Titel: | Glas im Bauwesen. |
Autor: | Gustav Rauter |
Fundstelle: | Band 316, Jahrgang 1901, S. 715 |
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Glas im Bauwesen.
Von Dr. Gustav Rauter.
Glas im Bauwesen.
Die Verwendung des Glases im Bauwesen ist schon sehr alt, und bereits in Pompeji
soll man Fensterscheiben aus gegossenem Glase angewendet haben. Jedoch blieb in
jenen Zeiten der Gebrauch von Glasfenstern immerhinbeschränkt und nahm erst im
Mittelalter grösseren Umfang an. Doch erst in neuerer Zeit hat das Glas nicht nur
für die Herstellung von Fenstern, sondern überhaupt für die Verwendung im Bauwesen
sich ein äusserst weites Feld erobert, nachdem man durch die neueren Fortschritte in seiner
Bearbeitung die Gefahr hatte überwinden lernen, die in der Zerbrechlichkeit des
gewöhnlichen Glases liegt.
Was zunächst die Verwendung von Glas zu Fenstern anbetrifft, so gestattet die Technik
der Spiegelglasfabrikation heute die Verwendung von immer grösseren Spiegelscheiben,
namentlich für Schaufenster, ein Gebiet, auf dem die Reinheit und Durchsichtigkeit
der Glasmasse ihre höchsten Triumphe feiert. Jedoch sind andererseits vielfach
Verglasungen erwünscht, die zwar lichtdurchlässig, aber nicht geradezu durchsichtig
sein sollen. Hier wird das Glas entweder mattiert, oder man bedient sich auch des
sogen. gegossenen Ornamentglases, das ist einer Art von Spiegelglas, die jedoch
statt einer ebenen Oberfläche eine ununterbrochene feine Musterung zeigt, die die
Durchsichtigkeit aufhebt.
Mit der Lichtdurchlässigkeit des Glases verbindet das von Siemens in Dresden hergestellte DrahtglasVgl. D. p. J.
1892 284 263; s. a. 1894 292 30. 1895 298 108. 1896 299 12. 1900 316
589. eine grosse Widerstandsfähigkeit gegen mechanische
Einflüsse. Dieses Glas enthält im Innern eine Einlage aus Drahtnetz, die ihrerseits
rings von Glas umgeben ist. Hierdurch wird es einmal möglich, den Glastafeln eine
grössere freitragende Breite zu geben, als es bei gewöhnlichem Glase gestattet wäre,
und andererseits bietet es eine grosse Sicherheit gegen eine Zertrümmerung, z.B.
durch etwa darauf auffallende schwere Gegenstände. Denn sogar wenn die Glasscheiben
selbst gebrochen sein sollten, so hält doch das Drahtnetz die einzelnen Stücke noch
zusammen. Das Drahtglas wird auch in gemustertem Zustande hergestellt, wodurch zwar
die Lichtdurchlässigkeit vermindert, jedoch das Drahtnetz dem Auge verdeckt wird, so
dass derartige Platten einen dem erwähnten gemusterten Ornamentglase ähnlichen
Eindruck machen, aber vor diesen den Vorzug grösserer Festigkeit haben.
Diese Festigkeit des Drahtglases erstreckt sich aber nicht nur auf die
Widerstandsfähigkeit gegen mechanische Einflüsse, sondern auch auf die gegen
Feuersgefahr. Denn während verhältnismässig geringe Temperaturunterschiede
gewöhnliche Glasscheiben äusserst leicht springen lassen, so werden die
Drahtglasscheiben aus den angedeuteten Gründen wenigstens ihren Zusammenhang im
ganzen bewahren.
Grössere Sicherheit gegen Feuersgefahr bietet auch das sogen. Elektroglas, eine
amerikanische Erfindung, die in Deutschland von dem Luxfer-Prismen-Syndikat zu Berlin ausgeführt wird. Hierbei findet eine
eigentümliche Art der Zusammensetzung der einzelnen Glasscheiben eines Fensters
statt. Diese gewährt einen so grossen Grad von Sicherheit, dass man bei Anwendung
dieses Systems die Fensterflächen aus lauter kleineren Glasscheiben, nicht aber aus
einer einzigen oder aus wenigen grossen Scheiben zusammensetzt. Es werden nämlich
die einzelnen Scheiben, ähnlich wie es bei der alten Bleiverglasung der Fall ist,
mittels dünner Metallstreifen, jedoch aus Kupfer statt aus Blei, zusammengesetzt.
