Titel: | Bestimmung der Eingrabungstiefe einer Spundwand. |
Autor: | G. Ramisch |
Fundstelle: | Band 316, Jahrgang 1901, S. 744 |
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Bestimmung der Eingrabungstiefe einer
Spundwand.
Von Prof. G. Ramisch,
Breslau.
Bestimmung der Eingrabungstiefe einer Spundwand.
Die Spundwand möge in der Abbildung von einer wagerechten Kraft P, welche von der Erdoberfläche die Entfernung p hat, beansprucht und mit der Tiefe t in die Erde eingegraben sein. Ihr überall gleicher
Querschnitt soll die Breite b und die Länge l haben. Nennen wir k die
zulässige Beanspruchung für die Flächeneinheit des Spund wandst off es, so haben wir
folgende Beziehung:
P\,\cdot\,p=k\cdot\frac{l\,\cdot\,b^2}{6} . . . . . .
1)
Wird eine Flüssigkeit vom Gewichte γ für die Raumeinheit
von der Spundwand zurückgehalten, so ist, wenn h die
Flüssigkeitshöhe ist:
P=\frac{1}{2}\,h^2\,\cdot\,l\,\cdot\,\gamma . . . . . .
2)
Da ferner p=\frac{1}{3}\,h ist, so entsteht auch:
P=\frac{9}{2}\,p^2\,\cdot\,l\,\cdot\,\gamma.
Es ergibt sich daher:
b=\sqrt{\frac{27\,p^3\,\cdot\,\gamma}{k}} . . . . .
. 3)
zur Berechnung der Spundwandbreite.
Textabbildung Bd. 316, S. 744
Der in der Erde befindliche Teil der Spundwand übt gegen dieselbe Drücke aus, wodurch
eine Formänderung derselben veranlasst wird. Auch dieser Spundwandteil erfährt eine
Formänderung, welche aber gegen die der Erde vernachlässigt werden kann, so dass man
ihn als einen starren Körper ansehen muss. Wirkt P in
der Symmetrieachse der Spundwand, so muss der in der Erde
steckendeSpundwandteil eine Drehung vollführen; die Drehachse muss parallel zu
l sein und möge zur Spur auf der Abbildung den
Punkt o haben. Es ist nun zunächst wichtig, o zu ermitteln. Angenommen der Punkt o ist gefunden, so lege man durch ihn zu P die Paralle \overline{ss'}; es
wird dann nur einerseits der rechts von \overline{as'} liegende
Teil und andererseits der links von bs liegende Teil
der Erde auf Formänderung in Anspruch genommen. Nun möge df das Element der zu \overline{sb} gehörenden
Seitenfläche der Spundwand, r dessen Entfernung von o und σ die Beanspruchung
für die Flächeneinheit in der Entfernung „Eins“ sein. Es ist dann die
Spannkraft des Elements df gleich r . σ . df. Dieselbe zerlege man in Seitenkräfte
parallel zu P und senkrecht dazu. Sind x und ui die Entfernungen des Punktes o von den bezüglichen Seitenkräften, dann haben
letztere die Grössen:
x . df . σ und ui . df . σ.
Diese Werte kann man für alle Elemente der zu \overline{sb}
gehörenden Seitenfläche bilden und sowohl erstere als auch letztere
zusammenzählen.
Wir nennen Y und Ki die Summen, so entsteht:
Y=\sigma\,\cdot\,\int\limits_b^sx\,\cdot\,df
und
K_i=\sigma\,\cdot\,u_i\,\cdot\,\int\limits_b^sdf.
Das letzte Integral ist, wenn man \overline{sb}=f_e setzt, gleich
l . fe. Wir haben
deshalb:
K_i=\sigma\,\cdot\,l\,\cdot\,f_e\,\cdot\,u_i.
Genau so findet man, dass alle Spannkräfte der Elemente der rechten Seitenfläche der
Spundwand, die von a bis s' reicht, sich durch die Kraft X parallel zu
P und durch die Kraft Kr parallel zu Ki ersetzen
lassen, und zwar ergibt sich:
X=\sigma\,.\int\limits_{s'}^ax\,\cdot\,df
und, nennen wir ur den Abstand des Punktes o von der rechten Seitenfläche, setzen ferner: as' = fr, so ist:
K_r=\sigma\,\cdot\,l\,\cdot\,f_r\,\cdot\,u_r.
