Titel: | Die Spannung des Wasserdampfes und die Dampfspannungsformeln. |
Autor: | Rudolf Mewes |
Fundstelle: | Band 316, Jahrgang 1901, S. 718 |
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Die Spannung des Wasserdampfes und die
Dampfspannungsformeln.
Von Rudolf Mewes, Ingenieur und
Physiker.
Die Spannung des Wasserdampfes und die
Dampfspannungsformeln.
Vor 57 Jahren sagte Prof. Magnus am Schluss seiner
Untersuchungen über die Spannung des Wasserdampfes, dass es kein älteres und
häufiger wiederholtes physikalisches Experiment als Wasser zu kochen gibt, dass aber
dennoch der wahre Vorgang hierbei nicht hinreichend bekannt gewesen sei, und auch
jetzt noch manches unerklärtzurückbleibt. Dies trifft auch heute noch zum
grossen Teil zu, wenn auch seitdem von den namhaftesten Physikern die grössten
Anstrengungen zur endlichen Bewältigung dieses für die Technik und Wissenschaft
gleich wichtigen Problems gemacht worden sind.
Die Ursache hierfür liegt darin, dass in der Physik ebenso wie in der
Schwesterwissenschaft, der Chemie, nur intramolekulare Vorgänge behandelt werden und
daher die Physiker und Chemiker die Dinge, mit denen sie sich beschäftigen, nicht
sehen, sondern nur aus den begleitenden Umständen folgern können, dass dieselben
sich ereignet haben. Wenn man z.B. dem Wasser auf irgend eine Weise Energie zuführt,
indem man dasselbe stark erhitzt bezw. dem Einfluss des elektrischen Stromes oder
dem Spiel widerstreitender Affinitäten unterwirft, so wird im ersten Fall das Wasser
verdampft, d.h. in den dampfförmigen Aggregatzustand übergeführt, während im zweiten
Fall eine Spaltung des Wassers in seine Elementarbestandteile, Wasserstoff und
Sauerstoff, stattfindet. Weder ein Physiker noch auch ein Chemiker hat diese
Vorgänge je gesehen; man weiss nur, dass sie stattgefunden haben, weil Wasserdampf
bezw. Wasserstoff und Sauerstoff aus den Versuchen hervorgegangen sind. Bei der
Behandlung physikalischer und chemischer Vorgänge muss man daher das Hauptgewicht
auf die Versuchsergebnisse legen und, da man der Theorien in beiden Gebieten nicht
entbehren kann, die allgemeinen Grundgesetze, denen die verschiedenen Vorgänge und
Erscheinungen sich gesetzmässig unterordnen lassen sollen, stets an der Hand der
Versuche als der höchsten Instanz prüfen.
Nun können aber je nach der Geschicklichkeit des Experimentators und der
Vollkommenheit der benutzten Apparate und angewandten Beobachtungsmethoden die
erhaltenen Versuchsergebnisse voneinander mehr oder weniger abweichen; man muss
daher, wenn man wirklich sicher gehen will, die Versuche verschiedener Beobachter
berücksichtigen und daraus die Grösse der möglichen Beobachtungsfehler feststellen,
damit man ein unanfechtbares Urteil über die erreichbare Uebereinstimmung zwischen
der Theorie und der Beobachtung gewinnt. Diese Uebereinstimmung kann schlechterdings
nicht als grösser gefordert werden, als die Uebereinstimmung der von verschiedenen
Beobachtern gefundenen Zahlenwerte unter sich. Die wissenschaftlich besten und
genauesten Versuche über die Spannung des Wasserdampfes sind diejenigen von Regnault, Magnus, Batelli, sowie von Cailletet und Colardeau.
Bevor diese Versuche und die von den Beobachtern dafür aufgestellten Formeln
miteinander verglichen werden, will ich hier kurz zum besseren Verständnis des
Problems gemäss dem von Magnus, in Poggendorff's Annalen gegebenen Bericht die wichtigsten
Versuchsmethoden erwähnen.
Die Methoden, welche man bisher angewendet hat, um die Spannkraft der Wasserdämpfe zu
messen, beruhen entweder darauf, dass man die Temperatur bestimmt hat, bei welcher
das Wasser unter verschiedenem Druck kocht oder dass man in einen luftleeren oder
fast ganz luftleeren Raum Wasser brachte, dasselbe verschiedenen Temperaturen
aussetzte und den Druck mass, welchen die Dämpfe desselben ausübten.
