Titel: | Die Fortschritte im Eisenhüttenwesen in den letzten fünf Jahren. |
Autor: | Karl Brisker |
Fundstelle: | Band 317, Jahrgang 1902, S. 12 |
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Die Fortschritte im Eisenhüttenwesen in den letzten fünf Jahren.
Von Ingenieur Karl Brisker, Assistent an der k. k. Bergakademie in Leoben.
Die Fortschritte im Eisenhüttenwesen in den letzten fünf Jahren.
In den ausgehenden Jahren des 19. Jahrhunderts zeigte die Eisenindustrie eine
derartige Entwickelungszunahme (s. Tab. 1), wie sie noch keine Zeit vorher gesehen
hat. Infolge dieser gewaltigen Zunahme der Erzeugung und des Verbrauches von Eisen
ist es begreiflich, dass die gemachten Fortschritte sich vornehmlich in dem Sinne
geltend machen mussten, diese Produktionszunahme erstlich überhaupt zu ermöglichen,
sie dann möglichst rasch und billig zu erzielen und womöglich noch zu steigern. Wir
werden sehen, dass vornehmlich die Einrichtungen, welche sich auf die Quantität der
Produkte beziehen, eine weitgehende Ausgestaltung erfahren haben – waren doch die
bestehenden Einrichtungen meist nur für geringere Produktion errichtet –, dass
hingegen Verbesserungen bezüglich der Qualität der Produkte, wenn auch nicht ganz
unterbrochen, so doch erst in zweite Linie zu setzen sind. Es ist ja begreiflich,
dass sich in der Summe der Erscheinungen die Bedeutung der einzelnen Summanden
wiederspiegeln muss.
Die Fortschritte des Eisenhüttenwesens dieser Zeit sind kurz charakterisiert durch
die Worte: keine grundlegenden Neuerungen, wohl aber eine Ausgestaltung und
Ausnutzung des Bekannten bis aufs äusserste.
Indem wir uns der Aufgabe unterziehen, die Resultate dieser Zeit zusammenzufassen,
wollen wir dem Gange der Eisengewinnung folgen und uns zuerst dem Ausgangsprodukte
der modernen Eisenerzeugung, dem Roheisen, zuwenden.
Tabelle 1.
Roheisenproduktion (1895 bis 1900) in 1000 t
ausgedrückt.
Länder
1895
1896
1897
1898
1899
1900
EnglandDeutschlandFrankreichBelgienOesterreich-UngarnRusslandSpanienUebrige Länder Europas*
7827 5465 2005 829 1128 1453 206 582
8798 6373 2334 959 1218 1622 246 517
8937 6881 2484 1035 1308 1882 282 561
8820 7313 2525 979 1427 2223 262 564
9454 8142 2567 1025 1500* 2707 296 530
9051 8422 2699 1018 1700* 2886 294 550
Zusammen
19415
22067
23370
24113
26221
26520
Vereinigte StaatenUebrige Länder der Erde*
9597 375
8761 395
9807 450
11962 545
13839 550
14009 560
Zusammen
29387
31223
33627
36620
40610
41089
* Geschätzt.
I. Fortschritte in der Hochofenindustrie.
Die in der Erzeugung des Roheisens in den letzten Jahren gemachten Fortschritte sind
fast ausschliesslich von dem Bestreben geleitet worden, die Gestehungskosten des
Roheisens zu verringern oder.dsie doch wenigstens von den
im steten Steigen begriffenen Arbeitslöhnen möglichst unabhängig zu machen.
Roheisen ist ein Zwischenprodukt, dessen Qualität bei der steten Vervollkommnung der
Raffinierprozesse, denen auch das beste Roheisen, um es technisch verwertbar zu
machen, unterzogen werden muss, nicht mehr jene wichtige Rolle spielt wie ehemals,
wo ein gutes Fertigprodukt bereits ein gutes Zwischenprodukt voraussetzte und aus
einem minderguten Roheisen kein gutes Eisen herzustellen war. Der Schwerpunkt der
Qualitätsfrage verschob sich immer weiter zum Stahlmanne, während dem Hochöfner mehr
der Kostenpunkt ans Herz gelegt wurde. Um dieser Forderung gerecht zu werden,
standen ihm zwei Mittel vornehmlich zu Gebote: Massenproduktion und rationellster
Betrieb.
