Titel: | Naphtha als Brennmaterial für Dampfkesselheizung. |
Autor: | Hoh. Winkel |
Fundstelle: | Band 316, Jahrgang 1901, S. 783 |
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Naphtha als Brennmaterial für
Dampfkesselheizung.
Von Hoh. Winkel, Ingenieur.
Naphtha als Brennmaterial für Dampfkesselheizung.
In der folgenden Besprechung sollen einige beschreibende Aufschlüsse über die
Naphtha als Brennmaterial, besonders für Dampfkesselheizungen, über seine Anwendung,
sein Vorkommen und seine Zukunft gegeben werden.
In umgekehrter Reihenfolge beginne ich mit der Beschreibung einiger Kesselheizungen,
für welche die Verwendung von Naphtha grosse Vorteile in sich bergen dürfte.
Zu den schwierigsten, dabei aber auch wichtigsten Dampfkesselfeuerungen, welche in
Betrieb gehalten werden, sind diejenigen auf Lokomotiven und Seedampfern zu rechnen.
Ist das Heizen von Dampfkesseln schon für sich keine leichte Arbeit, so wird sie in
diesen Fällen noch erschwert dadurch, dass die Arbeitsplätze sich in Bewegung
befinden und räumlich äusserst beschränkt sind. Trotz dieser ungünstigen Bedingungen
werden an die zu leistende Arbeit ständig wachsende Anforderungen gestellt. Denken
wir uns um 20 bis 30 Jahre zurück, so hatten wir für Lokomotiven eine
Geschwindigkeit von 40 bis 50 km pro Stunde und besassen dieselben für Personenzüge
ein Gewicht von 35 bis 45 t. Heute wird eine Geschwindigkeit von 60 bis 80 km
verlangt, und müssen die Maschinen, um die durch die grossen Pullmann-Wagen
erschwerten Züge bewältigen zu können, ein Gewicht von 80 bis 100 t haben. Für
Dampfschiffe der Kriegs- und Handelsmarine waren zu jener Zeit Geschwindigkeiten von
12 bis 14 Knoten pro Stunde und Schiffe mit 6000 t Wasserverdrängung ganz
respektable Leistungen, und als damals Schichau in
Elbing die ersten Torpedoboote mit 16 bis 18 Knoten Geschwindigkeit baute, glaubte
man in Fachkreisen, damit das Möglichste erreicht zu haben. Heute verlangt man
selbst für grosse Schiffe Geschwindigkeiten von 18 bis 24 Knoten und Deplacements
von 10000 bis 20000 t; – für Torpedoboote und deren Divisionsschiffe sind sogar
schon Geschwindigkeiten von 33 Knoten erzielt worden, und das mit der Hoffnung, noch
mehr erreichen zu können.
In dem genannten Zeitraume sind also, wie wir sehen, die Leistungen in Bezug auf
Geschwindigkeit und Gewicht für Lokomotiven und Schiffe geradezu verdoppelt worden,
und niemand wird behaupten wollen, dass nunmehr das ersehnte Ziel erreicht sei; im
Gegenteil, Wettbewerb und Erfordernis drängen zu stets vermehrten Leistungen. Wir
wissen nun aber auch, dass diese grösseren Leistungen abhängig sind von der zu
entwickelnden Dampf kraft und Dampfmenge, welche ihrerseits wieder in direktem
Verhältnis zu der Menge des aufzuwendenden Brennmaterials, d. i. hier der Steinkohle
stehen.
Es wäre ja keine zu grosse Schwierigkeit, Maschinen und Kesselanlagen für jede, noch
so grosse Leistung zu bauen, aber sowohl für Lokomotiven als auch für die
Maschineneinrichtung auf Schiffen hat der Konstrukteur in Bezug auf
Raumbeanspruchung nicht ganz freie Hand. Für erstere ist bekanntlich das
Normalprofil, d. i. eine über die Schienen gedachte Thoröffnung von ganz bestimmten
Abmessungen, diejenige Grösse, welche von keinem, auch noch so kleinen Teil der
Lokomotive überragt werden darf, in welchen Rahmen die Maschine also
hineinkonstruiert werden muss, während nur für die Länge eine gewisse Freiheit
erlaubt ist. In Schiffen, welche schonso wie so einen beschränkten Raum
darstellen, kann für die Maschinenanlage nebst Kesseln und Brennmaterialräumen auch
nur ein gewisser Teil abgegeben werden, insofern ein Schiff noch seinen weiteren
Bestimmungen, sei es zur Personen- oder Frachtbeförderung, sei es als Kriegsschiff,
dienen soll.
In beiden Fällen werden die Konstrukteure allen Scharfsinn aufzubieten haben, um in
einen gegebenen Raum eine der geforderten Kraftleistung entsprechende Maschine
hineinzubauen. An den heutigen Lokomotiven sehen wir schon äusserlich, wie sich der
Konstrukteur manchmal hat helfen müssen, wie hier z.B. der Schornstein zu einem, den
Zweck kaum verratenden Stutzen zusammengeschrumpft ist, da der Kessel den
verfügbaren Raum einnimmt; aber noch eins sehen wir, dass für den Raum, in dem der
Mensch zu arbeiten hat, dass für den Führer- und Heizerstand der Konstrukteur keinen
Platz mehr übrig hatte, er ist derselbe geblieben wie früher so jetzt, und doch
muss, wie nachgewiesen wurde, jetzt auf demselben Platze die doppelte Arbeit gegen
früher geleistet werden.
