem Heizwert der einzelnen Bestandteile jenen der Kohle. Im
Lauf der Zeit erfuhr dann die alte Dulong'sche Formel
Erweiterungen und rechnet man jetzt mit der vom Verein deutscher Ingenieure und dem
Verband der Dampfkesselüberwachungsvereine aufgestellten sogen. Verbandsformel.
Die Formel lautet:
H=81\,C+290\,\left(H-\frac{1}{8}\,O\right)+25\,S-6\,w
und bedeutet in derselben
C
den
Prozentgehalt
an
Kohlenstoff
H
„
„
„
Wasserstoff
O
„
„
„
Sauerstoff
S
„
„
„
Schwefel
w
das hygroskopisch anhaftende Wasser.
Beispiel
C
= 80,59 %
H
= 4,21 „
O
= 6,31 „
S
= 1,27 „
Feuchtigkeit
= 1,24 „
Mineralstoffe
= 6,38 „
––––––––
100,00 %
H=81\,\cdot\,80,59+290\,\left(4,21-\frac{1}{8}\,6,31\right)+25\,\cdot\,1,27-6\,\cdot\,1,24
H = 7544 W.-E.
Man hat sich bei Aufstellung dieser Formel von dem Gedanken leiten lassen, dass die
einzelnen Bestandteile bei der Verbrennung dieselbe Wärme entwickeln, wie wenn sie
einfach gemischt wären. In Wirklichkeit ist aber keineswegs anzunehmen, dass die
Kohlen lediglich Mischungen der einzelnen Bestandteile sind, sondern die
obengenannten Elemente sind zu festen Verbindungen vereinigt. Die Annahme, welche
die Berechtigung zur Aufstellung einer solchen Formel bildet, steht somit auf
schwachen Füssen und hat sich in der That auch gezeigt, dass der mit der Formel
berechnete Heizwert von dem wirklichen Heizwert abweicht. Man rechnet für Steinkohle
± 2 %, für Braunkohle ± 5 %, für Torf ± 8 % und für Holz ± 15 % Differenz.
Aber noch ein anderer Nachteil der Elementaranalyse ist es, der das Bedürfnis nach
einer anderen Untersuchungsmethode fühlbar macht. Es ist die Umständlichkeit, mit
der diese Methode behaftet ist. Sie erfordert nicht nur ein vollkommen
eingerichtetes Laboratorium, sondern auch einen geübten Chemiker und bleibt immer
Arbeit der wissenschaftlichen Laboratorien.
Diese Erwägungen waren die Ursache, dass man in Technikerkreisen die Ausbildung der
sogen. kalorimetrischen Untersuchungsmethode aufmerksam
verfolgte. Die Bestimmung der Verbrennungswärme verschiedener Körper ist seit Jahren
von Physikern ausgeführt worden. Es seien genannt Berthier,
Favre, Silbermann, jedoch waren deren Apparate in ihrer Handhabung zu
schwerfällig, als dass sie sich hätten allgemein einbürgern können. Erst der von Berthelot erfundene und von Mahler und Kröker verbesserte Kalorimeter
zeigte so viele Vorzüge, dass er in weiteren Kreisen Eingang fand.
Textabbildung Bd. 316, S. 670
Fig. 1.
Berthelot's Kalorimeter besteht im wesentlichen aus
einem kleinen geschlossenen Gefäss, in welchem eine kleine Menge des zu
untersuchenden Brennmaterials, in der Regel 1 g, behufs restloser Verbrennung in
hochkomprimiertem Sauerstoff verbrannt wird. Dieses Gefäss befindet sich in einem
anderen, welches mit einer genau gewogenen Wassermenge gefüllt und gut isoliert ist.
Die durch die Verbrennung hervorgerufene Wärme überträgt sich von dem kleinen
Gefäss, der sogen. Bombe, auf das umgebende Wasser und ermöglicht die eintretende
Temperaturerhöhung in Verbindung mit der Menge des erwärmten Wassers die Berechnung
des Heizwerts.
Fig. 1 stellt einen solchen Kalorimeter dar und zeigt
A die sogen. Bombe, C
den übrigen Teil des Apparates. Ein von Hand oder mechanisch bewegtes Rührwerk R soll möglichst gleichmässige Verteilung der
Wassertemperatur sichern. Die Bombe A, ein
starkwandiges, innen emailliertes Stahlgefäss wird durch einen aufschraubbaren,
mehrfach durchbohrten Deckel verschlossen. Die Oeffnungen 1 und 2 dienen zur Sauerstoff- bezw.
Luftzuführung und sind durch Ventile gasdicht verschliessbar, die Oeffnungen 3 und 4 zur Durchführung
der für die elektrische Zündung nötigen Platindrähte. Ein weiterer, im Inneren
herabhängender Platindraht ermöglicht Aufhängen des das Brennmaterial aufnehmenden
Platintiegels.
