Titel: | Die Fortschritte im Eisenhüttenwesen in den letzten fünf Jahren. |
Autor: | Karl Brisker |
Fundstelle: | Band 317, Jahrgang 1902, S. 73 |
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Die Fortschritte im Eisenhüttenwesen in den letzten fünf Jahren.
Von Ingenieur Karl Brisker, Assistent an der k. k. Bergakademie in Leoben.
(Fortsetzung von S. 56 d. Bd.)
Die Fortschritte im Eisenhüttenwesen in den letzten fünf Jahren.
C. Detailkonstruktionen des Hochofens.
Unter dem Gichtplateau, das bei modernen Oefen fast ausschliesslich durch eine von
dem Ofen völlig unabhängige Eisenkonstruktion getragen wird, befindet sich eine
Neuerung, die den Ofen und die Gasleitungen vor Explosionen zu schützen bestimmt
ist. Fig. 35 skizziert diese Einrichtung, die im
wesentlichen aus rund um den Ofen angeordneten, durch ihre eigene Schwere
geschlossen gehaltenen Klappen K besteht. Im Falle
einer Explosion werden diese Klappen durch den Druck geöffnet und die feurigen Gase
treten unter dem Gichtplateau ins Freie, ohne die auf der Gicht befindlichen
Personen zu belästigen. Diese Anordnung dürfte bei keinem neuen Ofen mehr
fehlen.
Textabbildung Bd. 317, S. 73
Fig. 35. Anordnung von Explosionsklappen.
Textabbildung Bd. 317, S. 73
Fig. 36. Ofenschacht aus gusseisernen Segmenten.
Die weitaus wichtigste Neuerung, die wir auf dem Gebiete der Ofenkonstruktion in der
letzten Zeit eingeführt sehen, ist die zuerst in Deutschland ausgeführte Konstruktion des Ofenschachtes und der Rast aus gusseisernen
Segmenten, die im Innern eine nur schwache Verkleidung mit feuerfesten
Steinen besitzen (etwa 60 bis 70 mm stark) und aussen mit Wasser gekühlt werden. Auf
der Hauptversammlung des Vereins deutscher
Eisenhüttenleute zu Düsseldorf am 15. Juni 1900 berichtete Generaldirektor
Burgers-Gelsenkirchen ausführlich über diese
Ausführung und den mit ihr gemachten Erfahrungen auf der Hütte Vulkan bei Duisburg (vgl. Stahl
und Eisen, 1900 S. 675). Diese Konstruktion, welche in Fig. 36 skizziert ist, hat sich aus der in Fig. 37 abgebildeten Verbindungsausführung zwischen
Schacht und Rast weiter entwickelt. Die Uebergangsstelle vom Schacht zur Rast ist
eine der Abnutzung sehr zugängliche Stelle und die in Fig.
37 gegebene Konstruktion wird ursprünglich nur diesem Umstände haben
Rechnung tragen sollen. Aus ihr ging dann die in Fig.
36 gezeichnete Ausführung hervor. Wir haben uns den Ofen aus Ringen
zusammengesetzt zu denken, die aus einzelnen in Fig.
36 im Querschnitte ersichtlichen Segmenten bestehen. Diese Segmente sind
1,5 m hoch und gegenseitig durch Vernietung und Verschraubung festgehalten. Zur
weiteren Befestigung sind die Segmente von ringförmigen Bändern umfasst. Der
zwischen den Rippen freie Raum ist mit feuerfesten Steinen ausgekleidet, während die
Aussenseite der Ringe durch Wasser berieselt wird, welches sich unten in einer Rinne
sammelt. Die in Fig. 36 gezeichnete Anordnung sieht
für jeden Ring eine Sammelrinne vor, es sind aber auch Oefen zugestellt worden, wo
immer drei Ringe vom Wasser berieselt werden, ehe es von einer Rinne aufgenommen
wird. Auch sind die Arbeitsleisten an den Stossfugen nicht unbedingt notwendig.
Einer kühnen Idee ist mit dieser Konstruktion zu einem grossen Erfolge
verholfen worden. Man hatte vor allem befürchtet, dass die bei so dünnwandiger
Ausführung notwendige starke Wasserkühlung dem Ofen zu viel Wärme entziehen werde.