Das Gleiche gilt in noch verstärktem Masse von den Heizräumen in den Schiffen: die
Ausnützung des verfügbaren Raumes zur Unterbringung von Maschinen, Kesseln und
Kohlenbunkern ist bis auf das Möglichste getrieben, auf kleinstem Raum wird die
gesamte Dampfanlage zusammengedrängt, welche diese schwimmenden Paläste, diese
Warenspeicher, diese schwimmenden Festungen mit Geschwindigkeiten von bald 40 km pro
Stunde durch die Meere treiben. Aber auch hier kann der Konstrukteur einen, der zu
leistenden Heizerarbeit mit ihrer unvermeidlichen Hitze, entsprechenden Arbeitsraum
nicht erübrigen; mit der Vermehrung der geforderten Arbeit hat die eigentlich
notwendige Vergrösserung der Heizräume nicht Schritt gehalten.
Wenn auch heute noch der Betrieb aufrecht erhalten werden kann, so geschieht es mit
den grössten Anstrengungen; bei einer weiteren Vermehrung der Kraft, zur Erlangung
noch grösserer Geschwindigkeit, wird aber sehr bald die Grenze der Möglichkeit
erreicht sein. Für die Schiffe der Handelsmarine, welche die heissen Zonen befahren,
ist es hinlänglich bekannt, dass sie zur Kesselheizung europäische Arbeiter nicht
mehr brauchen können, vielmehr solche von südlichen Rassen benutzen müssen, welche
den Einflüssen grosser Hitze besser widerstehen können. Ferner brachten die
Zeitungen die Mitteilung, dass bei den diesjährigen Seemanövern der französischen
Flotte ein ganz neues Kriegsschiff zum Umbau zurückgezogen werden musste, weil beim
Heizen von nur 24 der vorhandenen 36 Kessel die Temperatur in den Heizräumen schon
auf 62 ° C. stieg, ein Arbeiten also fürder unmöglich war. In diesem Falle war also
die Grenze der Möglichkeit überschritten. Durch Kunst wird ja auch hier Rat
geschaffen werden, aber der Dampfbetrieb und die Seele desselben, die Heizung, wird
eine gekünstelte sein und bleiben, und wird wenig mit der Betriebseinfachheit und
Sicherheit, welche für ein Kriegsschiff erforderlich ist, im Einklang stehen.
Um ein Bild der auf einem Schiffe zu leistenden Heizerarbeit zu erhalten, nehme ich z.B. die Angaben
über den Dampfer „Kronprinz Wilhelm“ des Norddeutschen Lloyd. Das Schiff führt für seine Maschinen, von zusammen
35000 PS, 16 grosse Kessel, davon 12 Doppel- und 4 einfache Kessel an Bord. Die
Bunker fassen 4450 t und der tägliche Verbrauch beträgt 500 t Steinkohlen. Die
Mannschaft zählt über 500 Mann. Diesen Zahlen zufolge ist der tägliche
Brennmaterialverbrauch also ein Eisenbahnzug von 50 Waggon Kohlen, und stündlich
müssen über 2 Waggonladungen aus den Bunkern vor den Kessel geschafft und von hier
aus schaufelweise auf die Roste aufgeworfen werden. Bedenkt man, dass dabei die
Bewegungen des Schiffes und die strahlende Hitze der Kessel und der Feuerungen mit
ausgehalten werden müssen, so kann man sich vorstellen, welche gewaltige Arbeit
dabei geleistet werden muss, und erklärt sich dadurch auch der grosse
Mannschaftsbedarf.
Auf den Eisenbahnen wie bei der Schiffahrt werden die heute erreichten
Geschwindigkeiten noch ohne Anstand gefahren. Diese Geschwindigkeiten dürften aber
noch nicht das letzte Wort sein. Für die Eisenbahnen liegen ja bereits die
endgültigen Projekte für bedeutende Geschwindigkeitsvermehrungen vor, welche mit
Zuhilfenahme der Elektrizität auch erreicht werden können. Für die Schifffahrt mit
ihrer freien Bewegung, gegenüber der zwangläufigen der Eisenbahnen, ist der Ausweg
zu einer derartig radikalen Umwälzung noch nicht geboten; wird hier ebenfalls eine
erhebliche Geschwindigkeits- und damit Kraftvermehrung gefordert, so muss, falls mit
dem jetzigen Steinkohlenbetrieb die Grenze der Möglichkeit erreicht wird, ein
besseres Brennmaterial, welches höhere Effekte erzielt, gesucht werden. – Ein
solches ist vorhanden, es ist die Naphtha!
Naphtha oder Petroleum, auch Erdöl, Steinöl und Bergöl genannt, ist bekanntlich ein
Naturprodukt, welches sowohl in gasförmigem wie in tropfbar-flüssigem Zustande im
Erdinneren vorkommt und im Grossbetriebe durch Tiefbohrungen gewonnen wird. Es ist
in seiner chemischen Zusammensetzung eine Verbindung von Kohlenstoff mit
Wasserstoff, also ein Kohlenwasserstoff von, je nach dem Fundort und dessen
geologischem Alter, verschiedener Zusammensetzung. Die Rohnaphtha, wie sie aus dem
Erdinneren gewonnen wird, stellt dabei ein Gemenge von verschiedenen, schwerer und
leichter flüchtigen Oelen dar, im Gesamtprodukt jedoch ein dickflüssiges Oel von
schwarzgrüner Farbe, mit einem spezifischen Gewicht von etwa 0,81 bis 0,88 und einem
Entflammungspunkt von etwa 24 bis 35° C. Rohnaphtha ist daher seiner Konsistenz
halber nicht direkt als Lampenöl und seiner leichten Entflammbarkeit wegen auch
nicht direkt als Brennmaterial, ausgenommen etwa an dem Gewinnungsplatze selbst, zu
verwenden. Sie muss zum Zwecke ihrer Verwendung bearbeitet werden.
Durch Destillation wird das Rohprodukt in verschiedene Oele von entsprechend
einheitlichem spezifischen Gewicht und Entflammbarkeit getrennt, um dann durch
weitere Behandlung zu, verschiedenen Zwecken dienender, marktfähiger Ware
verarbeitet zu werden.
So werden z.B. die amerikanischen Rohöle (Pennsylvanien) verarbeitet in:
8
bis
10 %
Gasolin
Spez.