Es muss nun sein:
P=X-Y,
d.h.
P=\sigma\left[\int\limits_a^bx\,\cdot\,df-\int\limits_{s'}^ax\,\cdot\,df\right]
und
K_r=K_i,
woraus folgt:
f_e\ .\ u_i=f_r\ .\ u_r . . . . . . 4)
Wir verbinden die Schwerpunkte der ganzen rechten und ganzen linken Seitenfläche
miteinander und erhalten eine Strecke, die zu P
parallel liegt. Der Abstand des Punktes o von dieser
Strecke soll e heissen, es ist dann:
\int\limits_b^axdf-\int\limits_{s'}^axdf-\int\limits_b^ax\,\cdot\,df=e\ .\ t\
.\ l.
Hierdurch entsteht:
P=\sigma\ .\ e\ .\ t\ .\ l . . . . . . 5)
Endlich muss noch
P\cdot\left(p+\frac{t}{2}+e\right)=\sigma\int\limits_b^ax^2df
sein. Da jedoch
\int\limits_b^ax^2\,\cdot\,df=\frac{l\,\cdot\,t^3}{12}+l\ .\ t\ .\ e^2
ist, so folgt:
P\,\left(p+\frac{t}{2}+e\right)=\sigma\ .\ l\ .\ t\,\left(\frac{t^2}{12}+e^2\right).
Aus dieser und der Gleichung 5) entsteht jetzt:
p+\frac{t}{2}+e=\frac{\frac{t^2}{12}+e}{e}
oder auch:
p+\frac{t}{2}=\frac{t^2}{12\,\cdot\,e},
woraus sich endlich ergibt:
e=\frac{t^2}{12\,\left(p+\frac{t}{2}\right)} . .
. . . 6)
Nunmehr erhält man aus der Gleichung 5)
\sigma=\frac{12\,P\,\left(p+\frac{t}{2}\right)}{l\,\cdot\,t^3} .
. . . . 7)
Im Punkte a wird offenbar die grösste Spannung
hervorgerufen, deren wagerechte Komponente die zulässige Beanspruchung nicht
überschreiten darf. Letztere nennen wir k1 und es beträgt dieselbe für guten Baugrund 2,5 bis
5 kg/qcm. Da
nun
k_1=\left(e+\frac{t}{2}\right)\cdot\sigma
ist, so folgt aus den beiden letzten Gleichungen:
k_1=\left(\frac{t^2}{12\cdot\left(p+\frac{t}{2}\right)}+\frac{t}{2}\right)\cdot\frac{12\,P\cdot\left(p+\frac{t}{2}\right)}{t^3l}
oder auch:
k_1=\frac{P}{t\,\cdot\,l}+\frac{6\,P\cdot\left(p+\frac{t}{2}}{t^2\,\cdot\,l}
. . . . . 8)
woraus weiter entsteht:
t^2=\frac{P\,\cdot\,t}{k_1\,\cdot\,l}+\frac{6\,P\,\cdot\,p}{k_1l}+\frac{3\,P\,\cdot\,t}{k_1l},
d.h.
t=\frac{2\,\cdot\,P}{k_1l}\pm\sqrt{\frac{4\,P^2}{(k_1\,\cdot\,l)^2}+\frac{6\,P\,\cdot\,p}{k_1\,\cdot\,l}}.
Hiervon ist nur das positive Vorzeichen zu gebrauchen; anderenfalls erhielte man für
t einen negativen Wert, was unmöglich ist. Aus der
letzten Gleichung entsteht schliesslich zur Bestimmung der
Eingrabungstiefe:
t=\frac{2\,P}{k_1\,\cdot\,l}\,\left(1+\sqrt{1+\frac{3}{2}\cdot\frac{p\,\cdot\,k_1l}{P}}\right)
. . . . . 9)
Die Spannung k2 im
Punkte b ist:
\sigma\,\left(\frac{t}{2}-e\right).