Diese Kupferstreifen werden nun mitsamt dem Glase in ein elektrolytisches Kupferbad
eingebracht, aus dem sich unter der Einwirkung des elektrischen Stromes hartes
Kupfer auf das Metall niederschlägt. Indem sich dies neugebildete Kupfer so zwischen
das schon vorhandene Metallband und das Glas eindrängt, und zugleich noch über die
Glasfläche etwas überstehende Bänder bildet, wird dadurch eine äusserst feste
Verbindung der Scheiben erzielt, die selbst in dem Falle, dass diese durch den
Einfluss grosser Hitze einerseits und kalten Wassers andererseits kreuz und quer
gesprungen sind, doch noch die einzelnen Bruchstücke durchaus sicher zusammenhält
und dem Feuer den Durchgang versperrt.
Zugleich mit diesem Elektroglas ist noch eine andere Neuerung nach Europa gekommen,
die die Erhellung dunkler, tiefer Räume bezweckt und die zumal für die Fälle
empfohlen wird, wo den betreffenden Fensteröffnungen auf der anderen Seite eines
Hofes oder einer Strasse mehr oder weniger hohe Gebäude gegenüberstehen. Es sind
dies die sogen. Luxfer-Prismen. Diese Luxfer-Prismen bestehen aus kleinen
Glasplatten, die untereinander übrigensauch nach dem System des sogen.
Elektroglases zusammengesetzt sind. Diese Glasplatten sind aber nicht eben, sondern
zeigen eine durchgängige, meist horizontal verlaufende Riefelung, und zwar ist diese
in der Art angeordnet, dass dadurch eine Reihe von richtigen Prismen gebildet wird,
so dass eine solche Scheibe auf dasselbe hinausläuft, als wenn sie aus einer Reihe
von übereinander geschichteten Glasprismen zusammengesetzt wäre. Wenn nun ein
Lichtstrahl auf ein solches Fenster auffällt, so wird er durch diese Prismen
gebrochen, und zwar ist deren Anordnung zur Erreichung dieses Zweckes so, dass diese
Brechung in der Weise erfolgt, dass der unter einem ziemlich steilen Winkel
einfallende Lichtstrahl nunmehr in fast horizontaler Richtung weitergeht. Fig. 1 zeigt einen senkrechten Schnitt durch eine
solche Prismenplatte, nebst dem Weg des durch sie abgelenkten Lichtstrahles.
Textabbildung Bd. 316, S. 716
Fig. 1.
Um hier allen Bedürfnissen gerecht werden zu können, werden die Prismenplatten nicht
alle mit einem und demselben Prismenwinkel hergestellt, sondern es gibt eine ganze
Reihe derartiger Winkel, aus denen nach hierfür aufgestellten Tabellen der für das
betreffende Fenster passende ausgesucht wird, je nachdem das Licht mehr oder weniger
steil auffällt, d.h. je nachdem der von dem Fenster aus sichtbare Abschnitt des
Himmelsgewölbes mehr oder weniger beschränkt ist. Ferner ordnet man die
Luxfer-Prismenscheiben nicht immer in senkrechter Ebene an, sondern je nach
Bedürfnis auch mit einer mehr oder weniger grossen Neigung gegen die Senkrechte,
nötigenfalls auch verstellbar. Im letzteren Falle entstehen die sogen.
Prismenmarkisen, die insbesondere vor zu erleuchtenden Räumen des Erdgeschosses
angebracht werden, und die überhaupt überall da Verwendung finden können, wo es
nicht zu befürchten ist, dass der von den Markisen geworfene Eigenschatten darunter
befindlichen Räumen Licht wegnehmen könne. Denn natürlich haben die Prismenmarkisen
ebensogut ihren Schatten, wie jeder andere Körper, weil die auf sie auffallenden
Lichtstrahlen eben aus der geraden Richtung in eine für den Gebrauchszweck besser
geeignete Richtung verlegt werden, und mithin nicht mehr da auftreffen, wo sie sonst
eigentlich aufgetroffen wären.
Textabbildung Bd. 316, S. 716
Fig. 2.