Das erste Mittel, durch Massenproduktion das Produkt zu verbilligen, brachte ihm die
meisten in letzter Zeit zu lösenden Probleme. Die Bewältigung der gewaltigen Mengen
der Urstoffe, aus denen das Roheisen erzeugt wird, mittels rationellster Bewegung,
ohne Inanspruchnahme menschlicher Arbeitskräfte, lenkte in erster Linie die
Aufmerksamkeit und Erfindungsgabe auf sich. Transport- und Verladekosten zu sparen,
war oberste Bedingung und schuf gewaltige Organisationen mit umfassenden Mitteln. Wo
es anging, wie zum Teil in Amerika, wurden auch die öffentlichen Verkehrswege von
den Hüttenbesitzern abhängig gemacht. In den europäischen Ländern konnte man solches
nicht erreichen, und die hohen Frachtsätze der öffentlichen Verkehrsanstalten werfen
ihre vielmaligen Schatten in die Gestehungskostenberechnungen.
Neben diesem Streben nach Massenproduktion sehen wir das Augenmerk gerichtet auf die
Wirtschaftlichkeit des Betriebes in der Roheisenerzeugung, das sich in
Verbesserungen aller Art und in der ausgiebigsten Verwertung aller Nebenprodukte
kundgibt.
Zusammengefasst gliedert sich unsere Besprechung nach den vorhin aufgestellten
Gesichtspunkten in folgendes Programm:
1. Das Streben nach Massenproduktion äussert sich in Fortschritte. bezüglich der
Transportmittel, Erz- und Kohlenverladung, Gichtförderung, Giessmaschinen.
2. Das Streben nach Wirtschaftlichkeit des Betriebes ruft Fortschritte hervor bei
Detailkonstruktionen mannigfachster Art, bei Verbesserung der Maschinen und bei der
ausgedehntesten Verwertung der Nebenprodukte, insbesondere der Verwendung der
Gichtgase zum Betriebe von Gaskraftmaschinen.
Wir wenden uns nun diesen einzelnen Abschnitten zu und besprechen
1. Die Fortschritte beim Transport von Erz, und Brennstoff.
Zur Erzeugung von einer Tonne Roheisen bedarf man durchschnittlich das dreifache
Gewicht an Erz und Kalkstein und ein gleiches Gewicht an Koks, zusammen also
etwa 4 t Rohmaterial. Bedenkt man, dass es Anlagen gibt, welche täglich 1000 t
Roheisen erzeugen – was keineswegs eine abnormal grosse Leistung ist –, so muss
eine solche Anlage für eine tägliche Zufuhr von 4000 t Rohmaterial Sorge tragen.
Dazu sind aber noch die Produkte zu rechnen, und zwar 1000 t Roheisen, ferner
etwa 2500 t Schlacke, so dass die täglich zu bewältigende Menge eine Summe von
etwa 7500 t ausmacht. Um sich eine Vorstellung von solchen Massen zu machen,
erwäge man, dass ein Eisenbahnzug (aus 10 t-Waggons bestehend, die Bufferdistanz
mit 8 m gerechnet) eine Länge von 7 km haben müsste, um diese Massen
fortzuschaffen. Es ist daher die zweckmässige Bewegung solcher Mengen keineswegs
eine untergeordnete Sache.
Die Zufuhr der Rohmaterialien zur Hütte erfolgt im allgemeinen entweder mittels
Schiff oder mittels Eisenbahn. Wichtig hierbei sind zwei Momente, erstlich die
Beladefähigkeit (Tragfähigkeit) und zweitens die Entladefähigkeit der
Transportmittel. Während bei der Schiffszufuhr die Tragfähigkeit, im Vergleich
zu allen anderen Transportmitteln, eine sehr beträchtliche ist, ist die
Entladefähigkeit der Schiffe eine minder günstige. Der Wasserspiegel wird stets
das tiefstgelegene Niveau eines Platzes darstellen und es wird sich bei der
Entladung stets um eine Hebung des Gutes handeln.