Mit Rücksicht auf die Formeln 6) und 7) entsteht:
k_2=-\frac{P}{t\ .\
l}+\frac{6\,P\cdot\left(p+\frac{t}{2}\right)}{t^2\,\cdot\,l},
d.h.
k_2=\frac{2\,P}{t\,\cdot\,l}\,\left(\frac{3\,p}{t}+1\right) . .
. . 10)
Hierin ist der aus Gleichung 9) gefundene Wert für t
einzusetzen.
Nunmehr ist:
f_e=\frac{t}{2}-e und
f_r=\frac{t}{2}+e.
Mit Rücksicht auf die Gleichung 4) entsteht hieraus:
\frac{u_i}{u_r}=\frac{\frac{t}{2}+e}{\frac{t}{2}-e}
oder auch:
\frac{u_i-u_r}{u_i+u_r}=\frac{2\,e}{t}.
Darin ist ui +
ur = l, welche Strecke man mit der Gleichung 3) berechnen
kann, also hat man:
u_i-u_r=\frac{tb}{6\,\left(p+\frac{t}{2}\right)}
und endlich:
u_i=\frac{1}{2}\,b\,\left(1+\frac{t}{6\,\left(p+\frac{t}{2}\right)}\right)=b\cdot\frac{3\,p+2\,t}{6\,p+3\,t}
und
u_r=\frac{1}{2}\,b\,\left(1-\frac{t}{6\,\left(p+\frac{t}{2}\right)}\right)=b\cdot\frac{3\,p+t}{6\,p+3\,t}
Eine dieser beiden Gleichungen und die Gleichung 6) können zur Konstruktion des
verlangten Punktes o dienen, wobei die Bestimmung von
t vorangegangen sein muss. Man kann jedoch o noch einfacher finden, wie wir es im folgenden
Zahlenbeispiele zeigen wollen.
Zahlenbeispiel: Gegeben h = 1,5 m, also p = 0,5 m, γ = 1000 kg für
den Kubikmeter (Wasser), k = 80 kg/qcm
(Eichenholz), k1 = 2,5
kg/qcm (Erde)
und l = 1 m.
Auflösung: Zunächst ist:
P=\frac{1}{2}\,h^2\,\cdot\,l\,\cdot\,\gamma=\frac{1}{2}\cdot
1,5^2\,\cdot\,1:1000=1125\mbox{ kg.}
Daher ist:
b=\sqrt{\frac{6\,P\,\cdot\,p}{k\,\cdot\,l}}=\sqrt{\frac{6\,\cdot\,1125\,\cdot\,50}{80\,\cdot\,100}}=6,5\mbox{
cm.}
Beide Werte erhielten wir mittels der Gleichungen 1) und 2). Nunmehr bestimmen wir
t mittels der Gleichung 9) und haben:
t=\frac{2\,\cdot\,1125}{2,5\,\cdot\,100}\cdot\left(1+\sqrt{1+\frac{3}{2}\cdot\frac{50\,\cdot\,2,5\,\cdot\,100}{1125}}\right)
=9\cdot\left(1+\sqrt{1+\frac{50}{3}}\right)=9\,\cdot\,5,2=46,8\mbox{
cm.}
Um nun o zu zeichnen, berechne man jetzt k2 mit der Gleichung
10).
k_2=\frac{2\,\cdot\,1125}{46,8\,\cdot\,100}\,\left(\frac{3\,\cdot\,50}{46,8}+1\right)=0,48\,\cdot\,4,205=2,02\mbox{
kg.}
Nunmehr zeichne man, wie folgt, den Punkt o: Man mache
in der Abbildung a'm = k1 = 2,5 und b'n = k2 =
2,02, doch müssen die beiden Strecken zu einander parallel sein. Hierauf ziehe man
die Geraden a'b' und mn,
letztere treffen sich dann in dem verlangten Punkte o. Hierbei haben wir auf Reibung
gar keine Rücksicht genommen; ferner haben wir die untere Zuspitzung der Spundwand
vernachlässigt, wodurch der Wert von t zu gross wird.
Unter allen Umständen ist aber das Ergebnis von t ganz
sicher, worauf es doch schliesslich ankommt.