Titel: | Vergleichende Untersuchungen über die hydraulischen Eigenschaften der Ueberdruckturbinen. |
Autor: | Enno Heidebroek |
Fundstelle: | Band 317, Jahrgang 1902, S. 42 |
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Vergleichende Untersuchungen über die hydraulischen Eigenschaften der Ueberdruckturbinen.
Von Enno Heidebroek, Assistent an der Königl. Technischen Hochschule Charlottenburg.
(Schluss von S. 21 d. Bd.)
Vergleichende Untersuchungen über die hydraulischen Eigenschaften der Ueberdruckturbinen.
Im Anschlusse an die bislang durchgeführten ganz allgemeinen Untersuchungen
mögen nunmehr noch zwei spezielle Fälle behandelt werden, in denen durch eine
bestimmte künstliche Regulierung Aenderungen wie die oben erörterten in den
bestimmenden Faktoren der Turbine hervorgerufen werden, und die durch ihre dabei zu
Tage tretenden grundsätzlichen Verschiedenheiten einen Vergleich angebracht
erscheinen lassen.
Es sei wieder die Radialturbine mit Saugrohr zu Grunde gelegt, und zwar werde
zunächst angenommen, dass bei unverändertem Leitradquerschnitt die Wassermenge,
welche durch die Turbine läuft, durch irgend welche Ursache verändert wird. Nehme
ich z.B. bestimmte Grössen von Q an, so kann ich danach
bestimmen
c'_a=\frac{Q}{f_a}=\frac{\frac{Q}{{D_s}^2\,\pi}{4},
wenn Ds der Durchmesser des Saugrohres ist; ferner
c_e=\frac{Q}{f_e}\,:\,w'_e=c_e\,sin\,\alpha\,:\,w_a=\frac{w'_e}{a}.
Soll nun die Umlaufzahl in ihrer normalen Grösse erhalten bleiben, d.h. ve = konst. sein, so
kann ich jetzt auch we
und ca in ihrer wahren
Grösse ermitteln, durch Zusammensetzung mit ce, ∢α bezw. wa, ∢γ und damit die Verluste
feststellen.
Nun war nach Gleichung 2) das Ueberdruckgefälle
\frakfamily{h}_s=(1+\varphi_3)\,\frac{{w_a}^2}{2\,g}-\frac{a^2\,{w_a}^2}{2\,g}+\frac{{v_e}^2-{v_a}^2}{2\,g}
zu setzen, ein Wert, den ich ermitteln kann, ebenso wie den
Ausdruck
(1+\varphi_1+\varphi_2)\,\frac{{c_e}^2}{2\,g}
Die Summe
H_1=\frakfamily{h}_s+(1+\varphi_1+\varphi_2)\,\frac{{c_e}^2}{2\,g}
wird aber hier jetzt nicht gleich H zu setzen, sondern ≷ H sein; es gibt H1 den Wert an, auf
welchen H gebracht werden muss, um bei eben jener oben
willkürlich angenommenen Wassermenge das normale ve einhalten zu können. Wird z.B. Q kleiner angenommen, so müsste H1
< H, das Gefälle also gedrosselt werden, um den
Betrag H–H1. Diese Drosselung geschieht, wie bekannt, in
manchen Fällen durch einen Ringschützen am unteren Ende des Saugrohres; jeder
Verengung des Schützenquerschnittes am Saugrohr entspricht eine bestimmte
Widerstandshöhe, die von dem der Turbine zur Verfügung stehenden Gefälle zu
überwinden ist. Ueber die Grösse dieser Widerstandshöhen liegen Versuche von Weisbach vor, der zu den u.a. in Keck, Lehrbuch der Mechanik, II. Teil S. 284,
angegebenen Werten gelangt ist.
Textabbildung Bd. 317, S. 42
Fig. 20. Radialturbine. Veränderl. Q u. H; v konst.
Ermittelt man nun im vorliegenden Falle für verschiedene Werte von Q, wie angegeben, die entsprechenden Leistungen,
Wirkungsgrade u.s.w. sowohl wie die dazu gehörigen Werte von H – H1, so kann man annehmen, dass diese
Differenz durch Drosselung des Wassers am Ringschützen verbraucht wird, kann aus den
Weisbach'schen Zahlen, ungefähr wenigstens,
feststellen, welche Querschnittsverengung dieser
Drosselung entspricht, und so ein angenähertes Bild über den Einfluss der
verschiedenen Stellungen des Schützens auf die Leistungen und den Wirkungsgrad der
Turbine bei gleichbleibender Umlaufszahl gewinnen.