Textabbildung Bd. 317, S. 12
Fig. 1. 500 t-Wagen der Carnegie Steel Co. (U. St.).
Günstiger in diesem Punkt ist die Zufuhr mittels Bahn. Es ist möglich die Geleise
so hoch zu führen, dass eine weitere Verladung unter Zuhilfenahme der
Schwerkraft leicht erfolgen kann. Mangelhaft ist hier jedoch in der Regel die
Bedingung der Tragfähigkeit erfüllt, so dass das Gut in viele Teile zersplittert
herbeigeschafft werden muss, was höhere Arbeitskraft und grössere
Raumverhältnisse erfordert. Die amerikanischen Eisenbahnen verfügen über Wagen
von einer Tragfähigkeit bis zu 50 t gegenüber unserem Normalwagen von 10 t. Erst
in allerjüngster Zeit ist man auch in unseren Staaten zur Einstellung von 20
t-Wagen für den öffentlichen Transport von Erz und Kohle übergegangen. Dass sich
mit der Steigerung der Nutzlast eines Wagens dessen tote Last im Verhältnis zur
ersteren vermindert, ist auf der Hand liegend.
Einen Wagen mit 50 t Tragfähigkeit, wie ihn die Carnegie
Steel Co. (U. St.) für ihre Erztransporte verwendet, zeigt Fig. 1 im Prinzip dargestellt. Wir sehen auch,
dass eine selbstthätige Entladung durch Oeffnen der an der tiefsten Stelle
angebrachten Klappen leicht möglich ist.
Textabbildung Bd. 317, S. 12
Fig. 2. Talbot'scher Selbstentlader (20 t).
Fig. 2 skizziert einen Talbot'schen Selbstentlader, wie er in Deutschland öfters angetroffen
wird, dessen Tragfähigkeit zwar geringer (20 t) ist, der aber für die Entladung
mehr Kombinationen zulässt.
Fig. 3 bis
5
bieten Prinzipskizzen eines Wagens der Godwin Car
Co. in New York, dessen Selbstentladung alle Möglichkeiten erschöpft.
(Vgl. Zeitschrift des Vereins deutscher Ingenieure,
1901 S. 733.)
Textabbildung Bd. 317, S. 12
Wagen der Godwin Car Co. in New York (37 t).
Sehen wir hier auch einige geeignete Vorrichtungen, Eisenbahnwagen automatisch
entleerbar zu machen, so dürfen wir es doch nicht verschweigen, dass immer noch
der w!itaus grösste Teil aller mit der Bahn zugeführten Massengüter von Hand aus
mit der Schaufel entleert werden muss. Vorrichtungen, durch welche auch Wagen,
die nicht für Selbstentladung eingerichtet sind, auf einmal
mechanisch durch Umkippen des ganzen Wagens entleert werden könnten, wie
solche in Amerika in Verwendung sind, werden von unseren Bahnverwaltungen nicht
zugelassen.
Textabbildung Bd. 317, S. 13
Fig. 6. Brown'scher Auslader.
Sind die Rohmaterialien einmal an den Ort der Hütte zugeführt, sei es nun per
Schiff oder Bahn, so treten wir vor die Aufgabe der Verladung. Eine Art
derselben wurde schon angedeutet, die Selbstverladung, wo das Gut der
Schwerkraft folgend von einem höheren Niveau auf ein tieferes abgestürzt wird.
Oft wird dies aber nicht möglich sein, da es sich in der Regel um ein Aufstapeln
auf Vorrat handelt. Da es Werke gibt, die Vorräte für den ganzen Winter
anzusammeln haben, so ist es oft nicht denkbar, diese Vorräte in hochgelegenen
Behältern zu lagern, so dass sie ihrer weiteren Verwendung selbstthätig
zugeführt werden könnten. Man muss sie also in der Regel auf dem Niveau des
Hüttenplatzes ansammeln.