Gew.
0,645
S.-P.
18°
C.S.-P.
Siedepunkt, Fl.-P. Entflammungspunkt.
und Benzin
„
„
0,73
„
70°
„
70
„
80 „
Lampenpetroleum
„
„
0,796
Fl.-P.
22°
„
„
„
„
0,788
„
38°
„
„
„
„
0,825
„
121°
„
5
„
9 „
Rückstände, welche zur Oelgasbereitung ver-wandt oder auf
Schmieröle und Paraffin ver-arbeitet werden.
Die kaukasischen Rohöle werden verarbeitet in:
2
bis
10 %
Benzin
Spez.
Gew.
0,75
S.-P. 60 bis
80° C.
25
„
35 „
Lampenpetroleum
oder Kerosin
„
„
0,825
Fl.-P.
29° „
4 „
Solaröl
„
„
0,875
„
105° „
zur Oelgasbereitung und
50
„
70 „
Rückstände: Spez. Gew. 0,9 b. 0,915, Fl.-P. 80 b. 170°
C.welche teilweise zu Schmierölen verarbeitet, derHauptsache nach
aber als Brennmaterial verwandtwerden.
Diese Zusammenstellung, in welche nur die hauptsächlichsten Destillate aus
Rohnaphtha aufgenommen sind, zeigt einerseits die Verschiedenartigkeit der zu
gewinnenden Produkte, andererseits zeigt sie den vorher erwähnten Unterschied
zwischen Naphtha von älterem und jüngerem geologischen Alter, insofern die
pennsylvanischen Oele solche von altem Vorkommen aus der devonschen Formation,
diejenigen des Kaukasus aber der jüngeren tertiären Periode zuzuzählen sind. Erstere
gibt bis 90 % leichtere Oele und geringe, dabei paraffinhaltige Rückstände; letztere
dagegen nur 30 bis 50 % leichtere Oele und 50 bis 70 % Rückstände, welche nur Wert
als Brennmaterial haben. Die geologisch älteren Oele sind daher die wertvolleren,
solange es Zweck der Petroleumindustrie ist, Lampenöle zu produzieren, welches
Verhältnis sich aber zu Gunsten der jüngeren Oele ändert, sobald Naphtha als
Brennmaterial die ihm gebührende Beachtung und Verwendung findet.
Hier möchte ich eine Bemerkung bezüglich der bisher vorgekommenen und noch
vorkommenden Benennungen über das zu besprechende Naturprodukt einschalten.
Petroleum ist schon seit alten Zeiten bekannt; eine Petroleumindustrie besteht aber
erst seit etwa 40 Jahren, d. i. seitdem es in Amerika gelungen ist, aus dem
Naturprodukt durch Destillation ein brauchbares, in Lampen zu brennendes Leuchtöl im
grossen herzustellen. Da diese Industrie also noch verhältnismässig jung ist und
sich der Hauptsache nach nur in Amerika und Russland konzentrierte, so haben sich,
verstärkt durch die Sprachverschiedenheit in den beiden Zentren, noch keine
feststehenden Benennungen für deren Produkte eingebürgert. In Deutschland wird mit
„Petroleum“ das zum Brennen in Lampen taugliche Mineralöl bezeichnet; in
Amerika wird unter „petroleum“ und „crude petroleum“ das Rohöl
verstanden, wogegen das erstere unter den Namen „ordinary lamp oil“,
„water-white-oil“, „high-test-oil“ u.s.w. geht. In Russland wird
das Rohöl mit „Naphtha“, das daraus destillierte Lampenöl mit
„Kerosin“ und die Rückstände mit „Masut“ oder „Ostatki“
bezeichnet. Mit diesen Benennungen „Naphtha, Kerosin und Masut“ wären nun
eigentlich drei sehr scharf ausgeprägte und nicht zu verwechselnde Bezeichnungen
gegeben, von denen die beiden ersteren auch schon Eingang, selbst unter den
englischen Benennungen gefunden haben, wogegen die Benennung „Masut“ sogar in
Russland nicht Wurzel fassen konnte, so dass z.B. die Heizung mit Masut allgemein
Naphthaheizung genannt wird. – Der leichteren Verständlichkeit halber behielt ich
deshalb diese Bezeichnung auch bei, bezeichne dann aber auch das dabei zur
Verwendung kommende Brennmaterial, der Kürze und Einfachheit halber, mit
„Naphtha“, statt jedesmal „Naphtharückstände“ zu sagen, und
unterscheide davon das Rohprodukt mit „Rohnaphtha“. Naphtharückstände und
Rohnaphtha unterscheiden sich übrigens im äusseren Aussehen sehr wenig voneinander,
sie sind beide dickflüssig und von dunkler Farbe, so dass sie nur durch Feststellung
des spezifischen Gewichtes und des Entflammungspunktes bestimmt werden können, die
ungenaue Bezeichnung dürfte deshalb keine besondere Verwirrung hervorrufen.
Die Naphtha, welche zur Heizung von Dampfkesseln benutzt wird, hat, wie vordem
erwähnt, ein spezifisches Gewicht von 0,900 bis 0,915, einen Flammpunkt von 80 bis
170° C, einen Heizwert von 10000 bis 11000 W.-E. und eine Verdampfungsfähigkeit von
12- bis 13fach.
Durch diese Zahlen ist der Wert der Naphtha schon festgestellt. Steinkohlen haben
einen mittleren Heizwert von 6000 W.-E. und eine 6fache Verdampfungsfähigkeit.