Die erste von diesen beiden Methoden ist teils so ausgeführt worden, dass man die
Temperatur beobachtete, bei welcher Wasser auf hohen Bergen kochte, teils dadurch,
dass man dasselbe unter der Glocke der Luftpumpe kochen liess. Diese letztere Art
der Untersuchung, nach welcher Versuche von Achard,
Green und auch von Dalton angestellt sind,
kann nur annähernd genaue Resultate liefern, da, wenn Wasser unter der Luftpumpe
kocht, die Temperatur desselben ebenso wie die Spannkraft beständig abnimmt. Die
Beobachtung des Kochpunktes auf hohen Bergen kann hingegen, gehörig angestellt, zu
ganz richtigen Bestimmungen führen. Derartige Versuche sind angestellt worden von
Le Monier (1739), de
Luc (1770), Green, Saussure und Forbes. Indessen sind die meisten
Dampfspannungsversuche so angestellt worden, dass der Druck gemessen wurde, welchen
die Dämpfe in einem geschlossenen Raum ausüben. Hierbei hat man entweder, wie Christian, den Dampf gegen einen Stempel wirken lassen
und die Gewichte bestimmt, welche dieser bei verschiedenen Temperaturen zu heben
vermochte, oder wie Arzberger die Kraft gemessen, mit
welcher der Dampf bei verschiedenen Temperaturen ein Kugelventil hob. Auf diese
Weise lassen sich jedoch nur die Spannkräfte für Temperaturen über 100° ermitteln.
Schliesslich aber hat man die Spannkraft des Dampfes durch die Höhe
einerQuecksilbersäule gemessen, die dieser Spannkraft das Gleichgewicht hält.
Derartige Versuche sind angestellt worden von Ziegler
(1768), Watt (1814), Robison,
Betancourt, G. G. Schmidt, Biker zu Rotterdam, Southern, Dalton, Ure, Gay-Lussac, August, Kämtz, Prinsep u.a. Alle diese
älteren Versuche kommen jedoch hier nicht in Frage, weil dieselben nicht genau genug
sind. Anspruch auf Genauigkeit und wissenschaftlichen Wert kann man erst den
Versuchen von Regnault und Magnus und den oben erwähnten neuesten Versuchen von Batelli, Cailletet und Colardeau zugestehen, und die von diesen bekannten Physikern gefundenen
Beobachtungen sollen daher hier auch nur Verwendung finden. Indessen habe ich nicht
die Beobachtungswerte selbst, sondern die nach den von den Beobachtern aufgestellten
Formeln berechneten Werte miteinander verglichen, um an dem erreichten
Genauigkeitsgrade die Tragweite dieser Formeln wie auch der von mir aufgestellten
und zum Schluss mittels der Beobachtungen geprüften Spannungsformel ermessen zu
können. Es sei hier bemerkt, dass in den Formeln die bei höheren Temperaturen
beginnende Lockerung der Moleküle (Dissociation) nicht berücksichtigt worden
ist.
Wasserdampfspannungen.
Tempe-ratur
Regnault
Magnus
Cailletet
Batelli
Zeuner
Mewes
pro Millimeter Quecksilbersäule
– 10
2,15
2,109
–
2,08
2,093
– 5
3,16
3,115
–
3,05
3,113
0
4,57
4,525
–
4,41
4,600
5
6,51
6,471
–
6,28
6,534
10
9,13
9,126
–
8,84
9,165
15
12,67
12,677
–
12,41
12,699
20
17,36
17,396
–
16,87
17,391
25
23,52
23,582
–
23,90
23,550
30
31,51
31,602
–
30,75
31,548
35
41,78
41,893
–
40,86
41,827
40
54,87
54,969
–
53,76
54,906
45
71,36
71,427
–
–
71,390
50
91,98
91,965
–
90,45
91,980
55
117,52
117,378
–
115,73
117,475
60
148,88
148,579
–
143,50
148,786
65
187,10
186,601
–
184,83
186,938
70
233,31
232,606
–
230,84
233,082
75
288,76
287,898
–
286,21
288,500
80
354,87
353,926
–
352,670
354,616
85
433,19
432,295
–
431,02
433,002
