Titel: | Das Glas und die Silikate. |
Fundstelle: | Band 316, Jahrgang 1901, S. 817 |
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Das Glas und die SilikateNach Cosmos, Revue des
Sciences. Auf S. 747 steht irrtümlich „la
Nature“..
(Fortsetzung von S. 747 d. Bd.)
Das Glas und die Silikate.
Bearbeitung des Glases. Das Blasen bildet heute
noch die wesentliche Thätigkeit in der Bearbeitung des Glases, und obwohl
verschiedene Versuche angestellt worden sind, dieses gefährliche Verfahren durch
mehr oder weniger komplizierte Mechanismen zu ersetzen, waren die erhaltenen
Resultate bisher immer durchaus ungenügend, so dass wir hier über dieselben
hinweggehen können.
Die Herstellung von Fensterscheiben oder überhaupt Tafeln ist schwieriger als die
Herstellung einer Flasche oder eines kugelförmigen Gegenstandes; dieselbe kann
jedoch nicht mit der Herstellung von Linsen für optische Instrumente oder auch von
venetianischen Glasgegenständen und salviatischen Krystallen verglichen werden,
worauf wir später noch zurückkommen werden.
Das allgemein von den Glasarbeitern gebrauchte Gerät ist das Blaserohr; dasselbe
besteht aus einem eisernen Cylinder von 2 bis 3 cm äusserem Durchmesser und ist mit
einem Wärme nicht leitenden Stoff, wie Asbest, Holz o. dgl., überzogen, um den
Arbeiter vor dem Verbrennen zu schützen. Das Mundstück des Rohres muss gut
abgerundet sein, um ein Verletzen der Lippen beim Drehen desselben zu verhüten. Die
weiteren Geräte bedürfen keiner besonderen Beschreibung, da sie in den verschiedenen
Werkstätten verschieden sind.
Die Schmelzhafen (Tiegel) befinden sich meistens gegen 3 m über der Erde und der
Arbeiter steht mit seinem Lehrjungen bezw. Gehilfen auf einer Erhöhung vor
demselben; ein gabelförmiger Haken dient zum zeitweisen Ablegen des Blaserohres.
Nachdem das Blaserohr etwas angewärmt ist, nimmt der Gehilfe etwas Glasmasse und
verteilt sie durch Drehen gleichmässig; dasselbe geschieht bei einer zweiten und
dritten Probe unter leichtem Blasen, wobei unter Hin- und Herdrehen auf einem
halbkreisförmig gebogenen Marmorstück eine ziemlich gleichförmige Masse entsteht.
Hierauf nimmt der Arbeiter das Blaserohr, entnimmt eine vierte Probe und gleicht sie
wie vorher aus (1. Form). Die an dem Blaserohr nach dem vierten Eintauchen hängende
Masse wiegt gegen 5 kg und ergibt einen Cylinder von 1 m zu 0,70 m.
Der Arbeiter bläst hierauf leicht in das Rohr, indem er das Glas gegen den Marmor
anlehnt, hierauf erhitzt er das Glas stark und, indem er das Rohr senkrecht in die
Höhe hält, lässt er das Glas die Form 2 annehmen. Hierauf erhitzt der Arbeiter den
Boden des geformten Glasstückes und bringt es nach und nach unter fortwährendem
starken Blasen und pendelartigem Bewegen in die Formen 3, 4 und 5. Durch das Blasen
wird das Glasstück aufgetrieben, während es durch das Schwenken verlängert wird; es
ergibt sich eine Resultierende der beiden Bewegungen, wodurch ein cylinderförmiger
Körper entsteht.
Mit der pendelnden Bewegung darf nicht aufgehört werden, da sonst die Masse ihre Form
verändern und ungleichmässig werden würde. Nachdem man die Form 5 erhalten hat, wird
der untere halbkugelförmige Teil nicht mehr erwärmt, sondern das Blasen unter
Drehung des Rohres fortgesetzt, bis der Cylinder die erforderliche Länge erhalten
hat.