Naphtha hat also, wenn wir die Verdampfungsfähigkeit in Betracht ziehen, welche für
die Praxis ohnedem der ausschlaggebende Faktor ist, den doppelten Heizwert gegen
Steinkohle. – Das heisst also, für Erzeugung einer gewissen Dampfmenge ist an
Gewicht nur halb so viel Naphtha notwendig als Steinkohle. Auf Dampfschiffe
angewandt, ergibt sich, dass für eine bestimmte Fahrt, dem Gewicht nach, nur halb so
viel an Naphtha als an Steinkohle mitzunehmen ist, oder falls die gleiche
Gewichtsmenge wie jetzt an Bord genommen wird, kann das Schiff den doppelten Weg
zurücklegen.
Ausser diesem wichtigen Ergebnis ist nun weiter zu
beachten, dass Naphtha eine Flüssigkeit ist; sie kann deshalb wie jede
Flüssigkeit mittels Pumpen in Röhren fortbewegt werden, gestattet also einen,
jedweder Oertlichkeit sich ohne Schwierigkeit anpassenden Transport.
Die Heizung selbst basiert nun darauf, die Naphtha in feinst verteiltem Zustande zur
Verbrennung zu bringen. Sie wird zu diesem Zwecke mittels geeigneter Apparate in den
Brennraum hinein zerstäubt, entzündet sich hier und zieht in Form einer
rutenförmigen Flamme in den Kessel. Die Zerstäubung wird entweder durch Dampf oder
Pumpendruck bewirkt.
Die Heizeinrichtung gestaltet sich dann auf folgende einfache Weise. Aus einem zur
Feuerstelle passend gelegenen Naphthabehälter fliesst unter eigenem Druck die
Naphtha in Röhren zum Zerstäuber, welchem durch ein zweites Rohr der Dampf zugeführt
wird. Beide Röhren sind mit Ventilen ausgerüstet, und der gesamte
Zerstäubungsapparat in Scharnieren, welche an der Stirnwand des Kessels sitzen, so
beweglich, dass er zur Feuerstelle ein- und ausgeschwenkt werden kann. Ist beim
Ingangsetzen der Heizung die Flamme zur Entzündung gebracht, so bedarf die Feuerung,
ausser einer anfänglichen Regulierung der Naphtha-, Dampf- und Luftzuströmung bis
zur Erzielung einer nicht leuchtend weissen, sondern gelblichroten Flamme keiner
weiteren Wartung. Geschieht die Zerstäubung durch Pumpendruck von 3 bis 5 at, so
fällt auch die Dampfzuführung weg und ist nur die Naphtha- und Luftzuführung zu
regulieren.
Aus der Beschreibung ist ersichtlich, dass die Naphthaheizung nicht nur eine überaus
einfache, sondern auch eine vollkommen automatische ist, welche einer besonderen
Geschicklichkeit und ständigen Aufmerksamkeit der Heizer entbehren kann.
Ein weiterer wesentlicher Vorzug dieser Heizung ist darin zu finden, dass die
Feuerung stets geschlossen bleibt, womit jede unkontrollierbare Luftzuführung
ausgeschlossen ist, letztere vielmehr eine stets gleichmässige bleibt. Das
Zusammenwirken solcher, für eine rationelle Verbrennung günstigen Bedingungen lässt
deshalb den guten Wirkungsgrad der Naphthaheizung erklärlich erscheinen.
In den früher genannten Zahlen war angegeben, dass Steinkohlen bei 6000 W.-E. eine
6fache Verdampfung, Naphtha bei 10000 W.-E. aber eine 12fache Verdampfung ergibt,
durch welchen Unterschied, da die letzte Zahl der Praxis entnommen ist, der
hervorragende Effekt genügend erklärt ist.
Der Vollständigkeit halber wäre noch zuzufügen, dass ausser den aufgeführten
Heizungen, mit Zerstäuben der Naphtha durch Dampf oder mittels Pumpendruck, von
welchen erstere die am meisten gebräuchliche ist, auch eingehende Versuche gemacht
wurden, Naphtha auf rostartigen Einrichtungen, nur durch den Schornsteinzug, zur
Verbrennung zu bringen, und andererseits Naphtha durch Pressluft zu zerstäuben.
Erstere Einrichtung verlangte eine sehr schwierig zu handhabende Luftregulierung und
gab, wie gleichfalls die letztere Einrichtung auch, eine viel zu heisse Flamme,
welcher weder die Dampfkessel noch deren Einmauerungsmaterial auf die Dauer
widerstehen konnten. Beide Einrichtungen werden dagegen mit grösstem Vorteil in der
metallurgischen Industrie, wie für Puddelöfen, Schweissöfen, Tiegelschmelzöfen, für
Schmiedefeuer u.a.m. angewandt.
An Hand der gegebenen Erklärungen wäre nunmehr die Anwendung der Naphthaheizung auf
die Lokomotiv- und Schiffskessel zu besprechen.
Als Hauptpunkte sind hier hervorzuheben: erstens, dass bei der Naphthaheizung jedwede
physische Arbeit wegfällt; der Heizerdienst wird ein reiner Ueberwachungsdienst; es
besteht die ganze Handhabung bei demselben im Regulieren einiger Ventile; zweitens,
dass durch das Fortfallen der zu öffnenden Feuerthüren, wie bei der
Steinkohlenheizung, eine Belästigung durch die strahlende Wärme der Feuerung
ausgeschlossen bleibt.
Der jetzt so schwierige und die Gesundheit beeinflussende Heizerdienst wird dadurch
ein wesentlich leichterer und gesünderer. – Für Schiffe und besonders für grosse
Schiffe kommt noch der günstige Umstand dazu, dass nicht für einen Kessel so und so
viel Mann notwendig sind,sondern dass ein Mann, ohne Anstrengung, viele Kessel
bedienen kann, also eine Verminderung des Heizerpersonals. Von grossen Fabriken z.B.
kenne ich Dampfanlagen mit Naphthaheizung für zehn und mehr grosse Kessel, welche
von nur zwei Mann bedient werden, wobei der zweite Mann auch nur mehr der
Gesellschaft halber und zur Wachhaltung da ist; zu thun haben sie beide nichts.