90
525,47
524,775
–
523,74
525,392
95
633,66
633,305
–
632,35
633,692
100
760,00
760,000
760,00
760,40
760,000
110
1075,36
1077,261
–
1082,93
1075,370
120
1491,28
–
–
1503,44
1491,280
125
–
1672,00
1756,76
1743,880
–
130
2030,28
–
–
2042,66
2030,280
140
2717,63
–
–
2724,98
2717,630
150
3581,23
–
3572,00
3578,30
3581,230
160
4651,62
–
4633,91
4651,620
–
170
5961,66
–
5918,65
5961,660
–
175
–
–
6688,00
6673,56
6717,430
180
7546,39
–
–
7494,51
7546,390
190
9442,70
–
–
9378,81
9442,700
200
11689,00
–
11628,00
11625,00
11688,960
210
14324,80
–
–
14275,61
–
220
17390,36
–
–
17379,44
–
225
–
–
19076,00
19123,76
–
230
20926,38
–
20777,64
–
–
250
–
–
29792,00
29951,49
–
275
–
–
45144,00
46815,82
–
300
–
–
65512,00
67620,03
–
325
–
–
92416,00
94111,74
–
350
–
–
127300,00
126923,91
–
365
–
–
152380,00
149733,22
–
In der vorstehenden Tabelle stimmen die von mir für die Spannungen des Wasserdampfes
angegebenen Zahlen mit den Zeuner'schen Werten überein,
da ich für die angegebenen Temperaturen diese letzteren Spannungen in die
theoretische Formel eingeführt und dann mit Hilfe der Spannungen die Volumina
berechnet habe. Es muss also zur Prüfung der theoretischen Formel in einer
besonderen Tabelle eine Zusammenstellung der von Zeuner,
Batelli bezw. von Tumlirz umgerechneten Batelli'schen Beobachtungswerte für gleiche Drucke und
Temperaturen geliefert werden. Dies ist in der nachstehenden Tabelle geschehen, welche die Werte von
Zeuner, Batelli-Tumlirz und mir enthält.
Tempe-ratur
Spannung
Zeuner
Batelli-
Tumlirz
Mewes
Differenz
0
4,600
210,68
203,83
212,381
+ 1,701
+ 8,551
10
9,165
108,52
106,05
109,331
0,811
3,281
20
17,391
58,727
57,863
59,096
0,369
1,233
30
31,548
33,270
32,981
33,413
0,143
0,432
40
54,906
19,647
19,572
19,695
0,048
0,123
50
91,980
12,054
12,054
12,056
0,002
0,012
60
118,786
7,6548
7,6790
7,645
– 0,0098
– 0,034
70
233,082
5,0154
5,0461
5,006
0,0094
0,0401
80
354,616
3,3802
3,4107
3,375
0,0052
0,0357
90
525,392
2,3356
2,3648
2,337
+ 0,0014
0,0278
100
760,000
1,6508
1,6774
1,657
0,0062
0,0204
110
1075,37
1,1914
1,2149
1,201
0,0096
0,0139
120
1491,28
0,8763
0,8968
0,889
0,0127
0,0078
130
2030,28
0,6560
0,6734
0,670
0,0140
0,0034
140
2717,630
0,4988
0,5136
0,513
0,0142
0,0006
150
3581,23
0,3850
0,3973
0,400
0,0150
+ 0,0027
160
4651,62
0,3012
0,3113
0,346
0,0448
0,0347
170
5961,66
0,2386
0,2468
0,253
0,0144
0,0062
180
7546,39
0,1912
0,1978
0,205
0,0138
0,0072
190
9442,70
0,1549
0,1600
0,168
0,0131
0,0080
200
11688,96
0,1269
0,1306
0,140
0,0131
0,0094
Zu den beiden vorstehenden Zahlentabellen ist zu bemerken, dass Batelli seine Beobachtungswerte durch die ziemlich
verwickelte Formel
p=\frac{RT}{v-a}-\frac{mT^{-\mu}-nT^r}{(v+\beta)^2}
wiedergegeben hat; in derselben bedeutet T die absolute Temperatur, v das spezifische Volumen (Volumen von 1 kg in Kubikmeter gemessen) und
p den Druck in Millimeter Quecksilbersäule, während
die Konstanten folgende Werte haben: R = 3430,92, n = 7711,6, r = 0,12235,
β = 1,137, m =
57288567, μ = 0,22015, α =
0,742.
Da diese Formel sieben Konstante enthält und ausserdem sehr verwickelter Form ist, so
hat Tumlirz die Beobachtungen Batelli's durch folgende bedeutend einfachere und nur zwei Konstante
enthaltende mathematische Formel dargestellt: p (v + 0,008402) = 3,4348 T.