Der Cylinder endet nun in zwei halbkugelige Kappen, welche entfernt werden müssen,
ohne viel Glas zu verlieren. Hierzu dienen mehrere Methoden, von denen die älteste
die praktischste ist. Sie besteht darin, dass das geschlossene Ende des Cylinders
erwärmt wird, indem das andere Ende des Rohres mit dem Finger geschlossen wird.
Die in der cylinderförmigen Masse enthaltene Luft dehnt sich aus, und da sie keinen
Ausweg findet, übt sie einen beträchtlichen Druck auf das durch die Wärme erweichte
Ende aus, durchbricht schliesslich dasselbe und entweicht. Sobald die Oeffnung
entstanden ist, wird dasStück plötzlich umgedreht, so dass die Ränder der
Oeffnung zurückgeschlagen werden und die Oeffnung vergrössert wird, wobei die
Oeffnung eine geradlinige Gestalt annimmt.
Um den Cylinder von dem Blaserohr abzulösen, bedient man sich einer rotglühend
gemachten eisernen Stange, welche man an das vorher durch ein paar Tropfen Wasser
abgekühlte Ende des Glasstückes anlegt. Die Eisenstange kann durch einen rotglühend
gemachten Faden ersetzt werden, welcher um das Ende des Cylinders gelegt und mit
Wasser befeuchtet wird, wodurch die obere Kappe plötzlich abgelöst wird. Wenn der
Vorgang gut ausgefallen ist, so kann die so erhaltene Glocke als Glocke für
Stutzuhren benutzt werden.
Hat man auf diese Weise einen mehr oder weniger elliptischen Cylinder erhalten, wird
derselbe ausgezogen, um in eine Scheibe verwandelt zu werden, welcher Vorgang
verhältnismässig leicht ist. Der Cylinder wird zuerst mit einem Diamanten der Länge
nach in kaltem Zustande aufgeschnitten und in einen auf 900° erhitzten Ofen
gebracht, wo er auf die Streckplatte, einer Art Herd, der mit einer Schicht schwer
schmelzbaren Glases bezogen ist, gelegt wird und durch das Erwärmen sich ausstreckt.
Ein besonderer Arbeiter, Planierer, regelt dieses Strecken mittels einer in ein
rechtwinkliges Viereck aus Holz endenden Stange, worauf die Tafel bis zur
Ofenöffnung gebracht wird, wo sie sehr langsam (7 bis 8 Tage) erhärtet.
Obwohl auf diese Weise in Wirklichkeit alle Scheiben hergestellt werden, erhält man
hierdurch nur ordinäre Scheiben von geringem Werte. Das Spiegelglas erfordert daher
ganz andere Eigenschaften als das Fensterglas. Es darf keine Blasen, Knoten oder
Streifen enthalten und erfordert daher eine gleichförmige Verglasung. Zur Erreichung
dieses Zweckes gehört ein lebhaftes und lange unterhaltenes Feuer; es muss dabei
immer das Auftreten einer teilweisen Entglasung befürchtet werden.
Scheiben von hohem Werte werden immer durch Giessen hergestellt. Dieses gewagte und
schwierige Verfahren, welches vom Blasen vollkommen unabhängig ist, ist gegen 1685
von Abraham Thévard in Paris erfunden und ausgeführt
worden und können mittels desselben Stücke von 3 bis 4 m Höhe hergestellt werden.
Derselbe Abraham Thévard gründete 1691 die bekannte
Fabrik von Saint-Gobin.
Im Jahre 1830 bestanden in Frankreich drei Fabriken, welche dieses Verfahren
anwendeten, und zwar in Saint-Gobin, Saint-Quirin und Montluçon; seit dieser Zeit
hat sich die Anzahl derselben bedeutend vergrössert. Es würde zu weit führen, das
Verfahren ausgiebig zu beschreiben, dessen Name schliesslich dasselbe erklärt; wir
erwähnen nur, dass hinsichtlich der Dicke der wertvollen Scheiben und hinsichtlich
der Verwendung von kohlensaurem Natron anstatt kohlensauren Kalis der Gebrauch von
sehr reinen und trockenen Materialien unumgänglich erforderlich ist, damit das Glas
nicht hygrometrisch und dadurch nicht mit der grössten Leichtigkeit taub wird.