Für Lokomotiven ist die Einrichtung nun derartig, dass auf dem Tender, brückenartig
auf die seitlichen Wasserkasten, ein Naphthareservoir aufgesetzt ist, von welchem
eine Rohrleitung zu dem Zerstäuber führt, welcher unten im Aschenfall der
Feuerbüchse angebracht ist. Durch Dampf wird die Naphtha zerstäubt, und zieht die
Flamme durch die, zur Unschädlichmachung der Stichflamme, mit Mauerwerk
ausgekleidete Feuerbüchse nach oben, dann durch die Heizrohre zur Rauchkammer. Die
Verbrennung ist dabei eine so vollkommene, dass weder eine Belästigung durch Russ
noch durch den Geruch ungenügend verbrannter Naphtha stattfindet; aus dem
Schornstein kommt der kaum gefärbte Dampf. – Bei der ungemeinen Erleichterung durch
Fortfall der Rostbedienung bleibt im sonstigen der Dienst auf der Lokomotive der
übliche, nur mit dem Unterschied, dass der stark entlastete Gehilfe, auf seiner
linken Seite der Maschine, mehr zur Mitüberwachung der Strecke herangezogen werden
kann. – Der aufmerksam beobachtende Reisende in Russland kann z.B. sehen, dass auf
naphthageheizten Lokomotiven der Heizer ständig seinen Platz am linken Auslug
einnehmen kann, und wird sich wundern können über das ungewohnte reinliche Aussehen
desselben.
Bezüglich der Einwirkung auf die Gesundheit hat die Wladikawkaser Eisenbahn durch
Statistik festgestellt, dass mit Einführung der Naphthaheizung, die Erkrankungen an
Rheumatismus beim Lokomotivpersonal sehr merklich zurückgegangen sind.
In Russland ist die Anwendung der Naphthaheizung auf Lokomotiven eine schon weit
verbreitete und schon längst aus jedem Versuchsstadium herausgetreten; laut
Mitteilungen in dem amtlichen Anzeiger des Finanzministeriums gab es in Russland
Ende 1900 zusammen 12187 Lokomotiven, von welchen 5647 mit Steinkohlen, 4536 mit
Naphtha und 2004 mit Holz oder Torf geheizt werden.
Die ersten Versuche mit Naphthaheizung wurden vor nun etwa 20 Jahren gemacht und sind
seitdem zu der jetzigen Höhe angewachsen; ausreichende Erfahrungen sind daher im
vollsten Masse vorhanden.
Für Schiffe hat die Anwendung der Naphthaheizung noch nicht in gleichem Verhältnisse
platzgreifen können wie für Lokomotiven. Die gesamte Dampfschiffahrt auf der Wolga
und dem Kaspischen Meere verwendet zwar ausschliesslich diese Heizung; in der
Seeschiffahrt konnte dieselbe aber noch nicht Eingang finden, und zwar aus Gründen,
welche später zur Besprechung kommen.
An und für sich dürften dagegen die Vorteile, welche nach dem bisher Gesagten die
Seeschiffahrt, sowohl der Kriegs- als auch der Handelsmarine, durch Anwendung der
Naphthaheizung erzielen könnte, vollständig klar sein.
Für Kesselanlagen mit stark beschränktem Arbeitsraum, wie sie in diesen Fällen
vorliegen, wäre die Verwendung eines Brennmaterials, welches die Beihilfe einer
jeden physischen Kraft fast ganz ausschliesst und eine unnötige Raumerwärmung stark
vermindert, eine geradezu ideale Lösung dieser schwierigen Frage zu nennen.
Ausser diesem grundsätzlichen Vorteil sind nun noch weitere Vorteile aufzuführen,
welche in pekuniärer Hinsicht nicht ausser acht zu lassen wären und zu Gunsten der
Verwendung der Naphtha sprechen dürften. Es ist einerseits die bedeutende
Verminderung an Heizerpersonal und die damit zusammenhängende Ersparnis an Geld und
Raum; andererseits ein Gewinn an Ladefähigkeit dadurch, dass nur die Hälfte an
Gewicht von Naphtha gegen Steinkohle mitgenommen werden muss, wobei die Ersparnis an
Raum jedoch nicht in gleichem Verhältnis steht, da sich die spezifischen Gewichte
von Naphtha zu Steinkohle etwa wie 1 : 1,5 verhalten. Indirekt können aber auch
hierin wesentliche Vorteile erzielt werden. Naphtha ist eine Flüssigkeit! – In einem
Schiffe gibt es, verursacht durch die Form des Körpers, viele Räume, welche weder
zum Verstauen noch
zur Unterbringung von Menschen geeignet sind, – für eine Flüssigkeit wären sie aber
geeignet. Die Kohlenbunker nehmen im Schiffe sehr schöne Räume ein, sie müssen
günstig zu den Kesseln und günstig zum Kohleneinnehmen gelegen sein, sie müssen
ausserdem geeignete Form haben, um die Kohle gut lagern und ohne Schwierigkeit gut
entnehmen zu können. Bei einer Flüssigkeit fallen alle derartigen Bedenken weg.
Durch geeignete Rohrleitungen und Pumpenanlagen kann man eine Flüssigkeit in jeden
Teil des Schiffskörpers hinschaffen und von dort auch wieder wegholen, ihr kann man
jeden Platz im Schiffe einräumen. Eine solche Dispositionsfreiheit gestattet eine
sehr rationelle Ausnutzung des vorhandenen Raumes.
Ein sehr beachtenswerter Punkt für die Verwendung von Naphtha dürfte die
Zeitersparnis beim Einnehmen des Brennmaterials sein. Bei sachgemässen Einrichtungen
können durch entsprechend grosse Pumpen, oder mehrere solcher, in verhältnismässig
ganz kurzer Zeit die grössten Quantitäten Naphtha aus den Reservoirs oder
Tankschiffen an Bord übergeführt werden, so dass sich hierfür die Zeitverluste auf
ein Minimum reduzieren lassen, wobei die ganze Arbeit mit Ausschluss von fast jeder
menschlichen Hilfe vor sich geht.