Zur Beleuchtung von Kellerräumlichkeiten in dem Falle, wo die betreffenden
Kellerfenster der Beschädigung ausgesetzt sind, wo z.B. ein starker Verkehr über sie
hinweggeht, dienen besonders geformte Prismen aus sehr dickem Glase, die nicht mehr
den Teil einer Platte ausmachen, sondern einzeln verlegt werden, und die etwa die
Form eines Zahnes haben (Fig. 2). Sie werden mit dem
Kopfe in ein gusseisernes Gitter eingekittet.
Gleichfalls zum Beleuchten von Kellerräumen dienen z.B. die von Hermann Schwinning erfundenen Prismen. Diese bestehen
aus quadratischen Platten von starkem Glase (Fig. 3),
die mit einem rings herum laufenden Rande, sowie mit diagonal angeordneten
Riefelungen von eigentümlichem Querschnitt versehen sind, wodurch gleichfalls eine
Brechung des auf sie auftreffenden Lichtes bewirkt wird. Die Prismen nach Schwinning werden in Verbindung mit einem darunter
angeordneten Spiegel benutzt. Dieser besteht aus mehreren, gegeneinander geneigten
Glasplatten, die zusammen etwa einen Teil eines um eine Parabel angeordneten
Vielecks ausmachen. Hierdurch werden dann die darauf auftreffenden Lichtstrahlen in
die gewünschte Richtung gelenkt. Da diese Spiegel unterhalb des Fensters angeordnet
sind, so können sie weiter kein Licht wegnehmen. Auch haben sie einen grossen
Vorzug
vor den sonst vielfach gebräuchlichen Tageslichtreflektoren, und zwar einmal
dadurch, dass sie mit den beschriebenen Prismen in Verbindung angebracht werden,
andererseits dadurch, dass sie sich nicht im Freien befinden, dass sie demnach dem
Unbrauchbarwerden durch die Einflüsse der Witterung nicht ausgesetzt sind.
Wir kommen nun zu den Fällen, wo das Glas dazu bestimmt ist, unmittelbar Ziegel zu
ersetzen, dabei aber noch mit dem raumabschliessenden Bauzwecke der Ziegel den
Vorzug seiner Durchsichtigkeit zu verbinden. Hier sind zunächst zu nennen die
Dachziegel aus Glas, eine Anwendung des Glases im Bauwesen, die ja schon ziemlich
lange gebräuchlich ist, und die wohl, abgesehen von der Herstellung verglaster
Fenster, die älteste von den hier in Betracht kommenden Verwendungsarten des Glases
ist. Die Glasziegel werden bekanntlich in so ziemlich jeder Form gewöhnlicher
Dachziegel hergestellt, weshalb wir hier nicht weiter auf sie einzugehen
brauchen.
Textabbildung Bd. 316, S. 717
Fig. 3.
Ziegelsteine aus Glas, ganz genau von dem Formate der gewöhnlichen Normalmauersteine,
stellt Siemens in Dresden her. Diese Ziegel können
deshalb mit anderen Steinen zusammen vermauert werden. Natürlich sind sie nicht
durch und durch massiv, sondern sie bestehen eigentlich aus einer Art von
umgekehrtem Trog, d.h. sie sind im Innern hohl, und die Auflagefläche ist nur so
gross wie die Querschnitte der vier angrenzenden Stossflächen. Bei der sauberen
Ausführung dieser Steine aus gepresstem Glase ist wohl anzunehmen, dass sie sich
einer weitergehenden Anwendung erfreuen werden.
Textabbildung Bd. 316, S. 717
Fig. 4.
Gleichfalls Glasbausteine stellen her die Adlerhütten in
Penzig. Diese Steine – System Falconnier1896 302
275. – sind aber nicht von dem Format der gewöhnlichen Bausteine,
sondern von einem ganz besonderen, meistens von annähernd sechsseitigem Querschnitt.
Sie bestehen aus geblasenem Glase, das allseitig geschlossen ist, und sind leichter
als die eben genannten Glasziegel. Diese Glasbausteine nach System Falconnier werden übrigens auch mit einem Drahtüberzug
angefertigt und alsdann für die Verwendung zu Zwecken empfohlen, wo es auf
Feuersicherheit ankommt. Fig. 4 zeigt zwei derartige
Steine in der Lage, die sie im Bau gegen einander einnehmen, von vorne gesehen,
sowie einen senkrecht zur Wandfläche geführten Schnitt durch einen dieser
Steine.