Das hat sich jedoch als nicht richtig erwiesen. Im Gegenteil zeigte diese Ausführung
gegenüber der Auskleidung der Oefen mit Steinen (oft bis zu einer Stärke von 1 m)
ganz beträchtliche Vorteile. Erstlich waren die grossen Profiländerungen der mit
Stein zugestellten Oefen hier nicht möglich. Was diese zur Folge haben, erhellt aus
dem Umstände, dass der prozentuale Koksverbrauch pro 1 t Roheisen mit zunehmendem
Alter der Zustellung immer grösser wird. In der Regel beträgt diese Steigerung 5 %
gegenüber dem Mittelwerte der ersten Hälfte der Lebensdauer der Zustellung. Man hat
ja sehr oft bei der Ausserbetriebsetzung eines Ofens Aenderungen bis zu 1 m im
Durchmesser gefunden. Ein zweiter wichtiger Vorteil dieser eisernen Zustellung ist
die Möglichkeit einer schnelleren Inbetriebsetzung des Ofens, die gegenüber der oft
monatelangen Dauer dieser Periode bei mit Stein zugestellten Oefen in 10 Tagen
vollendet ist. Im Gestell des Ofens, wo die höchsten Temperaturen herrschen, ist
diese Art der Zustellung nicht anwendbar, sie muss hier stets mit Steinen erfolgen,
wobei noch zu bemerken wäre, dass für diesen Teil ein kleines Steinformat
zweckmässiger ist als ein grosses. Die kleinen Steine können infolge ihrer grösseren
Elastizität der durch die Wärmeausdehnung bedingten Deformation besser widerstehen.
Dazu gesellt sich der Umstand, dass kleine Steine in besserer Qualität herzustellen
sind und auch die Ausmauerung mit kleinen Steinen eine leichtere ist.
Textabbildung Bd. 317, S. 73
Fig. 37. Verbindung zwischen Schacht und Rast.
Textabbildung Bd. 317, S. 73
Fig. 38. Kühlung der Formen.
Was die besonders in diesen Teilen des Hochofens erforderlichen Kühlanlagen betrifft, so sind als wichtige Forderungen
diesbezüglich erkannt worden, dass 1. die Kühleinrichtungen ohne Wasserverschwendung
arbeiten, dass sie 2. dauerhaft und leicht überwachbar sind, und auch die
Haltbarkeit des Ofens nicht beeinträchtigen, und dass 3. bei einem eventuellen Bruch
kein Wasser in den Ofen dringt. Während nun die Kühlung durch Wasser in der Regel so
erfolgt, dass Druckwasser benutzt wird, welches entweder zur äusseren Berieselung
dient oder ein System von Röhren oder Kästen durchläuft, ist ein neuer Vorschlag
gemacht worden, für diese Zwecke lieber angesaugtes Wasser zu verwenden. Denn die
Verwendung von Wasser unter Saugspannung erleichtert die Erfüllung der Forderung mit
Wasser zu sparen einerseits, andererseits ist es dabei unmöglich, dass bei einem
Leckwerden der Kühlleitung Wasser aus derselben austritt. Dieses Prinzip ist unter
der Bezeichnung Vakuumwindform zuerst für die Kühlung der Formen verwendet worden
(vgl. Stahl und Eisen, 1901 S. 836). Fig. 38 skizziert diese Einrichtung. In den
Wasserbehälter A fliesst Wasser aus der Leitung W solange zu, bis der Behälter gefüllt ist
und die Leitung durch ein Schwimmerventil abgesperrt wird. Durch die
Saugleitung S wird das Wasser durch die Form gesaugt.
Tritt ein Leckwerden ein, so ist natürlich eine Wasserzirkulation unmöglich.
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Gaines-Windform.
Von den Neuerungen auf dem Gebiete der Formenkonstruktion sei die Gaines-Windform genannt (vgl. Stahl und Eisen, 1897 S. 1062). Die in den Fig. 39 und 40
gezeichnete Form will erreichen, dass die bei der Verwendung gewöhnlicher Formen mit
cylindrischer Mündung an dem Rande des Ofens entstehenden toten Felder vermieden
werden. Es ist bei dieser Konstruktion nur sehr schwer, die für jeden Ofen anders zu
gestaltende Mündung empirisch zu bestimmen, auch ist Gefahr vorhanden, dass der Wind
nicht bis zur Mitte dringt und statt der toten Felder am Rande sich ein solches in
der Mitte bildet.