Um hierfür ein Zahlenbeispiel aufzuführen, greife ich auf die über den Dampfer
„Kronprinz Wilhelm“ gemachten Angaben zurück. Zu einer Reise muss
derselbe 445 Waggonladungen Steinkohle einnehmen, welches Quantum sich bei Naphtha
auf etwa 220 Waggonladungen reduzieren würde. Stehen 6 Pumpen zur Verfügung, welche
je eine Waggonladung in 10 Minuten überpumpen, so ist das ganze Quantum in etwa 6
Stunden bewältigt.
Die hier kurz aufgeführten Ersparnisse, welche die Schiffahrt an Mannschaft, Gewicht,
Raum und Zeit bei Verwendung von Naphtha erzielen kann, welche Ersparnisse sich
nicht um Kleinigkeiten, sondern um sehr gewichtige Zahlen drehen, werden denjenigen,
die es angeht, vollkommen einleuchtend sein.
Zur Beleuchtung des Vorstehenden führe ich noch eine Zeitungsmitteilung an, welche
während der Drucklegung dieses Aufsatzes erschien: Vor einigen Tagen traf nach
45tägiger Fahrt von Borneo der 3550-t-Dampfer „Clam“ der Londoner Shell-Linie in Dover ein, nachdem er die 11000
Seemeilen lange Fahrt ausschliesslich unter Oelfeuerung zurückgelegt hatte. Während
ein Dampfer dieser Grosse bei Verwendung von Kohlen als Heizstoff immerhin 18 bis 20
Heizer an Bord haben muss, waren auf der „Clam“ deren nur drei vorhanden.
Besonders ins Auge fiel das reinliche Aussehen des ganzen Schiffes und insbesondere
des Laderaumes. Um die nach dem fernen Osten fahrenden Dampfer auch für die Ausreise
mit der erforderlichen flüssigen Feuerung zu versorgen, beabsichtigt die Shell-Linie, in Dover drei grosse Oelbehälter und
ausserdem in Havre und Liverpool Niederlagen zu errichten, so dass die Schiffe dann
auf ihrer Fahrt nach China und Japan in regelmässigen Zwischenräumen Stellen zum
Auffüllen ihrer Bunker vorfinden würden. Für die Heimreise hatte der oben erwähnte
Dampfer etwa 1500 t Oel an Bord genommen, eine Arbeit, die in kaum 3 Stunden ohne
Schwierigkeiten und ohne die Unannehmlichkeiten des Kohlenbunkerns ausgeführt
wurde.
Wenn trotz aller dieser, nehmen wir an, als richtig erkannten Vorteile dieses
Brennmaterial selbst bei der russischen Flotte, welcher dasselbe zur Verfügung
stehen könnte, noch nicht Eingang gefunden hat, so liegt das daran, dass dasselbe
noch zu wenig produziert wird und daher noch sonst nirgends in Verwendung steht. Ein
Schiff für grosse Fahrt kann sich aber nicht auf ein Brennmaterial seines
Heimatshafens einrichten, wenn es nicht die Möglichkeit hat, sich dasselbe auch
anderwärts beschaffen zu können.
Bis die Schiffahrt sich dieses ideale Brennmaterial zu nutze machen kann, ist es
daher noch ein weites Ziel. Ueber die Möglichkeit, es zu erreichen, werden die
späteren Zeilen berichten.
Bisher war nur stets von hervorragend guten Eigenschaften der Naphtha die Rede, eine
Erwähnung gebührt nun auch der etwaigen Feuergefährlichkeit dieses Brennmaterials. –
Für diese ist der Flammpunkt entscheidend. –
In den Erklärungen über Naphtha wurde mitgeteilt, dass das Rohöl einen
Flammpunkt von 24 bis 35° C., die Naphtharückstände dagegen einen solchen von 80 bis
170° C. haben. In diesen Grenzen von 24 bis 170° C. bewegt sich also der Flammpunkt;
je niedriger dieser ist, um so grösser ist die Entzündbarkeit und
Feuergefährlichkeit, um so dünnflüssiger ist aber auch das Material; während
umgekehrt die Feuergefährlichkeit ab-, die Dickflüssigkeit aber zunimmt. Die als
Heizmaterial zu verwendende Naphtha muss aber von einer Beschaffenheit sein, dass
sie genügende Sicherheit gegen Entzündbarkeit bietet, andererseits aber auch
dünnflüssig genug ist, um enge Röhren, sowie die Zerstäuber schnell durchfliessen zu
können. Ein solches Material herzustellen, hat man bei der Verarbeitung des Rohöls
jedoch vollständig in der Hand, indem man nach Bedarf mehr oder weniger leichte Oele
ausdestilliert. Naphtha mit einem Flammpunkt von 120 bis 170° C. dürfte nicht viel
feuergefährlicher sein als etwa auch Holz oder Steinkohle, man kann z.B. in
derselben ein brennendes Scheit Holz ganz ruhig, ohne jede Gefahr einer Entzündung,
ablöschen. In der Praxis, wie sie uns hier beschäftigt, würde eine Gefahr nur darin
zu suchen sein, wenn der Flammpunkt des Brennmaterials niedriger liegen würde als
die Temperatur des Heizraumes, in welchem es verwandt wird, so dass bei etwaigen
Undichtigkeiten der Röhren das heraustropfende Oel eine Entzündung erleiden könnte;
diese Temperatur dürfte mit 50° C. als Maximum anzusehen sein; jede Naphtha mit
einem Flammpunkt höher als 50° C. wäre daher ungefährlich.