Derart ist mit der vorliegenden Radialturbine verfahren worden, und zwar ist Q von 0√H bis 2,4√H verändert angenommen. Die sich alsdann ergebenden
Zahlenwerte sind aufgetragen in dem Diagramm Fig.
20.
Aus den Zahlenwerten geht hervor, dass schon bei einem Wert von Q = 1,6 √H die Grösse H – H1 negativ ist,
d.h. um diese Wassermenge durch die Turbine zu treiben, bedarf es bereits eines
Gefälles > H. Bei einem Wert von Q = 0,40 . √H wird schon
keine nutzbare Arbeit mehr geleistet, sondern es muss, um die Umlaufszahl einhalten
zu können, bereits Arbeit aufgewandt werden. In Fig.
20 sind die Werte von ηh, Nh und H – H1, bezogen auf Q, aufgetragen. Es zeigt sich daselbst, dass sich ηh direkt proportional
der Wassermenge ändert, wenn, wie hier, jene
Voraussetzung vorliegt, dass zugleich mit der Verringerung der Wassermenge das
Gefälle auf den Wert gedrosselt wird, welcher für die einzuhaltende Umlaufszahl
erforderlich ist. Die Leistungskurve zeigt die Form einer Parabel, deren
Symmetrieachse aber senkrecht zu der Linie steht, welche die Wassermengen angibt. Im
Punkte P gehen beide Kurven durch die Nulllinie, d.h.
erst bei grösser werdendem Q fängt die Turbine an
Nutzleistung zu liefern. (Die über die thatsächlich möglichen Grenzen hinausgehenden
Werte von ηh und Nh sind eingezeichnet,
um den Verlauf der Kurven verfolgen zu können.) Die durch Drosselung zu zerstörenden
Teile des Gefälles (H – H1) sind nun gesetzt =\varphi_4\,\frac{(c'_a)^2}{2\,g}, wobei für
φ1 die von Weisbach für rechteckige Schieberquerschnitte
aufgestellten Koeffizienten zu Grunde gelegt werden sollen. Der unverengte
Querschnitt, der bei normaler Beaufschlagung in Frage kommt, sei F, der durch eine beliebige Schützenstellung verengte
F1; dann entspricht
jedem Werte \varphi_4\,\frac{(c'_a)^2}{2\,g} ein ungefährer Wert \frac{F_1}{F}, der im Diagramm unter dem
zugehörigen Wert von Q angegeben ist. Wie weit diese
Zahlen als zuverlässig anzusehen sind, entzieht sich der Beurteilung; jedenfalls
zeigen sie, wie schnell der Wirkungsgrad und die Leistung unter dem Einflüsse der
Regulierung sinken. Bei ¼ Oeffnung des Schützen, d.h. einer Beaufschlagung, die halb
so gross ist als die normale, ist ηh um 65 %, die Leistung um 80 % kleiner
geworden als die normale. Auf demselben Prinzip: Verringerung der zulaufenden
Wassermenge unter gleichzeitiger Drosselung des Gefälles, beruhen übrigens wohl
sämtliche Regulierungen mit Schützen vor oder hinter der Turbine; die hier
aufgestellten Kurven lassen sich daher auch ohne weiteres auf sie anwenden.
Die Wirkung derartiger Regulierungsvorrichtungen ist, wie bereits hervorgehoben, eine
äusserst energische. Wo also Wasser stets in genügender Menge zur Verfügung steht,
insbesondere da, wo man ohnehin genötigt ist, das nicht verbrauchte Wasser durch die
Freiflut zu leiten, sei es, um Wasserschläge in langen Rohrleitungen zu vermeiden,
sei es, weil das Wasser weiter unten nochmals nutzbar gemacht werden soll, sind sie
wirtschaftlich durchaus gerechtfertigt und wegen ihrer einfachen Konstruktion, die
auch bequem für selbstthätigen Angriff ausgebildet werden kann, anderen Anordnungen
gegenüber jedenfalls im Vorteil. Aber sie versagen da, wo es gilt, veränderliche
Wassermengen mit stets möglichst gutem Wirkungsgrad auszunutzen, und das ist wohl
der am häufigsten vorliegende Fall bei grösseren
Anlagen, die elektrischen Kraftstationen dienen. Sie liefern eine schlechte
Ausnutzung der vorhandenen Energie, sobald die Beaufschlagung nur wenig von der
normalen abweicht, und sind deshalb für solche Fälle, wo die Anlage längere Zeiten
unter veränderten Wasserverhältnissen laufen muss, durch andere Konstruktionen
verdrängt. Hier ist vor allem die Anwendung der drehbaren Leitschaufel zu nennen,
welche heute für Francis-Turbinen in erster Linie in Frage kommt, und auch bei
dem vorliegenden Beispiel angewandt wurde. Für diese sollen nunmehr zum Schluss
ebenfalls die Veränderungen der Leistungen, Drehmomente und Wirkungsgrade bei
verschiedenen Beaufschlagungen unter Annahme gleichbleibender Umlaufszahl und
konstanten Gefälles ermittelt werden.