In derselben haben p und T
dieselbe Bedeutung wie bei Batelli, während v das Volumen von 1 kg, in Kubikmeter gemessen,
bedeutet. Tumlirz bemerkt zu den von ihm berechneten
Zahlen („Die Zustandsgleichung des Wasserdampfes“, Sitzungsberichte der Wiener Akademie, CVIII. Band Abteilung II a S. 1058
bis 1069) folgendes: „Die mittlere absolute Grösse der Differenz zwischen den
Rechnungswerten und den Versuchswerten beträgt bei den obigen Beobachtungen
0,313%. Die Differenz übersteigt nur einmal den Betrag von 1% und hat dann den
Wert 1,30%. Ebenso kommt es nur einmal vor, dass die Differenz zwischen 0,90%
und 1% liegt; sie beträgt dann 0,91%. Sonst sind alle Differenzen kleiner als
0,90% ...“.
Die Regnault'schen Zahlen sind mittels der bekannten
Spannungsformel von Biot erhalten worden bezw. durch
dieselbe dargestellt worden:
log p' =
a + bαt + cβt,
worin von – 10 bis 100° C.
a = 4,7325067
log α = 0,00701402
b = 0,0137486
log β = 1,996704881
c = – 4,101985
+ 100 bis 250° C.
a = 6,2998803
log α = 1,98524460
b = – 2,190434
log β = 1,99824205
c = – 5,015341.
Die Beobachtungen von Cailletet und Colardeau werden durch die Formel dargestellt:
p=G\ .\ \frac{T^a}{(T+127)^b}.
In derselben sind G, a und b Konstante.
Die von mir berechneten Zahlenwerte sind mit Hilfe der Formel:
\frac{p_1}{p_0}=\frac{v_0-x}{v_1-x}\,\cdot\,(1+\alpha)^{T_1-T_0},
worin
x=0,001,\ \ \ \ log\,(1+\alpha)=0,0011
ist, erhalten worden, in welcher x das Molekülvolumen und α den
Ausdehnungskoeffizienten in Bezug auf das Zwischenvolumen bezw. eine Konstante
ebenso wie die Grösse x bedeutet. Wie die in der
letzten Reihe der obigen Tabelle enthaltenen Differenzen zwischen den Tumlirz'schen und meinen Zahlen erkennen lassen,
stimmen die nach meiner Exponentialformel erhaltenen Werte mit den neuesten
Versuchen von Batelli und Cailletet-Colardeau sehr gut überein, so dass das in einer früheren Arbeit
in D. p. J. 1900 315 350
(Tabelle für Wasserdampf) gefundene Resultat vollständig bestätigt wird.
Tabelle der Verdampfungswärmen.
Tempe-ratur
Spannung
Verdampf-wärme
Konstante
Differenz
60
148,786
564,663
3,475
+ 0,410
70
233,082
557,649
3,636
+ 0,294
80
354,616
550,618
3,764
+ 0,121
90
525,392
543,569
3,861
+ 0,024
100
760,000
536,500
3,9327
– 0,047
110
1075,37
529,409
3,9825
0,097
120
1491,28
522,294
4,0124
0,127
130
2030,28
515,153
4,0273
0,142
140
2717,63
507,985
4,0245
0,139
150
3581,23
500,788
4,0177
0,132
160
4651,62
493,559
3,9960
0,111
170
5961,66
486,298
3,9110
0,028
180
7546,39
479,002
3,9270
0,042
190
9442,70
471,670
3,8818
+ 0,005
200
11689,00
464,300
3,8311
0,004
Die Zahlenwerte der Konstanten in der vorstehenden Tabelle sind mit Hilfe der
Formel
\frac{V_0}{T_0+20}\,\cdot\,log\,p_0=\alpha=\mbox{Konst.}
berechnet worden, in welcher V0 die Verdampfungswärme des Wasserdampfes bei der
absoluten Temperatur T0
+ 20 und p0 die
zugehörige Dampfspannung bedeutet, während a die
Konstante der die Beziehung dieser Grössen darstellenden Formel ist. Durch
Gleichsetzen der Ausdrücke für verschiedene Temperaturen erhält man die folgende
höchst einfache Beziehung zwischen der Verdampfungswärme, Spannung und
Temperatur:
\frac{V_0}{T_0+20}\,log\,p_0=\frac{V_1}{T_1+20}
log\,p_1 oder
p_0^{V_0/T_0+20}=p_1^{V_1/T_1+20}
Bei Temperaturen unter 60° werden die Werte der Grösse a
wesentlich kleiner, was vielleicht in der starken Aenderung der Kohäsion oder
vielleicht auch der spezifischen Wärme seinen Grund haben kann. Weitere
Untersuchungen müssen über diesen Punkt zur völligen Klarstellung der vorliegenden
Frage angestellt werden und sollen einer besonderen Arbeit vorbehalten bleiben.