Sind damit die hauptsächlichsten die Naphthaheizung betreffenden Punkte besprochen,
so wirft sich die Frage auf: Wird denn genügend Naphtha produziert, um dieselbe
eventuell als Brennmaterial im Eisenbahnbetrieb oder in der Seeschiffahrt in
grösserem Masse einführen zu können? Die Beantwortung dieser Frage fällt fürs erste
verneinend aus.
Die Rohnaphthaproduktion auf der ganzen Erde betrug für das Jahr 1899:
Nordamerika
8600000 t
Russland
9000000 t
Galizien
330000 t
Rumänien
313000 t
Holländisch Indien
217000 t
Peru
125000 t
Japan
100000 t
Birma
77000 t
Deutschland
26000 t
Italien
1900 t
Gegenüber dieser Zusammenstellung ist in Bezug auf die Frage, Naphtha als
Brennmaterial zu benutzen, folgendes zu beachten.
Vordem wurde erwähnt, dass nur die Rohnaphtha von geologisch jüngerem Alter, aus der
tertiären Periode, eine Zusammensetzung hat, welche sich zur Herstellung von
Heizölen eignet. Aus der vorstehenden Tabelle ist deshalb die Produktion von
Nordamerika, welche sich auf Rohnaphtha von älterem Herkommen bezieht, auszuschalten
bezw. verbleiben von diesem Quantum nur die Produktionen von Kalifornien und Texas,
deren Lagerstätten der tertiären Formation zuzuzählen sind, und zusammen etwa 5% des
Gesamtquantums, also 430000 t, betragen. Die übrigen genannten Produktionsstellen
zählen wohl sämtlich der tertiären Periode zu, könnten also für Heiznaphtha in
Betracht kommen. Ein Vergleich zeigt uns nun aber, dass die Gesamtproduktion der in
Frage kommenden Fundstellen nur etwa ⅙ der russischen Produktion beträgt. Von der
russischen Rohnaphtha war gesagt worden, dass nur 50 bis 70 % derselben als
Heizmaterial zu verwenden sind; nehme ich den Höchstwert an, so kann das Quantum,
welches Russland im Jahre 1899 an Naphtha zu Brennmaterial lieferte, auf 6300000 t
und, bei angenommen ähnlichen Verhältnissen, dasjenige der übrigen Länder auf
1000000 t veranschlagt werden. Berücksichtigen wir ferner, dass das in Russland
erzeugte Quantum ganz dorten verbleibt und noch lange nicht den eigenen Bedarf
deckt, und dass dabei die Seeschiffahrt noch nicht mitbeteiligt ist, so ist
ersichtlich, dass das zur Zeit in der Gesamtheit produzierte Produkt noch zu gering
ist, um eine
grössere Verwendung zu ermöglichen oder auch nur an eine solche heranzutreten.
In meinen Darlegungen wollte ich nun aber darauf hinweisen, dass an unsere
Verkehrsbetriebe zu Wasser und zu Lande möglicherweise, und möglicherweise in gar
nicht zu ferner Zeit, die Frage einer sehr vermehrten Leistungsfähigkeit herantritt.
Damit wird aber auch die Frage der Ausfindigmachung eines sehr viel intensiveren
Heizmaterials, als des Urquells der zu erzeugenden Kraft, an sie herantreten; – ein
solches Heizmaterial ist, wie ich nachzuweisen versuchte, in der Naphtha gegeben. Es
drängt sich daher jetzt die Frage auf: Ist Aussicht vorhanden, die Naphthaproduktion
derartig zu steigern, dass sie grossen Anforderungen genügen kann? Diese Frage ist
meiner Ansicht und meinen Studien zufolge in bejahendem Sinne zu beantworten.
Aus der vorstehenden Zusammenstellung der Naphthaproduktion ersehen wir schon, an wie
verschieden gelegenen Stellen der Erde Naphtha bereits jetzt gewonnen wird. Diese
Zusammenstellung kann aber noch um sehr viel vermehrt werden, wenn diejenigen Plätze
in Berücksichtigung gezogen werden, an welchen Naphtha konstatiert wurde. So steckt
z.B. Ostasien in seinen Küstenländern und den vorgelagerten Inselgruppen voll von
Naphtha: ausser den genannten Stellen, wie Holländisch Indien, Birma und Japan, sind
noch die Küstengebiete Chinas, die Aleuten, Kamtschatka, Sachalin und Russisch
Ostasien als naphthaführend bekannt. Welche Bedeutung den letzteren Gebieten
beigelegt wird, geht daraus hervor, dass im Juli d. J. von St. Petersburg eine
Verordnung erlassen wurde, wonach im Küstengebiete des Amurgebietes, von der
koreanischen Grenze an, in einem Küstenstreifen von 100 Werst landeinwärts, sowie
auf Sachalin und allen anderen umliegenden Inseln auf russischem Gebiet, der private
Gold- und Naphthaindustriebetrieb untersagt wird, d.h. also, die Regierung
reserviert sich den ganzen Petroleumbergbau für sich selbst.
Weitere Naphthagebiete sind in Zentralasien auf russischem Territorium bekannt. –
Einer Beschreibung über die projektierte Bagdadbahn entnehme ich, dass im östlichen
Zuge derselben auf ausgedehnten Gebieten Naphtha konstatiert wurde.
Naphthaausschwitzungen an der Erdoberfläche, wie sie hier gefunden wurden, haben
allerdings für den Petroleumbergbau fürs Erste nur einen zweifelhaften Wert, da es
sich dabei meist um sekundäre Fundstellen mit sogen. Oberflächenöl handelt, immerhin
sind sie aber ein gutes Zeichen, zumal diese Gegend als Naphthagebiet in genetischem
Zusammenhang mit den vorgenannten Fundstellen, sowie mit dem kaukasischen Vorkommen
stehen dürfte und primäre Lagerstellen aufgefunden werden können. Der Bagdadbahn
kann man, falls sich diese Aussichten verwirklichen sollten, nur Glück wünschen; sie
wird sich nicht nur ein vorzügliches Heizmaterial, sondern auch ergiebige Frachten
sichern.