Das Schema der Anordnung des Leitrades ist aus Fig. 2
ersichtlich; der Rechnungsvorgang ist folgender: Es werden verschiedene Werte von
Q angenommen, von 0√H
bis 2,0√H; dann bestimmt sich daraus
w_a=\frac{Q}{f_a};\ w'_e=a\,w_a;
ferner
2) \frakfamily{h}_s=\frac{(1+\varphi_3)\,{w_a}^2}{2\,g}-\frac{{w'_e}^2}{2\,g}+\frac{{v_e}^2-{v_a}^2}{2\,g}.
Die Wirkungsweise der Regulierung soll so sein, dass kein Gefälle abgedrosselt zu
werden braucht, um die vorgeschriebene Umlaufszahl einhalten zu können, d.h. es soll
auch
\frakfamily{h}_s+(1+\varphi_1+\varphi_2)\,\frac{{c_e}^2}{2\,g}=H
sein; dann ergibt sich
\frac{{c_e}^2}{2\,g}=\frac{H-\frakfamily{h}_s}{(1+\varphi_1+\varphi_2)}
und das erforderliche
19) c_e=\sqrt{\frac{2\,g}{1+\varphi_1+\varphi_2}}\,\sqrt{H}-\frakfamily{h}_s,
dadurch ist aber auch der benötigte Leitradquerschnipt gegeben
in
f_e=\frac{Q}{c_e}
und es wäre nur festzustellen, welchem ∢α der drehbaren Leitschaufeln dieser Wert von fe entspräche. Es ist
aber (vgl. Fig. 21)
20) fe
= b1 (De π sin α – s1 z1 – s2 z2 sin α)
= b1 De π sin α – s1 z1 b1 – s2 z2 b1 sin α
und
sin\,\alpha=\frac{f_e+s_1\,z_1\,b_1}{b_1\,(D_e\,\pi-s_2\,z_2)}.
Textabbildung Bd. 317, S. 43
Fig. 21.
In dem vorliegenden Beispiel war
s1
= 9 mm, z1 = 32, b1
= 330,
De = 1500 mm, s2 = 7 mm, z2 = 28,
also wird
sin\,\alpha=\frac{f_e+0,095}{1,49}.
Danach lässt sich also die Stellung der Leitschaufeln für die verschiedenen
Wassermengen ermitteln; sind nun
noch we und ca auf dem bekannten
Wege graphisch bestimmt und damit auch die Verluste \frac{{c_n}^2}{2\,g} und \frac{{c_a}^2}{2\,g}, so
ergeben sich alsbald auch die zugehörigen Werte für die Wirkungsgrade, Leistungen
und Drehmomente.
Textabbildung Bd. 317, S. 44
Fig. 22. Radialturbine. Veränd. Q; v konst.; Regulierung durch Verdrehung der Leitschaufeln.
Diese Berechnungen sind durchgeführt für Werte von Q,
die in den Grenzen 0√H bis 2√/H (entsprechend 0 bis 3,6 cbm/Sek.) veränderlich sind. Diese letzte Grenze ist
etwas weiter, als die vorliegende Konstruktion gestattet, weil sie einen ∢α = 35° 50' ergibt und der thatsächlich grösste ∢α nur 34°40' beträgt; doch hätte konstruktiv keine
Schwierigkeit vorgelegen, für grösste Beaufschlagung den ∢α auch noch grösser zu erhalten, und die Rechnung zeigt eben auch den
Einfluss einer noch weiter gehenden Erhöhung des Eintrittsquerschnittes. Die
Ergebnisse der Rechnung gehen am besten hervor aus ihrer Zusammenstellung in den
Diagrammen 22 und 23. Zunächst in Fig. 22 sind
Leistungen, Drehmomente und Wirkungsgrade bezogen auf die beaufschlagende
Wassermenge. Es zeigt sich, dass die Nutzleistungen und daher wegen der konstanten
Umlaufszahl auch die Drehmomente annähernd proportional der Wassermenge zunehmen bis
zu einem Werte von Q, der etwa 5/4 des normalen
beträgt. Von da ab erreichen beide alsbald ein Maximum und nehmen wieder ab, wegen
der alsdann unverhältnismässig schnell zunehmenden Verluste \frac{{c_n}^2}{2\,g} und
\frac{{c_a}^2}{2\,g} (vgl. Fig. 23).