D. Windleitung und Winderhitzer.
Der wichtigste Teil der Windleitung sind die in sie eingeschalteten
Winderhitzungsapparate. Diese sind nunmehr fast ausnahmslos Steinapparate, in
welchen die auf ein Ziegelgitterwerk übertragene Wärme der Heizgase zur Erhitzung
des Windes benutzt wird. Selbst bei den kleinen Holzkohlenhochöfen, wo die früher
allein bekannten eisernen Winderhitzer auch heute noch Anwendung finden, ist ein
ökonomischer Vorteil dieser gegenüber steinernen Apparaten nicht zu bemerken, im
Gegenteil. Eiserne Winderhitzer haben vor den steinernen nur den Vorteil voraus,
dass sie eine grössere Gleichmässigkeit der Windtemperatur erzielen. In den
Steinapparaten ist die Temperatur zuerwt sehr hoch und zum Schluss sehr niedrig.
Eine Einrichtung, welche diesem Uebelstand begegnen kann, sind die von den
Ingenieuren Gjers und Harrison ausgeführten Ausgleicher (D. R. P.
Nr. 101492). Es wird ein in Fig. 41 skizzierter
Steinapparat hinter den eigentlichen Winderhitzern in die Windleitung eingeschaltet,
den zuerst der hocherhitzte Wind, später der kältere durchstreifen muss. Dieser
Ausgleicher ist im Querschnitt rund und durch eine Scheidewand in zwei gleiche Teile
geteilt. Die Temperatur, welche die Steine des Ausgleichers beim Wechseln der
Winderhitzer haben, wird dem Mittel zwischen höchster und tiefster Windtemperatur in
den Winderhitzern entsprechen. Durchstreicht nun der aus dem frischgeheizten
Winderhitzer kommende Wind den Ausgleicher, so muss er seine Temperatur erniedrigen
und Wärme an den Ausgleicher abgeben, welche später, wenn die Windtemperatur unter
das Mittel sinkt und sich dem Minimum nähert, dem Winde wieder zu gute kommt, und
somit die Temperaturunterschiede in engere Grenzen bringt.
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Fig. 41. Ausgleicher von Gjers und Harrison.
Was die steinernen Winderhitzer betrifft, so ist ihre Grösse mit ihrer Umgebung
gewachsen. Betrug die Höhe des ersten Winderhitzers 18 m, so bestehen jetzt solche
bis zu 34 m. Ihre Anwendung ist allgemein geworden trotz der Fehler, die ihnen
anhaften und die zu beseitigen noch nicht gelungen ist, ja über deren Ursachen man
sich noch nicht völlig im klaren ist. Die Eigenschaften der zum Baue von
Winderhitzern verwendeten feuerfesten Steine müssen die besten sein, die man bei
diesem Material überhaupt erzielen kann. Grosse Feuerbeständigkeit neben hoher
Druckfestigkeit und genügender Volumbeständigkeit sind die Haupterfordernisse. Die
Eigenschaft der Feuerfestigkeit wird herabgesetzt durch die in den
Gichtheizgasen enthaltenen Alkalien, deren auflösender Wirkung sich kein Stein mit
der Zeit entziehen kann. Die Druckfestigkeit der Steine ist besonders in den unteren
Partien ein wichtiges Erfordernis. Man versuchte in letzter Zeit wieder auf einen
eisernen Unterbau, den schon die ersten Winderhitzer hatten, zurückzugehen, allein
dieser ist nicht nur schlecht, sondern auch überflüssig, da es möglich ist, den
unteren Teil so zu bauen, dass die Steine keine Zugbeanspruchung erleiden und auch
die Druckbeanspruchung innerhalb der zulässigen Grenzen bleibt. Die
Volumbeständigkeit der Steine ist vollkommen nicht zu erreichen und nur die ersten
Qualitäten werden auf sie hin geprüft. Auffallend schnelle Zerstörung der Steine ist
zumeist auf diese Ursache zurückzuführen, da bei der Ausdehnung der Steine Kräfte
geweckt werden, über deren Grösse kein Urteil möglich ist. Vielleicht kann man
diesem Umstände dadurch Rechnung tragen, dass man Chamotte- und Dinassteine zugleich
verwendet. Während erstere schwinden, dehnen sich letztere aus, so dass bei
geeigneter Anordnung die resultierende gegenseitige Verschiebung sich ausgleichen
könnte.