In Nord- wie in Südamerika sind Naphthagebiete bekannt, in Mexiko, im Anschluss an
das sich neuerdings als sehr ergiebig erweisende Vorkommen in Texas, ferner in
Ecuador, Venezuela und Argentinien, sowie auf den Inseln Trinidad und Barbados; auch
aus Alaska kommen Mitteilungen, dass man dort auf Naphtha gestossen sei, was sehr
wahrscheinlich sein dürfte. Aber ausser diesen mehr entlegenen dürfte es auch in
Europa noch Gegenden geben, wo mit Aussicht auf Erfolg Naphtha gemutet werden
könnte.
Von grossem Gesichtspunkte aus betrachtet, zeigt uns dieser Hinweis also, dass noch
an den verschiedensten Punkten der Erde Naphtha in ihrem Schosse geborgen ist und
einer Ausbeute entgegenharrt. Solange es aber der Hauptzweck des Petroleumbergbaus
sein wird, Leuchtöl zu erzeugen, würde eine wesentliche Vermehrung der jetzigen
Exploitationsstellen nur eine Ueberproduktion an solchem hervorrufen und die ganze
Naphthaindustrie zu einer unrentablenmachen. Gegen eine solche Vermehrung
würden auch die bestehenden Produktionszentren mit allen ihnen zur Verfügung
stehenden Mitteln ankämpfen.
Die Sachlage würde sich aber sofort ändern, sobald es Zweck dieses Bergbaus wäre,
Brennmaterial zu gewinnen. Es bedarf ja nur der Einführung desselben auf z.B.
einigen grossen Weltdampferlinien, um sofort einen Bedarf zu schaffen, der einen
ausgedehnten Bergbaubetrieb erforderlich machen und einen Konkurrenzkampf für lange
Zeit ausschliessen würde. Die Chancen für diese Industrie sind ja nicht ungünstig.
In Anbetracht, dass Naphtha den doppelten Heizwert der Steinkohle hat, ist der
Paritätswert dementsprechend der doppelte Wert der Steinkohle. Kosten, für deutsche
Verhältnisse, Steinkohlen am Produktionsorte etwa 100 M. pro 10 t, so kann Naphtha
200 M. pro 10 t erzielen. Umgerechnet in russische Werte gibt das 15¾ Kopeken pro
Pud, das ist ein Preis, welcher im Kaukasus zu den guten gerechnet wird. Ein Preis
also, bei welchem der Petroleumbergbau auch, ähnlich wie dort, unter schwierigen
Verhältnissen gut und nutzbringend bestehen kann.
Nach der gegebenen Zusammenstellung der bis jetzt aufgedeckten Naphthafundsteilen
finden wir eine grosse Zahl derselben in Gebieten, welche von den Kulturstaaten weit
entlegen sind. Diesem, vom geschäftlichen Standpunkt aus betrachtet, zur Aufnahme
und Ausführung eines Bergbaubetriebes in vielen Hinsichten sehr ungünstigen
Verhältnis treten beim Petroleumbergbau jedoch zwei Faktoren entgegen, welche den
Fehler einigermassen wett machen. Es sind die nur einheitliche Qualität und die
leichte Transportfähigkeit des Fördermaterials.
Naphtha kommt je an seiner Fundstelle nur immer in einer stets gleichmässig
hochwertigen Qualität vor; Ansammlungen von minderwertigen Produkten, wie beim
Steinkohlenbergbau, welche nur an Ort und Stelle verwertet werden können, gibt es
beim Petroleumbergbau nicht, vielmehr hat hier das ganze Förderquantum vom ersten
bis zum letzten Tropfen gleichen Versandwert.
Die leichte Transportfähigkeit der Naphtha wurde schon mehrfach, bei der Verwendung
derselben, erwähnt, für den Grossbetrieb gilt dasselbe. Der Transport derartiger
Flüssigkeiten in Spezialwagen der Eisenbahnen, sowie in Tankschiffen für See- und
Flusstransport, samt den Pumpanlagen zum Be- und Entladen sind gewohnte
Erscheinungen. Für den Bergbaubetrieb in Gegenden ohne Eisenbahnen ist der Transport
in Röhrenleitungen bis zu günstig gelegenen Stapelplätzen ein vollwertiger Ersatz.
Derartige ungemein leistungsfähige Röhrenleitungen, welche leicht und schnell
ausführbar sind, für welche es weder Terrainschwierigkeiten noch Entfernungen gibt,
sind ein Transportmittel, wie es einfacher und billiger nicht gedacht werden kann.
Ausführungen solcher Leitungen bis zu Längen von vielen Hunderten von Kilometern
liegen in vielen Beispielen bereits vor.
Ebenso einfach wie der Transport gestaltet sich auch die Lagerung der Naphtha. Der
Hauptsache nach geschieht dieselbe in grossen eisernen cylindrischen Reservoirs von
oft gewaltigen Dimensionen. Als grösster derartiger Behälter wäre ein in Frankreich
aufgestellter zu erwähnen, welcher bei 25 m Durchmesser und 12 m Höhe 5400 t Naphtha
in sich bergen kann. Eine solche Stapelhöhe und dementsprechend geringe Bodenfläche
erreichen zu können, dürften auch Bedingungen sein, wie man sie für Lagerung eines
Massenproduktes nicht besser finden kann. Die Bedienung der Lagerreservoirs
geschieht ebenfalls, wie auch die Fernleitungen, automatisch durch Pumpenbetrieb und
erfordert, wie der gesamte Naphthabetrieb, nur geringe menschliche Beihilfe.
Damit wären alle etwa in Betracht kommenden hauptsächlichsten Punkte, welche in den
Rahmen der vorliegenden Aufzeichnungen gehören, besprochen, und geben dieselben wohl
ein ungefähres Bild dieser für die Zukunft so hochwichtigen Naphthaindustrie.