Die entsprechenden Werte der Leitschaufelwinkel sind unter den Werten für Q angegeben. Eine noch weiter gehende Vergrösserung der
Winkel α und damit auch der Leitradquerschnitte würde,
wenn auch die Turbine die zugehörige Wassermenge noch schlucken würde, sehr schnell
zu einem schlechten Wirkungsgrad führen, wenigstens bei derselben Umlaufszahl; ein
Umstand, der von vornherein bei der Konstruktion des Leitrades zu berücksichtigen
ist. Das bemerkenswerteste Ergebnis ist in dem Verlauf der ηh-Kurven zu finden. Von der normalen
Beaufschlagung bis herab auf eine solche von nur ¼ derselben verschlechtert sich der
Wirkungsgrad um kaum 10 %, nach oben bei der maximalen Wassermenge ist er nur um 15
% schlechter. Wenngleich namentlich bei sehr geringen Leitschaufelöffnungen die
Verhältnisse in Wirklichkeit etwas ungünstiger ausfallen dürften, weil die
Leitschaufelenden dabei ziemlich weit von der Eintrittskante des Laufrades abstehen,
so zeigt sich hier doch deutlich genug aufs neue die vortreffliche Eigenschaft der
Regulierung mit drehbaren Leitschaufeln, innerhalb der gebräuchlichen Grenzen
der Beaufschlagung stets einen verhältnismässig günstigen Wirkungsgrad zu liefern.
(Vgl. die schon erwähnten Bremsversuche von Prof. Pfarr,
Zeitschrift des Vereins deutscher Ingenieure, 1892.) Der innere Grund
hierfür liegt darin, dass sie eine Veränderung der Aufschlagwassermenge zulässt,
ohne gleichzeitig eine Beeinflussung auf das nutzbare Gefälle zu bewirken, wenn die
Umlaufszahl erhalten bleiben soll; denn Regulierungen am Gefälle wirken, wie oben
gezeigt wurde, sofort sehr energisch auf den Nutzeffekt ein. In Eig. 23 sind die
beiden Hauptverlustquellen \frac{{c_a}^2}{2\,g} und \frac{{c_n}^2}{2\,g}, bezogen auf Q, aufgetragen; auch die Werte von \frac{{c_e}^2}{2\,g} und die
Ueberdruckgefälle \frakfamily{h}_s.
Die Untersuchungen seien mit diesem Beispiel abgeschlossen. Es liegt indessen auf der
Hand, dass die Behandlung, die das umfangreiche Gebiet in der vorliegenden Arbeit
gefunden hat, keine erschöpfende sein konnte, dass sich die angestellten
Ueberlegungen vielmehr noch in mancher Beziehung erweitern liessen und zu anderen
interessanten Schlüssen führen würden.
Textabbildung Bd. 317, S. 44
Fig. 23. Radialturbine. Veränderl. Q; v konst.
Was die Genauigkeit der Berechnungen im einzelnen anbelangt, so sei hier, wie bereits
eingangs bemerkt, nochmals hervorgehoben, dass eine präzise Untersuchung die
Berücksichtigung noch mancher Einzelheiten verlangt haben würde, auf die hier nicht
näher eingegangen ist. Die Uebersicht der Ergebnisse würde dadurch aber nur
beeinträchtigt, die gewonnenen Resultate in keiner Weise verbessert worden sein. Es
sind deshalb auch die angeführten Zahlengrössen, Koeffizienten u.s.w. sowohl wie die
vorhandenen Abmessungen des beliebig gewählten Beispiels als unmassgeblich anzusehen
und ohne Einfluss auf die allgemein gehaltenen Schlussfolgerungen. Es kam vor allem
darauf an, eine übersichtliche Darstellung der für den Bau wie Betrieb gleich
wichtigen Abhängigkeit der Turbine von Veränderungen ihrer Energiequelle zu schaffen
und so den inneren Zusammenhang mancher, aus Versuchen bereits bekannten
Erscheinungen klar zu stellen. Für diesen Zweck dürfte die hier angewandte Methode
wohl geeignet und ausreichend sein und beim Entwurf wie bei der Beurteilung fertiger
Anlagen gute Dienste leisten. Andererseits zeigt sie aufs neue die Nothwendigkeit,
durch systematisch durchgeführte Versuche diese und ähnliche auf theoretischem Wege
gewonnene Erkenntnisse erst in ihrem wahren Werte festzulegen, theoretische
Möglichkeit und brauchbare Wirklichkeit miteinander in Einklang zu bringen.