Es soll also erstens die für Winderhitzer verwendete Qualität der Steine die beste
sein, da jede Ersparnis in dieser Beziehung sich durch eine bald nötig werdende
Erneuerung des Mauerwerkes rächt. Zweitens muss aber auch auf eine oftmalige
gründliche Reinigung der Winderhitzer gesehen werden, wenn man drittens nicht am
besten mit der Reinigung schon bei den Gichtheizgasen beginnt.
Textabbildung Bd. 317, S. 74
Fig. 42. Verbindung der Winderhitzer nach François.
Der zweite Punkt, die oftmalige Reinigung der Apparate, wird oft wegen der damit
verbundenen längeren Ausserbetriebsetzung eines Winderhitzers vernachlässigt. Die
direkte Reinigung mit Stahlbürsten ist das einzige Mittel, verlangt aber die völlige
Abkühlung des Apparates, die allein drei bis sechs Tage erfordert. Es hat nun François einen Vorschlag gemacht, der die
Ausserbetriebsetzung eines Winderhitzers verkürzt und noch andere Vorteile für die
Winderhitzung bietet. Er erbaut eine neue Windleitung (Fig.
42 skizzierp dieselbe), welche die Winderhitzer unabhängig von der übrigen
Leitung so verbindet, dass die Wärme eines zwecks Reinigung ausser Betrieb gesetzten
Apparates auf einen anderen übertragen wird. Die so gewonnene Wärmemenge, die ohne
diese Vorrichtung verloren ginge, ist eine sehr beträchtliche und beträgt das
Aequivalent mit Brennstoff 13800 kg Koks (vgl. Stahl und
Eisen, 1898 S. 367). Es bedeuten in Fig. 42
die Zahlen 1 bis 8
Absperrschieber in der Windleitung. Soll z.B. Apparat II ausser Betrieb gesetzt werden, so zwar, dass er seine Wärme an den
Winderhitzer III abgeben soll, so werden die Schieber
4 und 5 geöffnet, alle
anderen bleiben geschlossen. Die kalte Gebläseluft wird dann dem Apparat III durch den zu kühlenden Apparat II zuströmen gelassen. Sollte die Wärme z.B. an Apparat
IV abgegeben werden, so sind die Schieber 4 6 8 zu öffnen, alle anderen zu schliessen. Mit Hilfe
dieser neuen Windleitung ist also erstlich eine raschere Abkühlung, da Gebläseluft
verwendet wird, möglich, aber auch durch Hintereinanderschaltung mehrerer im Betrieb
befindlicher Apparate eine Steigerung der Windtemperatur zu erzielen. Der
Hauptvorteil ist aber die durch das schnellere Abkühlen ohne grosse Betriebsstörung
und grossen Wärmeverlust ermöglichte Reinigung der Winderhitzer.
Zum Schlusse dieses Abschnittes soll auf die Vorteile der Reinigung der zur Erhitzung
dieser Apparate nötigen Gase hingewiesen werden. Nimmt man an, dass in einem
Winderhitzer pro 1 t Roheisen 1000 cbm Gas verbrannt werden mit einem Staubgehalte
von nur 3 g pro 1 cbm, so gibt das bei einer Erzeugung von 100 t Eisen per
24 Stunden eine Menge von 300 kg Staub, die in 24 Stunden den Winderhitzer
passieren, in einem Monap ist das 9000 kg. Es ist ja richtig, dass nur ein Teil
dieses Staubes in dem Winderhitzer zurückbleibt, wie viel ist nicht angebbar.
Immerhin verlegt diese Staubmenge die Durchgänge des Mauerwerks, erniedrigt die
Wärmeaufnahmefähigkeit und vermindert durch ihren Alkaliengehalt die
Feuerbeständigkeit der Steine. Daher das Erfordernis der öfteren Reinigung und die
mit ihr verbundenen Betriebsstillstände eines Apparates. Während man daher bei
Verwendung ungereinigter Gase per Hochofen mindestens vier Winderhitzer haben muss,
von denen einer stets in Reparatur ist, dürfte man bei Verwendung gereinigter Gase
mit drei Apparaten auskommen, wobei man noch den Vorteil der besseren und
schnelleren Ausnutzung der Gase wegen ihres grösseren Heizeffektes erhalten würde
und überdies die Haltbarkeit des Steinmaterials bedeutend vergrössern könnte.
(Fortsetzung folgt.)