Was die eigentlichen Verladevorrichtungen betrifft, die eine Hebung des Gutes
bewirken müssen – was immer bei einer Entladung eines Schiffes der Fall sein
wird –, so sind auf diesem Gebiete so vielerlei Konstruktionen in letzter Zeit
ausgeführt worden, dass es zu weit gehen würde, auch nur annähernd das in unser
Gebiet fallende zu besprechen. Wir wollen hier nur auf einige typische und oft
angewendete Ausführungen hinweisen.
Als allgemeine Forderungen an derartige Einrichtungen können genannt werden:
1. Raschheit und Billigkeit der Verladung;
2. möglichst mannigfache Verwendbarkeit;
3. Schonung des zu verladenden Gutes.
Textabbildung Bd. 317, S. 13
Fig. 7. Hulett-Auslader mit Greifer.
Was die erste Forderung betrifft, so sind hier ganz erstaunliche Leistungen
aufzuweisen. Es ist heute möglich, in 10 Stunden 6000 bis 7000 t Güter vom
Schiff in Eisenbahnwagen zu verladen, wozu nur 27 Mann erforderlich sind, von
denen wiederum nur 13 schwere Arbeit leisten.
Der zweiten Forderung genügen die meisten Einrichtungen dadurch, dass sie selbst
beweglich angeordnet sind. Was endlich die Schonung des zu verladenden Gutes
anbelangt, was hauptsächlich bei Brennstoffen von Belang ist, so macht sich hier
die Anwendung sogen. Greifer (Vorrichtungen, die beim Fassen des Gutes das
Greifen der menschlichen Hand nachahmen) vorteilhaft bemerkbar. Ferner ist Sorge
zu tragen, dass die Sturzhöhe keine zu grosse ist, was bei den meisten
Einrichtungen erzielt werden kann.
Fig. 6 zeigt die Skizze eines Brown'schen Ausladers, der recht häufige Verwendung
findet (vgl. Stahl und Eisen, 1901 S. 975). In
Ergänzung der Skizze sei bemerkt, dass der vordere Bock mit zwei oder mehreren
Rädern auf einer zum Dock parallelen Schiene läuft, der rückwärtige mit doppelt
so vielen Rädern auf zwei Schienen, die eine Spurweite von 3 m haben. Die
Katzenlaufbahn besteht aus Holzbalken mit aufgeschraubten Schienen, und jener
Teil derselben, der über den vorderen Bock hinausragt, kann aufgezogen werden,
um ein unbehindertes Anlegen der Schiffe zu ermöglichen. Das Steuerhaus 8 ist so hoch angebracht, dass von dort aus alle
Verrichtungen des Kranes überblickt werden können. Der Steuermann hat nur drei
Hebel zu bedienen und zwar Dampfabsperrventil, Friktionskuppelung und
Bandbremse. Der Kran arbeitet in der Weise, dass er das gefüllte Fördergefäss
rasch emporhebt, dieses beim Emporziehen gegen Winkelhebel schlägt, welche die
Katze von dem Laufbahnkopfe loshaken, worauf sich diese samt der Last
weiterbewegt. An jener Stelle, wo die Entladung stattfinden soll, ist die
Wegbegrenzung angebracht, welche die Katze festhält, die Last loshakt und zum
Sinken bringt. Die Geschwindigkeit aller Bewegungen wird durch die Bandbremse
geregelt. Das Gefäss wird entleert, worauf sich der Vorgang in umgekehrter
Reihenfolge abspielt. Die Steigung der Bahn nach rückwärts hat den Zweck,
einerseits möglichst hohe Haufen aufstürzen zu können, andererseits gestattet
diese Anordnung die Anwendung eines sehr einfachen Windwerkes.
Textabbildung Bd. 317, S. 13
Fig. 8. Hunt's Umlader in Kratzwiek bei Stettin.