Als Stoff zum Belegen von Fussböden, Wandflächenu.s.w. wird Glas gleichfalls
sehr viel gebraucht. Früher kannte man hier nur sogen. Rohglasplatten, d.h.
Glasplatten aus grünem Glase mit rauher oder mattierter Oberfläche. Man bediente
sich dieser auch ziemlich ausschliesslich zum Bedecken der Lichtöffnungen, die in
der Ebene von Höfen u. dgl. lagen. Solche Platten nahmen natürlich sehr viel Licht
weg. Aber heute verfügt man sowohl zu dem genannten Zwecke über viel bessere
Plattensysteme, wie wir deren einige angeführt haben, als ist auch die Herstellung
von besonders geeigneten Platten für Boden- und Wandbekleidung ein eigener
Industriezweig geworden. Es hat z.B. Siemens in Dresden
eine ganze Auswahl von Platten für diese Zwecke. Seine Platten und Friese sind
sogen. Glashartguss-Fussbodenplatten und Glashartguss-Wandverkleidungsplatten und
werden in zahlreichen Mustern ausgeführt, die so gewählt sind, dass einerseits das
Ausgleiten auf dem damit belegten Fussboden vermieden wird, andererseits auch ein
gefälliger Eindruck erzielt wird.
Ein eigenes System zur Bekleidung von Wänden mit Glasplatten haben die Glasgraphischen Werke von J. C. Duntze in Frankfurt a.
M. unter dem Namen Frankfurter Glaswandfliessen nutzbar gemacht. Es sind glatte
Fliesen aus gewöhnlichem Glase, die auf der Rückseite mit einer namentlich gegen
Licht beständigen Farbe einfarbig oder in passender Musterung bedruckt sind. Diese
Farbe ist dann noch von hinten mit einer Schutzschicht überzogen, die einerseits zu
der Farbe selbst, andererseits zu dem Marmorcement, mit dem die Platten an den
Wänden befestigt werden, eine grosse Adhäsionsfähigkeit besitzt. Da diese Platten
eine durchaus glatte äussere Oberfläche haben, so dürften sie sich namentlich für
Küchen, Schlächtereien, Krankenhäuser u. dgl. eignen, wo es darauf ankommt, dass die
Wandflächen jederzeit leicht und sauber gereinigt werden können.
Schliesslich gehören in dies Gebiet noch die sogen. Keramosteine. Diese sind eine
Erfindung des französischen Ingenieurs Garchey und
werden auf die Weise hergestellt, dass Glasbrocken, wozu man zweckmässig die auf den
nötigen Grad von Feinheit zerkleinerten Scherben zerbrochener oder in der
Fabrikation verunglückter Glasgefässe wählen wird, durch ein eine Zeitlang
andauerndes Erhitzthalten auf eine gewisse, bei Rotglut liegende Temperatur entglast
werden. Hierdurch verliert sich zwar die Eigenschaft des Glases, die sonst am
wertvollsten ist, nämlich die Durchsichtigkeit, dagegen wird das auf diese Weise
behandelte Glas viel weniger spröde und viel härter. Die durch diese Erhitzung
teigartig erweichten Glastrümmer werden alsdann durch starke Pressen in passende
Formen gebracht und insbesondere zu Platten geformt. Diese Platten dienen einerseits
zum Belegen von Fluren, Fussgängerwegen u. dgl., andererseits aber auch zur
Wandverkleidung im Innern oder an der äusseren Fläche der Bauwerke. Man kann sie
sehr schön polieren, und in diesem Falle zeigen sie eine an manchen natürlichen
Stein erinnernde Oberfläche, auf der die einzelnen, sie zusammensetzenden Trümmer
noch deutlich erkennbar sind. Von der Staatlichen
Prüfungsanstalt für Brüchen- und Strassenbau zu Paris angestellte
Untersuchungen haben sehr gute Ergebnisse bezüglich der Festigkeit und der geringen
Abnutzungsfähigkeit dieses Baustoffes gezeigt. Er wird in Deutschland von den
bereits genannten Adlerhütten in Penzig
hergestellt.