Im 18. Jahrhundert beschäftigte man sich viel mit der Farbe der Gläser, welche sie
ihrem jedesmaligen Zweck entsprechend erhalten sollten. Montamy behauptete, dass die schwarze Farbe allen anderen vorzuziehen sei,
welche Theorie besonders seitens Allut eine scharfe
Widerlegung hervorrief, so dass sich dieselbe nicht lange halten konnte. Heute ist
man im Gegenteil bemüht, den Scheiben die grösste Durchsichtigkeit zu erteilen und
die geringeren Färbungen derselben zu beseitigen. Es ist klar, dass dies durchaus
erforderlich ist, wenn man ein Zurückstrahlen von der zweiten Seite der Scheiben
erzielen will. Soll dies auf der ersten Seite erzielt werden, so muss das Glas nicht
nur eine schwarze Farbe, sondern auch vollkommene Undurchsichtigkeit erhalten, was
nicht leicht zu erreichen ist. Die Glasspiegel wären in diesem Falle überflüssig, da
poliertes Metall den gestellten Bedingungen viel besser entsprechen würde; ist es
doch bekannt, dass die Licht absorbierende Eigenschaft des Silbers sehr schwach ist,
obwohl das Zurückstrahlungsvermögen bedeutend ist.
Bearbeitung des Glases in Laboratorien. Wir besprechen
das Verfahren der Laboratorien in zweiter Reihe und zwar einzig dasjenige, was den
Schülern gelehrt wird. Die Chemiker (und auch Physiker) können in zwei Gruppen
geteilt werden und zwar in solche, welche ihre Instrumente kaufen, und solche,
welche sie anfertigen. Die ersteren sind bedeutend zahlreicher als die letzteren,
jedoch ungünstiger gestellt, da es oft sehr unangenehm ist, von einem Fabrikanten
für einen angemessenen Preis nicht einen zu einem bestimmten Zwecke bestimmten
Gegenstand erhalten zu können.
Die ersten zu chemischen Präparaten erforderlichen Gegenstände sind im allgemeinen
Röhren aus weissem, leicht schmelzbaren Glas von geringem Durchmesser; zum Erwärmen
benutzt man ein Blasewerk oder einfach einen Bunsen-Brenner mit oxydierender
Flamme.
Zum Biegen oder Drehen der Röhren bedeckt man den Brenner mit einer Kappe, wodurch
die runde Oeffnung in einen Schlitz verwandelt wird, dessen Seiten parallel sein
müssen, so dass die Heizkraft an jeder Stelle die gleiche ist; man erwärmt hierauf
die Röhre, bis man eine gelbe Natriumflamme erhält und nach Weichwerden biegt man
die Röhre mit einem leichten Druck. Bei guter Ausführung soll der innere Durchmesser
derselbe bleiben.
Zur Herstellung eines Ballons benutzt man eine Röhre von 2 bis 4 cm Durchmesser,
verschliesst dieselbe an einem Ende mittels eines Lötrohres, erweicht das
geschlossene Ende und bläst langsam. Wird der Widerstand zu gross, so erhitzt man
die bereits erhaltene Kugel von neuem und fährt mit dem Blasen fort. Nach fünf- oder
sechsmaliger Wiederholung erhält man eine Kugel von gleichmässiger Dicke.
Zum Schneiden einer Röhre bedient man sich nie eines Diamanten. Ist der Durchmesser
gering (z.B. 0,1 bis 0,5 cm), so genügt ein Strich mit der Feile und nachher ein
Biegen nach innen von jeder Seite, indem man die Hände der betreffenden Stelle
möglichst nähert. Bei grösseren Durchmessern, oder wenn das Glas sehr dick ist, wird
ebenfalls ein Strich mit der Feile gemacht, nachher leicht erwärmt und der Strich
mit einem weissglühenden Stück Glas berührt, wodurch derselbe erweitert wird; durch
einen gelinden Druck erfolgt nachher die Abtrennung der beiden Teile. Wird die
Berührung mit dem erhitzten Glasstück an jeder Endstelle des entstandenen Risses
fortgesetzt, so kann man leicht eine spiralförmige Röhre herstellen.