Was die Leistungsfähigkeit des Brown'schen Ausladers
betrifft, so können 12 nebeneinander gestellte Auslader in 12 bis 14 Stunden ein
Erzschiff, das auf den amerikanischen Seen zum Transport von Erzen dient, und
7000 t Ladefähigkeit hat, entladen. Da jedoch das Füllen der Fördergefässe von
Hand aus erfolgt, sind 127 Arbeitskräfte für diese Leistung erforderlich.
Billiger arbeiten entschieden die Hulett'schen
Verladevorrichtungen (Fig. 7) (vgl. Stahl und Eisen, 1901 S. 962). Diese besitzen den
schon erwähnten Greifer, welcher bei einem Hub die gewaltige Menge von 10000 kg
zu fassen vermag. Die Bewegungen, die aus der Zeichnung ersichtlich sind,
erfolgen mittels hydraulisch angetriebener Flaschenzüge. Die Bedienung eines
Ausladers erfolgt durch drei Mann (zwei Maschinisten, ein Heizer). Ausser diesen
sind für drei gleichzeitig arbeitende
Hulett-Verlader noch 18 Mann nötig (Aufseher, Schmierer). Es bewältigen nun drei
solche Vorrichtungen mit nur 27 Mann die gleiche Menge Verladegutes wie 12
Brown-Vorrichtungen mit 127 Mann. Es ist ersichtlich, dass dies eine grosse
Ersparnis bedeutet.
Die in Fig. 8 skizzierte Hunt'sche Verladevorrichtung ist in Kratzwiek bei Stettin und eine
ähnliche in Duisburg
in Verwendung. Sie gliedert sich in zwei Teile, den Hunt'schen Elevator A und die sogen. Hunt'sche automatische Brücke B. Der Elevator, elektrisch oder mit Dampf
betrieben, hebt mittels Greifers das Verladegut aus dem Schiffsraum unddfüllt es
in einen Sumpf S. Von diesem gelangt es in Wagen,
die sich auf der leicht geneigten automatischen Bahn selbstthätig weiter
bewegen, an einem beliebigen Punkte entladen und wieder selbstthätig an den
Ausgangspunkt zurückkehren. Die Leistungsfähigkeit dieser Verladevorrichtung ist
45 bis 75 t per Stunde.
2. Fortschritte bei der Gichtförderung.
Die Bewegung der Rohmaterialien ist noch nicht abgeschlossen, wenn sie durch die
im vorigen Abschnitte besprochenen Vorrichtungen auf dem Hüttenplatze gelagert
sind. Es ist jetzt notwendig, sie in zweckmässiger Weise an die Stelle ihrer
eigentlichen Verwendung zu bringen, d. i. das Gichtplateau des Hochofens.
Textabbildung Bd. 317, S. 14
Fig. 9. Suppes' Kranfüller (Lorain).
Ist hierbei die Länge des zurückzulegenden Weges in der
Regel nur gering, so ist doch der Höhenunterschied ein bedeutender. Moderne
Hochöfen haben eine Höhe bis zu 35 m, es müssen also Vorrichtungen zu Gebote
stehen, welche diese Höhe beherrschen können. Waren dies früher zumeist
vertikale Aufzüge, so bevorzugen neue Anlagen fast ausnahmslos schief gestellte
Seilbahnen oder Kräne. Der Grund dafür ist der, durch den schief gestellten
Apparat mit dem Fördergute direkt über die Mitte des Ofens gelangen zu können,
während der vertikale Aufzug eine weitere Verschiebung des Gutes in horizontaler
Richtung erfordert. Verlangte dies früher viele Menschenkraft oder komplizierte
mechanische Einrichtungen auf dem ohnehin beschränkten Platze des Gichtplateaus,
so ist es heute möglich, auf vollständig mechanische Weise, ohne eine andere
menschliche Arbeitskraft als die des Führers der Vorrichtung zu benötigen, die
gewaltigen Mengen der Urstoffe direkt in den Ofen zu bringen.
Textabbildung Bd. 317, S. 14
Fördergefässe.