Die Arbeit mit einer solchen Bombe gestaltet sich folgendermassen. Es wird eine
abgewogene Menge Brennstoff in den Platintiegel W
gebracht, von dem einen Platinpole zum anderen ein dünner, in das Brennmaterial
hineinragender Eisendraht gezogen, der Deckel fest aufgeschraubt und durch den Kanal
1 komprimierter Sauerstoff bis zu einem Druck von
25 bis 30 at eingeführt. Nunmehr wird die Bombe in das Gefäss B bezw. C eingesetzt, das
Rührwerk R in Thätigkeit gebracht und wenn zwischen
Bombe und Wasser Temperaturausgleich vor sich gegangen, durch Schliessen des
elektrischen Stromes der Eisendraht und damit die Brennstoffmenge zum Verbrennen
gebracht. Beobachten des weiteren Verlaufes der Temperaturen gibt Aufschluss über
die durch die Verbrennung erzeugte Temperaturerhöhung und diese, wie oben bemerkt,
Kenntnis des Heizwerts.
Die Verbrennungswärme, welche man bei der Untersuchung mit einer solchen Bombe
erhält, ist indessen für die Beurteilung des Heizmaterials nicht ohne weiteres
massgebend. Es entwickelt jede Kohle bei der Verbrennung Wasser und entweicht dieses
aus dem hygroskopischen und dem chemisch gebundenen Wasser sich bildende Wasser bei
der Verbrennung auf dem Roste mit etwa 200° C. aus der Feuerung. Es ist die hierfür
aufgewendete Wärmemenge Verlust in Bezug auf die Feuerung. Bei der Verbrennung in
der Bombe wird dieses Wasser in der Bombe selbst niedergeschlagen und erhält man bei
Durchführung der Untersuchung um so viel Wärme mehr, gegenüber der auf dem Rost
erzeugten, als durch die Kondensation des freigewordenen Wassers entsteht. Es muss
also, wenn man die im Kalorimeter bestimmte Verbrennungswärme zur Beurteilung des
Heizmaterials zu Hilfe nehmen will, eine Bestimmung des entstehenden Wassers gemacht
werden.
Erreicht wird dies im vorliegenden Fall dadurch, dass durch Anschluss 1 ein durch einen Chlorcalciumturm (Fig. 2) geführter Luftstrom bis zum Boden der Bombe
eingeleitet und durch 2 und eine Chlorcalciumvorlage
diese Luft mittels Luftpumpe wieder abgesaugt wird. Stellt man während dieser
Operation die Bombe A in ein über 100° C. (105°)
erhitztes Oelbad, so wird der durch den Chlorcalciumturm angesaugte und dadurch
trockene Luftstrom in der Bombe sämtliches Niederschlagwasser aufsaugen und die
Differenz zwischen dem Anfangs- und Endgewicht der Vorlage Berechnung
ermöglichen.
Die Zeitdauer für Vornahme einer Heizwertbestimmung nach dieser Methode beträgt,
abgesehen von den Vorbereitungen, wie Abwiegen von Brennstoff, Zünddraht
undKalorimeterwasser u.s.w., für die Verbrennung etwa 20, für die
Wasserbestimmung etwa 60 Minuten und ist für Erreichung gut übereinstimmender
Resultate neben entsprechender Beobachtungsgabe nur ein zugfreier und möglichst
konstante Innentemperatur besitzender Raum erforderlich. Zur Beobachtung der durch
die Verbrennung entstehenden Temperatursteigerung des Kalorimeterwassers dient ein
in 1/100°
geteiltes Thermometer, an dem mittels einer Lupe noch 1/1000° sicher abgeschätzt werden kann und
dürfte diese Empfindlichkeit obige Bedingung rechtfertigen.
Als für die Berechnung des Heizwerts massgebende Temperaturerhöhung darf, wie bereits
angedeutet, nur jene von der Zeit der Temperaturgleichheit zwischen Wasser und Bombe
bis Erreichung des Maximums der Wassererwärmung gerechnet werden und pflegt man, um
diese beiden Punkte genau zu bekommen, die Verbrennung gewissermassen in drei
Abteilungen, einen Vorversuch, einen Hauptversuch und einen Nachversuch zu
zerlegen.
Der Vorversuch erstreckt sich vom Zeitpunkt des Einsetzens der Bombe in das
Kalorimeterwasser an bis zum völligen Temperaturausgleich zwischen beiden; der
Hauptversuch von hier an, dem Moment, an dem durch Schliessen des Stromes die
Verbrennung in der Bombe zu bewirken ist, bis zur Feststellung des
Temperaturmaximums und der Nachversuch auf eine weitere, etwa fünfminutige
Beobachtung des Thermometers. Die Ablesungszeiten werden durch eine alle Minuten
anschlagende Uhr angegeben.