Es könnten noch viele Beispiele zur Herstellung derartiger Geräte angeführt werden,
wir beschränken uns jedoch auf das Verfahren, dünnes Glas von geringer Grösse zu
schneiden. Hierzu bringt man das Glas vollkommen unter Wasser und schneidet es mit
einer Schere, indem man einen sehr stumpfen Winkel innehält und darauf achtet, dass
das Glas nicht unter dem Wasser hervorkommt.Zum Verständnis dieses Verfahrens
sei daran erinnert, dass das Wasser, als dichteres Verbindungsmittel als die Luft,
die Schwingungen, das Zittern des Glases besser verhindert.
Aus interessanten statistischen Nachweisen ist zu ersehen, dass die Glasfabrikation
in Frankreich stetig zunimmt, wovon besonders die hervorragende Ausstellung der
Glasindustrie vom Jahre 1900 und die immer weiteren Umfang erreichende Verbreitung
französischer Glasprodukte den besten Beweis liefern. Die böhmische ist zwar
anerkannter Weise hervorragend, jedoch sind ihre Produkte wenig verbreitet. Italien
beschränkt sich nur auf die Herstellung von Luxusgläsern, farbigen Gläsern und
Spiegelverzierungen, während Frankreich alle diese Zweige kultiviert und seit
ungefähr 1820 sich von dem Auslande vollkommen unabhängig gemacht hat.
Nicht gefärbte Glasarten, doppelte Silikate von Kalium und Blei, welche fast
ausschliesslich zu Trinkgläsern verwendet werden, und des weiteren Flintglas,
welches speziell für optische Instrumente bestimmt ist, sind zwei Glasabarten,
welche fast ausschliesslich englischen Fabriken entstammen. Nach Dumas beruht die Erfindung derselben auf einer
natürlichen und notwendigen Folgerung des Gebrauches von Oel, welches in früherer
Zeit in Grossbritannien ganz bedeutend war. Die Vervollkommnung der modernen Oefen
zog die Fabrikation des englischen Krystallglases nach sich und zwar infolge der
Ausbeutung der Sandlager von Aumont, Longjumeau und Fontainebleau und mehrerer
anderen. Als erster stellte in Frankreich Guinant
Flintglas her und kam gegen 1820 auf die Herstellung von Linsen von bis dahin nicht
dagewesener Grösse (12 Zoll), wovon er dem berühmten Frauenhofer, dem Entdecker der Zentralanalyse, Mitteilung machte. Guinant kannte die Art der Herstellung von seinem Vater
und gründete hierauf die Fabrikation von Flintglas, welche zur Zeit in Frankreich
sich bedeutend entwickelt und zu grossen Fortschritten in der Astronomie geführt
hat.
Im Jahre 1880 waren die hervorragendsten Mittelpunkte der Fabrikation von farblosem
Glas in Frankreich die Departements du Nord, de l'Aisne, de la Seine, de
Meurthe-et-Moselle, du Rhône und de la Loire (Rive-de-Gier). Nach einem
industriellen Bericht von 1881Die jetzigen
Ziffern stellen sich bedeutend höher. gab es in Frankreich 169
Anstalten für Glas- und Krystallfabrikation, in denen 24943 Arbeiter beschäftigt
wurden. Der Wert (Fabrikpreis) betrug in einem Jahre 89262760 Frs. Im Departement de
la Seine sind 2687 Arbeiter in 27 Fabrikanlagen beschäftigt, welche jährlich für
17280000 Frs. Waren herstellen. Die plötzliche und wahrscheinlich anhaltende
Steigerung der Kohlenpreise hat auch seit 1899 zur Steigerung der Preise in der
Glasfabrikation beigetragen.
In einem späteren Aufsatze kommen wir zur Analyse des Glases, Zusammenstellung des
Krystalles, Flaschenglas, Flintglas u.s.w. bis zur Herstellung von Strass (falsche
Diamanten) und Emaille.