Was zunächst den Transport von dem Vorratsraume bis zur Gichtvorrichtung
betrifft, so kann die Anlage derart beschaffen sein, dass erstens die Vorräte
unmittelbar beim Ofen liegen. Der Transport erfolgt dann entweder a) mittels
Transportbandes oder b) mittels Kranfüllers (Suppes' Vorrichtung Fig. 9) oder c) mittels
Lokomotivbetriebes oder endlich e) mittels Seilbahn.
Zweitens können die Vorräte entfernter liegen. Es werden dann vor den Hochöfen
sogen. Taschen eingeschaltet (Fig. 9), die von
einem Krane gefüllt werden und den täglichen Vorrat oder mehr enthalten. Von
diesen Taschen aus kann dann der Transport in der zuerst beschriebenen
Weise erfolgen.
Drittens können die Fördergefässe des Gichtaufzuges direkt bei den Vorratsräumen
gefüllt, wodurch man überdies ein nochmaliges Stürzen vermeidet, und mittels
beliebiger Vorrichtungen zu der Gichtvorrichtung gebracht werden. Die Lage des
Vorratsplatzes ist dann gleichgültig.
Diese drei Arten der Anlage der Vorratsräume stützen sich auf eine zweifache
Einrichtung der Gichtförderung: entweder sind die Fördergefässe mit derselben
fest verbunden, oder sie sind abnehmbar.
In Fig.
10 und 11 sind zwei sehr
zweckmässige Fördergefässe abgebildet. Fig. 10 zeigt ein
solches mit trichterförmigem Bodenverschluss. Die Wirkungsweise ist die, dass
beim Füllen das Gefäss auf dem Boden a aufruht,
beim Heben durch Ziehen an der Stange c der
trichterförmige Boden geschlossen bleibt, beim Entleeren des Gefässes aber
dasselbe nur an der ringförmigen Fläche b
unterstützt wird, wodurch beim Senken der Stange der Verschluss sich öffnet und
das Fördergut ausstürzt. Die in Fig. 11 abgebildete
Einrichtung ist ein aus Blech gefertigtes schalenartiges Gefäss, welches an zwei
Zapfen so unterstützt ist, dass es im leeren Zustande stets in die richtige Lage
zurückkehrt. Wird es jedoch beladen, so rückt der Schwerpunkt seitlich vom
Drehpunkt, so zwar, dass das Bestreben herrscht, das Ladegut zu entleeren.
Dieses Bestreben sich zu entleeren wird natürlich während des Transportes durch
eine zweckentsprechende Vorrichtung verhindert, und erst an dem Orte, wo die
Enpleerung stattfinden soll, diese Vorrichtung ausgeschaltet, worauf die Schale
kippt, das Gut entleert und sich wieder von selbst in die richtige Lage
zurückbringt. Die Schalen sind entweder auf einem Wagengestell abhebbar gelagert
oder die Räder sind direkt an ihnen befestigt, wie die Skizze andeutet.
Textabbildung Bd. 317, S. 14
Fig. 12. Brown'sche Gichtförderung.
Die Bedingungen, welche an eine zweckentsprechende Gichtförderung zu stellen sind
und die wir bei Besprechung der einzelnen Einrichtungen kennzeichnen wollen,
sind:
1. Sicherheit des Betriebes;
2. Bewältigung der Förderung;
3. Vermeidung der oftmaligen Stürzung;
4. richtige Verteilung des Materials auf der Gicht und
5. Billigkeit des Betriebes.
Die in Fig. 9 skizzierte Vorrichtung von Max Suppes (Iron and Steel,
Trades Journal, 1898 S. 143) ist längst der gezeichneten Taschen
verschiebbar. Der Führer dieses Kranfüllers entnimmt selbst das Erz-, Koks- oder
Kalkmaterial den Taschen, wobei gleichzeitig mit Hilfe einer Kranwage die Wägung
vorgenommen wird, fährt dann mit dem gefüllten Gefäss zu der Stelle, wo der
Gichtaufzug sich befindet und entleert seinen Inhalt in den
Gichtförderwagen.