Textabbildung Bd. 316, S. 671
Fig. 2.
Eintretende Beobachtungsfehler werden bei Berechnung des Versuches durch Anwendung
der Regnault-Stohmann-Pfaundler'schen Formel:
Korrektion
=\frac{v-v'}{\tau'-\tau}\,\left(\frac{t_2-t_1}{9}+\frac{t_1+t_n}{2}+\sum\nolimits_1^{n-1}\,(t)-n\,\tau\right)-(n-1)\,v
worin
v
Mittel
der
Temperaturdifferenzen
des
Vorversuchs
v'
„
„
„
„
Nachversuchs
τ'
„
„
Temperaturablesungen
des
„
τ
„
„
„
„
Vorversuchs
t1, t2 ... tn
Temperaturablesungen des Hauptversuchs
n
Anzahl der Temperaturablesungen des Hauptversuchs
berücksichtigt und neben dem durch das Wasser bedingten Abzuge
noch solche für den die Verbrennung einleitenden Eisendraht und das in dem
eingeführten Sauerstoff enthaltene Wasser gemacht.
Nachstehend ist eine kalorimetrische Heizwertbestimmung angefügt und ist die hierbei
untersuchte Kohle identisch mit derjenigen, deren Elementaranalyse unter dem
vorhergehenden Beispiel gegeben wurde.
Kalorimetrische Heizwertbestimmung
der bei dem Versuch vom 31. August 1901 verwendeten Kohle.
Analyse Nr. 121.
Temperatur des Kalorimeterraumes
23,5° C.
Gewicht des die Verbrennung einleiten- den
Eisendrahtes
0,0342 g
Gewicht der verbrannten Kohle
1,010 g
Wasserwert der Bombe
550,0 gWasserwert
ermittelt durch Verbrennen eines Stoffes von bekanntem
Heizwert.
„ des Kalorimeterwasser
2400,0 g
Beobachtung der Temperaturen.
Nr.
Vorversuch
Hauptversuch
Nachversuch
Ablesung
Diff.
Ablesung
Korr.-Ablesung
Ablesung
Diff.
τ
v
t
t
τ'
v'
12345
22,010 22,005 22,00 22,00 22,00
–0,0050,0050,0000,000
22,00022,96024,32024,63024,650
21,960–––24,630
24,64024,63024,62024,61024,600
–0,010,010,010,01
Diff.
2,670°
Sa.
110,015
0,010
123,100
0,040
Mittel
22,003
0,002
24,620
0,008
Temperaturkorrektion
=\frac{v-v'}{\tau'-\tau}\,\left(\frac{t_2-t_1}{9}+\frac{t_1+t_n}{2}+\sum\nolimits_1^{n-1}\,(t)-n\,\tau\right)-(n-1)\,v
v – v'
=
– 0,002 + 0,008
=
0,006°
\frac{t_2-t_1}{9}
=
\frac{0,96}{9}
=
0,107°
\sum\nolimits_1^{n-1}\,(t)
=
93,91°
τ' – τ
=
24,62 – 22,003
=
2,617°
\frac{t_1+t_n}{2}
=
\frac{46,59}{2}
=
23,295°
nτ
=
5 . 22,003
=
110,015°
(n – 1)v
=
4 . 0,002
=
0,008°
Korrektion =\frac{0,006}{2,017}
(0,107 + 23,295 + 93,91 – 110,015) – 0,008 = 0,00873°
Temperaturerhöhung somit:
2,670 + 0,0087 = 2,6787°
Gesamte entwickelte Wärme:
2950 . 2,6787 = 7902 W.-E.
Von dieser gesamten Wärmeentwickelung sind abzurechnen:
a)
für Eisen 0,0342 . 1600
= 55 W.-E.
b)
„ Säurebildung
= 10 „
c)
„ Wasserbildung
Gewicht der Chlorcalcium- vorlage vor dem Versuch
115,233 g
Gewicht der Chlorcalcium- vorlage nach dem Versuch
115,832 g
––––––––
Gewicht des Gesamtwassers
0,599 g
„ „ Wassers aus zugeführtem Sauerstoff
0,010 g
––––––––
Gewicht des Wassers aus der Kohle
0,589 g
0,589 g = 58,3 % von 1,01 g ver- brannter Substanz und
entspricht 58,3 . 6
= 350 W.-E.
Wärmemenge aus 1,010 g Kohle
= 7902 – (55 + 10 + 350)
= 7487 W.-E.
Heizwert \frac{7487}{1,01}=7413\mbox{ W.-E.}
Die Kohle wurde in lufttrockenem Zustand analysiert.
Angefügt sei noch, dass durch Einleiten der Gase hinter der Chlorcalciumvorlage in
einen Kaliapparat eine direkte Kohlenstoffbestimmung und durch weitere
Manipulationen Kontrollelementaranalyse aus der Bombe heraus gemacht werden
kann.