Am meisten angewendet ist die in Fig. 12
gezeichnete Gichtförderung von Brown (Stahl und Eisen, 1901 S. 1039). Das Fördergefäss
wird durch eine elektrisch oder mit Dampf getriebene Winde auf der schiefen Bahn
zur Gicht emporgezogen. Während nun, oben angelangt, die beiden vorderen Räder
auf dem horizontal umgebogenen Geleise festgehalten werden, gehen die
rückwärtigen Räder, die auf einem besonderen Geleise laufen, weiter in die Höhe.
Das Gefäss kommt schief zu liegen und der Inhalt stürzt in den Gichttrichter.
Der Wagen gleitet dann wieder hinab, um aufs neue gefüllt zu werden.
In Fig. 13 ist eine neue, eigenartige
Begichtungsvorrichtung skizziert, die auf der neuen Hochofenanlage zu Eisenerz
in Steiermark in Verwendung steht. Dieselbe ist
ein schief gestellter Kran, dessen Gehänge die in Fig. 11
geschilderten Fördergefässe an den beiden Zapfen fasst, vom Wagenuntergestelle
abhebt und auf die Gicht zieht. Dort wird die Vorrichtung, welche das Kippen der
Schale verhindert, ausgelöst, worauf das Fördergut ausstürzt.
Textabbildung Bd. 317, S. 15
Fig. 13. Kranbegichtung in Eisenerz.
Die Schale geht dann von selbst in die richtige Lage
zurück, wird herabgelassen, auf das Wagengestelle aufgesetzt und losgehakt.
Darauf hebt der Kran ein zweites Gefäss u.s.f. Die Menge des auf einmal auf die
Gicht geförderten Gutes beträgt bei Erz 4 t, bei Koks 1½ t. Diese Vorrichtung,
welche anscheinend durch die von Lürmann in Stahl und Eisen, 1900 S. 561 veröffentlichten
Vorschläge zur Begichtung von Hochöfen durch Krane in ihrer Ausführung
beeinflusst wurde, bedient einen Ofen, dessen tägliche Erzeugung 400 bis 500 t
Eisen beträgt. Die Leistungsfähigkeit derselben ist also eine entsprechend
grosse, was auch daraus hervorgeht, dass anfangs diese eine Vorrichtung noch
einen zweiten Ofen mitbegichten sollte. Man ist jedoch von dieser Absicht
abgekommen. Vorteilhaft ist hierbei noch der Umstand, dass eine zweite Stürzung
des Materials zwischen Erzmagazin und Gichtvorrichtung vermieden wird.
Fig. 14 zeigt einen Gichtaufzug von Walter Kennedy (The Iron
Age, 1899 Nr. 26 S. 8), der sich von der Brown'schen nur dadurch unterscheidet, dass sich zwei Förderwagen auf
demselben befinden. Mit einer einzigen solchen Vorrichtung soll man soviel
Material zu bewältigen im stände sein, als ein Ofen für die tägliche Erzeugung
von 1000 t Roheisen benötigen würde.
Textabbildung Bd. 317, S. 15
Fig. 14. Kennedy's Aufgabevorrichtung für Hochöfen. (Mit Parry'schem Trichter.)
Die Fortschritte, die in dieser Richtung erzielt wurden, sind mannigfache. Die
Grösse des Hochofens ist nicht mehr abhängig von der Begichtungsvorrichtung, da
diese grössere Mengen bewältigt, als die grössten Oefen heute benötigen. Ferner
ist durch die durchaus selbstthätige Gichtförderung in Verbindung mit den an
späterer Stelle zu besprechenden Gichtverschlüssen die so wichtige Forderung der
gleichmässigen Begichtung und Verteilung des Materials auf der Gicht erfüllt. So
lange dies durch Menschenkraft erfolgte, konnte die Regelmässigkeit, wie sie ein
durchaus maschineller Betrieb erzielt, nie erreicht werden.
(Fortsetzung folgt.)